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BERICHT AUS BERN Parlament, Bundesrat, EDI, BAG

Aus dem Parlament

Die wichtigsten politischen Entwicklungen seit dem 21. Dezember 2019 von Moritz Helfenstein zusammengefasst und kommentiert.

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AUS DEM NATIONALRAT

KVG. Zulassung von Leistungserbringern Beim Nationalrat ging es um die zweite Differenzbereinigungsrunde. Einige Differenzen zum Ständerat konnten ausgeräumt werden. Andere, insbesondere für die Krankenversicherer wichtige Differenzen, bleiben aber bestehen. Es sind dies: − Im Gegensatz zum Ständerat hat der Nationalrat beschlossen daran festzuhalten, dass den Versicherern ein Beschwerderecht gegen kantonale Erlasse zur Zulassungssteuerung zukommen soll. − Auch die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und Qualität soll den Versicherer obliegen, nachdem der Kanton einen Leistungserbringer zugelassen hat. Der Ständerat will auch die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und Qualität bei den Kantonen ansiedeln. − Gemäss Nationalrat sollen die Krankenversicherer der Aufsichtsbehörde in begründeten Fällen den Entzug der Zulassung beantragen können. Der Ständerat lehnt dies ab. Der Nationalrat wollte die Vorlage mit der Gesetzesänderung betreffend die einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Behandlungskosten verknüpfen, was beim Ständerat auf heftigen Widerstand stiess. Der Nationalrat ist darum von dieser Verknüpfung abgekommen. Dies vor allem mit der Begründung, dass sonst die Kantone Widerstand gegen die Zulassungsvorlage leisten würden und sich dadurch Verzögerungen ergeben. Die Vorlage geht nun wieder zurück an den Ständerat. Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

Der Nationalrat hat sich am 10. März 2020 in der zweiten Differenzbereinigungsrunde mehrheitlich den Beschlüssen des Ständerates angeschlossen. Das heisst: − Nachhaftung in der Krankenzusatzversicherung; Der Rat übernimmt den Beschluss des Ständerates. Damit bleibt es dabei, dass die Versicherungsunternehmen nach Vertragsende nicht mehr haften müssen, auch wenn das Risiko während der Vertragslaufzeit aufgetreten ist, aber noch keine Leistungen fällig wurden. Bundesrat Maurer sprach sich bei den Verhandlungen für den Antrag der Minderheit aus, die verlangte, dass in diesen Fällen die Versicherer bis zu fünf Jahre über das Vertragsende hinaus leistungspflichtig sind. − Kündigungsrecht bei Verletzung der Informationspflicht; Auch hier folgte der Rat dem Ständerat. Demnach kann eine Kündigung innert vier Wochen ab Kenntnis der Verletzung erfolgen unbekümmert darum, wie lange der Vertrag bereits gedauert hat. Das entspricht der bisherigen Regelung. In einem Punkt hat der Nationalrat an seinem bisherigen Beschluss festgehalten. Es geht dabei darum, dass der Geschädigte unter gewissen Umständen ein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Versicherungsunternehmen hat und nicht nur gegenüber dem Schadenverursacher. Mit dieser Differenz geht die Vorlage nochmals zurück an den Ständerat.

AUS DEM STÄNDERAT

Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

Der Nationalrat hat in der Wintersession 2019 gegenüber den Beschlüssen des Ständerates verschiedene Differenzen geschaffen. Mit diesen hatte sich in der laufenden Session der Ständerat am 3. März 2020 auseinandergesetzt. In vier Punkten ist er dabei den Beschlüssen des Nationalrates gefolgt und in vier Punkten hat er an seinen Beschlüssen festgehalten. Für die Krankenversicherungsbranche von Interesse sind folgende Differenzbereinigungs-Beschlüsse: − Nachhaftung in der Krankenversicherungszusatzversicherung; Gemäss Beschluss des Nationalrates können Ansprüche bis zu fünf Jahren nach Vertragsende geltend gemacht werden, wenn sich die versicherte Gefahr noch während der Laufzeit des Vertrages verwirklicht, der daraus entstehende Schaden aber erst nach Beendigung des Vertrages eintritt. Der Ständerat will keine solche Bestimmung. − Obligatorische Haftpflichtversicherungen; Der Beschluss des Nationalrates sieht vor, dass bei obligatorischen Haftpflichtversicherungen gegenüber der geschädigten Person keine Einwände – zum Beispiel, weil der haftpflichtige Arzt die Prämien nicht bezahlt hat – geltend gemacht werden können. Der Ständerat hat den Beschluss des Nationalrates übernommen. − Kündigungsrecht bei Verletzung der Informationspflicht; Der Ständerat hat an seinem Beschluss gemäss bisherigem Recht festgehalten, wonach ein Vertrag innert vier Wochen nach Kenntnis der Vertragsverletzung gekündigt werden kann, unbekümmert darum, wie lange der Vertrag bereits gedauert hat. Der Nationalrat will eine Kündigung nur in den ersten zwei Jahren zulassen. − Mit Beschluss vom 10. März 2020 hat der Nationalrat daran festgehalten, dass der Geschädigte auch ein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Haftpflichtversicherer haben soll. Der Ständerat hat sich in der letzten Differenzbereinigungsrunde diesem Beschluss angeschlossen, sodass die Vorlage für die Schlussabstimmung bereit ist.

Mitsprache und Mitbestimmung der Krankenversicherer bei kantonalen Spital- und Pflegeheimlisten Motion SGK-NR Mit der Motion verlangt die Kommission, Artikel 53 KVG betreffend die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht mit einem Absatz 3 zu ergänzen. Damit sollen die Krankenversicherer zur Beschwerde gegen Beschlüsse der Kantonsregierungen nach Artikel 39 KVG betreffend Zulassung von Spitälern und Pflegeheimen legitimiert werden. Der Nationalrat hat der Motion in der Herbstsession 2018 zugestimmt. Die vorberatende Kommission, wie auch der Bundesrat, haben dem Rat beantragt, die Motion abzulehnen. Begründet wird diese Ablehnung damit, dass die Forderung in das erste Kostendämpfungspaket des Bundesrates, das demnächst vom Parlament behandelt wird, aufgenommen wurde. Der Rat hat die Motion diskussionslos abgelehnt.

Zeitgemässer elektronischer Datenaustausch zwischen Gemeinden und Krankenversichern Motion Brand Heinz NR & Wohnsitzfrage, Krankenkassenprämien und stationäre Anteile der Kantone. Weniger Bürokratie weniger Fehler Motion Hess Lorenz NR Die Motion Brand verlangt eine Änderung des KVG, beziehungsweise des ATSG, damit die Kontrolle der Versicherungspflicht durch die Kantone (Art. 6 Abs. 1 KVG) erleichtert wird. Die Einwohnerdienste der Gemeinden sollen unter anderem mit elektronischen Abfragen bei den Krankenversicherern beziehungsweise ihren Verbänden überprüfen können, ob eine Person gültig versichert ist oder nicht. Mit der Motion Hess wird der Bundesrat gebeten, den elektronischen Ausgleich zwischen den Kantonen und den Krankenversicherern beziehungsweise ihren Verbänden derart zu erleichtern, dass bezüglich Versicherungspflicht, Wohnsitzfragen, stationären Anteilen, Doppelversicherungen und korrekte Prämienberechnung möglichst tagesaktuell korrekte Entscheide gefällt werden können. Der Nationalrat hat beide Motionen angenommen. Auch der Bundesrat hat für beide Annahme beantragt. Die vorberatende Kommission hat beide Motionen zusammen beraten, weil sie mehrheitlich die gleichen Anliegen vertreten und empfohlen, diese anzunehmen. Der Rat hat beide Motionen diskussionslos angenommen.

Transparenz bei Entschädigungen und Honoraren für Ärzte und Ärztinnen in leitender Funktion Motion Heim NR Mit der Motion wird der Bundesrat eingeladen, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, damit Listen- und Vertragsspitäler im stationären und ambulanten Bereich zur Vergütungstransparenz verpflichtet werden. Der Nationalrat hat – nach einigem Hin- und Her (Diskussion verschoben, Diskussion verschoben!) – der Motion in der Frühjahrssession zugestimmt. Auch der Bundesrat hat Annahme der Motion beantragt. Die vorberatende Kommission hat ohne Gegenstimme Zustimmung beantragt. Der Rat hat positiv zur Kenntnis genommen, dass der Bundesrat in der verlangten Richtung bereits aktiv geworden und eine entsprechende Verordnung in die Vernehmlassung geschickt hat. Der Motion hat er ohne Diskussion zugestimmt.

KVG. Zulassung von Leistungserbringern In der zweiten Differenzbereinigungsrunde hat der Rat folgende Beschlüsse gefasst: − Er hat sich dem Beschluss des Nationalrates angeschlossen, wonach den Versicherern in begründeten Fällen das Recht zustehen soll, der Aufsichtsbehörde den Entzug der Zulassung eines Leistungserbringers zu beantragen. − Bezüglich Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und Qualität hat der Rat den Beschluss des Nationalrates übernommen. Demnach sollen die Krankenversicherer für diesen Bereich zuständig sein. − Auf einstimmigen Antrag der vorberatenden Kommission hat der Rat beschlossen, an seinem früheren Beschluss festzuhalten, dass den Versicherern kein Beschwerderecht gegen kantonale Erlasse über die Festlegung und Berechnung der Höchstzahlen zusteht.

Mit dieser einzigen noch bestehenden Differenz geht das Geschäft nun in die Einigungskonferenz.

Abbilden der Leistungen der Apotheker zur Qualitätssicherung und Kostendämpfung im Krankenversicherungsgesetz Motion Humbel Ruth NR Mit der Motion wird der Bundesrat beauftragt, die neu den Apotheken übertragenen Leistungen der Grundversicherung, welche zur Kostendämpfung und Qualitätssicherung beitragen, im KVG abzubilden, damit die Leistungen in einem Tarifvertrag zwischen Apotheken und Krankenversicherern geregelt werden können. Der Nationalrat hat die Motion in der Wintersession 2018 angenommen. Auch der Bundesrat hat Annahme der Motion beantragt. Ohne Diskussion hat der Ständerat Annahme der Motion beschlossen.

Anbau und Export von medizinischem Cannabis Motion Markwalder Christa NR Ärztliche Abgabe von Cannabis an Chronischkranke. Tiefere Gesundheitskosten und weniger Bürokratie Motion SGK-NR Die beiden Motionen wurden vom Rat in einem Durchgang behandelt. Mit der Motion Markwalder wird der Bundesrat beauftragt, zu prüfen, wie im Rahmen der geltenden Gesetzgebung Gesuche zum Export von medizinisch genutztem Cannabis oder Cannabiszubereitungen bewilligt werden können. Sollten solche Gesuche nicht bewilligungsfähig sein, wird der Bundesrat beauftragt, dem Parlament schnellstmöglich eine entsprechende Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vorzulegen, die es erlaubt, Cannabis zu medizinischen Zwecken anzubauen und medizinisches Cannabis und medizinische Cannabiszubereitungen zu exportieren. Mit der Kommissionsmotion wird der Bundesrat beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen dahingehend anzupassen, dass Medizinalcannabis an Chronischkranke durch ärztliche Verordnungen abgegeben werden kann. Die sofortige Vereinfachung in Analogie zu den Nachbarländern soll wissenschaftlich begleitet werden. Die Forderungen der beiden Motionen sind bereits in der Umsetzung inbegriffen, in dem eine entsprechende Gesetzesänderung in Vorbereitung ist. Der Bundessrat hat diese in die Vernehmlassung geschickt, die am 17. Oktober 2019 endete. Vorgesehen ist, dass die Gesetzesvorlage im Frühsommer 2020 den eidgenössischen Räten zugeleitet wird. Bundesrat und vorberatende Kommission haben Annahme der beiden Motionen beantragt. In diesem Sinne hat der Rat dann auch entschieden. Mit der Cannabisverabreichung kommt wohl ein weiterer Kostenfaktor auf die Krankenversicherer zu.

BUNDESRAT/EDI/BAG UMFELD

Physiotherapie und Psychologie Für beide Leistungsbereiche beabsichtigt der Bundesrat Neuerungen, die auf jeden Fall zu Mehrkosten führen werden. Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen wollen, dass sie selbstständig, das heisst ohne ärztliche Verordnung, tätig sein und auch direkt Rechnung stellen können. Gemäss dem Verband der Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen würde ein Direktzugang – neben einer Aufwertung des Berufes – zu Kosteneinsparungen führen, weil so viele Arztkonsultationen vermieden werden könnten. Diese Argumentation muss bezweifelt werden. Einerseits werden wohl sehr bald Tariferhöhungen verlangt und anderseits ist doch sehr zu befürchten, dass eine Ausweitung der Behandlungen erfolgen wird, wenn die Leistungserbringer selber bestimmen können, ob und wie lange ein Patient behandelt werden muss. Bei der Psychologie ist die Ausgangslage ähnlich. Bekanntlich werden bisher Leistungen von Psychologen und Psychologinnen nur durch die Krankenversicherung bezahlt, wenn diese von einem Psychiater angestellt sind. Neu sollen die Psychologen und Psychologinnen selbständig tätig werden. Auch hier besteht die Gefahr, dass psychologische Behandlungen stark zunehmen (in Amerika haben viele Einwohner einen festen psychologischen Berater). Zudem sehen die Psychologen und Psychologinnen bereits namhafte Tariferhöhungen im Rahmen von rund fünfzig Franken. Geplant ist nun, dass in zwei Regionen der Schweiz Pilotversuche gestartet werden, die zeigen sollen, ob sich die Ablösung von der Abhängigkeit der Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen von den Psychiatern bewährt und dadurch nicht starke Kostenerhöhungen folgen. Boni in Spitälern In den Spitälern ist es weit verbreitet, dass leitende Ärzte und Ärztinnen einen Bonus erhalten, wenn zum Beispiel mehr Operationen durchgeführt wurden, als budgetiert. Diesem Umstand will nun der Bundesrat einen Riegel schieben. Zwar will oder kann er den Spitälern nicht verbieten, entsprechende Boni auszurichten. Er sieht aber vor, dass Spitälern mit entsprechenden Boni-Lösungen keinen Leistungsauftrag mehr erhalten. Dies wird sich wohl kein Spital leisten können. Die entsprechende Vorlage hat der Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt, die bis im Mai 2020 dauert. Prämienrabatte in den Krankenzusatzversicherungen Gemäss einem Urteil des Bundesgerichtes gegen die Krankenkasse Helsana soll es den Krankenversicherern nicht mehr freigestellt sein, in welcher Höhe sie in der Krankenzusatzversicherung bei Kollektivversicherungen Rabatte gewähren. Anscheinend wurden bisher vereinzelt Rabatte bis zu 50 Prozent gewährt. Kollektivverträge werden bekanntlich primär mit Firmen, Vereinen und Verbänden abgeschlossen. Begründet wird das Urteil damit, dass insbesondere ältere und chronischkranke Einzelversicherte benachteiligt werden. Telemedizin

Die Telemedizin macht einen Schritt vorwärts. Die Swica stellt in einem ersten Schritt einem ausgewählten Versichertenkreis 2000 Geräte zur Verfügung, die sie zusammen mit einer App von zu Hause aus nutzen können. Die Bilder und Videos werden dann an Ärzte im Telemedizin-Zentrum übertragen. In vielen Fällen sollen so Konsultationen in einer Arztpraxis verhindert werden können. Nun wollen auch weitere Versicherer solche Geräte anschaffen. Die Rede ist im Moment von CSS, Sanitas und ÖKK. Werbung und Werbeprovisionen Wieder einmal! Hält die neue Vereinbarung der Krankenversicherer dieses Mal? Die Frage stellt sich, nachdem wieder nicht alle Krankenversicherer mitmachen, darunter auch die Krankenkasse SANITAS. SCHLUSSBEMERKUNGEN zur Frühjahrssession Nachdem die Session nach zwei Wochen abgebrochen wurde, konnten zwei für die Krankenversicherung wichtige Geschäfte, die im Übrigen das Parlament schon seit Jahren beschäftigt haben, nicht beraten werden. Entsprechend können die betreffenden Gesetzesbestimmungen auch nicht in Kraft gesetzt werden. Es betrifft dies − die Änderungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG); − die Zulassung von Leistungserbringern.

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