Blick ins DAV Jahrbuch Berg 2017

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Früher, in den 1980er-Jahren, als man in Deutschland noch gegen die Sammlung von Daten zur Volkszählung protestierte, hat einer meiner Bergfreunde von allen seinen Bergklamotten, wo immer es ging, die Label und Firmenlogos entfernt. Er hat viel Zeit und Mühe darauf verwendet. Und er hat gute, teure Sachen gekauft, keinen Billigkram. Mitte der 1980er war das, wie gesagt. Später nannte man so eine Haltung „No Logo“. Heute lächeln wir darüber. Wir breiten im Netz unsere Leben aus und zeigen unsere Logos, beim Wohnen und in der Freizeit, beim Wandern und Bergsteigen. Alle Bereiche sind Gegenstand der Ökonomie, alles unterliegt der Vergleichbarkeit und Konkurrenz, es ist ja zu unserem Besten. Die Digitalisierung liefert die schnellen Rating-Tools zum Klicken und Liken. Ständig werden wir aufgefordert, das letzte gekaufte Produkt zu bewerten. Also führen wir ein Premiumleben zwischen Premiumpils, Premiumferien und, klar, Premiumautomobilen. Vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern erhielt ich schon Angebote für Premiumvogelfutter. Warum sollte ich also als Bergsteiger und -wanderer mit weniger als einer Premiumhütte oder einem Premiumweg zufrieden sein? Auch Wege kann bzw. soll man heute bewerten, auf alpenvereinaktiv.com und anderen Portalen. In den deutschen Mittelgebirgen wurde der Premiumweg als touristische Marke etabliert. Mittlerweile hat diese Idee auch die Alpen erreicht, und in der Diskussion darüber, ob das nun gut oder schlecht ist, offenbart sich nicht zuletzt eine dreifache Krise: eine Krise der Landschaft, eine Krise der Wege und eine Krise des Gehens.

1. Die Landschaft Wege und Landschaften sind untrennbar miteinander verbunden. Aber was bedeutet es, wenn Bergsteiger und Wanderer sagen, sie fahren ins Ötztal, ins Zillertal oder ins Stubaital? Das bedeutet, sie fahren in die „Bergsteigerdörfer“ (auch so ein Label …) Vent oder Ginzling oder eben nach Ranalt. Ein paar Stunden, nachdem sie zu Hause ins Auto gestiegen sind, rollen sie mitten im Gebirge auf einen Parkplatz, dessen Größe ihnen nicht komisch vorkommt. Sie steigen aus, ziehen die Bergschuhe an, schultern die Rucksäcke und gehen los. Ist das schön hier.

Wie kommen Bergsteiger ins Bergsteigerdorf Ginzling? Theoretisch gibt es zwei Möglich­ keiten. Praktisch auch.

BergFokus | 111


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