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STELLA BOSSI

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LUKAS KLASCHINSKI

LUKAS KLASCHINSKI

Sie ist die neue Frontfrau des Techno. Ekstatischer Tanz, grelle Videoclips, die Berliner DJ macht ihre Sets zur Aktionskunst. Auf TikTok befeuert sie ein Millionenpublikum – und bricht so die alten Strukturen der Szene auf.

Mit einem Tanzvideo fing alles an. Badeanzug, Sonnenbrille, die Tür zum Berliner Club Kater Blau. Die Freundin filmt, Stella tanzt. Und jetzt ist sie weltberühmt. 1,1 Millionen Follower auf Instagram, eine Million auf TikTok. 2023 hat sie als DJ etwa 140 Gigs in mehr als 30 Ländern gespielt. „Das fühlt sich einfach nur surreal an, und ich bin für jeden Gig unendlich dankbar“, sagt sie – wie man das als Popstar eben so sagt.

So weit die Erzählung. Aber eigentlich ist das Phänomen Stella Bossi viel interessanter. Denn es erzählt nicht nur etwas über Veränderungen in der Techno-Szene, sondern auch über einen Generationenkonflikt.

Vielleicht fängt alles eher damit an, dass Stella Bossi eines dieser Berliner Feiermädchen ist: große Klappe, der Hedonismus der Stadt als Teil ihrer Identität. „Ich will einfach meine bunte und verrückte Seite nach außen kehren“, sagt sie. Vor allem in ihren Videos.

Ku’damm-Dance & rasende Koffer

Auf dem Ku’damm, der Berliner Flanier- und Shoppingmeile, stellt sie ein Soundsystem auf und tanzt. Am Tresor, einem der legendärsten Techno-Clubs der Stadt, reitet sie auf einem Schimmel vorbei. Eine Skipiste rutscht sie auf ihrem Sessel runter. Durch den Berliner Flughafen fährt sie auf einem motorisierten Koffer. Darüber hinaus macht sie Werbung für große deutsche Autohersteller oder Internet-Zahlungsanbieter. Und ihren Style, der all das umspannt, beschreibt sie so: „Unangepasst, wild, fidel.“

Und dann gibt es da noch die Videos ihrer Sets: Stella tanzt, springt, mit ausgebreiteten Armen. Vor dem DJ-Pult, auf dem DJ-Pult, auch dahinter. Immer in Bewegung. Immer mit Sonnenbrille. Immer sexy. „Ich liebe es, gemeinsam mit der Crowd auszurasten, egal wo, egal mit wie vielen und egal zu welcher Uhrzeit“, sagt sie. Und das glaubt man ihr sofort. Die Kommentare unter ihren Videos verlaufen zwischen „Woher ist denn die Hose?“ und „Sie ist der Inbegrif von TikTok-Techno“. Alles zwischen Hate und Love.

Mit „The Beat Must Fuck“ gründet Stella Bossi im Jahr 2020 ihr eigenes Label. Nimmt Tracks wie „Tackle“ oder „Das Boot“ auf. Dass sie das mit Producern wie Marco Faraone tut, wird kritisiert. So ist das bei Frauen im Techno-Biz, denen nachgesagt wird, dass sie nicht selbst produzieren. Bei ihren Kollegen ist das meist kein Thema. Ihre Musik beschreibt sie als „hart und sinnlich“, aber auch mit den Attributen „hart und sinnlich“. Doch dass sie überhaupt Musikerin ist, würden ihr einige gern absprechen. Stichwort TikTok-DJ. Also Techno-Acts, die eher durch kurze Tanz-Clips in den sozialen Medien auffallen als durch eine über zwanzig Jahre gesammelte Vinyl-Kollektion.

Monika Kruse, Produzentin, Labelbetreiberin und eine der ersten international erfolgreichen Techno-DJs Deutschlands, umschrieb es kürzlich so: Zu viele DJs würden wegen ihres Social-Media-Contents erfolgreich sein, nicht wegen ihrer Musik. Aber damit meint sie natürlich nicht nur Bossi. Sondern eine ganze Reihe von jüngeren Acts, die verstanden haben, dass man sich auch im Internet verkauft, spätestens seit sich die neue Generation Feiernder während der Pandemie Musik, Tanzen und Party aus dem Netz holte. Da war Stella Bossi ganz vorn mit dabei. Genauso wie bei der Fetisch-Mode, den härter gewordenen Beats oder den 90er-Hits, die sie als Edits veröffentlicht.

„Jeder, der eine gewisse Reichweite hat, ist auch Influencer, und egal in welchem Genre man arbeitet, soziale Medien können dein Business befeuern. Muss man eben für sich nutzen. Aber ja, Segen und Fluch, diese Social Media.“ Die Welt sei kompliziert, sie versuche, ihr Leben zu leben und gute Laune zu verbreiten – online wie offline. „Ich habe eben nicht diese eine Schublade für mein Tun.“

Machtspiel im Hintergrund

Und dann gab es noch diesen kleinen Skandal. Stella Bossi habe einen DJ, der vor ihr spielte, respektlos von der Bühne geworfen, heißt es auf TikTok. Der Hass wächst. Bossi entschuldigt sich. Doch vielleicht hat sie sich auch einfach nur nicht kleingemacht? Wer mal auf einer Bühne aufgelegt hat, weiß, zu welchen Machtdemonstrationen es bei den Übergängen der Acts kommt.

Es wirkt, als würde Bossi Strukturen in der Szene aufbrechen. Bewusst? „Ich nehme mich nicht zu ernst und passe mich ungern an. Zwei Dinge, die so nicht im ‚großen Buch des Techno‘ stehen“, sagt sie. Und hat sie damit Erfolg? „Mittlerweile trauen sich mehr und mehr Techno-DJs auch so richtig zu tanzen“, sagt sie und grinst. Und mit ihr grinst der Zeitgeist.

Instagram: @stellabossi

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