5 minute read

DIE KAISERLICHE JAGD

Kronprinz Rudolf auf der Hochjagd, 1881 (Archiv H. Etzlstorfer, Wien)

Max Herzig, Viribus Unitis, Wien, 1898

Streng wird auch in Ischl jede kulinarische Kreation der Hofköche kontrolliert. Ausschnitt aus einer Zeichnung von Artúr Lajos Halmi, 1898

In früheren Zeiten waren Herrscherfamilien mit dem „Jagdregal“, dem Vorrecht zur Jagd, ausgestattet, wovon noch heute viele Berichte und ganze Galerien von Jagdtrophäen zeugen. So bieten auch die Hof- und Rüstkammer in Wien sowie verschiedene Jagdschlösser einen reichen Fundus an überlieferten Zeugnissen der kaiserlichen Jagd des Hauses Habsburg, beginnend mit Kaiser Maximilian I., dem „letzten Ritter“, bis zum Ende der Monarchie zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Das Buch legt den inhaltlichen Fokus auf die Jagd im Wandel der Zeit mitsamt einem jagdhistorischen Rückblick und den stetigen Entwicklungen gesellschaftlicher Strukturen; es beschreibt aber auch Persönlichkeiten und deren Lebensumstände, die ebenfalls die Jagd beeinflussten. Die beiden Autoren Lelio Colloredo-Mannsfeld, selbst begeisterter Jäger, und Hannes Etzlstorfer, ein einfühlsamer Kulturhistoriker, zitieren ein vielbemühtes Sprichwort: „Die Jagd verdirbt den Charakter nicht – sie offenbart ihn.“ Beim einen tun sich seelische Abgründe auf, beim anderen aber Leutseligkeit, Reformdrang und revolutionärer Weitblick. Mit diesem Buch soll beim nicht jagenden Publikum Interesse für dieses facettenreiche Thema geweckt werden. Beide Autoren wissen, dass über das Jagen sehr kontroversiell diskutiert wird und dass verschiedene Jagdpraktiken eventuell auf Ablehnung stoßen. Deshalb sind sie bemüht, durch genaue Recherche und Schilderung des großen Ganzen einen umfassenden Einblick in die Einzelheiten und komplexen Zusammenhänge zu vermitteln, anstatt die Leserschaft apodiktisch zu belehren.

Kaiser Franz Josephs originaler Jagdhut mit Gamsbart aus der k.u.k. Hofhutfabrik „Johann Skřiváň & Sohn“, mit handschriftlicher Authentik des Kammerdieners Eugen Ketterl. Datiert mit 15. Mai 1912.

Der Bildband entführt mit einer Fülle an Bildern, Fotografien und historischen Dokumenten in die „Welt von gestern“, als der große Kaiser Franz Joseph bereits zum Mythos erstarrt war. Sein Erscheinen in der Öffentlichkeit wurde – ob als unnahbarer Regent oder als leutselig geschätzter Waidmann – stets zum Ereignis. Auch seine Liebe zur Jagd in der Natur, die er sicherlich von seinen Vater, der selbst als unermüdlicher Jäger galt, geerbt hatte und die ihn von seiner Regierungsarbeit und dem gestrengen Hofzeremoniell befreite, währte von frühester Jugend an bis ins hohe Alter. Der Kaiser jagte in jungen Jahren gerne und ausgiebig in und rund um Wien, bis er die Liebe zur Gebirgsjagd entdeckte, seinen Jagdschwerpunkt zunächst nach Eisenerz in die Gemeinde Radmer und später in sein vielgeliebtes Bad Ischl verlegte, wo auch heute noch sein bedeutendes Jagddenkmal steht.

Bei dem passionierten Jäger Franz Joseph fehlte aber laut unterschiedlichsten Quellen niemals das tiefe ethnische Verständnis für die Jagdausübung in seiner Verantwortung gegenüber der Schöpfung und in seiner Verpflichtung gegenüber dem Wild. Franz Joseph war

Lelio Colloredo-Mannsfeld

F oto: © G o t t f r i e d Fra is

Hannes Etzlstorfer

Max Herzig, Viribus Unitis, Wien, 1898 Archiv H. Etzlstorfer, Wien

Bild links: Der Leibkammerdiener Raimund Zrunek in der kaiserlichen Gewehrkammer. Eine solche gab es nicht nur in der Wiener Hofburg, sondern auch in den Jagdschlössern, in denen eine stattliche Anzahl von Reserveschusswaffen zur Verfügung standen. (nach einer Zeichnung von Theo Zasche)

Bild rechts: Kaiser Franz Joseph bei der Zusammenkunft an der Taschelschwelle bei Mürzsteg nach einer Winterjagd. Anwesend sind u. a. König Albert von Sachsen und Prinz Leopold von Bayern. (nach einer Zeichnung von Wilhelm Gause)

ein ausgezeichneter Schütze, „einer der besten Jäger der Monarchie“, so berichten die Autoren und liefern unzählige Bilder, Zeichnungen und Fotografien, auf denen der Kaiser stoisch und würdevoll posiert – in militärischen Uniformen und häufig auch in der Steirertracht. Die kurze, abgetragene Hirschlederhose mit Stutzen und einer einfachen Lodenjoppe zeigen den „privaten“ Kaiser, der sich mit seiner Tracht der Gegend sowie der lokalen Jägerschaft angepasst hatte.

Der Monarch erlegte, wie im Jagdverzeichnis akribisch aufgelistet, in seinem fast 70 Jahre währenden Jägerleben rund 55 000 Stück Wild. Das mag zwar auf den ersten Blick wie eine sehr hohe Zahl wirken, war aber in Relation zu anderen Mitgliedern des Kaiserhauses und in Anbetracht der damaligen Jagdmöglichkeiten und Gepflogenheiten durchaus „bescheiden“. Vergleicht man Franz Joseph beispielsweise mit Erzherzog Franz Ferdinands fast schon pathologischer Jagdleidenschaft, der mit 51 Jahren beinahe 280 000 Stück Wild erlegt hatte, so zeigt sich, dass Franz Joseph nur heimisches Wild jagte und ganz bestimmt nicht die Abschussquote vorrangig im Auge hatte. Im Buch erfährt man auch, wie Franz Ferdinand, einem Drama von William Shakespeare gleich, der Abschuss einer weißen Gams – was unter Jägern als Sakrileg gilt – zum Verhängnis werden sollte. Trotz eindringlicher Warnungen der anderen Jäger streckte der Thronfolger einen reinweißen Gamsbock mit seinem Gewehr nieder. Die Prophezeiung, dass diese Tat großes Unheil über den Erleger bringen würde, bewahrheitete sich, als dieser wenige Monate später in Sarajevo ermordet wurde. (Übrigens ereilte den rumänischen Diktator Nicolae Ceaușescu, der im Beisein seiner Frau zwei Albino-Gämsen erlegte, ein ähnliches Schicksal.)

Die beiden Autoren des Buches fördern viele bis dato unbekannte Fakten zutage und erzählen auch Neues über die Jäger der verschiedenen Epochen sowie über die geschichtlichen Zusammenhänge und Ereignisse. So findet man in diesem Werk zum Beispiel Zeichnungen aus dem Tagebuch des Kaisers und bekommt anhand von Briefen Einblick in die persönliche Sicht Franz Josephs auf seine Jagdepisoden, seine liebste Tracht und seine Einstellung zu Wald und Wild.

Sammlung Punkenhof, Neulengbach Menüzettel für den 1. Jänner 1914 aus dem Schönbrunner Menüheft.Unter den zahllosen Gängen des Neujahrsdiners zu Beginn dieses denkwürdigenJahres findet sich mit dem gebratenen Fasan auch ein Wildgericht.

„Der Kaiser und Ischl sind eins“ – Kaiser Franz Joseph inBad Ischl anlässlich der Enthüllung des ihm gewidmetenJagddenkmals. Foto: Heinrich Schuhmann jr.,24. August 1910

Natürlich darf auch das Kapitel „Wildgerichte auf der kaiserlichen Tafel“ mit den ersten Menükarten am Wiener Hof ab 1850 und mit der Anleitung zur Zubereitung nicht fehlen. Die Orte der kaiserlichen Jagd ergänzen anhand der verschiedenen Jagdschlösser und des dort vorhandenen Wildbestandes den Bogen. Mit der Frage „Was blieb vom kaiserlichen Waidwerk?“ schließt das Buch.

Die Intention der beiden Autoren, ein vielfältiges und unterhaltsames Werk über die Jagd abzuliefern, scheint geglückt. Und so lohnt es sich auch für Nichtjäger, diesen lesenswerten und bunten Bildband mitsamt den darin enthaltenen gesellschaftlichen und persönlichen Notizen aufzuschlagen, um dem vielgestaltigen Thema nachzuspüren.

Text: Hannelore Lensing

INFOBOX

Die kaiserliche Jagd ISBN: 978-3-99103-077-5 Buch, gebunden 228 Seiten, 22 x 26 cm EUR 34,90