sensor Mainz Magazin #8 Mai 2011

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Nordhafen

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sammen mit Hardy Trzenschiok von „rohbau & sonnenschein“ aus dem ersten Stock für Konzept und Umsetzung des MainzCityKalenders – mit dem auch sensor kooperiert – verantwortlich ist. FH-Studierende arbeiten an ihren Abschlussprojekten, SocialMedia-Kampagnen werden erstellt, Illustrationen gezaubert oder Modekollektionen entworfen, und wer einen Film braucht, findet hier Kameraleute. Mittlerweile hat das Gebäude 25 fast keine freien Büros mehr. Doch auf dem Areal steht noch das ein oder andere Gebäude leer und wartet auf seine Eroberung. Ende 2010 entstand schließlich die Idee, eine gemeinsame Plattform für die vielen Einzelprojekte zu schaffen: Der „Nordhafen“ war geboren. Heute fungiert er als Netzwerk und bietet die Möglichkeit, sich auszutauschen und zu vernetzen.

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Business trifft Kreativität. Fotograf Roman Knie von „maria rosas“ bei der Arbeit

Informationsarchitekt Constantin Schneider bringt Struktur in die Dinge

Sorgt für Öffentlichkeit: Ehrenamtlicher Sprecher Christian Neureuther

Mit der Kreativwirtschaft die Stadt gestalten Projekte wie der Mainzer Nordhafen treiben die Entwicklung einer Stadt voran, denn sie schaffen einen Entfaltungsraum für junge Unternehmer. Die geringen Mieten geben Existenzgründern die Möglichkeit, sich in ihren ersten finanzschwachen Jahren etwas aufzubauen. Einmal etabliert, füttern sie dann die Stadtkasse mit Gewerbe- und Einkommenssteuer – ein Gewinn für beide Seiten. Darüber hinaus schaffen sie ein kreatives Milieu samt jungem Stadtimage. Doch im Bewusstsein vieler Mainzer Entscheider scheinen solche Ideen noch nicht angekommen zu sein. Andere Städte sind da weiter: Einrichtungen wie das Berliner Betahaus, das tage-, wochen- oder monatsweise Arbeitsplätze gegen einen geringen Mietpreis zur Verfügung stellt, schaffen dort ein Angebot für flexible Arbeitswelten. Im nahe gelegenen Mannheim wird Kreativwirtschaft sogar im Rahmen des EU-Förderprogramms „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ von städtischer Seite aus unterstützt. Hier ist der Bau eines stadtteilorientierten Kreativwirtschaftszentrums in Planung, um Raum zur Vernetzung zu schaffen. In Mainz dagegen ist das Angebot rar – obwohl in der Stadt, wo man nur hinschaut, Ladenleerstände oder Industriebrachen klaffen. Die Mieten sind zu teuer, und viele Besitzer vermieten nur etagenweise, am liebsten an große Firmen mit finanziellem Hintergrund. Es fehlt an Offenheit für neue Konzepte und Ideen. Doch gerade junge Kreative sind oft bereit, leerstehende Büroflächen in schlechtem baulichem Zustand zu beziehen. „Wir hatten hier am Anfang weder Strom noch Wasser“, schildert Christian Neureuther, ehrenamtlicher Sprecher des Nordhafens, die Anfänge der Kreativstätte. Durch eigenes Handanlegen wurden aus den schrammeligen Kaschemmen individuelle Büros. Ganze Gebäude können so aufgewertet werden, Leerstand im Stadtbild verschwindet.

Nordhafen

Die Rheinallee 88 zeigt damit, dass es auch anders geht. Zwar war auch Vermieter Detlef Fries von der TRIWO AG anfangs skeptisch. Doch die beiden Designer Stephan Powilat und Mathias Vogel von „Das Labor“ überzeugten ihn. Sie bekamen ihren Mietvertrag für zwei Monate, 60 Tage, um zu beweisen, dass es funktioniert. Das hat es – und damit war der Grundstein für den Nordhafen gelegt. Mit rund sechs Euro Warmmiete pro Quadratmeter schafft er nun einen Freiraum für junge, frische Geschäftsideen. Das Gebäude Nummer 25 stellt heute eine Oase im sonst wenig kreativenfreundlichen Mainz dar. Was vor drei Jahren mit einem Büro und zwei Kochplatten begann, ist heute zu etwa 2.500 Quadratmetern teils schickem, teils buntem Büro samt Gemeinschaftsküche geworden – mit geringen Mitteln geschaffen, aus eigener Kraft gebaut. Ob die Stadt und die weiteren privaten Vermieter das Potenzial des Nordhafens erkennen, der als positives Beispiel in puncto Umnutzung von Industriebrachen vorangeht, oder ob er im Zuge des Zollhafenumbaus anderen Vorhaben weichen muss, wird die Zukunft zeigen. „Das Gebäude ist einfach nicht so sexy, deshalb haben wir hoffentlich die Chance, länger zu bleiben“, beschreibt Neureuther die Hoffnung der jungen Kreativen. Filterkaffee war gestern

Digitale Werke in analogen Rahmen: Franziska Haube

Technik und Know-How satt: Die Kameramänner Steven Batesaki, Muyrá Linhares Soares und Nico Herrmann v.l.n.r.

Ideen brauchen Raum. Grafikdesigner Marvin Zimmer und Illustratorin Annika Sauerborn machen Pause über den Dächern

Thomas Lempa und Hardy Trzenschiok lassen sich von der Industrieromantik inspirieren

So ein Tag im Gebäude Nummer 25 ist durchaus etwas anderes als der klassische Bürojob mit Mittagspause, Kantine und Feierabend um 18 Uhr. Puristisch weiß gestrichene Holzbänke in der riesigen Gemeinschaftsküche laden zur gemeinsamen Kaffeepause ein, und der Wok auf der Herdplatte verrät, dass hier auch mal gekocht wird. „Die Küche ist sowas wie das kommunikative Zentrum. Hier ist Platz, um sich auszutauschen und einfach mal zu Plaudern“, beschreibt Neureuther das Herz der Nordhafen-Stube. Hier verschwimmt die Grenze zwischen Arbeitswelt und Zuhause. Bemerkenswert bleibt: Die „Eroberung“ des Gebäudes 25 durch junge Kreative geschah völlig ohne städtische Unterstützung. Somit drückt der Nordhafen und alle anderen Mieter des Gebäudes 25 auch das neue Selbstbewusstsein der jungen Mainzerinnen und Mainzer aus: Wir stehen zu Mainz, wir bleiben in Mainz. „Das ist hier fruchtbarer Boden“, sagt Neureuther, „auch wenn er auf den ersten Blick nicht so aussieht.“ www.nordhafen.net „Tag der offenen Tür“ am Freitag, dem 13. Mai ab 16 Uhr: erst offene Büros, später Musik und Bier bei hoffentlich strahlendem Sonnenschein!

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