Schnüss 2019/12

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21.11.2019

10:38 Uhr

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PLATTE DES MONATS

SebastiAn Thirst Mit »Thirst« ist dem französischen Musiker und Produzenten SebastiAn ein elektronisches Schelmenstück von einer Platte gelungen. Gespickt mit künstle(Ed Banger Records) risch prominenten Gästen, lebt das Album von seiner Tiefschichtigkeit genauso wie von der Stilvielfalt. Nach einem brachialen Opener reihen sich souliger Pop, Discopower und vertrackt ausgetüftelte Songs in wunderbarem Technicolor aneinander. Nach acht Jahren Solopause wirkt SebastiAn ehrlich durstig nach elektronischen Popsongs der anderen Art, in denen viel mehr steckt als nur ein schlüssiges Konzept. »Movement« entfaltet sich etwa so unerwartet zu einem rauschend überdrehten Clubkracher, wie Charlotte Gainsbourg in den bedrohlich fremdartigen Klangkaskaden von »Pleasant« scheinbar zu ersticken droht. Und »Beograd« treibt es als praller Tanzhit schließlich auf die Spitze. Solch unheimlichen Schabernack [ C . P. ] haben sich Daft Punk nie getraut.

nen Wiederekennungswert in ein frisches musikalisches Gewand zu kleiden, das ausgesprochen wohltuend und heimelig klingt. Nach den kurzweiligen 36 Minuten, die das Album hergibt, steht fest: uneingeschränkte [ K .T. ] Hörempfehlung. (Tapete/Indigo)

Max Goldt Draußen die herrliche Sonne Der Lieblingsautor aller humorversierten Intellektuellen hat in den letzten Jahrzehnten auch musikalisch eine ganze Menge Material angehäuft. Deswegen heißt diese 6CD-Werkschau auch offiziell »Draußen die herrliche Sonne (Musik 1980-2000)«, obwohl nicht alle enthaltenen Songs aus diesem Zeitraum sind, es auf dem Cover aber »einfach knuspriger« aussieht, meint Goldt. Enthalten sind Titel von Foyer des Arts (Avantgarde-Pop von Goldt, Gerd Pasemann und Axel Knabben), Nuuk (Goldt gemeinsam mit Stephan Winkler) und Stücke vom Künstler höchstselbst und solo. Dass die klamaukigen Texte hier natürlich weit vor dem musikalisch gefälligen Begleitwerk stehen, dürfte klar sein. Weswegen wir als Köder

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lieber ein paar Titel in die Runde werfen, die zum Lachen anregen sollten. Wer schon immer mal wissen wollte, wie die Musikbegleitung zu »Umbalme mich«, »Ein Haus aus den Knochen von Willy Brandt (Live)« oder »Welpen spielen (und stoßen dabei ein Glas Sekt um)« klingt, der wünsche sich diese Werkschau. Fans freuen sich derweil über ein Wiederhören mit Hits wie »Schimmeliges Brot« oder »Schleichwege zum Christentum (Live)«. Sechs ganze CDs davon, an einem Stück konsumiert, könnten den Weg in den Wahnsinn zwar erheblich verkürzen – aber das sind vielleicht diese Risiken und Nebenwirkungen, von denen die Ratiopharm-Zwillin[ K .T. ] ge immer sprechen. (The Leaf Label)

Warmduscher Tainted Lunch Warmduscher sind eiskalt. Die Londoner Postpunkwirrköpfe ackern sich erstaunlich diszipliniert durch ihre krautig-elektronisch aufgeladene Musik. Da geht es mit »Disco Peanuts« mal mächtig rein und propper über die von jedem Staub befreite Tanzfläche. »Grape Face« dagegen strotzt als führender Schmuddelsong

SCHNÜSS · 12 | 2019


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