Schnüss 2016/08

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< Der r(h)einqueer-Vorstand: v.l. Andreas Franke, Ira Batschi, Christian Schuldt, Burkhard Aretz

triert habe, Lesben und Schwulen immer neue Rechte einzuräumen, und dabei die Notwendigkeit in der Gesellschaft für Akzeptanz zu werben, vernachlässigt habe. Auf die käme es im Alltag aber an. »Außerdem brauchen wir in manchen Situationen klar auch Schutzräume: Wenn ich tanzen, flirten will, dann bin ich gerne in einer Situation, in der ich mich nicht erklären muss, in der Schwulsein normal ist.«

Bonn unterm Regenbogen Der neue Verein r(h)einqueer

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chwul-lesbisches Leben ist in Bonn nicht besonders sichtbar. In den letzten Jahren haben die meisten Kneipen und das selbstverwaltete Schwulen- und Lesbenzentrum geschlossen. Der neue Verein r(h)einqueer will Lesben und Schwule aus den Nischen holen und der Community neue Angebote machen. Im August veranstaltet die Gruppe das traditionelle queere Sommerfest. Dieses Jahr firmiert es erstmals unter dem Motto »Beethovens Bunte«. Eingebettet wird das Ereignis in eine regelrechte Festwoche. Mit den Veranstaltungen geht die Gruppe an diverse Orte der Stadt: Denn separate Plätze möchte man nicht mehr schaffen – sondern selbstverständlich in die Mitte der Gesellschaft. Wir sprachen mit Vorstandsmitgliedern des Vereins.

bote nicht gehe. »Wenn man händchenhaltend am Rhein spaziert oder seine Partnerin sogar auf der Straße küsst, kann man auch im internationalen Bonn gaffende Blicke oder dumme Sprüche ernten. Wir müssen uns noch immer gegenseitig stärken«, schildert Batschi Erfahrungen aus dem Kreis. Aretz ergänzt, dass die Gleichstellungspolitik der vergangenen Jahre sich darauf konzen-

Sommerfest Beethovens Bunte Samstag, 6. August, 13:00–20:00 Uhr, Münsterplatz Abschlussparty ab 20:00 Uhr im Carpe Noctem, Wesselstraße 5

Burkhard Aretz und Andreas Franke sitzen auf dem Sofa in Ira Batschis Büro in den Räumen der Aids-Initiative Bonn. Batschi klappt den Laptop mit ihren Notizen auf, und dann erzählen die drei, weshalb sie sich an der Gründung des neuen Vereins r(h)einqueer beteiligten. »Als ich aus einer größeren Stadt nach Bonn zog, sollte das für mein schwules Leben keinen Rückschritt bedeuten«, erzählt Aretz. Hier habe es immer nur wenige Angebote gegeben, diese seien in den letzten Jahren noch zurückgegangen. Ein queeres Jugendzentrum, eine Partyreihe des AStA, eine kommerziell betriebene Bar, das sei der Rest lesbisch-schwuler Strukturen in der Stadt. »Dabei sind wir viele!«, wirft Franke ein, »in Bonn nur viel zu leise. Es wäre schön, wenn die Stadt aufwachen würde und andere Lebensweisen stärker zur Kenntnis nähme«.

Aus dem Programm der Festwoche:

»Als wir im Oktober den Verein r(h)einqueer gründeten, haben wir diskutiert, ob es spezieller Angebote für Lesben und Schwule überhaupt noch bedarf«, berichtet Batschi, »ob nicht gerade die Jüngeren ganz selbstbewusst ihre Räume in der Mehrheitsgesellschaft suchen«. Die Gruppe kam zu dem Schluss, dass es ohne spezielle Ange-

Queerer Poetry-Slam im Jugendzentrum GAP. Für alle im Alter von 14–23 Jahren, Donnerstag, 4. August, 18:30 Uhr, Obere Wilhelmstraße 29

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Informationen zu diesen und weiteren Veranstaltungen unter www.rheinqueer-bonn.de

Wandern gegen Vorurteile – dafür queer und schön. Mit den Vereinen Wanderlotten und Rheinschnecken durch das Siebengebirge, Samstag, 31. Juli, 11:00 Uhr, Treffpunkt: Café Gilgens, Heisterbacherstraße 41, Niederdollendorf Liebe die Leidenschaft des Tango Argentino. Tanzen und mit den Rollen spielen, Montag, 1. August, 17:45 Uhr, Tanzbar, Oxfordstraße 6, Kosten: 3 Euro Filmvorführung: Out in the dark. Queeres Kino im Woki, Dienstag, 2. August, 20:15 Uhr, Eintritt: 5,50 Euro

Der Stammtisch des Vereins r(h)einqueer findet monatlich an jedem 2. Donnerstag in Bobas Bar, Josefstraße 17, statt.

Mit dem Sommerfest will die Gruppe einerseits der queeren Community die Möglichkeit bieten, einmal im Jahr im Herzen der Stadt Party zu machen und sich zu zeigen. Andererseits gehe es eben um die Stärkung der Akzeptanz in der Stadtgesellschaft. »Um uns als Teil der Stadt zu akzeptieren, muss man uns auch erleben und kennenlernen können«, erklärt Franke. Nach der Tragödie von Orlando - bei einem Amoklauf in einem schwulen Nachtclub kamen Dutzende ums Leben - sei ihnen bezüglich ihrer Verantwortung für die Sicherheit durchaus mulmig zumute gewesen, erzählt Batschi über die Vorbereitungsarbeit. Man sehe aber den Auftrag, sich offensiv zu zeigen, nun aber als noch dringender an. Oberbürgermeister Ashok Sridharan erklärt seine Solidarität und hat das Fest unter seine Schirmherrschaft genommen. »Diskriminierung von Minderheiten, Ausgrenzung und Vorurteile haben in unserer Stadt keinen Platz – das ganze Jahr über«, schreibt das Stadtoberhaupt in seinem Grußwort. Das Programm mit Musik, Polit-Talk, dem »Bundesamt für magische Wesen« und Travestie ist bunt, auch anders. Dabei geht es den Machern aber nicht mehr um Betonung des Abweichenden. »Wir wollen keinen speziellen Status, wir wollen selbstverständlich dabei sein. Wir sind anders, aber dabei doch auch ganz normal. Viele von uns wollen heiraten, für Kinder sorgen«, erzählt Batschi über die inzwischen recht bürgerlichen Lebensvorstellungen vieler queerer Menschen. Lebensentwürfe, die gut in das bürgerliche Bonn passen. Und dazu passen auch die Ideen, die der Verein in Zukunft umsetzen möchte. Die Schaffung eines eigenen Orts, etwas wie das einstige Schwulenund Lesbenzentrum, steht momentan noch nicht auf der Agenda. Vielmehr wolle man bestehende Orte mit eigenen Veranstaltungen besetzen. So hat man auch für das Sommerfest ein Rahmenprogramm organisiert, das an den Vortagen an unterschiedlichen Bonner Orten stattfindet. Welche Wünsche haben die Aktiven des Vereins für die Zukunft? »Wir wünschen uns viele neue Mitstreiter«, sagt Batschi, und ihre beiden Vorstandskollegen lachen. »Momentan versuchen wir zu erfahren, wo die Lücken sind, was queere Menschen in Bonn brauchen. Es geht auch nicht nur ums Wünschen, sondern auch ums Tun! Wer Ideen hat, kann diese bei uns einbringen und mit uns umsetzen.« [ F LO R I A N B EG E R ]

SCHNÜSS · 08 | 2016


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