Schnüss 2016/10

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Fahre deinen Traum

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um Gesprächstermin kommt der Inhaber von »Alltagsklassiker«, Jan Isnenghi, in einem US-Kombi-Schlachtschiff, ein Buick Skylark Sport Wagon aus dem Jahr 1969. Während alle Welt von den vermeintlich so tollen Elektround Hybridautos redet (und dabei vergisst, dass der benötigte Strom nur selten Emissionsfrei erzeugt wurde, und auch in diesen Autos Seltene Erden verwendet werden), war bei der Erbauung seines Schlittens das Spritsparen noch kein Thema – der V8-Motor gönnt sich eben ein bisschen mehr. Aber der Wagen hat in seinem langen Leben nicht nur bereits diverse Fahrzeughalter durch die Gegend kutschiert, er würde in einer Statistik zur Nachhaltigkeit (in der neben dem Resourcenverbrauch bei der Produktion, auch der CO2-Ausstoß und einige weitere Faktoren einfließen) auch nicht viel schlechter abschneiden als ein brandneuer, PSstarker Firmenwagen, wie sie in Bonn zuhauf mit Lichthupe und eingebauter Vorfahrt herumrasen.

immer auf der Suche nach den besten Aktienanleihen waren, habe ich mich nur nach den schönsten älteren Autos auf dem Gebrauchtmarkt umgeschaut«, erklärt der 47-jährige Bonner, während er in der Fahrzeughalle mit besonderen Klassikern an einem schicken Stehtisch Espresso aufbrüht. Mittlerweile kann er von seinem individualistischen Autogeschäft leben, das mit einem Volvo P1800 Coupe aus Schweden begann. Auch Isnenghis erstes Auto war ein Volvo und Youngtimer, das Modell 144 Grand Luxe. »Die Autos müssen in einem guten Zustand sein und ich muss sie selbst gut finden, das ist eine emotionale Sache. In seltenen Fällen steht auch mal ein Oldtimer etwas länger in der Halle, bis ich einen Käufer finde.« Natürlich denkt der ehemalige Unternehmensberater aber auch wirtschaftlich, ein breitgefächertes Netzwerk aus Händlern, Restaurateuren, Aufbereitern, Gutachtern, Sammlern und Fans liegt seinem Handel zugrunde.

Um den Umweltgedanken geht es dem DiplomVolkswirt Isnenghi aber gar nicht so sehr, sondern in erster Linie um wunderschöne Autos. »Bevor ich 2005 Alltagsklassiker gegründet habe, war ich Unternehmensberater, aber das war langfristig nicht mein Ding. Während die Kollegen

In seinen beiden Fahrzeughallen hat er stets rund 30 Autos stehen, die in sehr gepflegtem Zustand, fahrbereit und mit frischem TÜV und der Einstufung als Oldtimer versehen sind. Und die Alltagstauglichkeit ist meist so groß, wie die Kosten für Unterhalt und Abgaben (H-Kennzeichen) über-

»Wertanlage mit Spaßfaktor«: Gelungene Formen und handwerkliche Leidenschaft statt Verbräuche, Spitzengeschwindigkeiten oder moderne Assistenzsysteme.

Um solche schrulligen Details geht es in der Young- und Oldtimer-Parallelwelt, um gelungene Formen und handwerkliche Leidenschaft, weniger um Verbräuche, Spitzengeschwindigkeiten oder moderne Assistenzsysteme. Seine Kundschaft kommt aus ganz Deutschland, wurde grob zwischen den Baujahren 1952 bis 1986 gefertigt, ist (natürlich) vornehmlich männlich und sucht ein Auto (oder eine Wertanlage) abseits des Mainstreams. »Meine Autos sind immer in einem guten Zustand, auch wenn man keine Neuwagenqualität erwarten darf. Ich berate die Kunden umfassend, auch wenn sie sich für einen Youngtimer entschieden haben, aber noch gar nicht genau wissen, welches Modell vielleicht zu ihnen passen würde.« Isnenghi verkauft auch Autos in Kommission, macht eine seriöse Bestandsaufnahme und hat meist schon einen Liebhaber aus seinem Netzwerk als Interessenten in der Hinterhand. Solche Objekte verkauft man eben nicht wie im ›klassischen‹ Autohaus, natürlich trägt Isnenghi keine schlecht sitzenden schwarzen Anzüge, keine Micky-Mouse-Krawatten und will auch nicht die Vorzüge des automatischen Tagfahrlichts anpreisen. Seine Leidenschaft ist sein Beruf geworden, da fährt er auch mal selbst 1.000 Kilometer nach Schweden, um einen gut erhaltenen Volvo P1800ES abzuholen. »Die Zahl der guten klassischen Autos zu günstigen Preisen hat in den letzten Jahren allerdings abgenommen, die Suche ist schwieriger geworden«, so Isnenghi. Aber da er niedrige Fixkosten für sein Geschäft hat und außer der Diplom Designerin und Ehefrau Jasmin (die auch die tollen Verkaufsfotos macht) keine Angestellten beschäftigt, umhüllt ihn eine zufriedene Ruhe, wie man sie bei älteren Ehepaaren in klassischen Cabrios am Wochenende auf den Serpentinen der Eifellandschaft vermutet. Und mehr als glückliche, zufriedene Autofahrer mit hübschen Autos und entspannter Reisegeschwindigkeit kann man sich doch gar nicht wünschen. [KLAAS TIGCHELAAR] www.alltagsklassiker.de

08 · MAGAZIN

SCHNÜSS · 10 | 2016

FOTO: JASMIN ISNENGHI

»Alltagsklassiker«

schaubar bleiben. Neben seiner Vorliebe für Volvos (privat fährt er nicht nur Autos seiner »Wertanlage mit Spaßfaktor«, sondern auch einen modernen Volvo XC90) sind dort aber auch ältere Mercedes SL, MGB-Cabrios, ein VW Golf 1 aus dem Jahr 1981 in der Farbe »Mexico Beige«, oder ein kanariengelber Ford Consul GT 2,3l aus dem Jahr 1972 vertreten. Ein ›Ausreißer‹ wie der Suzuki Cappuccino Roadster von 1994 darf aber durchaus auch mal sein. Vor einiger Zeit hat Isnenghi zudem seine Liebe für den Porsche 928 entdeckt, obwohl Porsche eigentlich zu eintönig ist, wie er findet: »Es gibt einige wunderschöne Autos, die ich aber selbst nie fahren würde. Auch der Mercedes SL, der weit vorne in der Zulassungsstatistik bei den Youngtimern rangiert, gehört dazu. Und ich mag eigentlich keine roten Autos.« Orange geht aber – das Schmuckstück in seiner Kollektion, ein Jensen Interceptor Mk 1 von 1969, ist »Tangerine-Orange«-farben: ein bildschönes, seltenes Sportcoupe mit 6,3l großem Achtzylindermotor von Chrysler und Rundinstrumenten des Traditions-Uhrenherstellers Jaeger-LeCoultre. Was der wohl kostet? Isnenghi lächelt: »Du kannst hier jedes Auto kaufen, aber der ist unverkäuflich!«


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