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GUSTAV, DER SCHLOSSHUND
GUSTAV – der Vizsla
Wer in die Seele eines Hundes blicken will, der muss in dessen Augen schauen. Ja, ich gebe zu, ich schaue derzeit etwas traurig drein. Mein guter Mopsfreund hat sich von dieser Welt verabschiedet und ist – wie die Indianer zu sagen pflegen – in die ewigen Jagdgründe hinübergegangen. Walther, so hieß mein Freund, ist ja ziemlich alt geworden, weil seine Familie so gut auf ihn aufgepasst hat, aber dann ist es ihm zuletzt doch schon längere Zeit nicht mehr ganz so gut gegangen.
Früher haben wir oft gemeinsam Fangen gespielt, um einen Ball gekämpft und dann nebeneinander friedlich in einem Korb geschlafen. Walther war nämlich ein lustiger Spielkamerad mit großen Mopsaugen. Natürlich war er viel kleiner, aber stets flott unterwegs. Wenn es allerdings um sein Fressen ging, konnte man so gar nicht mit ihm verhandeln; ansonsten haben wir aber auch vieles geteilt. Während ich sogar bei Regen und Schnee meinen täglichen Rundgang um das Schloss genieße, wollte der kleine Mops partout keine Kralle vor die Türe setzen. Selbst nette Aufforderungen nützten da wenig, allenfalls ein Leckerli.
Da bin ich selbst aus einem ganz anderen Holz geschnitzt – ein Jagdhund eben. Auch bei Schlechtwetter findet man mich draußen, ich kann sogar kommende Unwetter anzeigen und zittere auch nicht beim heftigsten Gewitter. Als beim letzten Sturm der Wind um das Schloss pfiff und die Fensterläden auf und zu schlugen, bin ich ganz ruhig geblieben, weil meine Herrschaften ja ebenfalls zu Hause waren. Selbst als dann der Strom ausging – ein kleiner Blackout sozusagen – und die Kerzenleuchter entzündet wurden, fand ich das schon wieder ungemein romantisch. So war es ja auch in früheren Zeiten im Schloss, als man noch keinen Strom hatte. Ich werde aber doch ein bisschen sentimental, wenn ich an meinen Mopsfreund mit seinem speziellen Charakter denke. Er hat alle mit seiner lustigen Art stets lebhaft unterhalten. Seine Familie hat den Kindern gesagt, dass er jetzt im Himmel auf einer weißen Wolke ist und dass es ihm dort besser geht. Die Tochter des Hauses hat gemeint: „Der Walther, der ist jetzt im Urlaub.“ Soll ich ihr sagen, dass es ihm dort so gut gefällt, dass er dort bleiben will? Dass er nicht mehr zurückkommen wird? Nur gut, dass ich nicht sprechen kann. So bleibt es mir erspart, ihr zu erzählen, dass Walther jetzt mit meinem Vorgänger, Gustav I., gemeinsam auf dem gemütlichen weißen Ledersofa auf der Wolke sitzt, das er so gern hatte. Und dass er die lange Zeit mit seiner Familie hier sehr genossen hat. Im Angesicht der Unendlichkeit des Seins habe ich mir vorgenommen, alles, was so rund um mich los ist, zu genießen: die Streicheleinheiten meiner Familie, anerkennende Blicke und Leckerlis von Freunden, den warmen Sommerwind, wenn ich im Schlossgarten liege, und die langen Laufstrecken durch die Weingärten gemeinsam mit meinem Frauchen. Also lebe ich im Hier und Jetzt und mache mir vorerst mal keine Sorgen. „Wird schon gutgehen“, hat ein älterer Herr immer gemeint, und der hat sicherlich recht. Ich werde jetzt auch mehr mit dem kleinen Stammhalter bei uns spielen, der gerade Gehen gelernt hat. Er teilt auch so brav sein Essen mit mir, was echt nett ist, und findet mich ganz toll. Das könnte vielleicht ein echter Freund werden.
Also bleibe ich freundlich, blicke zuversichtlich in meine Hundezukunft und werde alles andere erst überdenken, wenn der Blitz einschlägt. Nicht vorher. Das Leben ist zu kurz, um dem Vergangenen nachzutrauern. Und dem Mops schicke einen schönen Gruß und bedanke mich bei ihm für die wunderbare gemeinsame Zeit – er war ein großartiger Freund!