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KOCHEN AN DER FRONT
Giles Duley
verlor als Kriegsfotograf beide Beine und einen Arm. Jetzt reist der Brite als «einarmiger Koch» in Krisengebiete. Und bringt Menschen am Esstisch zusammen.
Text MIKE GIBSON Foto ALICE DENNY
Mit Anfang zwanzig entdeckte Giles Duley seine Liebe zum Fotograferen: Er fng mit seiner Kamera in den Neunzigern den Geist des Brit-Pop ein, indem er Bands wie Oasis, Blur und Pulp für Tageszeitungen ablichtete. Im Jahr 2000 fand er eine neue Berufung: Der Brite sattelte auf Kriegsfotograf um, was ihn in einige der gefährlichsten Gebiete der Welt brachte. Lange Zeit ging alles gut, seine Fotos bekamen viel Lob. Doch dann, 2011 in Afghanistan, trat er in eine versteckte Sprengfalle, was ihn beide Beine und einen Arm kostete. Der Weg zurück ins Leben war dann lang und schmerzhaft, Giles Duley musste in jeder Beziehung ganz von vorn beginnen.
Er hatte immer schon gern gekocht, jetzt brachte ihn sein Hobby durch den jahrelangen Genesungsprozess. 2017 startete er einen Instagram-Account unter dem Namen «The One Armed Chef» und begann, als einarmiger Koch seine Leidenschaft zu thematisieren.
Und demnächst erscheint beim US-Onlineportal Vice eine Doku, die Duley in einige vom Krieg schwer gebeutelte Regionen in aller Welt begleitet. Dort setzt sich der Kriegsversehrte zu den Leuten an den Tisch, kocht mit ihnen lokale Gerichte und hört sich an, was sie zu erzählen haben.
the red bulletin: Herr Duley, wann haben Sie als junger Mann Ihr Fotografe-Talent entdeckt?
giles duley: Ich bin Legastheniker und tat mich schwer in der Schule. Als man mir mit 18 Jahren einen Fotoapparat in die Hand drückte, fühlte ich mich wie ein Blinder, der plötzlich sehen kann. Auf einmal hatte ich den Eindruck, die Welt interessiert sich dafür, was ich zu sagen habe.
Sind Sie später deshalb Kriegsfotograf geworden? Um der Welt etwas mitzuteilen?
Ich entschied mich mit Anfang dreissig dafür, weil mir einfel, wie ich mich mit 18 gefühlt hatte. Damals hatten mich der britische Fotojournalist Don McCullin und die Fotografen im Vietnamkrieg beeinfusst. Mit 31 zog ich nach Angola und begann, humanitäre Reportagen zu machen.
Einige davon fnden sich in Ihrem Fotoprojekt «Legacy of War» – «Das Vermächtnis des Krieges». Worum geht es Ihnen dabei?
Ich wollte die Themen fnden, die alle Kriege gemeinsam haben. Letztlich geht es darum, dass der Krieg mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages nicht zu Ende ist. Sei es körperliche oder emotionale Versehrtheit, sei es Flucht: Das wird an die nächste Generation weitergegeben, oft sogar noch an die übernächste. Krieg ist erblich, und all diese Geschichten sind miteinander verbunden.
Sie selbst haben für Ihre Arbeit einen hohen Preis gezahlt und mussten sich nach Ihrem Sprengfallen-Unfall zurück ins Leben kämpfen. Was können Sie in Ihrer neuen Rolle als Koch aus Krisengebieten erzählen, was Sie als Fotograf nicht konnten?
Wenn ich in einem Kriegsgebiet fotografere, entstehen bewegende und kraftvolle Geschichten in meinen Bildern, aber die sind nur ein Teil der Wahrheit. Was man nicht sieht, ist, wie wir trotz allem trinken und lachen und tanzen. In dieser Doku sieht man neben dem starken Tobak auch Leute, die das Leben feiern.
Wo haben Sie diese Leute gefunden?
Im Kongo, an der Front in der Ukraine, in Beirut. Jedes Mal setze ich mich mit den Leuten hin, und wir plaudern beim Essen oder beim Kochen miteinander. Es gibt zu viele Dokus, in denen einem das Elend der Welt unter die Nase gerieben wird. Kriegsgeschichten dürfen nicht nur trist sein, sonst kann man sich mit den Betroffenen nicht identifzieren. Diejenigen, die alles verloren haben, feiern das Leben oft am meisten.
Gilt das auch für Sie?
Das Schöne an dieser Doku ist, dass ich zwar ein Moderator ohne Beine und mit nur einem Arm bin, dass das aber keine Rolle spielt. Das ist mein Leben. Und es ist zu sehen, dass ich mich wohlfühle und die Zeit geniesse. Ich hoffe, das Publikum sieht die Doku und sagt: «Klar, der lebt mit einer Behinderung, und trotzdem führt er ein Leben, das ich mir wünsche.»