SEKEM Insight

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SEKEMs Journal für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in Ägypten

SEKEM Insight Nr. 73 - Juli/August 2008

Liebe Leserinnen, liebe Leser, das Thema Klimawandel ist in aller Munde. Das gilt zumindest für die Industrienationen des „globalen Westens“. Anders sieht es oft in Entwicklungsländern aus. Viele verfügen noch nicht über die politische und wirtschaftliche Stabilität, die es ohnehin schon armen Menschen ermöglichte, über die Notwendigkeit des täglichen Broterwerbs hinaus sich Gedanken über Umwelt- oder Klimaschutz zu machen. Das ist nur zu verständlich. Doch wird oft die Forderung laut, auch die Entwicklungs- und Schwellenländer müssten sich verstärkt am Klimaschutz beteiligen. In vielen Regionen stehen überdies auch nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse Veränderungen im Wege. Oft ist Aufklärungsarbeit zu leisten um nach vielen Jahrzehnten mangelnder Information Bewusstsein erst überhaupt zu schaffen. In dieser Ausgabe berichten wir Ihnen von Aktivitäten im arabischen Raum, an denen auch SEKEM beteiligt ist. Eine Gruppe von Unternehmern und Aktivisten traf sich, um über erfolgversprechende Wege zu einem solchen Bewusstsein auch in der arabischen Welt zu beraten.

Ihr Redaktionsteam

Landwirtschaft

Pharmazie

Kultur

Klimaschutz durch Biolandbau

Neue Produkte von Atos

Neues Islam-Seminar im April 2009

Das Klima schützen durch biologische Landwirtschaft

Durch Kompostierung können selbst ägyptische Wüstenböden nachhaltig ergrünen

Das Thema Klimawandel ist seit langem in aller Munde und es ist kaum möglich, der Diskussion zu entgehen. Angesicht der Dringlichkeit des Themas ist das auch gut so: keine Zeit darf verloren werden, wenn das Schlimmste verhütet werden soll, vor allem für die Ärmsten der Armen auf dem Planeten. Zu den guten Nachrichten gehört, dass jeder mit daran arbeiten kann, den Klimawandel zu verhüten indem er seine persönliche CO2-Bilanz reduziert wenn er zum Beispiel täglich Energie spart und sich umfassender über das Thema informiert. Keine leichte Aufgabe jedoch, gerade in der Feriensaison, wenn viele wieder

zu kleinen und größeren Reisen aufbrechen. Ein anderer Weg ist die direkte Unterstützung von Projekten, die sich der Reduktion des CO2Ausstoßes verschrieben haben. Auch in diesem Fall sind integrierte, ganzheitliche Ansätze die beste Möglichkeit, nachhaltige Wirkungen zu erziehen und gleichzeitig von Neuentwicklungen zu profitieren. Biologische Landwirtschaft stellt einen solchen Ansatz dar und verbessert die ökologische Gesundheit des Bodens, indem sie auf traditionelles und wissenschaftliches Wissen gleichermaßen zurückgreift.

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ziert um alle Menschen zu ernähren, und dennoch leben rund 850 Million Menschen ohne zumindest eine reichhaltige Malzeit pro Tag.

Der dichte Bewuchs der SEKEM-Farm wurde auch durch intensive Verwendung von Kompost erreicht

Biologische Landwirtschaft unterstützt und verbessert Mittel und Wege moderner Lebensmittelproduktion und somit die Lebensmittelsicherheit. Sie erhöht überdies die Erträge und stabilisiert sie langfristig, verringert Krankheitsanfälligkeit, kämpft gegen Desertifikation, bekämpft effektiv Verarmung und erhält die biologische Artenvielfalt. Außerdem trägt sie oft zur Entwicklung lokaler unternehmerischer Fähigkeiten bei. Der Zugang zu qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zur Sicherung eines aktiven und gesunden Lebensstils ist ein grundlegendes Menschenrecht. Es zeigt sich zunehmend, dass traditionelle Agrarindustrie dieses nicht mehr zu garantieren in der Lage ist. Jedes Jahr versalzen rund 200 Millionen Hektar Land und können nicht mehr genutzt werden. In vielen Teilen der Welt gehen trotz ansteigender Nutzung chemischer Düngemittel die Erträge zurück. Traditionelle Landwirtschaft verbraucht große Mengen Wasser, zerstört Böden und erhöht die Gefahren für Biodiversität und Ökosysteme. Pestizide stellen eine wesentliche Bedrohung für die Gesundheit von Bauern und Farmarbeitern in den Entwicklungsländern dar. Genetisch modifizierte Feldfrüchte erbringen um rund 10% reduzierte Erträge als ihre nicht modifizierten Alternativen und führen Bauern zudem in die Abhängigkeit von Großkonzernen. Weltweit werden ausreichend Lebensmittel produ-

Nach UN-Berichten tragen konventionelle Formen der Landwirtschaft mit rund 30% zur Entstehung von Treibhausgasen bei und verbrauchen etwa 70% des Frischwassers weltweit. Täglich verlieren etwa 500.000 Hektar Land ihre Fruchtbarkeit aufgrund von unangemessener Landnutzung und impraktikablen landwirtschaftlichen Managements. Ökologisch bewirtschaftete Böden erhalten durch nachhaltige Formen der Entwicklung die Fähigkeit, ihre Wasserhaltung bei der landwirtschaftlichen Verwendung um rund 50% zu verbessern. Durch den Verzicht auf Mineraldünger können Nitratemissionen vermieden werden, welche während des Herstellungsprozesses von Düngemitteln entstehen und etwa 10% des weltweiten Treibhausgasausstoßes ausmachen. Die denkbaren Einsparmöglichkeiten im Bereich der Methanemission durch ökologische Verkompostierung und Bindung von CO2 im Boden sind hier noch nicht eingerechnet. Landwirtschaft stellt immer noch eine der wesentlichen Quellen für das Einkommen unzähliger Menschen in Entwicklungsländern dar. Durch die Verschlechterung der Bodenqualität und die graduell fortschreitende Knappheit von Lebensmitteln leben jedoch bereits heute rund die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Die sozio-ökonomischen Konsequenzen sind bekannt. SEKEMs „Nachhaltigkeitskredite“ Zusammen mit ihren Partnern EOSTA und Soil & More führt die SEKEM-Initiative verschiedene Projekte durch, um die oben dargestellten Probleme aktiv in Angriff zu nehmen. Innerhalb der vergangenen 12 Monate wurden mehr als 100.000 Tonnen Kompost produziert. Dadurch konnten rund

60.000 Tonnen an CO2-Emissionen vermieden werden, wie der deutsche TÜV-Nord feststellte. Der Kompost wird sowohl auf SEKEMs Farmen genutzt, als auch an externe Abnehmer weiterverkauft und in der ökologischen wie auch der konventionellen Landwirtschaft verwendet. So ersetzt er zahllose Tonnen an chemischen Düngemitteln. Die hervorragende Konsistenz des hergestellten Komposts hat bereits gezeigt, dass sie die Wasserhaltefähigkeit des Bodens um bis zu 70% zu erhöhen vermag - für Ägyptens sandigtrockene Böden ein herausragendes Ergebnis. Durch die hohe Vielfalt an mikrobiellem Leben stimuliert der Kompost eine hervorragendes Bodenmilieu und hilft so, eine ausbalancierte, nachhaltige Bodenqualität zu etablieren, die wie ein natürliches Immunsystem Krankheiten verhindern hilft und so potentiell verwendete Pestizide reduziert. Um dieses und weitere Projekte erfolgreich weiterentwickeln zu können lädt SEKEM die Leser von SEKEM Insight jetzt dazu ein, ihren Beitrag zu leisten: durch den Kauf von 1 oder 5 Tonnen CO2, die durch das SEKEM-Projekt bereits eingespart werden konnten. Diese „Nachhaltigkeitskredite“ sind zum Preis von € 30,00 pro Tonne CO2 erhältlich. 5 Tonnen CO2 sind für € 100,00 zu erhalten. Zum Vergleich: 1 Tonne CO2 entspricht dem Ausstoß eines Mittelklassewagens auf 5000km bei einem durchschnittlichen Verbrauch von rund 8l/100km, oder einem Hin- und Rückflug in der Economy-Klasse von Frankfurt nach Rom für zwei Passagiere. SEKEM möchte die eingehenden Gelder für die Entwicklung sauberer und nachhaltiger landwirtschaftlicher Methoden verwenden um so die Lebensmittelsicherheit für die ägyptische und die Weltbevölkerung weiter verbessern zu können. Um Nachhaltigkeitskredite zu erwerben wenden Sie sich bitte an den Autor unter info@soilandmore. com. Hier erhalten Sie auch weitere Informationen zu der Aktion. Tobias Bandel

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SEKEM Gründungsmitglied des arabischen Leitungsgremiums für Nachhaltigkeit Während die Welt weiterhin das Thema Klimawandel und steigende Lebensmittelpreise und ihre Auswirkungen auf die Ärmsten der Armen diskutiert, haben arabische Unternehmer und Personen des öffentlichen Lebens den Entschluss gefasst, zu handeln. Unter der Schirmherrschaft von Königin Rania von Jordanien gründeten sie das Arabische Leitungsgremium für Nachhaltigkeit (ASLG) und trafen sich zu einem ersten Treffen am 7. Mai 2008. Helmy Abouleish, Vorstandsvorsitzender der SEKEM Firmengruppe, war einer der Gründungsmitglieder und zeigte sich enthusiastisch, die Arbeit der Gruppe, welche für die meisten Araber eine herausragende Neuheit darstellt, nach Kräften zu fördern und zu entwickeln. “Wir müssen diese Gelegenheit jetzt nutzen,” kommentierte Königin Rania das ersten Treffen der Gruppe. Diese soll zunächst repräsentative Aufgaben gegenüber anderen Unternehmen übernehmen und diesen durch gutes Vorbild und Rat den Übergang zu umweltfreundlichen Produktionsmethoden und gleichberechtigten Arbeitsverhältnisse erleichtern. “Nachhaltig wirtschaften heißt, die Bedürfnisse der derzeitigen Generationen zu befriedigen ohne denen der Zukunft die Möglichkeiten zur Befriedigung der ihren zu nehmen“ erläuterte Königin Rania die Motivation der Gruppe und beglückwünschte die Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft zu ihrer Pionierrolle und ihr Engagement für die Umsetzung von nachhaltigen Wirtschaftsprozessen in ihren eigenen Unternehmen. Das Netzwerk quartalsweise

verpflichtet sich zusammenzu-

Modenschau mit SEKEMProdukten im Hamburger Museumshafen

kommen um geeignete Mittel und Wege zur Förderung des Bewusstseinswandels in Bezug auf Nachhaltigkeit im arabischen Raum zu erörtern. Darüber hinaus sollen innovative Möglichkeiten diskutiert werden, wie Themen der Nachhaltigkeit gegenüber Unternehmen noch besser kommuniziert und diese in ihrer Entwicklungsarbeit unterstützt werden können. Das ASLG umfasst derzeit 16 Repräsentanten von Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen aus fünf Ländern der arabischen Region: Jordanien, Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Palästina und Ägypten. Die Gruppe möchte sich innerhalb des kommenden Jahres graduell auf alle 21 Länder der Region ausdehnen, wird jedoch nur solchen Einrichtungen die Mitgliedschaft in Aussicht stellen, die selbst einen GRI-geprüften Nachhaltigkeitsreport veröffentlichen. Die Mitglieder der Gruppe stimmten darin überein, dass für weitere Fortschritte ein öffentliches Bewusstsein sowie aktives Eintreten für Nachhaltigkeit in der Öffentlichkeit grundlegende Bedingungen sind. Sie möchten so vor allem die Dringlichkeit des Themas in den Vordergrund stellen und seine Bedeutung für das individuelle Leben des Einzelnen herausstreichen. Dies war besonders Helmy Abouleish wichtig, der sich begeistert zeigte, dass SEKEM durch ihre Teilnahme bei der ASLG ihrer Vorreiterrolle in Ägypten erneut gerecht werden konnte.

Hamburger Prominente präsentierten am 8. Juli auf einer Modenschau im Hamburger Museumhafen Övelgönne T-Shirts aus fair produzierter Bio-Baumwolle von SEKEM und riefen dazu auf, durch das Tragen von fair produzierter Mode verantwortungsvolle Entscheidungen für die Produzenten in Entwicklungsländern zu treffen. Die sieben prominenten Hamburgerinnen und Hamburger zeigten sich begeistert von den modernen Designs, unter ihnen die HSV-Fußballerin Silva Lone Saländer sowie der Viva con Agua-Aktivist Benny Adrion. Die Journalistin Nina George moderierte die Veranstaltung und Staatsrat Reinhard Stuth, Christina Boecker von SEKEM, Dr. Hans-Christoph Bill vom Aktionsbündnis „hamburg mal fair“ sowie Anneheide von Biela von der Kampagne für Saubere Kleidung erläuterten die Hintergründe ihres Engagements. Die Kollektion besteht aus sieben originellen Hamburg-Motiven und ist unter anderem in den Eine-WeltLäden Hamburgs und in den Filialen der Drogeriemarktkette Budnikowski sowie vielen Modeboutiquen gerade auch auf dem Kiez zu erhalten. Christina Boecker

Christina Boecker Königin Rania und die Teilnehmer am Gipfel für Nachhaltigkeit

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Atos-Wissenschaftler auf pharmazeutischer Fachkonferenz in Hongkong Im März 2008 wurde das Produkt Cystinol erstmalig auf den ägyptischen Markt gebracht. Cystinol hilft bei Harnwegsbeschwerden wie Blasen- und Nierengries und bewirkt eine bessere Durchspülung. Dadurch wird die Bildung von Nierensteinen verhindert. Das Produkt wirkt durch seine anti-mikrobischen Eigenschaften auch gegen Harnwegsinfektionen. Cystinol ist verschreibungspflichtig und mit Rezept in allen gut sortierten ägyptischen Apotheken erhältlich. Am 29. Mai veranstaltete die Firma Atos Pharma ein nationales Symposium über die ViscumProdukte und lud Onkologen und Forscher Ägyptens ein, sich über die Produkte und Anwendungsmöglichkeiten sowie die von Atos durchgeführten wissenschaftlichen Studien über die Wirksamkeit von Viscum zu informieren. Außer Medizinern und Direktoren von Atos unterstützten Dr. Hans Werner, Internist des SEKEM Medical Centres, Dr. Harald Matthes, Produktmanager der Firma Abnoba (Hersteller der Viscum Präparate) und Herr Barkhoff,

Managing Director von Abnoba, das Symposium durch ihre Beiträge. Im Juni wurde dann auf dem internationalen Leberkongress in Hongkong/China die Studie vorgestellt, in der Atos die Wirksamkeit von Viscum fraxini 2 beim Einsatz bei Patienten mit Lebertumoren nachgewiesen hat. Die Studie war bereits in den Jahren 1999 bis 2001 nach Kriterien der Welt Gesundheitsorganisation (WHO) und mit beeindruckenden Ergebnissen durchgeführt worden: bei fünf von den 51 Patienten, die bis zum Ende an der Studie teilnahmen, verschwand der Tumor ganz, während bei 8 weiteren das Karzinom um mehr als 50% zurückging. Weitere hervorragende Ergebnisse waren die verlängerte Lebensdauer und die verbesserte Lebensqualität bei nahezu allen Patienten sowie wie geringere Schmerzen und ausgeprägterer Appetit. Andere pharmazeutische Firmen oder Forschungsinstitute stellten ihrerseits Forschungsergebnisse zur Bekämpfung von Leberkarzinom vor, so dass ein reger Austausch begonnen wurde.

Impressionen SEKEMs jüngste Firma ist Lotus. Sie verarbeitet unter anderem Kräuter und Gewürze zu schmackhaften SEKEM-Produkten. Die Fabrik wurde in diesem Jahr neu gebaut. Jetzt, da die Ernte aus des Sommers 2008 nach und nach angeliefert wird, ist das neue Lager, das zunächst unglaublich groß schien, bereits voll. Insgesamt werden etwa 1200 Tonnen Kräuter und Gewürze eingelagert werden. Das gesamte Gebäude wurde nach modernen Sicherheitsstandards mit Hochregalen, Hygieneschleusen und Insektenfallen ausgestattet.

Das neue Rohstofflager in SEKEMs Firma Lotus

Christina Boecker, Dr. Anan El-Sharaky

Jährliches Islamseminar in SEKEM

Dr. Anan El-Sharaky bei der Vorstellung der ViscumStudie in Hongkong

Das jährliche Islamseminar „Ein modernes Verständnis des Islam“ findet vom 10. – 15. April 2009 in SEKEM statt. Neben Vorträgen von Dr. Abouleish und künstlerischen Übungen (arabische Schrift, Koranrezitation, arabisches Liedgut, Eurythmie) ist ein Tagesausflug in das islamische Viertel nach Altkairo mit Schwerpunkt der Besichtigung historischer Moscheen geplant. Verlängerung mit Anschlussprogramme möglich. Information und Anmeldung unter info@sekem-reisen.de oder ++49(0)7556-931777 und Fax ++49(0)7556-931385, SEKEM-Reisen Dietmar Kreuer, Obere Immengasse 3, D-88690 Oberuhldingen.

Impressum: Herausgeber: SEKEM, Egypt Die Redaktion von SEKEM Insight dankt allen Korrespondenten, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben. Redakteure: Christina Boecker Bijan Kafi Kontakt: SEKEM-Insight c/o Sekem Holding P.O.Box 2834, El Horreya, Heliopolis, Cairo, Egypt insight@sekem.com

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