Das Warum und Wie eines neuen Darstellungskonzeptes in der Sozialstatistik
Das Problem Migrationshintergrund Gunter Brückner, Wiesbaden
Die amtliche Statistik in Deutschland behandelt den Themenbereich „Migration“ bislang überwiegend dadurch, dass sie ausgewählte demographische und sozioökonomische Daten aus dem Bereich der Sozialstatistiken nach der Nationalität bzw. der Staatsangehörigkeit der Betroffenen gegliedert darstellt. Dabei wird in aller Regel nur nach ‚deutsch‘ und ‚nicht-deutsch‘ unterschieden. Nur in ausgewählten Statistiken werden Merkmale für die ausländische Bevölkerung in einer tiefer gegliederten Darstellung nach der Staatsangehörigkeit ausgewiesen. Grundsätzlich werden Angaben für Deutsche mit einer zusätzlichen ausländischen Staatsangehörigkeit (Doppelstaatler) nicht gesondert ausgewiesen. Diese Darstellungsstandards haben sich aus mehreren Gründen als unzureichend herausgestellt. Dies liegt an der Vielschichtigkeit der Zuwanderung, die in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges stattgefunden hat.
Migration im NachkriegsDeutschland Die Zuwanderung von Ausländern begann 1956 mit der Anwerbung der ersten Gastarbeiter. Diese Zuwanderung dauerte mit Unterbrechungen Stadtforschung und Statistik 2/ 08
bis etwa 1978 an und wurde durch den Nachzug von Familienangehörigen abgelöst. Seit 1980 stieg die ausländische Bevölkerung vor allem durch die Aufnahme von Asylbewerbern oder Bürgerkriegsflüchtlingen an. 1960 wies (West-)Deutschland 690 000 registrierte Ausländer auf, bei der Wiedervereinigung 1999 waren es 5,0 Mio. im Westen und 191 000 in den Neuen Ländern. Der höchste Wert wurde 1996 mit 7,5 Mio. Ausländern erreicht, am Jahresende 2007 waren es noch 7,2 Mio. Neben der Zuwanderung von Ausländer erlebte Deutschland aber seit dem Ende des 2. Weltkrieges auch einen kontinuierlichen Zustrom von Menschen mit deutscher Staatangehörigkeit. Für die große Mehrzahl der der auf insgesamt 14 Mio. geschätzten Flüchtlinge und Vertriebenen in der Folge des 2. Weltkrieges war die Zuwanderung aber bereits 1950 abgeschlossen. Im Übrigen werden diese Vertriebenen und Flüchtlinge zumeist nicht mit der Migration im Nachkriegsdeutschland in Verbindung gebracht. Seither erfolgte jedoch auch weiterhin ein kontinuierlicher Zustrom von Aussiedlern und Spätaussiedlern, die nach amtlichen Angaben seit 1950 eine Gesamtzahl von 4,5 Mio. erreicht hat, von denen mehr als 2,6 Mio. zwischen
1988 und 1999, d.h. im Zusammenhang mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, zugewandert sind. Es ist nicht bekannt, wie viele dieser zugewanderten Aus- und Spätaussiedler heute noch in Deutschland leben. Außerdem wurden in Deutschland seit 1950 etwa 4.4 Mio. Ausländer eingebürgert, 3.3 Mio. von ihnen zwischen 1990 und 2006. Es ist nicht bekannt, wie viele von diesen Eingebürgerten heute noch hier lebt. Schließlich müssen unter Migrationsgesichtspunkten auch die in Deutschland geborenen Kinder von (Spät-) Aussiedlern und von Eingebürgerten berücksichtigt werden. Sie sind zwar von Geburt an deutsch, stellen aber Kindergärten und Schulen – vor allem wegen der fehlenden Sprachkompetenz – vor große Herausforderungen. Ähnliches dürfte künftig auch für die seit dem Ausländergesetz 2000 nach dem Optionsmodell geborenen Kinder ausländischer Eltern gelten. Ihre Zahl wird auf jährlich 50 000 geschätzt. Die Betroffenen müssen sich vor Ablauf ihres 21. Lebensjahrs für eine Staatsangehörigkeit entscheiden; es lässt sich derzeit nicht annähernd abschätzen, ob ihre spätere Entscheidung für oder gegen die Deutsche Staatsangehörigkeit ausfallen wird.
Aussiedler
Ausländer
Doppelstaatler
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