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Schutz des Stadtgrüns in der mittelalterlichen Stadt Hannover
from St+St 2-2021
Hubert Harfst
In der mittelalterlichen Stadt gab es in der Regel keinen Raum für ö entliches Grün. Aus der Enge heraus behüteten die Bürger vor den Stadtmauern gelegenen Wiesen und Wälder. Ihre Nutzung stand in Konkurrenz mit den Interessen der Bewohner der umliegenden Dörfer, die ihre Wiesen und auch Wälder als zur freien Nutzung o enen Allmende bewirtschafteten. Da die Nutzungsrechte oft nicht abgrenzbar waren, musste die Landesherrschaft eingreifen, wie das im Original abgedruckte und transkribierte Dekret vom 20. April 1737 zeigt.
Hubert Harfst
Dipl. Sozialwirt, Städt. Direktor i.R., bis 2011 Bereichsleiter Statistik und Wahlen bei der Landeshautstadt Hannover
Schlüsselwörter
Hannover – Eilenriede – Holzgang – Dekret gegen Holzdiebstahl – Schutz des Städtischen Waldes vor 300 Jahren – städtischer Waldbesitz im Mittelalter Die ummauerte Stadt im Mittelalter und in der frühen Neuzeit hatte kaum Grün. Es fehlte einfach der Platz innerhalb des engen Mauerringes. Mit Ausnahme der Friedhöfe bei den Kirchen, die aber oft schon früh aufgelassen und einer Nutzung als Markt- und Versammlungsplatz zugeführt wurden, sowie weniger Bürger- und Klostergärten, die als Obstbaum-, Gemüse- und Kräutergärten genutzt wurden1, gab es ganz selten ö entlich zugängliche Grün ächen, wie das Stadtmodell der Stadt Hannover von 1689 zeigt. Die Stadtbewohner haben sie o ensichtlich auch nicht vermisst. Ihr Lebensrhythmus war ein anderer. Er ließ keine Zeit für Sparziergänge und Erholung im Grünen.
Die Herzogliche Residenzstadt Hannover 16892
Wichtig war aber die Hege und der Schutz des städtischen Weide- und Waldbesitzes vor den Stadtmauern und im näheren Umland. Täglich wurde das Vieh, meist Schweine und Ziegen, auf die Bürgerweide getrieben. In Bremen erinnert die Sögestraße noch heute an den Weg, den die Scheinehirten mit ihren Tieren nahmen.
Manche Städte besaßen weitergehende Rechte am Grün vor ihren Toren - Rechte, die sie im Laufe der Zeit erstritten oder vom Landesherrn verliehen bekommen haben. Waldbesitz und Waldnutzung war ursprünglich den Landesherren vorbehalten. Der Stadt Hannover waren aber schon im 13. Jahrhundert Nutzungsrechte an dem östlich der Stadt gelegenen Waldungen, genannt Eilenriede, zugesprochen worden. 1371 schenkte der Herzog die zu diesem Zeitpunkt knapp 500 Hektar große Eilenriede der Stadt ganz. Sie ist seitdem im städtischen Besitz und wurde und wird, wenn möglich, erweitert und sorgsam gep egt.
Während heute eher Verkehrs- und Bauplanung die Eilenriede bedrohen, hatte die Bürgerschaft vor Jahrhunderten ganz andere Sorgen. Es war zwar erlaubt, „daß die in hiesiger Stadt wohnenden Bürger und Bürger-Kinder, welche sonst an gewissen Tagen, in der Woche in die Forst zu gehen, und das Sprick-und anderes abfälliges Holtz, unter Aufsicht der Forstbedienten … sammeln, und zu ihrer nöthigen Feurung … gebrauchen“3 konnten. Der sogenannte Holzgang, war neben der Eckerich (Eichelmast der Schweine) über Jahrhunderte ein wichtiges Recht der Waldnutzung. Alles war aber streng limitiert, denn auf jeden Fall musste eine Übernutzung des Gemeineigentums vermieden werden.
Die Hannoverschen Bürger wurden von der Forstaufsicht zum sorgsamen Umgang mit ihrem Wald angehalten. Der Zugang aus dem Umland dagegen war kaum zu überwachen. Die Bewohner der anliegenden Dörfer nutzten dies und plünderten den Stadtwald regelrecht aus. Der unbeschränkte Zutritt der nicht legitimierten Bauern gefährdete den Bestand des Waldes so sehr, dass Bürgermeister und Rat der Stadt den Landesherrn um Hilfe baten. Das daraufhin erlassene Dekret vom 20. April 1737 ist im Original erhalten. Sowohl der Duktus als auch die angedrohten Strafen zeigen, wie wichtig es der Stadt war, ihren Wald zu schützen.
Wir, Georg der Andere, von Gottes Gnaden König von Großbritannien, Frankreich und Irland, Beschützer des Glaubens, Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg, des heyligen Röm. Reichen Ertz Schatzmeister und Chur Fürst etc. thun hiermit kund und zu wissen: Nachdem bey Unseren Geheimbten-Rats-Collegio von Burgermeistern und Rath Unserer Residenz-Stadt Hannover angezeiget worden, wasmassen die Holtz-Dieberey in der der Stadt zugehörigen Waldung die Eylenriede genannt dermassen überhand nehme, daß ganze Bäume und Stämme in grosser Anzahl durch Gespann und Vielheit der Leute weggeschleppet würden, wogegen der Stadt-Forst-Bedienstete zu resistiren nicht vermöchten; Und dann zwar bereits mittels eines unterm 23ten Febr. 1731 aus unserer Geheimten Rath-Stube an die Ämter Langenhagen und Coldingen ergangenen Rescripti, dessen Inhalt zugleich gehörig bekandt zu machen befohlen worden, wegen Verhinderung solcher Holtz-Dieberey und nachdrücklicher Bestra ung der Diebe Vorsehung geschehen ist, aus obigen aber sich ergiebet (Seite 2 des Dekrets), daß dadurch bisher nichts gefruchtet sey, daß Wir dannenhero uns gemüssiget gesehen, zu


endliche Abstellung dieser großen Ungebührlichkeit, und Abkehrung des daraus zu befürchtenden weitern Ruins obbesagter Stadt-Forst, gegenwärtiges o enes Edict herausgehen zu lassen, Kraft dessen Wir zuförderst allen und jeden, vornehmlich denen in obgedachten Unsern Amtern wohnhaften Unterthanen, als welche wegen der Nachbarschaft die meiste Gelegenheit zu delinquiren haben, Landesherrlich und auf ernstlichste gebieten, und sie nochmals gewarnet seyn lassen, daß sie, wie sie alle Dieberey nach Gott- und weltlichen Geset-
zen zu meiden schuldig sind, also insonderheit auch der Bestehlung mehrgedachter Forst sich in alle Wege enthalten, und daraus an Nutz- Brenn- und andern Holtze, weniger nicht an jungen Heister, Hayne-Buchen und Linden-Stämme durchaus nichts fällen, oder ausroden und entwenden, oder von dem darin auf der Stadt-Verfügung und zu derselben Gebrauch gefällten Holze, verschleppen mögen. Auf dem Fall aber, daß dennoch sich jemand gelüsten liesse, diesem unserm ernstlichen Geboth in ein oder andern Wege entgegen zu handeln; so verordnen wir hiermit ferner und wollen, daß der- oder dieselbigen, die darauf betreten, oder dessen bey anzustellender Untersuchung überführet werden, zum erstenmale, ausser der Restitition des gestohlnen Holtzes oder dessen Werths an den Rath, eine das Duplum des Werths betragene Geldstrafe entrichten, oder, dafern solche Armuths halber (Seite 3 des Dekrets) nicht erfolgen kann, mit viertägigen Gefängniß, halb zu Wasser und Broth, zum zweyten mahle

mit dem Halß-Eisen, woran sich nach Be nden drey oder mehr Tage nach einander zwey Stundenlang zu stellen sind, und zu dritten mahle, die Kerle mit einem monathlichen Karrenschieben und die Weibesleute mit einem monathlichen Zucht- und Werck-Hauses bestra et, auch diese Stra en des Karrenschiebens und Werck-Hauses, wann diejenigen, so sie ausgestanden, und dadurch zeigen, daß keine Besserung bey ihnen zu ho en sey, auf Monate und Jahre, nach Be nden der Umstände wiederhohlet und erstrecket werden sollen. Wir bezeugen dabey ausdrücklich, daß die in hiesiger Stadt wohnenden Bürger und Bürger-Kinder, welche sonst an gewissen Tagen, in der Woche in die Forst zu gehen, und das Sprick-und anderes abfälliges Holtz, unter Aufsicht der Forstbedienten zu sammeln, und zu ihrer nöthigen Feurung zu gebrauchen hergebracht haben, wann sie diese Befugniß überschreiten, und als Holtz-Diebe sich bezeigen, auf gleiche Art bestrafet werden sollen.
Und lassen hiermit nicht allein Unseren jedesmahligen Beambten zu Coldingen und Langenhagen, imgleichen Bürgermeistern und Rath hieselbst ernstlich anbefohlen seyn, über diese Unsere Verordnung wegen deren gehöriger Publication ihnenunterm heutigen dato das nöthige besonders rescribet wird, mit aller Nachdruck (Seite 4 des Dekrets) die Hand zu halten, sondern besagten Amtern an sie gelangen

sollten, darnach in judicando sich achte. Signatum Hannover, den 20ten April 1737 Ad Mandatum Regis et Electoris H. Grote4
1 Rode, Michael: Die Entwicklung der Gärten und Parks vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert in Hannover in: Berichte der Naturhistorischen Gesellschaft Hannover, Band 141, Hannover 1999, S. 115–136 2 Foto Axel Hindemith, Wikipedia 3 Siehe Seite 3 des unten abgedruckten Dekrets 4 Abb. des Dekrets: StadtA Hannover, Sign. 1.AA.2.01 Nr. 3144; Transkription des Textes aus: Kreter, Karljosef: Geschichtsblätter vor 100
Jahren: Holzgang und Diebstahl in Hannovers Stadtwald, Hannoversche Geschichtsblätter N.F. Bd. 54 (2000), S. 205–216