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CLANS IN NEUKÖLLN, S
CLANS IN NEUKÖLLN von Falko Liecke
Das Thema kriminelle Großfamilien beschäftigt mich seit vielen Jahren. Als Neuköllner Jugendstadtrat habe ich immer wieder Fälle schwerster Kriminalität von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf dem Tisch. Unter www.clansstoppen. berlin habe ich aufgeschrieben, was alles zu tun ist, um der organisierten Kriminalität, auch Clan-Kriminalität, die Stirn zu bieten. In einer sechsteiligen Serie möchte ich Ihnen Ausschnitte aus der Szene geben, und was dagegen getan werden kann.
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Im ersten Teil ging es um den Mord an Nidal Rabih, der auf offener Straße am Tempelhofer Feld, direkt in der Oderstraße, mit acht Kugeln niedergeschossen wurde. Teil zwei behandelte den Sozialleistungsmissbrauch und den Datenschutz. Im dritten Teil habe ich über den Kinderschutz in kriminellen Familien geschrieben. Lange fehlte ein Lagebild in Berlin und bis heute ist es löchrig wie ein Schweizer Käse (Teil IV).
TEIL V: DER (KRASSE) EINZELFALL
Es ist ein Einzellfall , der eigentlich keiner mehr ist. Seit Jahren habe ich immer wieder mit diesen Einzelfällen zu tun. Aber dieser hier ist schon das „Sahnehäubchen“ und als hart gesottener Neuköllner Jugendstadtrat schoss es mir die Falten ins Gesicht. Aber lesen Sie selbst…
Ich berichte von Noah, der gerade seinen 11. Geburtstag gefeiert hat. Er wohnt mit einem Bruder (16 Jahre) und drei Schwestern (14, 17 und 19 Jahre) bei seiner Mutter. Seine weiteren acht Brüder im Alter von 20 bis 30 Jahren wohnen nicht mehr dort, sind aber in engem Kontakt mit der Familie. Der Vater aller 13 Kinder lebt getrennt von der Mutter und hält sich eine Freundin; mutmaßlich ist sie in einigen Verfahren gegen den Vater auch als „Strohfrau“ bei zwielichtigen Geschäften in Erscheinung getreten. Darüber hinaus wird dieses „Lebens-modell“ auch gern genommen, um Sozialleistungen zu erschleichen. Für die Behörden ist es da sehr schwer, Licht ins Dunkle zu bringen und solche Betrügereien aufzudecken.
Es bestehen weit verzweigte Kontakte mit Angehörigen im erweiterten Verwandtenkreis über die gesamte Bundesrepublik und in das Herkunftsland der Familie im Nahen Osten, aus dem der Vater in den 1980er Jahren eingereist ist. In Berlin gehören ca. 200 Personen zum Ver-wandtenkreis, wovon allerdings nur ein Teil kriminell ist.
Mehrere der älteren Brüder werden bei Polizei und Staatsanwaltschaft als Intensivtäter geführt. Verkehrsdelikte, Betrug, diverse Körperverletzungen, Diebstahlserien mit dutzenden Einzeltaten und Raubüberfälle mit beträchtlicher Beute werden ihnen in wechselnden Täter-konstellationen zur Last gelegt. Mehrere Familienmitglieder wurden bereits zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, eine Resozialisierung scheint aber wenig wahrscheinlich. „Knast macht Männer“ ist da oft die Losung und zum Entlassungstermin gibt’s die neue Rolex und eine ausschweifende Willkommensparty. In der
Familie ist kein nennenswertes legales Ein-kommen bekannt, das über Sozialleistungen hinausgeht. Gleichzeitig verfügen Familienmit-glieder über beträchtliches Vermögen, das zumeist in Immobilien, teils im Herkunftsland der Eltern, oder hochpreisigen Kraftfahrzeugen, Schmuck und Möbeln angelegt ist.
Bei Noah besteht eine festgestellte Lernbehinderung. Im frühen Grundschulalter wird er erstmals bei Diebstählen erwischt. Ab dann häufen sich Gewaltmeldungen und Schulschwänzen. Jetzt, mit fast 12 Jahren, kann er weder ausreichend lesen noch schreiben und ist im schulischen Alltag völlig überfordert. Noah berichtet regelmäßig verängstigt von immer wiederkehrenden nächtlichen Polizeieinsätzen im Haus der Familie, ist ungepflegt, trägt über mehrere Tage hinweg die gleiche Kleidung und stinkt immer öfter nach Urin. Sein Kontakt zu Mitschülern beschränkt sich auf Aggression und Gewalt, die zunehmend sexualisiert ist. Er fordert Geld von anderen Kindern, schlägt grundlos und äußerst brutal zu. Manche Lehrer weigern sich, den Klassenraum zu betreten, wenn Noah da ist. Das Schulsystem ist mit ihm überfor-dert.
Zwei Vorfälle zeigen das Ausmaß der Situation: Einmal sammelte Noah seinen Kot und Urin in einem Eimer und schüttet ihn über einem Mitschüler aus. Mit Gewalt drückt er den Kopf des Mitschülers danach weiter in seine Exkremente hinein. Ein zweites Mal drückt er das Gesicht eines Kindes für beinahe eine halbe Minute auf seinen entblößten Penis, ohne dass es zum Eindringen in Körperöffnungen kommt.
Es fällt schwer, dabei noch klare Gedanken zu fassen. Entscheidend dabei ist, eine Kindeswohlgefährdung sachlich zu betrachten. Es geht im Fall Noah nicht um Bestrafung der Familie für ihr Erziehungsversagen oder gar um eine Bestrafung des Kindes, sondern um seinen Schutz. Bei der Betrachtung dieser Entwicklung und die in der Familie mit diversen Straftätern ist für mich klar, dass Noah ein weiterer Intensivtäter in dieser Familie wird, wenn keine grundlegende Intervention erfolgt. An diesem Fall lässt sich gut nachvollziehen, dass bei den Geschwistern eins, zwei und drei auch vier, fünf und sechs straffällig werden.
Eine gutachterliche Betrachtung bescheinigt Noah eine komplexe Symptomatik mit dem Verdacht auf eine schwere Störung des Sozialverhaltens mit ungünstiger Prognose, ernsthafter psychosozialer Beeinträchtigung und hohem Hilfe- und Förderbedarf. Dabei sei auch eine genetische Komponente in Betracht zu ziehen, die neben der ungenügenden elterlichen Für-sorge, selbst verschuldeter gesellschaftlicher Isolation und Intensivtäterschaft älterer Familienangehöriger seine Entwicklung erheblich beeinflusst. Seine bisherige Sozialisation ist in fast allen Bereichen ernsthaft und durchgängig beeinträchtigt. Das ist sehr zurückhaltend ausgedrückt und meint: Alarmstufe Rot! Das Kind braucht Hilfe, die es bei seiner Familie nicht erhält. Nicht erhalten kann.
Ich bin der festen Überzeugung, dass der Staat, in diesem Fall das Jugendamt, in vergleichbaren Fällen eingreifen muss. Einerseits zum Schutz des Kindes vor weiteren schädlichen Einflüssen, denn es ist schon jetzt sehr viel vermasselt worden. Andererseits zum Schutz der Gesellschaft vor dem, was andernfalls aus Noah werden wird. Hierzu braucht es den Mut, auch politisch weitreichende Maßnahmen zu treffen, damit überhaupt noch eine Chance be-steht, dass Noah nicht noch weitere Opfer produziert und die Gesellschaft schädigt. Keine einfache Aufgabe, aber es muss getan werden!

In dem vorerst letzten Teil VI zeige ich auf, was noch alles zu tun ist, um die organisierte und die Clankriminalität effektiv zu bekämpfen. Seinen Sie gespannt!
(Die Daten sind so verfälscht, dass keine Rückschlüsse auf existierende Personen gezogen werden können.)
BUCHTIPP:
DIE ARABISCHE GEFAHR: WIE KRIMINELLE FAMILIENCLANS UNSERE SICHERHEIT BEDROHEN
von Michael Behrendt (Autor) BASTEI LÜBBE VERLAG ISBN: 978-3-7857-2661-7
PREIS 20,00€

Rudow ist vielfältig. Hier leben viele Menschen mit spannenden Geschichten. In unserer Reihe „Wir in Rudow“ laden wir in jeder Ausgabe eine Rudowerin oder Rudower zum Interview ein. In dieser Ausgabe Jörg Gehlfuß, er ist Unternehmensberater.

Wie lange leben oder arbeiten Sie schon in Rudow? Ich bin 2003 nach Rudow gezogen. Ich selbst bin in Neukölln geboren und dort auch groß geworden. Nach einigen Jahren in Kreuzberg sind meine Frau und ich dann in den Süden von Neukölln, nach Rudow gezogen. Ein wesentlicher Teil meines Arbeitslebens besteht aus HomeOffice. Somit arbeite ich zu einem großen Teil der Zeit in Rudow.
Was macht Rudow für Sie besonders? In Rudow lebt man in Berlin und ist doch nicht mitten in der Großstadt. Es ist immer etwas Besonderes, hinaus nach Rudow zu kommen, wo alles etwas weiter und auch ein wenig ruhiger ist. Gleichzeitig gibt es viele Möglichkeiten. U.a. sind die Gropius-Passagen sehr gut zu erreichen. Die U-Bahn bringt einen schnell und bequem in die Stadt.
Wo ist ihr Lieblingsplatz in Rudow? Ich habe drei Lieblingsplätze. Die Straße Alt-Rudow hat ein ganz besonderes Gepräge. Ich finde die „kleinstädtische“ Atmosphäre sehr ansprechend. Es erinnert ein wenig an manchen Urlaubsort. Dort kann man auch gerne mal ein Eis genießen. Einige Fahrradminuten weiter ist man im Rudower Flies. Eine herrliche grüne Oase. Ich genieße es, mich dort aufzuhalten oder mit dem Fahrrad durchzufahren. Ich bin aktiver Christ. Daher ist meine Kirche und meine Gemeinde ein sehr wichtiger Ort in Rudow.
Wo sehen Sie besondere Herausforderungen für die Zukunft für Rudow? Rudow ist einerseits Teil des Bezirkes Neukölln, andererseits liegt in Brandenburg der neue Flughafen BER und der Speckgürtel von Berlin. Vor der Corona-Pandemie war Berlin eine Boom-City. Wie es nach der Pandemie sein wird, bleibt abzuwarten. Die Stadt wächst und dies bringt einige Herausforderungen mit sich. Verkehrstechnisch ist Rudow in Richtung Stadt sehr gut mit der U-Bahn und diversen Buslinien angebunden. In Richtung Flughafen ist die ÖPNV-Anbindung nur mit dem Bus gegeben. Warum die Zeit nicht genutzt wurde, die U-BahnLinie 7 zum Flughafen zu verlängern, erschließt sich mir nicht. Rudow sollte sein besonderes Gepräge behalten dürfen – siehe Lieblingsplatz in Rudow.
Was erwarten Sie von einer Politik für die Menschen in Rudow? Politik sollte immer für die Menschen, für die Bürger da sein. Politik ist mir manchmal zu sehr mit sich selbst beschäftigt und verliert dabei die Interessen der Bürger aus dem Blick. Für Rudow erwarte ich eine mit den Bürgern abgestimmte und eine auf die Interessen der Rudower bezogene Wohnungs- und Verkehrspolitik. In Rudow leben Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und unterschiedlichen Nationen. Daher würde ich mir eine Integrationspolitik wünschen, die das Miteinander der Menschen zukunftsorientiert und nachhaltig fördert.
Currywurst oder Pfannkuchen? Ganz klar Currywurst.
