Theaterzeitung 11 | 2019

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THEATERZEITUNG 11 | 2019

Probenfoto: Thorsten Rodenberg, Michael Wischniowski, Barbara Krzoska, Laura Trapp

DIE SEHNSUCHT, SICH NEU ZU ERFINDEN »FRÜHLINGS ERWACHEN« Gespräch mit Regisseurin Magali Tosato Worum geht es für dich in »Frühlings Erwachen«? Um die Phase zwischen Kindheit und Erwachsenwerden, also um Pubertät und Adoleszenz. In diesem Lebensabschnitt wird eine faszinierende Energie freigesetzt, eine Sehnsucht, jemand Neues zu werden: Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Welchen Platz möchte ich in der Welt einnehmen? Die Heranwachsenden versuchen sich und die Welt neu zu erfinden. Das schafft aber gleichzeitig auch einen unglaublichen Druck. Wie kann ich diese Erwartungen, die ich an mich selbst habe, erfüllen? Was denken die anderen darüber? Hinzu kommen die Forderungen von Schule und Elternhaus, Schulstress, Leistungsdruck, das Auf-

keimen der Sexualität. Fühle ich mich als Mann oder als Frau oder weder noch? Wie schafft man sich da einen Weg als junger Mensch? Das zeichnet Wedekind in seinem Stück sehr gut nach, obwohl er es Ende des 19. Jahrhunderts geschrieben hat, bleibt das aktuell. Andere Dinge, wie etwa die rigide Pädagogik werden in der Gesellschaft heute anders gehandhabt. Da muss man einen Abstand zu heute deutlich machen und sich trotzdem dem Thema stellen. In der Inszenierung spielt auch Musik eine große Rolle, denn es gibt eine Band, bestehend aus den Figuren des Stückes. Wofür steht die Band? Die Band ist der Ort, an dem sich die Jugendlichen Raum schaffen, wo sie sie selbst sein können, sich auf die Suche nach sich selbst begeben. Es ist ein Freiraum. Unser

Musiker Hans Block hat sich bei den Kompositionen von der Popmusikerin Billie Eilish inspirieren lassen. Das schlägt eine Brücke zum Heute. Dem Zuschauer wird dadurch aber auch die Möglichkeit gegeben, diesen Abstand wahrzunehmen, indem die Songs immer wieder die Handlung unterbrechen. Sie sind ein Reflexionsraum. In diesem Sinne betrifft »Frühlings Erwachen« eigentlich jeden. Die Welt erscheint nicht wie ein unbeschriebenes Blatt, wenn wir geboren werden. Frühere Generationen haben andere Inhalte produziert. Wie will man sich dazu verhalten? Man kommt mit aktuellen Konzepten und muss sich mit all dem auseinandersetzen, was schon da war. Das finde ich spannend. Das Gespräch wurde von Lena Feid geführt.

FRÜHLINGS ERWACHEN R Magali Tosato B + K Mirella Oestreicher M Hans Block D Simone Kranz Mit Krzoska, Pochert, Trapp; Jacobi, Rodenberg, Wischniowski Premiere Freitag, 8. November 2019 19:30 Uhr, Alte Feuerwache


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