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ROMA ... in 70mm Filmkopie
SPECIAL20

ROMA (exklusiv im 70mm-Format)
Im Rahmen unseres Todd-AO-70mm-Filmfestivals in der Schauburg (4. – 6. Oktober 2019) präsentieren wir Alfonso Cuaróns Meisterwerk im Oktober erstmals im Königsformat 70mm.
Kaum ein Film hat die Kinobranche so aufgemischt wie Alfonso Cuaróns „Roma“. Nicht etwa wegen seines Inhalts, sondern aufgrund seiner Vermarktungsstrategie. Denn bei „Roma“ handelt es sich um ein waschechtes Produkt aus dem Hause Netflix, einem der größten Konkurrenten der Kinobranche. Der Streamingdienst bot den Film den Kinos zur Vorführung an, jedoch ohne sich an das übliche Auswertungsfenster zu halten. Nach Vorführungen auf diversen Filmfestivals wurde der Film ab 21. November 2018 in ausgewählten Kinos in den USA gezeigt, darunter auch Los Angeles, um den Film für die Oscar-Verleihung zu qualifizieren. Danach erfolgten Einsätze auch in weiteren Städten außerhalb der USA. Ab 6. Dezember 2018 wurde er in einigen deutschen Städten gezeigt. Bereits am 14. Dezember 2018 wurde er in das Programm von Netflix aufgenommen, womit der Film gerade einmal knapp einen Monat lang den Kinos exklusiv vorbehalten war. Innerhalb der deutschen Kinobranche führte das zu einer kontrovers geführten Diskussion. War man sich im Vorfeld zunächst offenbar einig, den Film zu boykottieren, um damit ein Zeichen gegen die nicht akzeptable Vermarktungspolitik von Netflix zu setzen, so war die Entrüstung umso
größer, als sich einige wenige Lichtspieltheater in Deutschland dem Boykott widersetzten und den Film in ihr Programm aufnahmen.
Cuarón („Gravity“, „Children of Men“) selbst sagte über die Zusammenarbeit mit Netflix, dass der Zuschauer bei einem Streamingdienst einen dauerhaften Zugriff auf den Film habe: „Natürlich möchte ich „Roma“ dem Publikum, das sich für den Film interessiert, am liebsten unter den besten Konditionen präsentieren, und das ist natürlich ein Kino mit großer Leinwand und einer Tonanlage, die unser atmosphärisches Sounddesign reproduzieren kann.“ Er wisse aber auch, dass sich Menschen heute nicht mehr so sehr für Kino interessierten oder schlicht keine Zeit hätten, ins Kino zu gehen. Die Strategie des Streaming-Giganten ging auf: im Rahmen der Golden Globe Awards 2019 wurde „Roma“ als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet, zudem Cuarón für die beste Regie. Bei der Oscarverleihung 2019 war „Roma“ neben „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ Favorit mit je zehn Oscarnominierungen, darunter bei beiden die für den besten Film und die beste Regie. Letztlich gewann der Film drei Oscars in den Kategorien beste Regie, bester fremdsprachiger Film und beste Kamera.
Worum geht es eigentlich in „Roma“? Wir befinden uns in Roma, einem Stadtteil von Mexiko-Stadt, im Jahre 1970. Hier arbeitet die Mixtekin


„Ich wollte den Film unbedingt machen, um meine eigenen Erinnerungen zu entdecken. Aber eben auch um zu erinnern.“
Alfonso Cuarón, Regisseur
Cleo als Kindermädchen und Haushälterin für eine siebenköpfige Familie der Oberschicht. Putzen, Kochen und Kinderhüten prägen ihren eintönigen Alltag. Abwechslung bietet ihr nur Fermin, ein junger Kampfsportfan, mit dem sie anbandelt. Als sie ihm beim gemeinsamen Kinobesuch eröffnet, dass sie von ihm schwanger ist, verschwindet Fermin von der Bildfläche... „Roma“ ist nicht mehr als eine Momentaufnahme des Lebens in der mexikanischen Hauptstadt Anfang der 1970er Jahre. Regisseur Alfonso Cuarón, selbst gebürtiger Mexikaner und zum Zeitpunkt der Handlung seines Films gerade einmal neun Jahre alt, fängt diese Momentaufnahme in leuchtendem Schwarzweiß ein und streckt seine Bilder über die gesamte Breite der CinemaScope- Leinwand. Mit atemberaubender Schärfe und einem brillanten Sounddesign, das sämtliche Vorzüge des “Dolby Atmos”-Tonformats ausreizt, macht er den Zuschauer gleichsam zu einem Zeitzeugen, der alle Geschehnisse wie durch ein großes Fenster in die Vergangenheit beobachtet. Sein Film kommt ohne Filmmusik und mit sehr wenigen Schnitten aus, wodurch eine unglaubliche Authentizität erreicht wird. Cuarón schildert nicht nur das Leben einer Mittelklassefamilie und ihrem Dienstmädchen, sondern thematisiert gleichzeitig ein dunkles Kapitel seines Landes: das Fronleichnam-Massaker im Jahre 1971, bei dem Dutzende von Menschen im Rahmen von Studentenprotesten durch eine paramilitärische Gruppe getötet wurden. Ein dunkles Kapitel, das das Land bis heute nicht vergessen hat.
„Sie ist gleich mehrfach ausgeschlossen: Weil sie arm ist, weil sie Ureinwohnerin ist und weiblich. Man hinterfragt nicht die Menschen, die man liebt. Gerade als Kind sieht man sie nicht als Individuen mit ihren eigenen Bedürfnissen.“
Alfonso Cuarón, Regisseur


„Es war ein Tanz zwischen meinen technischen und kreativen Ansprüchen. Allein die Szene am Meer am Ende. Ich wollte mit der Kamera bis ans Wasser, aber keine verwackelten Bilder. Der Zuschauer soll vielmehr vergessen, dass er überhaupt durch eine Kamera sieht.“
Alfonso Cuarón, Regisseur
Die Geschichte des Films ist autobiographisch angehaucht. Nachdem die Produktion abgeschlossen war, erklärte der Regisseur der Presse Anfang 2017: „Mit diesem speziellen Projekt in mein Land zurückzukehren, war etwas sehr persönliches, weil wir in den 70er Jahren einen Film mit vielen Elementen und Erfahrungen aus meiner Kindheit gedreht hatten.“ Er habe damit einen Film realisiert, den er schon immer mit diesen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu drehen geträumt hatte. „Ich kann im Ausland leben, aber ich denke immer noch mexikanisch. Ich bin sehr mit der Vergangenheit in meinem Land verbunden.“ Über die im Film thematisierte Hintergrundgeschichte sagte Cuarón: „Das Fronleichnam-Massaker hat definitiv eine Narbe im kollektiven Bewusstsein der mexikanischen Gesellschaft hinterlassen. Mexiko ist ein Land mit vielen Brüchen und Traumata, aber dieses Massaker war sehr prägend.“ Das Massaker fand zur Zeit von Mexikos „Guerra Sucia“ (dem „Schmutzigen Krieg“) statt, der bis Anfang der 1980er-Jahre andauerte. Das Verschwindenlassen, die Ermordung und Folterung von Tausenden Linken, militanten Arbeitern und Bauern ist bis heute ein Kapitel der mexikanischen Geschichte, das nicht vergessen wurde.
Cuarón erklärte, dass 90 Prozent der Szenen in Roma seinen eigenen Erinnerungen entstammen: „Ich reproduzierte das Zuhause meiner Kindheit, ich trug sogar einen Großteil der originalen Möbel zusammen, ich castete die Schauspieler so, dass sie so gut wie identisch mit meiner Familie zu Beginn der Siebzigerjahre wirken - bis hin zur Hauptfigur des Films, dem Kindermädchen Cleo. Wir drehten auch an den Originalschauplätzen, transformierten also das heutige Mexiko-Stadt in die Vergangenheit. Ich habe sogar genau dieselben Automodelle in die Straße parken lassen, die zu jener Zeit dort immer standen.“ Cuarón sieht seinen Film auch als eine Hommage an das stille Wirken der Hausmädchen, die auch seine eigene Kindheit prägten, vor allem an Liboria „Libo“ Rodríguez, das Dienstmädchen der Familie.
Das Panorama, das sich über den Dächern Romas zeigt, wurde mittels CGI nachgebildet. Da sich das Straßenbild in Mexiko-Stadt seit den Siebzigern – auch durch das Erdbeben von 1985 bedingt – stark verändert hatte, mussten die Spezialisten von MPC nahtlos die Gebäude und Fassaden der 1970er in die real gedrehten Straßenzüge der Gegenwart eingefügen. Cuarón und sein Kameramann Galo

Land/Jahr: Mexiko 2018
Regie:
Alfonso Cuarón
Darsteller: Yalitza Aparicio, Marina de Tavira,
Diego Cortina Autrey
Laufzeit:
135 Minuten
FSK:
12
Verleih:
Netflix
Kinostart:
06.12.2018
Olivares drehten den Film in Schwarz-Weiß mit der digitalen Alexa 65 Kamera von Arri. Die Herausforderung beim Drehen war – wie schon immer zu Zeiten des Schwarzweissfilms – die Farben des Szenenbildes so abzustimmen, dass später im Schwarzweissbild eindrückliche Grauschattierungen entstanden. Szenenbildner Eugenio Caballero unterstützte dies durch die Verwendung von Materialien mit einer „kräftigen Textur“.
Wer „Roma“ nur aus der Streamingplattform kennt oder ihn womöglich noch gar nie gesehen hat, aber auch all jene, die ihn gerne noch einmal auf großer Kinoleinwand sehen wollen, denen bietet sich nun im Rahmen unseres „15. Todd-AO 70mm Filmfestivals“ (04.-06.10.2019) die einmalige Gelegenheit, Cuaróns Meisterwerk im 70mm-Format auf der gekrümmten Bildwand der Schauburg zu erleben. Es ist uns gelungen, eine der ganz wenigen 70mm- Kopien des Films eigens für dieses Event nach Karlsruhe zu holen. Die vom digitalen 4K-Master hergestellte Filmkopie verspricht erstklassige Bildqualität – die Schwarzweißbilder werden unsere Bildwand förmlich zum Glühen bringen, ergänzt durch einen für 5.1 Tonkanäle optimierten digitalen Surround-Sound.
Pressestimmen
„Alfonso Cuarón ist ein wunder schöner, mitreißender Film gelungen. Man muss diesen Film im Kino sehen, weil er großes Kino ist. Man sollte ihn auch dort sehen, nicht auf dem Bild schirm, um den Ort der Filmkunst zu stärken. In diesem Fall mehr denn je. Denn die Gewalt, von der Cuarón erzählen will, die braucht heute keine prügelnden und schießenden Büttel mehr, sie hat das Internet. Und die Selbst verskla vung der Menschen mittels digitaler Medien“
(Rüdiger Suchsland – artechock.de)
„Es kommt nur selten vor, bei einem Film vor emotionaler Bewegtheit aufschluchzen zu müssen, ohne das Gefühl zu haben, durch kitschige Unwahrheit erpresst worden zu sein. Cuarón kann beides: das Pathos des Lebens feiern und soziale Abhängigkeiten durchleuchten. Man muss diesen Film lieben wie einen sehr klugen und gleichzeitig warmherzigen Menschen.“
(Ijoma Mangold – DIE ZEIT)