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Editorial

Bittere Wahrheiten

IMELDA WEIDHAAS

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich die Gewichtung vieler Dinge radikal verändert. So sagte Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, die Versorgungssicherheit sei im Zweifel wichtiger als der Klimaschutz. Für einen Grünen-Spitzenpolitiker eine Aussage, die in früheren Zeiten zu seinem sofortigen Rücktritt geführt hätte. Und dass ein SPD-Kanzler zusammen mit einem liberalen Finanzminister 100 Mrd. Euro neue Schulden für die Stärkung der Bundeswehr aufnehmen würde, ist ebenfalls nur mit der Zeiten- und Denkwende zu erklären, die Putins Aggression in der westlichen Welt ausgelöst hat.

Deutschland, das sich seit dem 2. Weltkrieg immer über wirtschaftlichen Erfolg definiert hat, muss sich bitteren Wahrheiten stellen. Dazu gehört die selbst verantwortete Abhängigkeit von den russischen Energie- und Rohstoffimporten. 55 Prozent der Gasimporte, rund ein Drittel des Rohöls und 50 Prozent der Steinkohle beziehen wir aus Russland. Dem Baugewerbe drohen laut Mitteilung seines Zentralverbands (ZDB) Lieferengpässe und Preissteigerungen bei vielen Baustoffen – bei ohnehin schon beispiellos hohen Baustoffpreisen. Bei Bitumen droht durch die Abhängigkeit von Russland ein Ausfall von bis zu einem Drittel der Gesamtversorgung. Hinzu kommen laut ZDB 30 Prozent des Baustahls aus Russland, Belarus und der Ukraine. Diese drei Länder sind auch für 40 Prozent des von uns importierten Roheisens sowie weitere wichtige Rohstoffe wie Nickel (25 Prozent) und Titan (75 Prozent) verantwortlich. Letztlich rächt sich jetzt, dass man die Energiewende nicht nur in Deutschland immer wieder auf die lange Bank geschoben hat – unser Nachbarland Österreich hängt zu 80 Prozent von russischem Gas ab, die gesamte EU zu 40 Prozent. Da Russlands Staatshaushalt zur Hälfte von seinen Öl- und Gaseinnahmen lebt, finanzieren wir unfreiwillig den Krieg in der Ukraine mit. Heißt aber auch: Je schneller wir die Energiewende umsetzen, je schneller die energetische Sanierung unserer Gebäude voranschreitet und je weniger fossile Energie wir verbrauchen, desto weniger Druck- und Drohpotenzial wird Putin künftig haben. Dieser Umbau kostet aber viel Geld – die Aufregung um den abrupten Stopp der KfW-Förderung ist gerade erst abgeebbt. Inzwischen hat der Bund wieder 9,5 Mrd. Euro für die energieeffiziente Gebäudesanierung bereitgestellt, auch für Neubauten nach dem Standard EH 40 wird es wieder auf eine 1 Mrd. Euro gedeckelte Zuschüsse geben. Der große Wurf soll dann mit einem neuen Förderprogramm »Klimafreundliches Bauen« ab 2023 gelingen. Es wird eine Herkulesaufgabe, noch dazu in sicherheits- und energiepolitisch dramatischen Zeiten.

In unserer aktuellen Ausgabe widmen wir uns den Innengewerken mit einem besonderen Fokus auf dem Top-Thema Fenster, das ja auch einen gewichtigen Beitrag in puncto Energieeffizienz der Gebäudehülle leistet. Daneben behandeln wir die Themen Türen, Boden, Innenausbau und Bad sowie Werkzeuge, zu denen immer mehr auch digitale Tools gehören. Ich wünsche Ihnen eine informative und anregende Lektüre!

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