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16.12.2011
Bonn TransitionTown 2012 ? von Gabi Bock
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as habe ich da entdeckt in der Lennéstraße? Zwischen den Bäumen blühende Sommerbeete, sogar in Töpfen, aufgehäufelte frische Erde und Blütenbäumchen. Bonn… die Transition-Town in NRW? Das wäre schön! Wie diesen Sommer in Weimar: In der Fußgängerzone und vor dem Schloss gab es Gemüse-Blumenbeete: in der Mitte eine kletternde, rotblühende Stangenbohne, darum herum gelb- und rotstieliger Mangold, großblättiges Blaukraut, Wirsing, sogar die typisch-grauen Artischockenblätter und nur in der äußersten Runde gelbblühende Calendula und Tagetes. Und in Berlin lief ich neugierig zwei Studenten hinterher, die mit einer Schubkarre umzogen, in der sie ihren ›Garten‹ transportierten: zwei Holzkisten mit Petersilien-, Lauch-, Fenchelund Schnittlauchpflanzen: das sind die Kiezwandler aus SO36…TransitionTown Berlin Kreuzberg. Brotläden, Tauschzentralen, freie Gärten, verschiedene Solidargemeinschaften findet man dort und in Mecklenburg, Motto: »Geld – oder leben?« Wie vernünftig wäre das auch hier: kleine Gemüse-, Kräuter- und Blumenbeete oder -kästen am Rhein oder in gammeligen Hinterhöfen. Apfel- und Nussbäume in den Parks, entlang weniger befahrenen Straßen (einige gibt’s in Godesberg). Wie wäre ein Ideenaustausch mit den städtischen Gärtnern über »Urbanes Gärtnern« oder Permkulturen in öffentlichen Parks? Vielleicht könnten wir dann in der Schnüss zwischen »Dritte Welt Läden« und »Burnout Prophylaxe« die Zwischenrubrik finden: »Neue Ideen für Transition Town Bonn«? Die Möbelmitfahrzentrale der 4erbande gehört sicherlich schon dazu.
18 · THEMA
12:37 Uhr
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Heroisches Votum Der Stadtrat beschließt ein Alkoholkonsumund Rauchverbot auf Spielplätzen. Nur ein Ratsherr hat Mut und Verstand genug, sich dagegen zu stellen. Von Florian Beger
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as tun Politiker, wenn sie mit der Lösung ihrer dringlichsten Aufgaben überfordert sind? Sie definieren neue Probleme, die bislang in der öffentlichen Diskussion keine oder Achim nur eine geringe Rolle gespielt haKansy ben, und beschließen dazu schnell Programme, um sich den Wählern gegenüber als tatkräftig zu inszenieren. Über ungewollte Nebeneffekte entsprechender Regelungen wird dabei wenig reflektiert. Heutzutage bietet sich hierfür besonders das Feld der Gesundheitsförderung an, umso mehr, wenn es um den vermeintlichen Schutz der Kinder geht. Denn es reicht die Behauptung völlig aus, eine Maßnahme fördere deren Gesundheit, und alle kritischen Einwände können von vornherein mit großem Geschrei übertönt werden. So auch geschehen in der Diskussion über ein Rauch- und Alkoholkonsumverbot auf den Bonner Spielplätzen, das der Stadtrat im Oktober beschlossen hat. Die Idee kam ursprünglich von der Jungen Union. Damit hatte sie der schwarz-grünen Ratsmehrheit ein wunderbares Projekt zuteilwerden lassen, denn die öffentliche Regulierung sozial unerwünschter Verhaltensweisen ist heute wohl die entschiedenste inhaltliche Schnittmenge zwischen den beiden Flügeln des Bürgertums, des alten und des neuen. Da besonders die Bekämpfung des Rauchens heute wohl am entschiedensten politischer Grundkonsens des Landes ist (ja, das klingt beim Nachdenken absurd, entspricht aber traurigerweise der Realität), waren sämtliche Gruppierungen des Rates schnell mit der Idee einverstanden. Die Verwaltung übersetzte den christdemokratisch-grünen Antrag in eine entsprechende Änderung der Straßenordnung. Die Politiker überboten sich beim Beschließen in den Gremien noch schnell mit der Hinzufügung ausschmückender Details: nicht nur das Rauchen von legalen Tabakprodukten solle Ordnungswidrigkeit sein, spielte man ironisierend auf das offenbar erhebliche Problem des Cannabiskonsums auf Spielplätzen an. Auch brauche man ein »Konzept rauchfreie Spielplätze«, das müsse die Verwaltung erarbeiten. Ungeachtet der Tatsache, dass für die Verschmutzung von Spielplätzen durch Zigarettenstummel und Glasscherben bereits Möglichkeiten der Unterbindung gegeben waren, nun also die zusätzlichen Paragraphen. Und wie alle Ordnungswidrigkeiten der Straßensatzung können die Neuen mit bis zu 1000 Euro Bußgeld geahndet werden.
Wer will dagegen reden, wenn es angeblich um die Gesundheit der Kinder geht? Wer traut sich dies, auch wenn es zahlreiche gute Argumente gegen entsprechende Maßnahmen gibt? Diesmal im Bonner Stadtrat nur einer von 80 Politikern: Achim Kansy, seit sieben Jahren FDP-Ratsherr. In der Diskussion machte er darauf aufmerksam, dass »man keine Vorschriften erlassen solle, deren Einhaltung man nicht kontrollieren kann, das untergräbt die Autorität der Rechtsordnung«. In der Tat hatte man seitens der Stadtverwaltung darauf hingewiesen, dass die Kontrolle der Spielplätze personell schwierig werde. Kansys Argument ist so altmodisch wie weise. Wenn man aber auf die Ordnungstreue der die Kinder beaufsichtigen Eltern vertraue, so müsse man doch anmerken, dass rauchende Eltern bei Beachtung des Verbotes vielleicht gleich mit ihrem Nachwuchs daheimblieben, »der Effekt wäre eine Ausweitung der Diskriminierung rauchender Eltern auf ihre Kinder«. Dabei ist es für die Kinder gesünder, wenn sich ihre rauchenden Eltern mit ihnen im freien, etwa auf Spielplätzen aufhalten, wie die Stadtverwaltung in ihrer Stellungnahme einräumen musste, der Rauch verfliege »im Freien sehr schnell«. Allerdings gehe es darum, ein den Kindern vorbildliches Verhalten durchzusetzen: Das Rauch- und Alkoholkonsumverbot »auf öffentlichen Spielplätzen ist vor allem unter pädagogischen Aspekten von Bedeutung. Es kann dazu beitragen, dass weniger Kinder rauchende und Alkohol trinkende Erwachsene als ›normal‹ und beispielgebend wahrnehmen«, so die Bürokraten. Das ist allerdings eine Rhetorik, die alarmieren sollte; Kansy sieht hier die Gefahr eines Dammbruches für immer weitere öffentliche Regulierungen: »Wo fängt man an, wo hört man auf? Wollen wir demnächst Übergewichtigen den Spielplatzbesuch verbieten, weil auch sie ein schlechtes Beispiel für unsere Kinder sind? Oder Menschen, die die deutsche Sprache nur schlecht beherrschen?« Von diesen vernünftigen Argumenten ließ sich der Rat nicht überzeugen, nicht mal Kansys eigene Fraktion, die wir ansonsten an dieser Stelle in Gänze hätten loben können. Kansys Verhalten ist umso mutiger, als er ausgewiesener Jugendpolitiker ist. Einst wirkte er daran mit, dass die FDP aus der damaligen schwarz-gelben Ratsmehrheit ausscherte, um die Betreuungsplätze in der Stadt zu erhöhen. Auch hat er sich wiederholt für Maßnahmen wie der Ausgabe von kostenlosem Mittagessen für Kinder von Bonn-Ausweisinhabern eingesetzt, was ihm von der politischen Konkurrenz (SPD-Boss Wilfried Klein) den ›Vorwurf‹ einbrachte, ein »Robin Hood der Milchzähne« zu sein. Kansy ist sich der Macht des herrschenden Diskurses in Gesundheitsfragen bewusst und bittet deswegen im Gespräch mit der Schnüss, doch auch auf diese familienpolitischen Meriten hinzuweisen. Dennoch entschied er sich für Opposition, denn »der einzige Grund für diesen Antrag ist das Schielen auf Wählerstimmen. Die Vertrauenskrise unseres politischen Systems kann aber nur überwunden werden, wenn Politiker zu ihren Überzeugungen stehen – auch dann, wenn sie unpopulär sind«. .
SCHNÜSS · 01 | 2012