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UNRUH
AB 5. JANUAR UNRUH
DRAMA | SCHWEIZ | 2022
In einem Schweizer Bergdorf schwärmen die Arbeiterinnen einer Uhrenfabrik vom internationalen Anarchismus Phänomenale Polit-Lovestory der poetischen Art. Rigorose Filmkunst, so präzise wie ein Schweizer Uhrwerk.
Ein Quartett vornehmer Damen wartet vor windiger Waldkulisse auf einen Fototermin. Mit einem Gläschen Champagner in der Hand plaudert man angeregt über Anarchie und Nationalismus. Und gönnt sich den jüngsten Tratsch über den hübschen Pyotr Kropotkin, einen russischen Anarchisten, der sich unglücklich verliebt haben soll, wie die kichernden Ladys aus vermeintlich verlässlicher Quelle wissen. Rückblickender Schauplatz der amourösen Begegnung ist ein beschauliches Bergdorf im Schweizer Jura, das von der örtlichen Uhrenfabrik dominiert wird. Dort reist Pyotr Kropotkin aus Russland als Kartograf an, um eidgenössische Orte zu erfassen, die für die anarchistische Bewegung von Interesse sein könnten. Tatsächlich rumort es reichlich unter den Arbeitern und vor allem Arbeiterinnen der Uhrenfabrik. Sie fordern mehr Rechte.. An überraschenden Momenten herrscht kein Mangel in diesem ungewöhnlichen Politdrama. Weshalb die beiden Dorfpolizisten so fleißig auf Leitern steigen, um regelmäßig an den Uhren zu drehen, sei vorab so wenig verraten wie jener Knalleffekt der Schweizer Nationalhymne „Rufst du mein Vaterland“, deren Klänge verblüffend vertraut klingen. Verschwiegen sei zudem, was es mit der anfänglich verkündeten Lovestory des Anarchisten tatsächlich auf sich hat. So innovativ die Erzählweise mit ihrer tatsächlich atemberaubenden Langsamkeit ausfällt, so einfallsreich gerät die Bildsprache. In den hübsch komponierten Tableau-Bildern tummeln sich die Komparsen im Hinter- und Vordergrund. Mal kreuzt eine Kuh das Bild oder Rauchschwaden ziehen endlos vorüber. Auf den ersten Blick sind die Akteure in diesem Panoptikum bisweilen gar nicht zu erkennen. Ein großer Baum oder eine Hauswand versperren gekonnt die Sicht. Als Kontrast zu den kunstvollen Totalen gesellen sich wahnwitzige Großaufnahmen. Ob von Gesichtern oder von Bauteilen der Uhrwerke, darunter jene titelgebende Unruh.
PROGRAMMKINO.DE / DIETER OßWALD
REGIE Cyril Schäublin DARSTELLER Clara Gostynski, Alexei Evstratov, Monika Stalder, Hélio Thiémard, Li Tavor, Valentin Merz, Laurence Bretignier, Laurent Ferrero, Mayo Irion, Daniel Stähli LAUFZEIT 93 Minuten FSK ab 6


