infosantésuisse Nr.04/2011 deutsch

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Neue Regeln für den differenzierten Selbstbehalt

Klipp klar

Auf den 1. Juli 2011 hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Regeln des differenzierten Selbstbehaltes geändert. Neu beträgt der Selbstbehalt für alle Arzneimittel 20 Prozent, wenn ihr Preis den Preis des günstigsten Drittels der Arzneimittel mit gleicher Wirksubstanz um mindestens 20 Prozent übersteigt (Art. 38a KLV). Das heisst: Neu unterliegen auch Generika diesem Mechanismus. Berechnet wird der Durchschnitt anhand der umsatzstärksten Packungen pro Dosierung. Diese neue Anpassung des Selbstbehaltes ist nicht ganz einfach zu verstehen. Die Umsetzung durch das BAG und die Firmen wird zu Fragen führen. Bei gewissen Produkten können verschiedene Dosierungsstärken unterschiedliche Selbstbehalte haben. Ein Beispiel: Im August 2011 zahlte der Patient für Antramups 10mg und 40mg je 20 Prozent Selbstbehalt. Für das gleiche Medikament in der Dosierung 20mg indes, betrug der Selbstbehalt nur 10 Prozent. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Situation auf Arzneimittelebene monatlich ändern kann, weil die Hersteller die Preise monatlich senken können. Die wichtigsten Änderungen in Kürze

• Die Selbstbehaltänderung betrifft alle Arzneimittel, d.h. Originalpräparate, Co-MarketingPräparate und Generika. • Der Selbstbehalt beträgt 20 Prozent, wenn der Preis mehr als 20 Prozent höher ist als der Durchschnitt der günstigsten Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff. Ausnahme: Ein Selbstbehalt von 10 Prozent gilt auch bei einem Präparat, das die obige Regel nicht erfüllt, wenn der Arzt oder der Chiropraktiker aus medizinischen Gründen ausdrücklich das Originalpräparat verschreibt. Firmen können Preise monatlich senken

Die Firmen haben zwei Möglichkeiten, um den Selbstbehalt von 10 Prozent zu erreichen: Sie senken entweder den Preis des Arzneimittels bei Patentablauf auf das Niveau der Generika. In diesem Fall erhält der Zulassungsinhaber einen Selbstbehalt von 10 Prozent, garantiert für die nächsten zwei Jahre (Freikaufsregel). Oder die Pharmafirma senkt den Preis freiwillig so weit, dass sie die Regel für den 10-prozentigen Selbstbehalt erfüllt. Dies ist jederzeit auf den ersten des Monats möglich. Wann wird der Richtpreis errechnet?

Einerseits wird der Richtpreis errechnet, wenn das erste Generikum einer Substanz eingeführt wird. Andererseits berechnet das BAG den Preis an Stichtagen: In der Einführungsphase 2011 wurde der Preis auf den 1. Juli berechnet und wird am 1. Januar 2012 nochmals festgesetzt. Danach wird der Preis künftig auf den 1. November berechnet.

Einsparungen von rund 100 Millionen

Durch die neue Regel soll vor allem der Wettbewerb nach Patentablauf gestärkt werden. Der Generikawettbewerb kann nun bewirken, dass Preissenkungen eine Auswirkung auf das Preisgefüge einer therapeutischen Substanzklasse haben werden. Erstmals werden auch teurere Generika unter einem Preisanpassungsdruck stehen. Das Bundesamt für Gesundheit und die Industrie prognostizieren zusammen Einsparungen zwischen 92 und 126 Mio. Franken pro Jahr (ex Factory Preisniveau). Wer informiert die Patienten?

Ärzte und Apotheker haben Hinweis- und Beratungspflichten, wie aus dem Text von KLV Art 38a hervorgeht: «Der Arzt oder die Ärztin beziehungsweise der Chiropraktor oder die Chiropraktorin informiert den Patienten oder die Patientin, wenn in der Spezialitätenliste mindestens ein mit dem Originalpräparat austauschbares Generikum aufgeführt ist.» Der Arzt/Chiropraktor hat auch die Möglichkeit, den Selbstbehalt von 20 Prozent für ein Originalpräparat auszusetzen (Art 38a Absatz 5). In diesem Fall muss auf dem Rezept vermerkt sein «aus medizinischen Gründen nicht substituiert». Auf der Rechnung muss auf Positionsebene die Bemerkung «Code207» (Substitution vom Verschreiber abgelehnt) stehen. Was können Krankenkassen tun?

Die neue Regelung des differenzierten Selbstbehalts ist in der Öffentlichkeit noch zu wenig bekannt. Für die Krankenkassen ergibt sich die Chance ihre Versicherten über die Einsparmöglichkeiten zu informieren. Der Versicherte kann aktiv zur Kostensenkung beitragen und nach günstigeren Alternativen fragen. Ein Selbstbehalt von 20 Prozent bedeutet immer, dass eine günstigere Alternative mit dem gleichen Wirkstoff vorhanden ist. Wenn das Originalpräparat aus medizinischen Gründen notwendig ist, kann der Arzt dies vermerken und den Versicherten entsprechend vom 20 Prozent-Selbstbehalt befreien. ANDREAS SCHIESSER, Projektleiter Medikamente, santésuisse

Link zum Preisvergleich für die Patienten Auf www.santesuisse.ch ist ein Link zu Informationsplattformen aufgeschaltet, auf dem Patienten und andere Interessierte Preise abfragen und Preisvergleiche anstellen können. Die Stärken und Vorteile der einzelnen Plattformen sind gut verständlich beschrieben.

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