
4 minute read
Haydo Caglar
Er verkauft in seinem Berliner Shop Neuköllner:innen Cornflakes aus aller Welt – und begeistert damit nicht nur die Kinder im Kiez, sondern auch Rapper wie Olexesh oder Lil’ Yachty.
Knallorangene Reese’s Puffs, feuerwehrrote Froot Loops, braune Cocoa Pebbles, himmelblaue Oreo O’s: Wer den Laden von Ali Haydar Caglar, genannt Haydo, in Berlin-Neukölln betritt, entert eine bunte Welt. In den Regalen, an der Kasse, selbst an der Decke reihen sich die Cornflakes-Packungen aneinander. Haydo, der als kleiner Junge in den Neunzigerjahren Kellogg’s und Co liebte, verkauft heute in seinem Shop Neuköllner:innen Cereals aus aller Welt, vor allem aus den USA. Das begeistert nicht nur die Kinder im Kiez und mittlerweile viele Touristen, sondern zieht auch eine sehr spezielle Zielgruppe an: Rapperinnen und Rapper.
Beats zum Frühstück
Tatsächlich ist das Neuköllner:innen im Herzen des Viertels, zwischen Karl-MarxStraße und Sonnenallee, zum Treffpunkt der Berliner Hip-Hop-Bubble geworden. Hier hängen sie alle ab: von den für ihre energiegeladenen Shows bekannten LiTKiDS über den musikalisch vielseitigen Greeny Tortellini bis zum Autotune-Artist KDM Shey, aber auch nationale Größen wie die Straßenrapper Olexesh und Liz oder der progressive Kelvyn Colt. „Ich weiß auch nicht, wie das passiert ist. Plötzlich waren die da“, sagt Haydo an einem sonnigen Tag an einem der Tische vor dem Laden und lacht. Für ihn, der seit seiner Kindheit nicht nur Cereals, sondern auch Deutschrap liebt, bedeutet die Kundschaft eine besondere Ehre.
Ganz zufällig tauchten die Artists aber dann doch nicht auf. Schließlich wusste auch Haydo von der kulturellen Verbindung zwischen Rap und Cereals, dem Frühstück der Unterprivilegierten in den USA. Unzählige Rap-Tracks thematisieren Smacks, Pops und Crunchies, so zum Beispiel „Cartoon & Cereal“ von Hip-HopSuperstar Kendrick Lamar. Unvergessen auch die Szene im Musikvideo zum Song „Rock N’ Roll“ von Fam-Lay feat. Lil Flip, in der plötzlich Pharrell Williams mit einer riesigen Salatschüssel voller Cereals durchs Bild spaziert.
Als Kind der Neunzigerjahre wuchs Haydo mit jenen Cereals auf, die der deutsche Markt zu bieten hatte. Als der 33-Jährige vor ein paar Jahren einen befreundeten Candy-Shop-Betreiber in Amsterdam besuchte, kam ihm die Idee, in Berlin einen Laden mit amerikanischen Produkten zu eröfnen, die es hierzulande nicht gibt. „Bei uns bekommst du wirklich alles, selbst Froot Loops mit Marshmallows und viele limitierte Produkte“, sagt Haydo. Mehr als 500 Artikel umfasst sein Sortiment – neben den Cereals zum Beispiel auch jede Menge Candy Bars, Bonbons, Sodas.
Diese riesige Auswahl an US-Produkten und der familiäre Vibe lassen sich selbst gestandene Gangsta-Rapper nicht entgehen. „Bonez MC ist einer meiner absoluten Ehrengäste. Der hat Neuköllner:innen unendlich viel Liebe gegeben und mir sogar eine Goldene Schallplatte geschenkt.“ Die hängt jetzt im Laden an der Wand und stammt von Bonez’ Song „Extasy“ mit Frauenarzt, einer anderen Hip-Hop-Legende.
Apropos Legende: Selbst US-Rapper fnden mittlerweile den Weg zu Haydo nach Neukölln. Vor einigen Wochen stand plötzlich US-Größe Lil Yachty bei einem Tourstopp im Laden. „Ich dachte, ich träume“, erzählt Haydo. „Ich habe CerealPackungen, auf denen er drauf ist, also habe ich immer wieder auf die Packungen geschaut und dann auf ihn – er war es wirklich! Und hat sich mit reichlich Süßigkeiten und Sodas eingedeckt. Eine Riesenehre.“
Wenn Haydo über sein Neuköllner:innen spricht, spürt man sofort: Er lebt seinen Laden. Seine Augen leuchten, wenn er davon erzählt. Immer wieder unterbricht er kurz das Gespräch, um vorbeikommende Kunden, Nachbarn, Freunde zu begrüßen. Man merkt, wie sehr er im Viertel verwurzelt ist – und wie sehr sich seine Nachbarn über die bunte Kiezoase freuen. „Ursprünglich war der Laden mal ein Automatencafé“, verrät Haydo. „Das hat zwar gutes Geld gebracht, aber schlechtes Karma. Damit habe ich mich nicht wohlgefühlt, und das ist jetzt anders.“
Mal hart, mal soft
Und dieses Gefühl des Miteinanders, des respektvollen Umgangs, das spürt man. Haydo erklärt das so: „Hier kommen alle vorbei: die ‚bösen‘ Jungs, die OGs (Original Gangsters; Anm.), aber auch die softeren Rapper, die sich mal die Fingernägel machen. Hier gibt es keine Vorurteile. Jeder chillt mit jedem, und man begegnet sich auf Augenhöhe. Daher auch der Name, der jede und jeden willkommen heißen soll.“ Abgesehen davon: Wer hat schon Lust auf schlechte Vibes, wenn einem Froot Loop Toucan Sam, Cap’n Crunch und Coco der Afe über die Schulter schauen?
Instagram: @neukollnerinnen