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„Seelsorge ist für mich menschliche Pflicht“
Früher war Rudolf Dormann in der Geschäftsführung eines großen Industrieunternehmens. Seit zehn Jahren ist der Pensionist ehrenamtlicher Seelsorger. Er spricht über seine Motive, schwierige Momente und eine Herzenssache.
Von Claudio Honsal
Vinzenz magazin: Was war für Sie die Motivation, eine ehrenamtliche Tätigkeit einzugehen?
Rudolf Dormann: Nun, vor über zehn Jahren ist es mir privat, finanziell und gesundheitlich in meiner Pension rundum so unglaublich gut gegangen, dass ich beschlossen habe, etwas für andere zu tun, ohne etwas dafür bezahlt zu bekommen. Ich hatte so viel in meinem Leben bekommen, dass ich ganz einfach wieder etwas zurückgeben wollte und will. Heute ist es für mich nicht nur Ehrensache, sondern eine Herzenssache.
Wie sind Sie an das Ordensklinikum Linz gekommen?
Ich hatte einige Optionen, die mir aber nicht gefallen haben. Dann habe ich den Personalchef des Krankenhauses, der bei mir seine berufliche Laufbahn gestartet hatte, angerufen und gefragt, ob es im Ordensklinikum etwas für mich gäbe – nun, es hat geklappt!
Was ist nun Ihre Tätigkeit im Ordensklinikum?
Aufgrund meiner jahrzehntelangen beruflichen Praxis im Umgang mit Menschen, mit Gespräche Führen und mit Zuhören habe ich mich dafür entschieden, als Seelsorger tätig zu sein. Denn die meisten Patientinnen* und Patienten* brauchen jemanden zum Reden und Zuhören.
Haben Sie dafür eine spezielle Ausbildung machen müssen?
Wir haben bei mehreren Wochenendseminaren gemeinsam mit evangelischen Kolleginnen* und Kollegen* eine spezifische Ausbildung erfahren und dann zusätzlich eine theologische als katholische Seelsorgerinnen* und Seelsorger*. Ich sehe die Seelsorge nicht als missionarische katholische Tätigkeit, sondern verstehe darunter vor allem, auf den Menschen zu- und einzugehen. Jemanden, der Probleme hat, egal welcher Konfession er angehört oder ob sie oder er Atheist*in ist. Seelsorge hat für manche Patientinnen* und Patienten* als Begriff den Beigeschmack des Kirchlichen. Was man dann damit erklärt, dass man ehrenamtlicher Seelsorger ist und kein Priester.
Wie sieht so eine seelsorgerische Betreuung aus?
Es beginnt beim Betreten des Krankenzimmers, denn ich kenne nur den Namen und das Alter, nicht aber die Krankengeschichten. Man muss sehr einfühlsam auf die jeweilige Situation eingehen. Von manchen wird man beim ersten Mal gleich abgewiesen, andere beginnen zu plaudern und mir ihre Probleme zu schildern und wieder von anderen erfahre ich die ganze Lebensgeschichte. Ich gehe nicht mit einer Tagesordnung oder einem Fragenkatalog zu den Patient*innen, sondern versuche, ganz einfach ins Gespräch zu kommen.
Wie sehr beeinträchtigt diese Verpflichtung und Verantwortung persönlich?
Medizinische Verantwortung habe ich ja nicht zu tragen, aber manchmal geht diese Aufgabe schon an die psychischen Grenzen. Dann kann ich einfach nicht mehr auf die Gespräche eingehen, bin nicht mehr aufnahmefähig, kann die Patientinnen* und Patienten* nur mehr mit Kraftanstrengung unterstützen. Dann beende ich für diesen Tag meinen Dienst. Meine Tätigkeit reicht von netten Plaudereien bis hin zur Sterbebegleitung. Wir haben im Seelsorgebüro nach dem Dienst immer eine Ansprechperson, mit der man den Tag oder kritische Problemfälle reflektieren kann. Das ist eine gewisse Entlastung für mich als Seelsorger. Solange ich kann, gesund und geistig in der Lage bin, einen Beitrag zu leisten, werde ich jedenfalls weitermachen. Es ist schön, wenn man das Zimmer verlässt und die Gesprächspartnerin* oder der Gesprächspartner* bedankt sich für das Gespräch oder hat ein Lächeln auf den Lippen. Seelsorge ist für mich mittlerweile menschliche Pflicht.
Vita
Ing. Mag. Rudolf Dormann kam 1947 in Wien zur Welt. Nach den Studien des Maschinenbaus und der Betriebswirtschaft ging er der Liebe wegen nach Linz. Er hat lange Jahre im Personalwesen gearbeitet, war zuletzt in der Geschäftsführung eines großen Linzer Industriebetriebes und hatte danach eine eigene Personalberatungsfirma.
Kurz nach seiner Pensionierung wollte der rundum glückliche und zufriedene Rudolf Dormann etwas für andere Menschen tun und ist seit zehn Jahren als ehrenamtlicher Seelsorger im Ordensklinikum Linz tätig. Dormann ist geschieden, hat zwei Söhne, die beide als Ärzte arbeiten. Ebenfalls ehrenamtlich ist er im Pfarrgemeinderat der Pfarrgemeinde Urfahr-Hl. Geist und als Kommunionhelfer im Ordensklinikum tätig. In seiner Freizeit wandert, fotografiert und liest er gerne.
© Werner Harrer, Headerbild