Eröffnung
sensor 09/21
Die rote Festung
protzig zu sein, so Hofrichter. âDas ist eine Architektur, die einen 30, 40 Jahre begleiten kann.â Die Sanierung passe zu den bodenstĂ€ndigen und selbstbewussten Rheinland-PfĂ€lzern, meint Hering.
Am 8. September kehrt der Landtag ins frisch sanierte Deutschhaus zurĂŒck
73 Mio. Euro und sechs Jahre spĂ€ter hat Mainz einen generalĂŒberholten Landtag samt Restaurant
Landtag / Torsten Silz
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ĂuĂerlich leuchtet das barock verspielte historische Deutschhaus am Rhein in einem satten dunklen Rot-Ton. âWenn man durch die Pforte eintritt, ist man in einer anderen Weltâ, findet LandtagsprĂ€sident Hendrik Hering. Nachdem das Deutschhaus im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört wurde, war es 1951 nach nur 153 Tagen wiedererrichtet worden. Erbaut wurde das GebĂ€ude fĂŒr den Mainzer Erzbischof und KurfĂŒrsten Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg. Als Hochmeister des Deutschen Ordens lieĂ er eine seinem Stand angemessene ReprĂ€sentationsstĂ€tte errichten. Zwischen 1729 und 1740 entstand so der Barockbau, der bis heute Deutschhaus genannt wird. Kostensteigerungen Fehlender Brandschutz, technische UnzulĂ€nglichkeiten, keine Barrierefreiheit und zu wenig Platz fĂŒr die rund 30.000 Besucher pro Jahr hatten die Sanierung notwendig gemacht. Der schlechte Zustand der Fassade, der Fund antiker MĂŒnzen, der nahe Rhein, Baukostensteigerungen von fast 18 Prozent und nicht zuletzt die Corona-
Pandemie haben die Sanierung in die LĂ€nge gezogen, wie Hering und der Ludwigshafener Architekt Linus Hofrichter berichten. So kletterten die ursprĂŒnglich angenommenen Kosten von rund 55 Mio. Euro fĂŒr Bau, Nebenkosten und die Einrichtung auf 73 Mio. Euro. Kriechgang entdeckt Ein bis dahin unbekannter Kriechgang zwischen den beiden KavaliersgebĂ€uden vor dem Deutschhaus hatte dann die letzte Verzögerung verursacht: Das Gewölbe musste abgesichert werden, bevor das Fundament fĂŒr das Tor gegossen werden konnte. In dem GebĂ€ude von 1740 tagte einst die frei gewĂ€hlte Mainzer Republik: Der kurzlebige Freistaat (von MĂ€rz bis Juli 1793) gilt als erste Demokratie auf deutschem Boden. Modernste Technik Bis zu 100 Handwerker und Bauleute aus 30 bis 40 Gewerken arbeiteten auf der Baustelle. Modernste Medientechnik wurde im Inneren installiert, mehr als 13 Kilometer Kabel verlegt. Der neue Plenarsaal und die angrenzenden RĂ€ume sind jetzt hell und modern
- bis auf das Dach und die AuĂenwĂ€nde ist hier alles neu. Architekt Hofrichter spricht sogar von einem der schönsten LandtagsgebĂ€ude in Deutschland. Der neue Plenarsaal hat eine neue hochauflösende Medienwand bekommen - vier mal zwei Meter. Er ist 150 qm gröĂer als sein VorgĂ€nger. Fast 100 Besucher können nun die Debatten verfolgen. Es ist auch der einzige Raum, in dem Teppichboden verlegt wurde. Ansonsten bedecken Natursteinplatten die Böden. Die Balustrade der Presseund ZuschauertribĂŒne ist aus Glas und gewĂ€hrt einen guten Blick auf das Parlamentsgeschehen. Neu sind auch die Barrierefreiheit und die Sicherheitsschleuse am Haupteingang. Eiche, Sandstein, Muschelkalk Architekt Hofrichter hat im Inneren vor allem auf vier Materialien gesetzt: helle Eiche, Sandstein, recycelte Aluminiumrahmen in Beige-Metallic und fĂŒr die Böden grauer Muschelkalk. Dazu kommt viel Glas - auch auf der Balustrade des Plenarsaals. Eine WĂŒrdigung der Historie des GebĂ€udes, gepaart mit modernem Arbeiten, ohne
Erste Sitzung Ende September Die restaurierte Hambacher Fahne wurde am 1. September in die Vitrine im Plenarsaal gebracht, ebenso wie eine byzantinische MĂŒnze, die bei den Bauarbeiten des Restaurants gefunden wurde. Am 8. September ist der Festakt geplant, am selben Tag soll auch das Kunstwerk vor dem GebĂ€ude von Michael Sailstorfer stehen: die Deutschland-Fahne dreigeteilt Stoffbahnen in Schwarz, Rot und Gold werden dafĂŒr in groĂe Messingrahmen aufgehĂ€ngt. Das Parlament soll in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause (22. und 23. September) erstmals in dem GebĂ€ude tagen. Bis dahin seien viele Abgeordnete vollstĂ€ndig geimpft, und die neue LĂŒftungsanlage hilfreich. Vorstellbar sei aber auch, ohne Besucher zu tagen und deren PlĂ€tze fĂŒr die Abgeordneten zu nutzen. Restaurant fĂŒr Besucher Im neuen Restaurant am Landtag mit Rhein-Blick - das alte kleinere Restaurant wurde abgerissen - haben jetzt bis zu 250 Menschen Platz, dazu kommen zwei kleine Bankett-SĂ€le. Auf der AuĂenterrasse können noch einmal fast 100 Menschen bewirtet werden. Die GlastĂŒren zum Hof lassen sich öffnen und bieten einen Blick auf das Kunstwerk von Sailstorfer auf dem Platz der Mainzer Republik. Kritik vom Bund der Steuerzahler Der Bund der Steuerzahler in Rheinland-Pfalz hat bereits die frĂŒheren Kostensteigerungen bei dem Projekt scharf kritisiert: âSchon in unserem Schwarzbuch hatten wir prophezeit, dass die Grenze von 70 Mio. Euro geknackt werden wĂŒrdeâ, kommentiert GeschĂ€ftsfĂŒhrer RenĂ© Quante die Zahlen. Das Land bleibe damit seiner Salami-Taktik bei der schrittweisen Kostenerhöhung treu. âEinen Kostendeckel hatte der Landtag wiederholt mehrheitlich abgelehnt â offenbar wusste man schon, wiesoâ, so Quante. David Gutsche