Raum für Gespräch

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RAUM FÜR GESPRÄCH Zuhören, erzählen, erkenntnisse gewinnen. das Museum im Austausch erleben.


Zürcher Hochschule der Künste

Departement Design | Master of Arts in Design ‚Field of Excellence‘ | Ereignis Master-Thesis | ‚Raum für Gespräch‘ Eingereicht von | Guido Wolff Zürich, Mai 2011 Hauptbetreuung | Bitten Stetter (Programmleiterin), Martina Eberle, Francis Müller Externe Beratung | Dr. Harald Krämer


ABSTRACT

‚Raum für Gespräch’ ist eine Studie, in der Methoden entwickelt und untersucht werden, die zwischen Menschen an Orten des öffentlichen Lebens Gespräche anregen. In mehreren experimentellen Anordnungen werden verschiedene Methoden umgesetzt und evaluiert. Das begehbare Kommunikationsmedium Museum wird in dieser Studie vertieft untersucht. Die sakrale Herkunft des Museums als ‚Tempel’ für Kunst und Wissenschaft hat nach wie vor eine prägende Wirkung auf den Museumsbesuch. Vorsicht, Stille und Respekt dominieren die Atmosphäre in den Ausstellungsräumen. In ‚Raum für Gespräch’ wird der Frage nachgegangen, wie im Kontext Museum1 die zwischenmenschlichen Ressourcen und Potentiale besser angeregt, mit Hilfe von gestalterischen Methoden zugänglich gemacht und genutzt werden können. Gesprächsanregungen zwischen Besuchenden2 haben das Potential, das Kommunikationsmedium Museum zu erweitern und zu bereichern. Im lebendigen Austausch von Gedanken und Meinungen über die Musealien können neue Sichtweisen und Interpretationen entstehen. Neben das singuläre Seh-Erlebnis soll beim Museumsbesuch ein dialogisches Ereignis treten.

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Die theoretischen Ausführungen zum Museum beziehen sich in dieser Arbeit auf Museen für Kunst und Kunsthandwerk. In dieser Arbeit wird für die Bezeichnung von Personen durchgängig die geschlechtsneutrale Form verwendet. Existiert diese nicht, werden sowohl die weibliche, als auch die männliche Form genannt.


I

EINLEITUNG

4

- THEORETISCHE GRUNDLAGEN -

7

II

DAS GESPRÄCH

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II.I

DEFINITION, RELEVANZ UND CHARAKTER

9

II.II

GESPRÄCHABSICHTEN UND -ZWECK

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II.III

GESPRÄCHE MIT BEKANNTEN UND NICHT BEKANNTEN

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II.IV

GESPRÄCHSINITIATION UND KULTURELLE UMGANGSFORMEN

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II.V

GESPRÄCHE ALS FOLGE VON EINEM EREIGNIS

UND DAS GESPRÄCH ALS EREIGNIS

16

III

MUSEEN UND KOMMUNIKATION

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III.I

BEDEUTUNG UND WIRKUNG VON MUSEEN

20

III.II

RAUM UND INTERAKTION: KOMMUNIKATION IN MUSEEN

24

III.III

DER MUSEUMSBESUCHENDE ALS KOMMUNIKATIVES WESEN

27

III.IV

DAS KUNSTGESPRÄCH

30

III.V

DAS MUSEUM ALS ORT DER REFLEXION

34

IV

KOMMUNIKATIONSFÖRDERNDE ANSÄTZE

IN DER MUSEUMSPÄDAGOGIK UND KUNSTVERMITTLUNG

39

V

KOMMUNIKATIONSFÖRDERNDE ANSÄTZE IN DER KUNST

43

V.I

KUNST UND GESELLSCHAFT. DAS WERK COURBETS

UND DIE NEUE ROLLE DES BETRACHTERS IM REALISMUS

V.II

ZWECKFREIE KUNST. ‚L’ART POUR L’ART‘ ALS

GEGENSTRÖMUNG ZUM REALISMUS

V.III

KUNST UND FREIHEIT. PROVOKATION DURCH

ANTIINSTITUTIONALISIERUNG

V.IV

KUNST DURCH GESPRÄCH. BETRACHTENDE ALS TEIL

DES KUNSTWERKS

50

V.V

KUNST FÜR GESPRÄCH. WERKE VON PIPILOTTI RIST

52

V.VI

FAZIT

56

2

44 46 48


- FRAGESTELLUNG UND PRAKTISCHE ANWENDUNGEN -

58

VI

VORSTUDIEN IM ÖFFENTLICHEN RAUM

59

VI.I

BEFRAGUNGSSTUDIE ZUR GESPRÄCHSBEREITSCHAFT

IM ÖFFENTLICHEN RAUM

VI.II

BEOBACHTUNGSSTUDIE ZU GESPRÄCHSANREGUNGEN

IM ÖFFENTLICHEN RAUM

64

VII.III

ZUSAMMENFASSUNG

75

VIII

TRANSFER IN DIE GESTALTUNG

76

VIII.I

DIE KOMMUNIKATIONSAMPEL

78

VIII.II

RAUM FÜR GESPRÄCH

82

60

VIII.III LOST IN DICTATION

84

VIII.IV CAFÉ D‘ÉCHANGE

86

VIII.V ANSPRECHER

88

VIII.VI DISKUSSIONSEXPONAT

90

VIII.VII COUCH IN TERMS

92

IX

94

VORSTUDIEN IM MUSEUMSKONTEXT

IX.I

BEFRAGUNGSSTUDIE ZUR GESPRÄCHSBEREITSCHAFT

IN MUSEEN

IX.II

CASINO LUXEMBOURG

100

IX.III

ZUSAMMENFASSUNG

105

X.I

EXPERIMENTE IM MUSEUMSKONTEXT

106

X.I

DIE KOMMUNIKATIONSAMPEL

108

X.I.I

KUNSTHAUS ZÜRICH

109

X.I.II

MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH

116

X.I.III

KUNSTHAUS UND MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH.

VERGLEICH UND DISKUSSION DER ERGEBNISSE

122

X.II

ZUSAMMENFASSUNG

127

X.III

RAUM FÜR GESPRÄCH

128

XI

FAZIT UND AUSBLICK

133

XII

LITERATURVERZEICHNIS

137

95

3


I EINLEITUNG

„Zweck des Disputs oder der Diskussion soll nicht der Sieg, sondern der Gewinn sein.“ Joseph Joubert

Der Gedanke, das Gespräch zu nutzen, um Menschen an Orten des öffentlichen Lebens zum Nachdenken und Diskutieren anzuregen, hat seinen Ursprung in der griechischen Philosophie. Das Projekt ‚Raum für Gespräch’ knüpft an die Tradition des philosophischen Diskurses an und ermutigt Menschen dazu, sich zweckfrei mit Unbekannten an Orten des öffentlichen Lebens zu unterhalten. In dieser Arbeit liegt der Fokus auf dem Museum. Es wird untersucht, ob dessen gesellschaftliche Rolle als öffentliches Kommunikationsmedium erweitert werden kann, indem in Museen Gespräche zwischen Besuchenden angeregt werden. „Ein [...] wichtiger Aspekt der Frage nach dem Museumsraum als Kommunikationsmedium, der bisher jedoch in der Planungspraxis von Ausstellungen kaum eine Rolle spielt, ist die der Beziehung der Besucher untereinander“ (Paul, 2005, S. 357)

Museen haben das Potential, Interaktion und Kommunikation zwischen Besuchenden zu ermöglichen. Dennoch kommt es im musealen Kontext nur selten zum Gespräch. Es stellt sich daher die Frage, was die Besuchenden davon abhält, miteinander zu sprechen. Tatsache ist, dass in der oft pseudosakralen Atmosphäre von Museen durch kulturelle Normen und tradierte Verhaltensweisen des Bildungsbürgertums geschaffene Zwänge vorherrschen. Seit Winckelmann (18 Jh.) ist Kunstbetrachtung vornehmlich eine Sache der Connoisseure, während Laien eher fürchten, sich beim Gespräch über Kunst zu blamieren. Weder die Angebote der klassischen Museumspädagogik, die primär der Vermittlung von Fakten und Informationen dienen, noch die derzeit populären Audio-Guides und MuseumApps tragen dazu bei, dass zwischen den Besuchenden ein Gesprächsklima geschaffen wird. Vielmehr erleben die Besuchenden – ‚Autisten’ gleich – eine Re-

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duktion ihrer Aufmerksamkeit auf Objekte und Medien und damit einhergehend eine Isolation von anderen Anwesenden. Trotzdem ist die Wahrnehmung im Museum eine gesamtheitliche und das bedeutet mit den Worten von Stefan Paul ein „Ganzkörpereinsatz, der nicht nur über den Augensinn gesteuert wird.“ (Paul, 2005, S. 357). Hier setzt das Projekt ‚Raum für Gespräch’ an. ‚Raum für Gespräch’ unterstützt gleichermaßen die Menschen, die sich begegnen und den Ort, an dem dies geschieht. Dieser Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass viele Museumsbesuchende offen sind für Austausch, Interaktion und Kontaktaufnahme. Durch ‚Raum für Gespräch’ sollen diese Annahme und beispielhafte Methoden zur Anregung von Kommunikation in Museen im ‚Hier und Jetzt’ überprüft werden. Störungen, Irritationen und Überraschungen dienen dazu als ‚Facilitator’. Die vorliegende Arbeit ist im Umfeld der angewandten Museologie verortet. Gegenstand der Untersuchung ist die Kommunikationsbereitschaft der Besuchenden untereinander. Diese Thematik wird in der musealen Forschungsliteratur kaum behandelt3. Frühere Untersuchungen4 setzen sich mit der Kommunikation zwischen Sammlungsobjekt und Besuchern auseinander, geben Hinweise zum ‚richtigen’ Verhalten in einem Museum5 oder stellen das Potential interaktiver Technologien zur Wissensvermittlung ins Zentrum ihrer Überlegungen6. Im Fokus des Projekts ,Raum für Gespräch’ stehen jedoch nicht die traditionellen Strategien der Wissensvermittlung, wie sie in der Museumspädagogik und der Kunstvermittlung zu finden sind. Vielmehr werden Ansätze entwickelt und überprüft, die auf den elementaren Bestandteilen eines Ereignisses – Unvorhersehbarkeit und Irritation – basieren und Museumsbesuchende ins Gespräch bringen sollen. Das Projekt unterscheidet sich auch von den vielfältigen Formen künstlerischer Aktionen, welche den Betrachter als ‚interaktiven Mitspieler’ einbinden. Beispielhaft sind hier An3

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Im programmatischen Sammelband „Das Museum der Zukunft“ (Bott, 1970), in den Tagungsbänden „Zum Bedeutungswandel der Kunstmuseen“ (Kraemer & John, 1998) beispielsweise „Das diskursive Museum“ (Noever, 2001) und bei Joseph Beuys (1993) finden sich im Zusammenhang mit der Zukunft des Museums Äußerungen, welche das Verhältnis der Besuchenden untereinander skizzieren. Rohmeder & Marcks (1977), Schuck-Wersig & Wersig (1986), Treinen (1996). Finn (1985). Kraemer (2008), Giessen & Schweibenz (2007).

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drea Fraser, Timm Ulrichs, Marcel Broodthaers, Santiago Sierra oder Tino Sehgal zu nennen. Denn im Gegensatz zu der vorliegenden Arbeit wird dort primär die Kommunikation zwischen den Kunstwerken und dem Betrachter forciert. Im ersten Teil der Arbeit werden Formen und Funktionen des Gesprächs (Kapitel II) und das Thema Kommunikation in Museen (Kapitel III) behandelt. Während die Analyse der Funktionsweise von Gesprächen dazu dient, die späteren Fragen zu entwickeln, hilft die Kenntnis von Kommunikationsformen im Museum bei der Planung der Fallstudien. Aufbauend auf diesen Grundlagen wurden die durchzuführenden Aktionen im Museum geplant. Vorstudien im öffentlichen Raum liefern erste Erkenntnisse zum Verhalten in unerwarteten Situationen und zur Kommunikationsbereitschaft sich unbekannter Menschen (Kapitel VII). Als heuristische Vorgehensweise wurde die empirische Methode der Feldforschung gewählt. Die im Casino Luxembourg - Forum d’art contemporain, Kunsthaus und Museum für Gestaltung in Zürich durchgeführten Fallstudien, an denen insgesamt über 300 Besuchende teilnahmen, sind als in Einzelexperimente verteilte Bausteine zur Erhebung und praktischen Gestaltung des zu beforschenden Gegenstandes zu verstehen. Die Untersuchungen wurden im Zeitraum Januar bis April 2011 realisiert. Um die Vergleichbarkeit der Daten sicherzustellen, beschränkt sich die Untersuchung auf Ausstellungen mit bildender Kunst in Kunstmuseen. Hierbei kamen unterschiedliche Strategien der Inszenierung und Provokation von Gesprächen zum Einsatz. Die vorliegende Arbeit führt zu mehreren Teilergebnissen. Neben der Konzeption, Durchführung und Evaluation von Kommunikationsinitiativen in verschiedenen Fallstudien besteht ein weiteres Ergebnis im Sichtbarmachen des Phänomens der mangelnden Kommunikation zwischen Besuchenden im musealen Raum und im Aufbrechen der normierten Grenzen durch Provokationen und Irritationen. Für die Museumsbesuchenden und die Teilnehmenden an den Fallstudien führte das Projekt ‚Raum für Gespräch’ zum Hinterfragen tradierter Verhaltensmuster; für die Mitarbeitenden im Museum zu einem Überdenken der kommunikativen Beschränkungen innerhalb des Museumsortes.

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- THEORETISCHE GRUNDLAGEN -

Der theoretische Teil dient der thematischen Verortung des Projekts. Er beschäftigt sich mit den wissenschaftlichen Grundlagen des Gesprächs sowie mit Kommunikation im Museum und in der Kunst. Zunächst werden die gesellschaftliche Funktion und kulturelle Bedeutung des Gesprächs diskutiert. Anschließend wird auf die Bedeutung und Wirkung von Museen eingegangen, wobei die Rolle der Museumsbesuchenden umfassend untersucht wird. Darauf aufbauend werden kommunikationsfördernde Ansätze in der Kunst, in der Kunstvermittlung und Museumspädagogik beschrieben und diskutiert. Diese Auseinandersetzungen dienen der Verortung des Projektes.

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II DAS GESPRÄCH

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II.I DEFINITION, RELEVANZ UND CHARAKTER

Allgemein werden Gespräche als ein zumeist mündlicher Gedankenaustausch in Dialogform zu bestimmten Themen verstanden. Wesentliche Voraussetzung, um ein Gespräch zu führen, ist folglich die Fähigkeit, sich mitteilen zu können. Die Nutzung von Kommunikation, um mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Nicht umsonst lässt sich das Wort Gespräch von Sprechen ableiten. Sprechen, sich mitteilen und austauschen sind nach dem amerikanischen Psychologen Maslow (1977) Bestandteile des sogenannten „Liebesbedürfnisses“, welches zu den universalen menschlichen Grundbedürfnissen zählt. Das Bedürfnis ‚zu sprechen‘ resultiert nach Maslow aus einer Defizitmotivation: hätte ein Mensch keine Gelegenheit zu Kommunikation und Austausch, wären psychische Beeinträchtigungen und Krankheit die Folge. Im Einklang mit dieser Aussage bezeichnet die Publizistin Hannah Arendt Sprechen und Handeln als „die Modi, in denen sich das Menschsein selbst offenbart“ (Arendt, 2005, S. 214). Ein Leben ohne Sprechen und Handeln wäre im wahrsten Sinne des Wortes kein Leben mehr, „[...] sondern ein in die Länge eines Menschenlebens gezogenes Sterben“ (Arendt, 2005, S. 215). Indem wir sprechen und handeln, integrieren wir uns hingegen in die Welt der Menschen. Arendt beschreibt diesen Prozess als eine „zweite Geburt“, in der wir die „nackte Tatsache“ des Geborenseins bekunden und auf diese Weise die Verantwortung dafür auf uns nehmen (Arendt, 2005, S. 215). Diese zweite Geburt macht den Weg frei für Neues, während es ohne Handeln und Sprechen keinen Platz für Entwicklung gäbe. Wir würden uns in einem prozesslosen Zustand befinden. Für die Pädagogin Ursula Frost (1999, S. 6) haben Gespräche Ereignischarakter, da Ablauf und Folge nicht vorwegzunehmen sind. Sprache, so Volker Ladenthin treffend, kann nie ein „Sein“ einfangen, weil sie selbst als „Seiendes“, als „Ereignis“ immer in Bewegung ist (1999, S. 54). Im Sprechen verbummeln sich Gespräche sozusagen in die Vergangenheit. Platon kehrte der Schrift sogar beabsichtigt den Rücken, betont Ladenthin, weil die Schrift versuche, die Geschichtlichkeit von Sprache zu umgehen.

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II.II GESPRÄCHABSICHTEN UND -ZWECK

Mit Ausnahme des Selbstgesprächs finden Gespräche zwischen mindestens zwei Akteuren statt. Sie bieten den Kontext für den Aufbau und die kontinuierliche Entwicklung einer zwischenmenschlichen Beziehung. In der Argumentation zeigt sich die eigene Persönlichkeit, im Zuhören bilden sich Hypothesen über die Persönlichkeit des Gegenübers. Art und Inhalt der individuellen Kommunikation definieren somit zwischenmenschliche Interaktion. Wegen der universalen Bedeutung von Gesprächen stehen diese nicht zuletzt auch im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Um weitere Erkenntnisse über Gesprächsverläufe und -techniken zu gewinnen, werden Gespräche zum Beispiel in der Psychologie, Soziologie oder Pädagogik systematisch beobachtet und analysiert. Allen Gesprächsformen gemeinsam, egal ob Geplauder oder Konversation, Diskussion oder Debatte, ist der Aufbau in eine Anfangs-, Mittel- und Schlussphase. Die genannten Gesprächsformen differieren jedoch maßgeblich hinsichtlich ihrer zugrunde liegenden Absicht und hinsichtlich des Zwecks, zu dem sie geführt werden. Öffentliche Gespräche, zum Beispiel zwischen Politikern oder Meinungsträgern, dienen der Verbreitung von Information und der Kommunikation von Standpunkten. Im Kreativgespräch können neue Erkenntnisse und Ideen entstehen. Familiäre Gespräche können bspw. dazu dienen, persönliche oder freundschaftliche Konflikte zu bewältigen, Rat einzuholen oder alltägliche Ereignisse zu besprechen. In der non-direktiven Gesprächspsychotherapie werden Gespräche strategisch eingesetzt, wobei Gesprächsmethoden wie Wertschätzung, Empathie und Kongruenz zum Einsatz kommen. Angesichts der Fülle unterschiedlicher Gesprächsformen ist der Ansatz des Sprachwissenschaftlers Pawlowski (2005) hilfreich, der eine Unterteilung von Gesprächen in zwei Kategorien vornimmt. Er unterscheidet thematische Gespräche und Gespräche, die zur Kontaktaufnahme dienen. In Letzteren geht es häufig lediglich darum, eine Beziehung herzustellen oder zu bestätigen:

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A: „Wie geht’s?“ B: „Gut. Und selbst?“ A: „Ich kann nicht klagen.“7 Wenn A oder B jedoch antworten würde, dass es ihr/ihm eher nicht gut geht, dann würde gemäß Pawlowski das Ritual durchbrochen. „Dann kommt ein Thema ins Spiel, dann hat das Gespräch vielleicht Folgen“. Es könnte ein thematisches Gespräch folgen, das dazu dient, „sich mit jemanden über etwas zu verständigen“ (Pawlowski, 2005, S. 14). Das Gespräch bekommt Ereignispotential, da die Folgen unvorhersehbar sind. Lebendiges Wissen lebt vom thematischen Gespräch, in dem Erkenntnisse ausgetauscht, Probleme gelöst oder Ziele gesetzt werden. Im Kontext von Bildungseinrichtungen und öffentlichen Veranstaltungen wie Messen und Konferenzen sind deshalb zahlreiche Ansätze zu finden, die Gespräche anregen und fördern sollen. Denn obwohl Gespräche die Essenz zwischenmenschlicher Interaktion sind und es zahlreiche Gesprächsanlässe gibt, ist es gerade an Orten des öffentlichen Lebens, wie im Folgenden gezeigt wird, nicht selbstverständlich, dass diese stattfinden.

7 Bsp. nach Pawlowski, K. (2005)

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II.III GESPRÄCHE MIT BEKANNTEN UND NICHT BEKANNTEN

Gespräche werden überwiegend mit Bekannten geführt. Sei es mit Arbeitskolleginnen oder -kollegen, mit Familienmitgliedern oder unter Freunden. Das Aufeinandertreffen mit einer bekannten Person verpflichtet selbst dann zu einer Kommunikation, wenn das Bedürfnis dazu nicht besteht. So wäre es bspw. unhöflich und kränkend, an einer Bekannten oder einem Bekannten grußlos vorbei zu gehen, um sich einem Smalltalk zu entziehen. Ein Blickkontakt als Zeichen einer nonverbalen Begrüßung ist das Geringste, was in einer entsprechenden sozialen Situation erwartet wird. Hingegen ist es in unserer Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeit, Unbekannte übergangslos anzusprechen. Laut Goffman „[...] könnte man sagen, dass miteinander bekannte Personen in einer sozialen Situation einen Grund haben müssen, nicht in Blickkontakt miteinander einzutreten, während einander nicht Bekannte eines Grundes bedürfen, um es zu tun“ (1971, S. 121). So werden Unbekannte oft nur dann angesprochen, wenn eine Information benötigt wird. In diesem Fall wird das Gespräch zumeist mit einer Entschuldigung eingeleitet (‚Entschuldigen Sie, könnten Sie mir bitte die Uhrzeit sagen?‘). Das unvermittelte Ansprechen einer nicht bekannten Person ohne Grund hingegen kann als Belästigung oder billiger Flirt verstanden werden und Ablehnung hervorrufen. Dabei gilt es zu beachten, dass sich Gesellschaften und Kulturen hinsichtlich der Hemmschwelle, ein Gespräch mit einer nicht bekannten Person zu beginnen, durchaus unterscheiden. So geschieht dies in unserer individualistisch geprägten westlichen Kultur ungleich seltener als in kollektivistischen Gesellschaften (Hofstede & Hofstede, 2009). Dies insofern bedauerlich, als dadurch eine Vielzahl an Gelegenheiten zu anregenden und bereichernden Gesprächen ungenutzt vorüber gehen. Insbesondere an Orten des öffentlichen Lebens, wo Menschen mit gleichen Interessen aufeinandertreffen. – Umso spannender ist es, wenn ein solches Gespräch unerwartet zustande kommt, denn das Überraschungspotenzial im Gespräch mit Unbekannten ist wesentlich höher als das in Gesprächen mit Bekannten.

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„Allgemeine Regel, so könnte man sagen, ist, dass miteinander bekannte Personen in einer sozialen Situation einen Grund haben müssen, nicht in Blickkontakt miteinander einzutreten, während einander nicht Bekannte eines Grundes bedürfen, um es zu tun.“ Erving Goffman, 1971

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II.IV GESPRÄCHSINITIATION UND KULTURELLE UMGANGSFORMEN

Wie bereits im vorherigen Abschnitt erläutert wurde, ist es nicht immer ein leichtes Unterfangen, eine nicht bekannte Person spontan anzusprechen. Der kritische Moment ist dabei bereits der Beginn des Gesprächs, wenn bei der oder dem überraschten Gegenüber innerhalb weniger Millisekunden vielfältige Bewertungsprozesse ablaufen. Es werden unbewusste, auf Erfahrung basierende Kategorisierungen vorgenommen und die Situation eingeschätzt (Bierhoff, 2006, S. 293 ff.). Dabei werden neben dem Gehörten Faktoren wie Kleidung, Alter, Sympathie, Stimme oder Geruch berücksichtigt. Hinzu kommen situative Aspekte wie Stimmung oder Zeitverfügbarkeit des Angesprochenen sowie die kritische Abschätzung, ob dieser Austausch gemeinsame Themen und eine verbale Bekräftigung der eigenen Meinung verspricht oder eher in einem lästigen Disput enden und gar kognitive Dissonanz provozieren könnte. Denn, wie die Erkenntnisse aus der Motivationspsychologie zeigen, bevorzugen Menschen Gespräche, in denen sie ihre eigene Meinung bestätigen oder zu ihrem Wissen kongruente Informationen erhalten können (vgl. z.B. Heckhausen, 1989). Das Resultat dieser Erwägungen wird schließlich dafür entscheidend sein, ob ein Gespräch zustande kommt oder nicht. Selbstverständlich laufen die gleichen Bewertungsprozesse auch bei der Person ab, die das Gespräch initiiert. Auch sie wird vor allem solche Menschen ansprechen, die als ‚like-minded‘ einschätzt werden und das Gespräch voraussichtlich auch nur dann fortführen, wenn sich diese Einschätzung in der Konversation bestätigt. Doch hohe wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen zwei sich unbekannten Personen allein ist kein hinreichender Grund für die Initiation eines Gesprächs. Fenwick (1948, S. 15-16) stellt fest, dass die Betroffenen auch etwas Interessantes und Wissenswertes mitzuteilen haben müssen und kommt zu dem Schluss, dass allgemein anzuerkennen sei, dass die Fähigkeit, Gespräche zu führen, eine Art verlorene Kunst ist. In der Analyse von Gesprächsanfängen konstatiert sie, dass - so brillant das folgende Gespräch dann auch sein mag - die meisten Gespräche

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sehr einfach beginnen, etwa mit Bemerkungen über das Wetter oder gesellschaftlichen Klatsch und Tratsch. Sie kritisiert, dass diese einfachen Anfänge öfters als Klischees wahrgenommen würden und konstatiert in diesem Zusammenhang, dass zu viel gegen Klischees und zu wenig zu ihrer Verteidigung gesagt werde. Die gängige Verurteilung von ‚konventionellen Eingangsfloskeln’ kann folglich dazu führen, dass Personen aus Angst vor einem misslungenen Gesprächseinstieg gehemmt sind, ein solches überhaupt zu beginnen beispielsweise dass die Angesprochenen dieses vorschnell abbrechen, ohne den eigentlich interessanten Gesprächsteil abzuwarten. Es gibt jedoch auch Personen, mit denen selbst dann ein Gespräch leicht begonnen werden kann, wenn die Kunst der Gesprächseröffnung nur unzureichend beherrscht wird. Laut Goffman zählen in unserer Gesellschaft dazu ältere und ganz junge Personen oder solche, die sich aktuell außerhalb ihrer Rolle befinden. Zum Beispiel Kostümierte, Betrunkene oder Menschen, „die sich in unernster Weise sportlich betätigen“ (Goffman, 1971, S. 123). Diese Personen werden so eingeschätzt, dass es bei einem Blickkontakt ‚nichts zu verlieren gibt‘ und dass sie jederzeit willkürlich kontaktiert werden können.

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II.V GESPRÄCHE ALS FOLGE VON EINEM EREIGNIS UND DAS GESPRÄCH ALS EREIGNIS

Wie Goffman (1971) skizziert, müssen Personen, die sich nicht bekannt sind, einen Grund haben, um in Kontakt zu treten (siehe auch Kapitel II.III). Ein solcher Grund kann bspw. sein, dass sie ein gemeinsames Schicksal teilen oder von einer gleichen unerwarteten Situation betroffen sind. So gibt es Konstellationen im öffentlichen Raum, in denen die Wahrscheinlichkeit erhöht ist, dass Gespräche zwischen einander nicht bekannten Personen zustanden kommen. Wartezimmer in Arztpraxen oder verspätete öffentliche Verkehrsmittel sind Beispiele hierfür. Auch politische Ereignisse haben das Potential, Bürgerinnen und Bürger ins Gespräch zu bringen. Insbesondere dann, wenn die Ereignisse unmittelbare Konsequenzen für das Leben der Menschen haben. Unvorhersehbarkeit und Irritation sind Auslöser von Unsicherheit. Maslow hebt hervor, dass Sicherheit jedoch eines der grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse ist (Maslow, 1977). So gesehen verspricht die Kontaktaufnahme zu anderen Betroffenen folglich in einem Moment der Unsicherheit wichtige Hilfe und Orientierung. Auf diese Weise können gegebenenfalls wertvolle Informationen eingeholt und die Komplexität der unbekannten Situation reduziert werden. Das Gespräch dient in diesem Fall der „sozialen Erleichterung“ (Aronson, Wilson, & Akert, 2008, S. 324-327) und erfüllt somit eine essentielle Funktion. Wie erläutert gibt es Gespräche, die durch Ereignisse ausgelöst werden. Anderseits kann auch ein Gespräch selbst ein ‚Ereignis’ sein. So betont der Philosoph Jacques Derrida, „[...] dass ein Ereignis Überraschung, Unvorhersehbarkeit und Exponiertheit bedeutet [...]“ (2003, S. 7). Dies kann bspw. der Fall sein, wenn Menschen an Orten des öffentlichen Lebens unerwartet von Fremden angesprochen werden oder wenn - wie an dem Beispiel von Pawlowski im Kapitel II.II erläutert - ein Gespräch eine unvorhergesehene Wende nimmt. Um Gespräche im Museum anzuregen, bedarf es also Elemente, die Überraschung hervorrufen und somit einen Grund dafür bieten, mit einer nicht bekannten Per-

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„Es ist vielleicht nicht überflüssig, daran zu erinnern, dass ein Ereignis Überraschung, Unvorhersehbarkeit und Exponiertheit bedeutet [...].“ Jacques Derrida, 1997

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son Kontakt aufzunehmen. – Es bedarf eines Ereignisses, um ein Gespräch zu provozieren, das dann selbst zum Ereignis werden kann. Um zu überprüfen, welche Irritationen sich dazu eigenen, werden in den unter Kapitel VII beschriebenen Vorstudien Experimente mit verschiedenen Irritationen durchgeführt. Zunächst folgt nun in Kapitel III. eine Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Kommunikationsmedium Museum. Um das derzeitige Kommunikationsverhalten im Museum zu verstehen, erfolgt ein kurzer Rückblick auf die Entwicklungsgeschichte der Museen und ihren heutigen Stellenwert in Bildung und Kultur. Anschließend werden kommunikationsfördernde Ansätze aus dem Bereich der Kunstvermittlung und Museumspädagogik dargestellt. In Abgrenzung und Erweiterung zu diesen Disziplinen wird schließlich die Fragestellung der Studie ‚Raum für Gespräch’ formuliert, der in den folgenden Studien nachgegangen wird.

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III MUSEEN UND KOMMUNIKATION

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III.I BEDEUTUNG UND WIRKUNG VON MUSEEN

„Das Museum war monumental, steinern, kalt, und ihm entströmte, als wäre es nicht Sitz der Kunst, sondern die Hölle der Winde, ein frostiger Atem, der die ganze Straße erfüllte. Die Vorstellung, dass ich jetzt den Gesang der Vögel, den Garten, die Sonne, den Fluss und die Brücke verlassen musste, um im dritten Saal links oben ein Segelschiff zu sehen, erfüllte mich mit jenem Grauen, das ich vor langen Jahren auf einem Gang zur Schule an schönen Frühlingstagen gefühlt hatte und das ich noch manchmal träume.“ 8 Das Wort Museum wird erstmals im 4. Jh. v. Chr. in der hellenistischen Antike verwendet. Es bezeichnet einen vollständigen Stadtteil Alexandrias, der den Musen gewidmet war. In der Tat stammt das Wort ‚Museum’ vom altgriechischen Wort ‚musío’ ab, dem ‚Heiligtum der Musen‘ beispielsweise dem griechischen ‚mouseīon‘, dem ‚Musensitz, Musentempel‘ und wurde später ins Lateinische übernommen (museum: Ort für gelehrte Beschäftigung; Bibliothek; Akademie). Nach gängigen Lexika wie bspw. Jahn9 (1979) wird das Wort ‚Museum’ in der deutschen Sprache erstmals im 16. Jh. als Bezeichnung für ein Studierzimmer und erst im 17. Jh. als Begriff für Kunst- oder Altertumssammlungen verwendet. Dieser Status eines ‚Studierzimmers‘ ist es, welcher das Verhalten des ‚studierenden’ Besuchers maßgeblich im Museum geprägt hat. Seit 1978 wird das Museum vom Deutschen Museumsbund wie folgt umschrieben: „eine von öffentlichen Einrichtungen oder von privater Seite getragene, aus erhaltenswerten kultur- und naturhistorischen Objekten bestehende Sammlung, die zumindest teilweise regelmäßig als Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich ist, gemeinnützigen Zwecken dient und keine kommerzielle Struktur oder Funktion hat“. Der Museumsbund bemerkt zu dieser Begriffsbestimmung, dass das ‚Museum’ noch keine zeitgemäße Definition besitzt und bittet um kritische Stellungnahmen und Verbesserungsvorschläge.

8 Roth, Joseph: Artikel ‚Museum‘, in: Frankfurter Zeitung, 14.3.1929, Wiederabdruck in: Christoph Stölzl, Menschen im Museum. Geschichten und Bilder. Berlin 1997, S. 41- 44, hier S. 43. zit. nach Schmidt, 2007, S. 11 9 Bei Jahn (1979) wird beim Stichwort Museum auf das allgemeinere Stichwort ‚Kunstsammlung‘ verwiesen.

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Eine weiter entwickelte Definition vom ‚International Council of Museums – ICOM‘ lautet: „Ein Museum ist eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung, im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt“.10 In der Museumsdefinition vom ICOM wird deutlich, dass das Museum als ‚Sammlungsarchiv’ in den Hintergrund rückt und gesellschaftliche Aspekte in den Vordergrund treten. Das Museum soll den Besuchenden dienen. – Nicht nur zum Erwerb von theoretischem Wissen, sondern auch zur Unterhaltung. Die Rolle der Besuchenden ist damit in der Museumstheorie nicht mehr nur auf eine rein passive, aufnehmende beschränkt. Vielmehr impliziert der Anspruch, das Publikum zu ‚unterhalten’, eine Aktivierung desselben. Die Definition lässt offen, wie ‚Unterhaltung’ genau zu verstehen ist. Dies könnte zur zentralen Frage der Identitätssuche von Museen werden: Was kann der Mensch als aktives kulturelles Wesen im Museum machen? Wie soll dies geschehen? Ist es möglich, dass die Bedeutung des Museums künftig auch durch seine Besucher definiert wird? Heutzutage ist der Museumsbesuch eine beliebte Freizeitaktivität, die bei weitem nicht nur der ‚studierten’ intellektuellen Elite vorbehalten ist. Ein Wochenende in Paris kombiniert mit einem Besuch im Louvre oder ein Ausflug nach New York, verbunden mit einem Besuch im MoMA, gehört für viele Touristinnen und Touristen zum Standardprogramm. Dabei ist anzunehmen, dass sich die meisten Besuchenden der Herkunft und der ursprünglichen Bedeutung von Museen nicht bewusst sind, obwohl diese bis heute die Architektur diverser traditioneller Museumsbauten prägen. Besaß der bspw. im Geist des Historismus geschaffene Kunsttempel des Britischen Museums (Abb. 1) für die dort gezeigten Kulturgüter eine Weihefunktion, so ist er andererseits auch als ein Zeichen der Demokratisierung für alle Museumsbesucher zu verstehen.

10 Zitiert nach: ICOM Ethische Richtlinien für Museen (Code of Ethics for Museums), deutsche Übersetzung der ICOM- Nationalkomitees von Deutschland, Österreich und der Schweiz, Berlin/Wien/Zürich 2003.

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Die Aussagekraft der Museumsarchitektur hat bis zum heutigen Tag nicht an Bedeutung verloren.11 „Die Ausstellung scheint zu einer Nebensache, wenn nicht gar zu einem Alibi zu werden, wenn wir neu eröffnete Museen betreten, die uns durch die Aura ihrer Räume überwältigen, statt uns durch Exponate zu faszinieren.“ so der Kunsthistoriker und Medientheoretiker Hans Belting (2001, S. 91) in einem Vortrag in Kooperation mit den Wiener Vorlesungen zum Thema ‚Das diskursive Museum‘. Die Imposanz der Museumsräume findet ihre Reflektion in der Atmosphäre von Museen, die häufig durch Vorsicht, Respekt und andächtige Stille dominiert ist. Die Ausstellungsräume erinnern an heilige Hallen, in denen die Besuchenden intuitiv ihre Stimme aus Ehrfurcht vor Kunst und Wissenschaft senken. So verhalten sich Museumsbesuchende nach Paul Valéry zwar „ein wenig lauter als in der Kirche, aber viel ruhiger als im Alltag“. Der Historiker und Ausstellungsdramaturg Stefan Paul wirft sogar die Frage auf, ob Museumsräume kommunikationsfeindlich seien (2005, S. 354). - Dies, obwohl das Museum als reine ‚Wissensanstalt’ heute fast nicht mehr besteht und die Museumswelt bemüht ist, mit Ausstellungen Erlebniswelten zu schaffen, in die Besuchende ‚eintauchen’ können. Eine der Fragen, die während der Tagung ‚Das diskursive Museum’ in Wien diskutiert wurde, ist denn auch, wie das Museum ein Ort sein beispielsweise werden kann, an dem sich Menschen wohl fühlen, ohne darüber seine Kernaufgabe als öffentliche Bildungsinstitution zu verlieren. Denn der Museumsbesuch gehört heute in die Kategorie ‚Freizeitangebote’ und steht damit mehr als früher in Konkurrenz mit der kommerziellen Freizeitindustrie.

11 Für die Museumsbauten und –politik der 1980er Jahre siehe Preiß, Stamm & Zehnder (1990).

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Abbildung 1: The British Museum um 1890 (Architekt: Robert Smirke) Quelle: Library of Congress Prints and Photographs Division Photochrom Collection, Reproduction number: LC-DIG-ppmsc-08563

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III.II RAUM UND INTERAKTION: KOMMUNIKATION IN MUSEEN

Die Raumwahrnehmung und -wirkung von Museen steht nach Stefan Paul (2005) nur selten zur Debatte. Die Besonderheit von Museen und Ausstellungsräumen, die „im Unterschied zu vielen anderen vermittelnden Medien physisch zu begehen sind, wird in der Regel übersehen“ (Paul, 2005, S. 341). Dabei birgt genau die Tatsache, dass Museen begehbare Kommunikationsmedien sind, ein einmaliges Potential, welches sich nicht nur auf das physische und emotionale Erleben individueller Besucherinnen und Besucher bezieht, sondern auch auf die Interaktion zwischen diesen. Im Theater oder bei einem Konzert übernimmt die Kunst eine aktive, lebendige Rolle, während die Zuschauenden eine eher passive, rezeptive Position innehaben. Ist das Musik- oder Schauspielstück beendet, so kehrt Stille in die Säle ein und die Gäste kehren nach Hause zurück. Die Kunst ist nur im Augenblick. Die Präsentation der Ausstellungsstücke im Museum hingegen ist – mit Ausnahmen von Performances – vergleichweise statischer Natur. Die Kunst ‚ist’; sie ist aber nicht in Bewegung. Es besteht somit die Chance, dass die Besuchenden eine aktive Rolle einnehmen. Im Gespräch und Austausch untereinander, in Rede und Gegenrede können die Exponate eine lebendige Interpretation erfahren, die variiert mit den Menschen, die sich im Hier und Jetzt begegnen. Nach Giessen und Schweibenz (2007, S. 52 ff.) ist die Rolle der Museumsbesuchenden als „Kommunikationspartner“ jedoch meist eine rein passive. Ihre aktive Teilnahme an der Interpretation der Exponate wird nicht gefördert; vielmehr werden sie auf eine Empfängerrolle beschränkt. Sie werden vom Museum mit fertig aufbereiteten Informationen versorgt, der Ausdruck ihrer eigene Meinung ist nicht gefragt. Die Museologen Ivo Maroevic und Gary Edson (1998, S. 268) beschreiben deshalb die Erkenntnisse der Besuchenden als „result of a process of selecting and manipulating information, in which the visitor accepts the judgements and interpretations the museum determines“. Peter Walsh, Informationsdirektor des ‚Davis Museum and Cultural Center’ in Wellesley (1997), fügt hinzu: „museums are almost unique among educational institutions in that they still are using a one-

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sided method of communication.“ – Ein Zitat, dass im übrigen auch Aufschluss gibt über die Beziehung zwischen der Museumsleitung und den Besuchenden. Obwohl in der Hirnforschung und Lernpsychologie nachgewiesen wurde, dass emotionale Erlebnisse dazu beitragen, dass das Erlernte nachhaltiger im Gehirn archiviert bleibt, ist bis heute die ‚Einwegkommunikation’ im Museum dominierend (siehe z.B. Giessen & Schweibenz, 2007, Cahill et al. 1994). Würden die kognitiven, situativen und sozialen Bedingungen eines Ausstellungsbesuchs in der Planungspraxis mehr Berücksichtigung finden, könnten Museen vermutlich einen wesentlich nachdrücklicheren Eindruck hinterlassen. Dem ist aber nicht so und unter anderem deshalb sehen Giessen und Schweibenz heute eine Chance darin, das Museum als „Kommunikationsort im Sinne eines Erfahrungsaustauschs“ (2007, S. 54) zu stärken. Die Studie ‚Raum für Gespräch’ setzt an dieser Stelle an und verfolgt das Ziel, Methoden und Interventionen zu entwickeln, die das Museum als Ort der Kommunikation und des Austausches beleben können. Denn, wie Peter Tremp, der Leiter der Hochschuldidaktik der Universität Zürich es in einem Interview mit dem Verfasser am 17. März 2011 formulierte: „die autoritäre Einwegkommunikation ist in verschiedenen Situationen sehr wertvoll und zielführend, jedoch soll irgendwann die Phase folgen, in der man sich mit dem, was man gelernt hat, auseinander setzt. Dies könnte im Austausch passieren. Wenn das nicht folgt, ist die Wirksamkeit geringer“. Auch der Soziologe Heiner Treinen (1996) ergänzt in seinem Artikel über „das Museum als kultureller Vermittlungsort“, dass „Lerneffekte wahrscheinlich werden, wenn Museumsbesuche zum symbolischen Bezugspunkt für Unterhaltungen und Gespräche werden“ (S. 120). Er fordert die Museumsfachleute dazu auf, Ausnahmesituationen im Museum zu schaffen, durch die der Museumsbesuch mehr Bedeutung bekommt. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob das Museum dazu bereit ist, oder ob die Angst besteht, dass ‚Ausnahmesituationen’ zu einer Bedrohung werden könnte.

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Um die Frage zu beantworten, ob das Museum ein Ort werden kann, an dem Gespräche ermöglicht werden, an dem sich die Besuchenden austauschen, ist es zunächst wichtig zu wissen, welche Menschen im Museum anzutreffen sind. Im nächsten Kapitel wird deshalb der Typus des Museumsbesuchenden genauer betrachtet.

„Museums are almost unique among educational institutions in that they still are using a one-sided method of communication.“ Peter Walsh, 1997

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III.III DER MUSEUMSBESUCHENDE ALS KOMMUNIKATIVES WESEN

In der umfassenden Studie von Arlette Mottaz Baran (2006) mit dem Titel ‚Publikum und Museen in der Schweiz‘ nennen die 1.944 befragten Schweizerinnen und Schweizer als die zwei wichtigsten Gründe für einen Museumsbesuch ‚Das Interesse für das behandelte Thema’ (56,3%) und ‚Neues entdecken’ (31,0%). Gemäß dem Museumspsychologen Martin Schuster könnte hinzufügt werden, dass ein weiterer gewichtiger Grund ist, das eigene Wissen unter Beweis zu stellen beispielsweise es anderen Personen zu demonstrieren. Nach Schuster ist es „[e]in beliebtes Spiel von Besucherpaaren oder Gruppen [...], zu erforschen, ob sie den Künstler schon von fern erkennen. Wenn ja, ist das natürlich ein Beweis von Kunstkenntnis, ein Beweis der Bildung. Kenne ich das spezielle Bild? Weiß ich gar eine Episode aus dem Leben des Künstlers?“ (Schuster, 2005, S. 31). Er fügt hinzu, dass „speziell die Rezeption von Ausstellungen „schwer verständlicher“ zeitgenössischer Kunst [...] narzisstische Aufwertungen anbietet. Man kann sich zur Minderheit derer zählen, die diese schwere Kost versteht, ja genießt“ (Schuster, 2005, S. 32). Unter Bezug auf diese Beschreibungen kann davon ausgegangen werden, dass Museumsbesuchende ihr Wissen in der Regel gerne verbreiten bzw. mit anderen Besuchenden teilen. Gesprächsfördernde Angebote sollten folglich positiv aufgenommen werden, da sie die Gelegenheit bieten, das eigene zu teilen Wissen und gegebenenfalls auch ‚zur Schau zu stellen’. Selbstverständlich ist an dieser Stelle ein kritischer Blick auf die Qualität der Gespräche zu werfen. Birgt die Förderung von Gesprächen nicht zu sehr die Gefahr, dass selbsternannte Expertinnen oder Experten ihr lückenhaftes oder schlimmstenfalls gar falsches Wissen ungehemmt verbreiten? Oder dass die Kunstkennerin sich in der Konversation mit einem Laien langweilt? Ist es vor allem diese Befürchtung, die Kuratorinnen und Kuratoren davon abhält, den unkontrollierten Austausch zwischen den Besuchenden aktiver zu fördern? Dabei ist das Gespräch eine wertvolle Gelegenheit, Informationen zu verarbeiten, zu sortieren und gegebenenfalls anzupassen beispielsweise zu komplettieren. Der Lyriker und Pub-

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lizist Heinrich von Kleist konstatiert um 1805 in einem Aufsatz, dass Gedanken sich im Gespräch verfestigen. In poetischer Form formuliert er seine Feststellung: „Der Franzose sagt, l’appetit vient en mangeant, und dieser Erfahrungssatz bleibt wahr, wenn man ihn parodiert, und sagt l’idée vient en parlant.“ Und er ergänzt: „Es braucht nicht eben ein scharfdenkender Kopf zu sein“ (Kleist & Sembdner, 1984, S. 319). So können keineswegs nur aus Gesprächen zwischen tatsächlichen Expertinnen und Experten oder Intellektuellen fruchtbare Ergebnisse resultieren. Vielmehr kann gerade der Austausch mit weniger gebildeten und belesenen Besuchenden unerwartete und bereichernde Erkenntnisse hervor bringen und die Wahrnehmung um neue Perspektiven erweitern. Denn auch Kunstamateurinnen und -amateure bringen ein spezifisches Wissen mit. So empfand auch Kleist die Gespräche mit seiner Schwester, die ihm in gewisser Weise ‚intellektuell unterlegen’ war, als sehr ergiebig: „Und siehe da, wenn ich mit meiner Schwester davon rede, welche hinter mir sitzt und arbeitet, so erfahre ich, was ich durch ein vielleicht stundenlanges Brüten nicht herausgebracht haben würde“ (Kleist & Sembdner, 1984, S. 319). Expertinnen und Experten können folglich von Gesprächen mit Laien profitieren, wenn sie sich denn auf diese einlassen. Eine Chance in diesem Austausch besteht auch in der Tatsache, dass Expertinnen und Experten dabei dazu gezwungen sind, ihr Wissen strukturiert, systematisch und in leicht verständlicher Sprache zu vermitteln. Denn, so der Sprachwissenschaftler Marcus Müller im Gespräch mit Caroline Marié und Maximilian Pascheberg am 12. April 2010 für die OnlineZeitung „artefakt“ „Je anspruchsvoller man sich über Kunst äußern will, desto eher tendiert man zu unverständlichen, verknoteten Satzgebilden.“ Genauso gilt, dass es in der Unterhaltung mit Laien eine angemessene Einleitung braucht, wo unter Expertinnen und Experten vielleicht ein Stichwort schon ausreicht, um sich zu verständigen. Die Expertin oder der Experte wird folglich ihr oder sein Wissen neu sortieren und hinterfragen müssen, um es so verständlich wie möglich zu vermitteln. Anschließend bleibt festzustellen, dass zumindest in Kunstmuseen 75% der Besuchenden über einen Hochschulabschluss verfügen (Klein, 1997, zit. nach Schuster, 2005, S. 31). Im Publikum dieser Museen fin-

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den sich zum Beispiel Künstlerinnen und Künstler, Dozierende, Kunstlehrende, Kunsthändlerinnen und -händler, Kunstrestauratorinnen und -restauratoren, Kunsthistorikerinnen und -historiker sowie andere Kunstwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Gemäß ihrer Disziplin betrachten diese Expertinnen und Experten die Exponate aus verschiedenen Perspektiven und bringen unterschiedliche Impulse in ihre Deutung ein. Viel mehr, als dass das Museum als Rahmen genutzt wird, um sich zu profilieren, besteht also die Chance, dass sich zwischen den Besuchenden ein fruchtbarer und anregender Austausch entfaltet. So hört man laut Hans Brög, Professor für Kunst und Didaktik der Kunst, „heute zunehmend die Meinung [...], von Künstlern ebenso wie von Museumsleuten und Galeristen, dass das Kunstwerk im Rezipienten erst seine Komplettierung erfährt [...]“ (2005: S. 75) (siehe auch Kapitel V.IV). Diese Beobachtung unterstreicht das hohe Potential, das der Austausch zwischen Museumsbesuchenden in sich birgt. Wenn Paare oder Gruppen ein Kunstmuseum besuchen, wird das Phänomen des Perspektivwechsels öfters beobachtet. Im Dialog mit anderen Betrachtenden werden mehrere Kanäle zugänglich gemacht, die dazu dienen, das betrachtete Exponat zu entschlüsseln. Das Selbstgespräch, das Betrachtende in der Regel führen, um das Gesehene zu entziffern, bekommt im Dialog eine neue Dimension. Es ist anzunehmen, dass Museumsbesuchende Gesprächsanregungen auch deshalb begrüßen würden, da auf diese Weise der Gang durch die Ausstellung einen neuen Reiz erfährt. Denn hauptsächlich in größeren Museen ist es schwierig, während des Museumsbesuchs nicht die Konzentration zu verlieren, da „[d]ie Reize [...] eine gewisse Gleichförmigkeit [haben], so dass man habituiert, d.h. die eigenen Wahrnehmungsprozesse hemmt“ wie Schuster (2005, S. 43) es beschreibt. Es handelt sich dabei um eine Problematik, die für die Museumswelt eine große Herausforderung darstellt. Denn, wie Falk, Koran & Dierking (1985, S. 249-257) in ihrer Studie „Predicting visitor behaviour“ zeigen konnten, nimmt die Konzentration von Museumsbesuchenden bereits nach 30 bis 45 Besuchsminuten drastisch ab. Damit die Besuchenden ein Museum nicht als ermüdend empfinden, ist es folglich wichtig, in die Ausstellungsplanung Abwechslung und Stimulation zu integrieren. Gesprächsanregungen können diese Funktion erfüllen.

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III.IV DAS KUNSTGESPRÄCH

Bei aller vorherrschenden Vorsicht und Zurückhaltung in der Förderung des spontanen Austauschs zwischen Besuchenden gibt es durchaus auch Museumspioniere, die das Bild vom ‚kommunikationshemmenden Museumstempel’ ablehnen. Sie sehen das Museum als Raum, um neue Bekanntschaften zu knüpfen. Als einen Ort, an dem auch ein Flirt oder ein Gespräch über das Wetter nicht verboten sind, sondern sich ganz im Gegenteil sogar anbieten. So brauchen im Museum „[z]wei Menschen, die einander kennenlernen wollen, [...] nicht über sich selbst zu reden, sondern können sich über das Gesehene austauschen“ wie Andreas Blühm (2008, S. 60) es beschreibt, „der Rokoko, die sinnliche Kunst des 18. Jahrhunderts, die Romantik und der Impressionismus“ (2008, S. 62) geben laut Blühm einen erfolgversprechenden Gesprächsstoff für Verliebte her. Der aufgeschlossene Direktor des Wallraf Richartz Museums rät Museumsbesuchenden in seiner Publikation ‚Fit fürs Museum‘, sich Zeit zu nehmen, um sich über Werke zu unterhalten. „Interessante Kunstwerke lösen die Zunge und sprechen zu Ihnen“ so Blühm (2008, S. 40). Er lädt die Besuchenden dazu ein, ihre Gedanken frei zu äußern und empfiehlt, im Gespräch ruhig die Stimme zu heben und eventuelle mürrische Blicke anderer Besuchenden zu missachten. Schließlich befinde man sich ja nicht im Theater. Der Museumsdirektor geht sogar so weit, das Museum mit einem Zoo zu vergleichen und rät den Museumsbesuchenden, sich während des Besuchs entsprechend zu benehmen: „Flanieren Sie ziellos, staunen Sie über das Gesehene, lachen Sie über Dinge, die Ihnen komisch erscheinen, rufen Sie ihre Familie zusammen, wenn Sie etwas entdeckt haben“ (Blühm 2008, S. 48). – Dies, obwohl im Wallraf Richartz Museum unter anderem auch Gemälde alter respekteinflößender Meister wie Peter-Paul Rubens oder Rembrandt H. van Rijn ausgestellt werden. Dennoch ist auch Blühm der Meinung, dass es Ausnahmen gibt. So seien Gespräche über Moderne Kunst zwar inspirierend, aber zu gleicher Zeit riskant (2008, S. 62). Auch der Sprachwissenschaftler Marcus Müller beschreibt (zit. nach Marié & Paschebe, 2010) Gespräche über moderne und zeitgenössische Kunst als gewagt, da

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man besonders „im Umgang mit moderner und zeitgenössischer Kunst einer ständigen Prüfungssituation sich selbst und anderen gegenüber unterworfen [sei]“. Denn auf gewisse Weise hätten solche Gespräche immer etwas mit Prestige zu tun, so Marcus Müller weiter – „einerseits dem Prestige eines Kunstwerks in einem gesellschaftlichen Zusammenhang, andererseits dem Prestige der Person, die sich mit dem Kunstwerk beschäftigt“ (zit. nach Marié &Paschebe, 2010). Das Sprechen über Kunst ist folglich mit einem Risiko verbunden, da die Gefahr besteht, sich dabei zu blamieren (Saehrendt & Kittl, 2007, S. 166) oder, wie Müller es formuliert: „Wenn Sie über Kunst sprechen, müssen Sie diese erstens in irgendeiner Weise zur Sprache bringen. So wird in Ihrer sprachlichen Äußerung das Kunstwerk in immer neuen Schattierungen, Formen und auch Bewertungen reformuliert. Und zweitens bedingt die Situation, dass Sie etwas über sich preisgeben, Sie soziolinguistisch sozusagen die Hosen runterlassen müssen.“ (zit. nach Marié & Paschebe, 2010) Mit der ‚Kunst, sich über Kunst zu unterhalten‘, der sogenannten ‚Kunstkommunikation’ beschäftigt sich Heiko Hausendorf, Professor für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Zürich. Er unterteilt die kommunikativen Aufgaben des ‚Sprechens über Kunst‘ in die vier Kategorien (1) Beschreiben des Werkes, (2) Deuten des Werkes, (3) Erläutern des Werkes und (4) Bewerten des Werkes, die im Folgenden dargestellt werden (zit. nach Burbaum, 2007, S. 47-48): 1. Das Beschreiben des Werkes. In dieser Kategorie geht es darum, die Beschaffenheit des Kunstwerks in Worte zu fassen. Material, Format, Formen, Techniken und Farben werden beschrieben und analysiert. Die sinnliche Wahrnehmung des Werkes wird verbal artikuliert. Der Inhalt dieser Beschreibung kann dabei ggf. auch die „Unbeschreibbarkeit“ des Exponats sein. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk ist die Voraussetzung dafür, dessen Beschreibung vorzunehmen. 2. Das Deuten des Werkes. Werden bei der Beschreibung eines Werkes beobachtbare Tatsachen formuliert, so geht es bei der Deutung darum, zu verstehen und zu erfassen, zu welchem Zweck, beispielsweise mit welchem Hintergedanken

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das Kunstwerk geschaffen wurde. Was will die Künstlerin oder der Künstler vermitteln? Welche tiefere Bedeutung verbirgt sich hinter dem rein sichtbaren Werk? Dabei wird die Tatsache, dass bei der Deutung des Werkes Hypothesen generiert und kommuniziert werden, die ggf. auch nicht zutreffend sein können, von den Diskutierenden in der Regel transparent gemacht. 3. Das Erläutern des Werkes. Indem das Werk erläutert wird, werden Informationen und Fakten kommuniziert, die insbesondere zum Ziel haben, das Kunstwerk im Kanon anderer Werke zu verorten. Referenzpunkte sind dabei zum Beispiel Epoche, Gattung, historischer Kontext und Informationen zum Schaffenden. Die (Vor-)Kenntnisse der Betrachtenden werden zur Verfügung gestellt. Dabei geht es neben dem rein fachlichen Dialog auch um die Darstellung von individuellem Wissen und Kompetenz. 4. Das Bewerten des Werkes. In dieser Kategorie positioniert sich die oder der Betrachtende zum Kunstwerk. Das heißt, sie oder er teilt mit, wie ihr oder ihm persönlich das Kunstwerk gefällt. Individuelle Präferenzen und Gefallen sind dabei die Maßstäbe, nach denen geurteilt wird. Obwohl diese Einschätzungen subjektiv sind, lassen sich nach Hausendorf Übereinstimmungen zwischen gesellschaftlichen Klassen, Schichten und Gruppen feststellen, so dass an dieser Stelle auch soziale Zugehörigkeiten und Kategorisierungen kommuniziert werden (zit. nach Burbaum, 2007: S. 47-48). Müller (zit. nach Marié & Pascheberg, 2010) zählt zu den entsprechend prägenden soziologischen Parametern „etwa die des Geschlechtes, des Bildungsgrades und der Kunstaffinität des Lebensbereichs. Aber auch die Urbanität des Lebensraumes [...].“ Interessant ist an dieser Stelle das Ergebnis der Studie von Marcus Müller, nach dem sich die persönlichen Reaktionen auf ein Exponat im Museum jedoch sehr häufig ähneln (zit. nach Marié & Pascheberg, 2010). So antworteten 80% der Befragten auf die Frage „Gefällt Ihnen das Bild?“ mit „Ich würde es mir nicht übers Sofa oder ins Wohnzimmer hängen.“ – und zwar unabhängig von Geschlecht und Bildungsschicht. Müller (zit. nach Marié & Pascheberg, 2010) stellt fest, dass „[s]elbst ein emeritierter Professor, der ansonsten sehr viel Wert auf eine möglichst bildungssprachliche Verarbeitung des Bildes gelegt hat, [...] das so formuliert. An bestimm-

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ten Stellen sind die Übereinstimmungen so frappierend, dass man auch als Mensch erschrickt. Man fühlt sich dabei in seiner Serialität ein bisschen am Schopfe gepackt.“ Wie an dieser Stelle deutlich wird, ist das Gespräch über Kunst mit hohen Standards verknüpft, da individuelles Wissen und die Fähigkeit, sich eloquent und fachlich präzise auszudrücken, auf den Prüfstand kommen. Entsprechend hoch kann die Hemmschwelle der Besuchenden sein, sich auf einen entsprechenden Austausch einzulassen. Den hohen Preis eines eventuellen Gesichtsverlusts will kaum einer zahlen. Dies, obwohl letztlich auch Kunstbewertungen von Intellektuellen oder Fachpersonen sich häufig kaum von solchen unterscheiden, die von Laien geäußert werden und obwohl dieser Austausch sehr bereichernd sein kann, wie unter Kapitel III.III beschrieben. Wie also kann den Besuchenden die Angst vor Austausch genommen werden? Was kann getan werden, damit das Museum nicht nur zu einem anonymen Ort der Betrachtung wird, sondern eine Erweiterung als lebendiger Ort der Kommunikation und Interaktion erfährt?

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III.V DAS MUSEUM ALS ORT DER REFLEXION

„Wie kann das Museum, statt nur ein Ausstellungsort zu sein, zu einem Ort der Reflexion werden?“ Diese Frage formuliert unter anderem Hans Belting (2001, S. 91). Denn laut dem Kunsthistoriker ist es nicht zufriedenstellend, dass da „seltene und alte Dinge zu sehen sind oder Orte existieren, die eine privilegierte Raumerfahrung gewähren. [...] Es kommt vielmehr darauf an, was wir dort machen, denn da sind, neben den Dingen und den Orten, schließlich auch wir selbst.“ Belting bemerkt, dass Museen „traditionell auf Ausstellungen fixiert [sind] und nicht auf das, was in den Ausstellungen geschieht oder geschehen könnte.“ Haben Museen also mehr in sich als das, was wir bis heute aus ihnen herausgeholt haben? Das Museum könnte als Gesprächsplattform für Besuchende dienen. Ein Raum für überraschende und unvorhersehbare Begegnungen und Diskussionen werden. Es hat ein Potential, das durch die klassischen Vorträge und Führungen noch nicht voll ausgeschöpft ist. Vielmehr „[...] versteht [es] sich als ein Tempel, in dem die Priester den Gläubigen die Gelegenheit zum Opfer darbieten, und nicht als ein Forum, auf dem Bürger miteinander diskutieren“ so Belting. Und er geht noch weiter: „Staatliche Museen schützen sich immer noch vor einer geduldeten Öffentlichkeit durch Türen und durch Wächter, die das Publikum im Hause nicht aus dem Blick lassen“ (Belting, 2001, S. 91). Auch der Museologe und Psychologe Jan Sas kritisiert in der Beschreibung einer von ihm realisierten Besucherstudie in Amsterdamer Museen (2000), dass Museen nicht genug Interesse daran zeigen würden, was das Publikum tut und was es will. «It takes two to tango» so Sas treffend. In der Museums- und Kunstszene scheiden sich die Geister an der Frage, ob Kommunikation und Austausch im Museum gefördert werden sollen und bei weitem nicht alle Fachpersonen teilen die Meinung Beltings oder Blühms. So glaubt der Direktor und Kurator des Museums für angewandte Kunst (MAK) in Wien, Peter Noever, der sich bei einer Roundtable-Diskussion zum Thema ‚Kunstinstitutionen im Spannungsfeld zwischen Monokultur und Weltoffenheit‘ (2001) zu diesem Thema äußerte, „nicht, dass im Mittelpunkt des Museums das Publikum steht, sondern [dass] der Künstler und die Kunst [...] im Mittelpunkt stehen [müssen].“ Die

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Antwort der anwesenden berühmten serbischen Performance-Künstlerin Marina Abramović grenzt sich von Noever ab. Für Abramović ist das Publikum „außerordentlich wichtig [...]. Meine Arbeiten funktionieren ja nur dann, wenn zwischen mir und dem Publikum eine Beziehung besteht. [...] Erst das Publikum verleiht dem Werk sein Leben. Das Hauptproblem dabei ist nur die extrem passive und voyeuristische Beziehung des Publikums zum Künstler und zum Museum“, so die Künstlerin (Noever, 2001, S. 177 ff.). Abramović bedauert, dass Vorführungen von Videoinstallationen, die in den siebziger Jahren noch über zwei Stunden gingen, heute nur noch drei Minuten dauern und kritisiert: „Es gibt keine Stimmung, weder beim Publikum noch beim Künstler, [...][in der] sich das Werk auf einer tiefgründigeren Ebene sehen ließe“. So stellt sich die Künstlerin die Frage, wie es gelingen kann, „das Publikum von passiven Zuschauern in aktive, experimentierfreudige Teilnehmer [zu] verwandeln“. Um dem Publikum einen aktiveren Part zukommen zu lassen, unternahm sie selbst in ihren Arbeiten bereits aufsehenerregende Schritte. So forderte die avantgardistische Künstlerin beispielsweise das Publikum in einer Performance dazu auf, einen Vertrag mit ihr abzuschließen. Mit ihrer Unterschrift verpflichten sich die Besuchenden, 45 Minuten lang im Vorführraum zu bleiben. Verweigerten sie ihre Unterschrift, durften sie die Arbeit Abramovićs nicht sehen. Abramović forderte während der Roundtable-Diskussion zum Thema ‚Kunstinstitutionen im Spannungsfeld zwischen Monokultur und Weltoffenheit‘, dass „im 21. Jahrhundert [...] die Beziehung zwischen Künstler, Museum und Publikum eine Andere sein [sollte]“ (Noever, 2001, S. 180). Ein weiterer wichtiger Vertreter eines kommunikationsfreundlichen und –anregenden Museums ist Joseph Beuys. Beuys plädiert im weitesten Sinne für ein Museum als gesellschaftliches Forum für Austausch und kulturelle Entwicklung. In einem Gespräch mit Frans Haks, dem ehemaligen Leiter der Arbeitsgruppe ‚Moderne Kunst‘ vom Kunsthistorischen Institut der Universität Utrecht über die Aufgaben des Museums sagte Beuys im Dezember 1975, dass das Museum eine Art Universität werden soll, „[...] weil bei einer Universität ein interdisziplinärer Zusammenhang zwischen allen Tätigkeitsfeldern der Menschen ist, und weil dieser interdisziplinäre Zusammenhang dann fähig ist, einen neuen Kunstbegriff

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zu entwickeln“ (Beuys & Haks, 1993, S. 19). Beuys wollte damit jedoch nicht sagen, dass Museen Universitäten werden sollen, die genau gleich sind wie die bereits existierenden, da auch diese unter der staatlichen Verwaltung nicht gänzlich frei arbeiten können. Vielmehr könnte, so Beuys weiter, das Museum auch „das erste Modell einer permanenten Konferenz für kulturelle Fragen“ werden. In diesem Zusammenhang ist auch Beuys’ Aussage zum schöpferischen Potential des Besuchers zu verstehen: „Wenn ich sage: „Jeder Mensch ist ein Künstler“, dann meine ich: Jeder Mensch ist das Wesen, was in seiner Sphäre den Weltinhalt gestalten kann [...]“ (Beuys & Haks, 1993, S. 19-20). Beuys ist der Meinung, dass wir in unserer Gesellschaft „einen [...] verkürzten kulturellen Begriff“ haben. Er vertritt die Ansicht, dass die Kunst zu isoliert sei und sieht darin auch das Dilemma der Museen. „[Das Museum] muss universal [werden], es muss universitär werden“ so Beuys (Beuys & Haks, 1993, S. 20). Ein weiteres Problem ist laut Beuys die staatliche Bevormundung. Der staatliche Einfluss wird aber wohl stets bestehen bleiben, denn „[d]er Staat wird immer das Interesse haben, die Macht über diese Dinge, Einfluss in diesen Institutionen zu haben“ (1993, S. 21-22). Das Hauptproblem, so Beuys, liegt jedoch bei den Künstlerinnen und Künstlern selber, die nicht für einen neuen Kunstbegriff offen sind. Er vertritt die Meinung, dass diese selbst aus egoistischen Interessen den traditionellen Kunstbegriff weiterhin verteidigen. Da aber in den letzen Jahrzehnten in dem Machtverhältniss zwischen Museum und Künstlerinnen und Künstlern ein Wandel stattgefunden hat, kann heute nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Künstlerinnen und Künstler entscheiden, wie das Museum oder die Kunst funktionieren. Jean-Christophe Ammann bestätigt diese Ansicht in einem Interview mit der Neue Zürcher Zeitung vom 12. Juni 2010, indem er sagt, dass „der Künstler [...] oft nur noch der Illustrator einer Idee des Kurators [ist]“. (Ammann zit. nach Spillmann, 2010) Der Kunstpädagoge Karl-Josef Pazzini betont, dass der Ablauf von „geplanten unvorhersehbaren Ereignissen“ auch für den Planer selbst unvorhersehbar ist und vermutet darin den Grund dafür, dass Museen sich schwer damit tun, das Publikum von der sakralen Stimmung in den Ausstellungsräumen zu befreien. „Es gibt [...] Leute, die sich in eine Ausstellung begeben, weil sie überrascht werden wollen, die wol-

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len, dass etwas Unvorhersehbares passiert, in Maßen natürlich, und es gibt Leute, die dieses Unvorhersehbare anrichten. Und der Zusammenprall dieser beiden Seiten ist in seiner Konstellation selber wieder nicht, auf keinen Fall aber genau vorhersehbar“ (Pazzini, 2008, S. 45). Könnte die oder der Besuchende zur Bedrohung werden? Um dies zu vermeiden, würde die Entkräftung des Partizipationswillens der Besuchenden dann mehr oder weniger strategisch eingesetzt. In unserer modernen westlichen Gesellschaft haben die Bürgerinnen und Bürger jederzeit Zugang zu einer Vielfalt an Information. Menschen kommunizieren miteinander über SMS, E-mail, soziale Netzwerke. Sie holen sich flüchtige Informationen aus dem Netz, zuhause beim Essen oder unterwegs beim Spaziergang. Nach dem französischen Soziologen Jean Baudrillard „existieren [wir] [...] nicht mehr als Dramaturg oder Akteur, sondern als Terminal, in dem zahlreiche Netze zusammenlaufen“. Baudrillard bezeichnet dieses Phänomen als „die Ekstase der Kommunikation“ (Baudrillard, 1987, S. 18ff.). Die Museumsräume, die von Menschen physisch betreten werden, könnten den Besuchenden die Gelegenheit bieten, sich einen Augenblick von der alltäglichen Hektik zu befreien. Die Gelegenheit, sich ausführlich und umfassend mit unterschiedlichsten Themen zu beschäftigen und von Angesicht zu Angesicht auszutauschen. „Das Gespräch als bevorzugter Ort der Wahrheitsfindung und Bildung scheint so tiefgreifend mit dem menschlichen Anspruch auf Orientierung und Verständigung verbunden zu sein, dass seine Vernachlässigung nicht ohne Sorge beobachtet werden kann“, so die Professorin für Historisch-Systematische Pädagogik Ursula Frost in ihrer Publikation ‚Das Ende der Gesprächskultur?‘ (1999, S. 3). Sollten Museen nicht auch eine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und diese bedeutsamen Momente der Orientierung und Verständigung abdecken? Es wäre vorstellbar, dass der ‚Unterhaltungswert der zwischenmenschlichen Interaktionen’ bei einem Museumsbesuch eine wesentliche Rolle einnehmen kann. So könnte die Antwort auf die Frage ‚Wie war die Ausstellung?‘ nach dem Besuch eines kommunikationsfördernden Museums künftig nicht nur heißen ‚Sehr beeindruckend!’, sondern ‚Sehr beeindruckend und interessante Leute!’.

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‚Wie war die Ausstellung?‘ Nach dem Besuch eines kommunikationsfördernden Museums könnte die Antwort künftig nicht nur heißen ‚sehr beeindruckend!’, sondern‚ ‚sehr beeindruckend und interessante Leute!’.

Es soll an dieser Stelle nicht der Eindruck entstehen, als würden im Bereich der Museumsdidaktik keine innovativen Wege beschritten. In dem folgenden Kapitel werden Ansätze aus der Kunstvermittlung und Museumspädagogik beschrieben, die genau zu diesem Zweck entwickelt wurden. Anschließend werden auch Ansätze aus der Kunst dargestellt, die zum Ziel haben, unter den Betrachtenden die Kommunikation anzuregen. In Kapitel VI wird schließlich erläutert, warum sich der Ansatz dieser Studie von den eben genannten jedoch qualitativ unterscheidet und welche Konsequenzen dieser Unterschied für den Alltag im ‚Kommunikationsmedium Museum’ haben kann.

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IV KOMMUNIKATIONSFÖRDERNDE ANSÄTZE IN DER MUSEUMSPÄDAGOGIK UND KUNSTVERMITTLUNG

Der Begriff „Museumspädagogik“ hat sich während der letzten dreißig Jahre in der deutschsprachigen Museums- und Kulturlandschaft fest etabliert. Der Bundesverband Museumspädagogik e.V. definiert als Ziel der Museumspädagogik „die Darstellung, die Interpretation und die Vermittlung historischer, kulturhistorischer, künstlerischer, technischer und naturwissenschaftlicher Inhalte und Zusammenhänge in Museen und Ausstellungen”. Die Vermittlung von Kulturgut gehört laut dem ICOM (International Council of Museums) neben dem Sammeln, Erforschen, Bewahren und Ausstellen zu den integralen Aufgaben von Museen. Nach Maaß (2006) liefern die Museumspädagoginnen und -pädagogen eine ‚Gebrauchsanweisung’ zu den Museumsinhalten und ermöglichen den Besuchenden formelle und informelle Wissensaneignungen. Ihre Arbeit ist somit der Tätigkeit von Referentinnen und Referenten für Bildung und Vermittlung vergleichbar, wie Museumspädagoginnen und -pädagogen zunehmend auch genannt werden. In der Vorbereitung von museologischen Projekten ist die Museumspädagogik in jeder Phase von Bedeutung. Zu ihrem Aufgabenbereich gehört unter anderem das Verfassen von Informationsbroschüren oder verständlichen Wandbeschriftungen; die Erstellung von CD-ROMs, Videofilmen, PC-Stationen und anderen Medien. Personale Vermittlungsmethoden wie Führungen, szenischen Spiele, Gesprächsforen oder Vorträge sind weitere museumspädagogische Interventionen, die dazu dienen, den Austausch unter Museumsbesuchenden zu fördern (Maaß, 2006). Im Gegensatz zur Museumspädagogik ist das Projekt ‚Raum für Gespräch’ per se zweckfrei und verfolgt nicht das Ziel, Museumsinhalte zu vermitteln oder eine Art Gebrauchsanweisung für die Entzifferung der Musealien zu liefern. Die Besuchenden entscheiden spontan, ob, mit wem und worüber sie sich unterhalten. Werden Gespräche initiiert, so entwickeln sich deren Ziele oder Absichten im Dialog. Diese Gespräche können dazu dienen, sich weiter zu bilden oder neue Erkenntnisse zu gewinnen. Alles, was sich im Gespräch abspielt, ist jedoch unvorhersehbar. Das Museum hat keinen Einfluss darauf, wie sich der Austausch entwickelt, wie sich die Gedanken der Gesprächspartnerinnen und -partner weiter

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entfalten und verfestigen. Durch die Gespräche zwischen den Besuchenden wird die diktatorische Einwegkommunikation von Museen aufgebrochen und Wissen demokratisiert. Der Raum wird lebendiger und die Ausstellungsobjekte erfahren im gegenseitigen Austausch des Publikums neue Interpretationen. Im Vordergrund der Methode ‚Raum für Gespräch’ steht nicht ‚das Lernen’. Vielmehr geht es darum, die zwischenmenschlichen Ressourcen und deren Potentiale zu nutzen. Das Forschungsprojekt ‚Raum für Gespräch’ lässt sich somit eher der Kunstvermittlung zuordnen, deren Ansatz weiter gefasst ist als der der Museumspädagogik. Während die Begriffe Museumspädagogik und Kunstvermittlung in verschiedenen Quellen als Synonyme verwendet werden (Maaß, 2006), zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass sich die Ansätze nur teilweise überschneiden. Im Folgenden wird die Unterteilung der Kunstvermittlung in vier Diskurse vorgestellt, die die Kunstvermittlerin und Leiterin des ‚Institute for Art Education‘ der ‚Zürcher Hochschule der Künste‘, Carmen Mörsch, vorgenommen hat (2009, S. 9 ff.). Mithilfe dieser Darstellung wird eine Abgrenzung zwischen Museumspädagogik und Kunstvermittlung vorgenommen und anschließend dass Projekt ‚Raum für Gespräch‘ verortet. Nach Carmen Mörsch (2009) lassen sich aus institutioneller Perspektive vier verschiedene Diskurse in der Kunstvermittlung unterscheiden. Bei dem ersten und am häufigsten vorkommenden handelt es sich um den affirmativen Diskurs. Dieser hat zum Ziel, die nach dem ICOM definierten Aufgaben von Museen (s.o.) „effektiv nach außen zu kommunizieren“ (Mörsch, 2009, S.9). In der Umsetzung äußern sich entsprechende Maßnahmen in der Organisation und Erstellung von ausstellungsbegleitenden Veranstaltungen und Medien, die sich an das interessierte Fachpublikum richten. Der zweite, reproduktive Diskurs beschäftigt sich nach Mörsch (2009) mit der Heranbildung eines Publikums von morgen. Indem sich das Museum im Rahmen außerordentlicher und öffentlichkeitswirksamer Ereignisse, wie zum Beispiel Museumsnächte, lange Nächte in Museen oder Tage der offenen Türen Personen öffnet, die nicht von sich aus ein Museum besuchen würden, sollen Hemmschwellen gebrochen und neue Zielgruppen gewonnen werden.

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Die beiden beschriebenen Ansätze überschneiden sich mit der Museumspädagogik. Das gemeinsame Anliegen ist didaktischer und letztlich auch ökonomischer Natur. Das Publikum soll den Inhalt einer Ausstellung beispielsweise die Rolle von Museen besser verstehen. Ziel ist, Menschen für das Museum zu gewinnen und die Ausstellungsräume zu füllen. Deutlich davon abgrenzen lassen sich die folgenden beiden, in ihrer Umsetzung eher seltener anzutreffenden Diskurse der Kunstvermittlung. Der dekonstruktive Diskurs gehört laut Mörsch zum Bereich der kritischen Museologie. Im Rahmen dieses Ansatzes wird das Publikum dazu eingeladen „das Museum, die Kunst und auch die Bildungs- und Kanonisierungsprozesse, die in diesem Kontext stattfinden, kritisch zu hinterfragen“ (Mörsch, 2009, S.10). Seine Umsetzung findet der Ansatz bspw. in entsprechenden Interventionen von Künstlerinnen und Künstlern in Museen, in die das Publikum teilweise auch einbezogen wird. In diesem Ansatz wird mit der richtungweisenden Rolle des Museums als Ort der Vermittlung des Kulturguts gebrochen. Vielmehr soll das Museum ‚als eine Stimme unter vielen kenntlich‘ gemacht werden. Es soll ein Ort der Reflexion entstehen, der neuen Sichtweisen und Einsichten Raum bietet und auch die Hinterfragung des Museums als solchem ermöglicht. Bei dem vierten Diskurs handelt es sich um einen transformativen Ansatz, in dem „Ausstellungsorte und Museen [...] als veränderbare Organisationen begriffen [werden]“ (Mörsch, 2009, S.10). Das Publikum verlässt die Rolle der Betrachtenden und wird selbst zum Akteur, indem es Ausstellungen aktiv mitgestaltet und -entwickelt. Nach der zugrundeliegenden Idee sollen das Publikum und die Institution quasi miteinander verschmelzen und es sollen Projekte entstehen, die vom Ausstellungsprogramm unabhängig sind. Damit wird von dem Ziel Abstand genommen, mehr Menschen ins Museum zu bringen und vielmehr das Anliegen verfolgt, das Museum als einen der Lebensrealität entrückten Ort in die Gesellschaft, zu den Menschen zu bringen. Es gibt durchaus konvergierende Faktoren zwischen den zwei letztgenannten Diskursen der Kunstvermittlung und dem Ansatz dieser Studie, deren Hauptmerkmal die kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Museumsbesuchenden ist.

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Diese sollen nicht mehr nur auf das Stereotyp rezeptiver und passiver Empfänger reduziert werden. Vielmehr wird das Anliegen verfolgt, durch das Beschreiten neuer Wege im Museum die Besuchenden als kritische und aktive Partnerinnen und Partner zu gewinnen. Die Bedeutung des Museums – die sich in der Vorstellung verschiedener Bevölkerungsgruppen nach wie vor auf den traditionellen Sammlungs- und Vermittlungsraum beschränkt - soll erweitert und verändert, die sakrale Atmosphäre im Ausstellungsraum aufgebrochen werden. Entsprechende Methoden sollen ohne viel Kosten und Arbeitssaufwand eingesetzt, evaluiert und je nach Ergebnis angepasst oder verbessert werden können. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in der klassischen Museumspädagogik und Kunstvermittlung zwar bereits verschiedene kommunikationsfördernde Ansätze existieren, diese jedoch in ihrer praktischen Umsetzung meist einen didaktischen Anspruch haben und sich deshalb nur eingeschränkt - weil zweckgebunden - dazu eignen, das kommunikationshemmende Klima in Museen nachhaltig aufzulockern.

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V KOMMUNIKATIONSFÖRDERNDE ANSÄTZE IN DER KUNST

Warum Austausch? Wozu Besuchende zum Gespräch anregen? Braucht Kunst Kommunikation? Braucht Kunst Publikum? – Gemäß der Künstlerin und sozialen Aktivistin Rena Rädle ist dies spätestens seit dem 19. Jahrhundert der Fall. Im Juli 2010 betont sie in ihrer Rede im Rahmen des Vermittlungsprogramms der 6. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, dass die Ursprünge der Kunst, die „das Gegenüber als aktive PartnerIn im schöpferischen, gesellschaftsverändernden Prozess“ benötigt, im europäischen Realismus des 19. Jahrhundert zu finden sind. Seit dieser Epoche gibt es eine Reihe weiterer Kunstansätze, die die betrachtende Person nicht nur als Partnerin oder Partner benötigen, sondern sogar auf deren oder dessen Aufmerksamkeit und Reaktion angewiesen sind, um überhaupt als Kunst wahrgenommen zu werden. Ausgehend vom Realismus werden in diesem Kapitel verschiedene Kunstansätze und -richtungen vorgestellt, die nur in der Interaktion mit dem Publikum ihre (volle) Bestimmung als Kunst erfahren.

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V.I KUNST UND GESELLSCHAFT. DAS WERK COURBETS UND DIE NEUE ROLLE DES PUBLIKUMS IM REALISMUS

Der Maler Gustave Courbet ist einer der wichtigsten Vertreter des Realismus und gehört zu den Hauptbegründern dieser Strömung. Mit anderen Intellektuellen und Künstlern wie Charles Baudelaire, Jules Champfleury und PierreJoseph Proudhon traf er sich Mitte des 19. Jahrhunderts in der Pariser ‚Brasserie Andler’ - von ihnen als ‚Tempel des Realismus’ bezeichnet -, um dort Theorien und Experimente zu entwickeln. Die Gruppe distanzierte sich von den damals etablierten Kunstrichtungen der Romantik und des Klassizismus, in denen die Wirklichkeit idealisiert und verklärt dargestellt wurde. Vielmehr verfolgte sie das Ziel, die Realität möglichst detailgenau wiederzugeben. Dabei fassten sie nicht nur Landschaften und gesellschaftlich Ereignisse ‚ins Auge’, sondern auch Fabriken, Maschinen und neue technische Errungenschaften, deren korrekte Darstellung den Künstlern eine intensive Auseinandersetzung mit den Eigenschaften den Sujets abverlangte. Im Realismus wurde folglich nicht mehr nur „Kunst zur Verschönerung der Wirklichkeit“ produziert, sondern mit einem gesellschaftlichen Anspruch gemalt (Kirchner, Umsonst, & Voss, 2008, S. 3). Die neue gesellschaftliche und politische Dimension von Kunst löste in der Pariser Szene von Ablehnung bis zu Begeisterung sehr unterschiedliche Reaktionen aus. Viele der realitätsgetreuen Bilder wurden von Vertretern der Kunstszene als Provokation empfunden und verurteilt. Napoleon III. soll sogar mit einer Reitpeitsche eines der Bilder Courbets zertrümmert haben. Courbet jedoch unterstellte sich nicht länger dem autoritären Urteil von Kunstjuries oder Würdenträgern, sondern organisierte auf eigene Faust Ausstellungen, in denen er etwa all die Bilder präsentierte, die im Vorfeld von der Jury abgelehnt worden waren. So zum Beispiel das Werk ‚Un enterrement à Ornans‘ (siehe Abb. 2), das aufgrund der monumentalen Größe und wirklichkeitsgetreuen Darstellung der Trauergemeinde nicht für die Pariser Weltausstellung akzeptiert wurde. Indem er für seine Ausstellungen auch noch – damals völlig unüblich – Eintrittsgeld verlangte, löste er einen gesellschaftlichen Eklat aus und machte sich weit über die Grenzen

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Frankreichs hinaus einen Namen. Seine Provokationen waren ein Ereignis und unterstrichen „seine Rolle als Führer der realistischen Bewegung [...], als der er nun galt“ (Senger, 2006, S. 13-14).

Abbildung 2: Un enterrement à Ornans, Gustave Courbet (1849-1850)

Anhand dieses Beispiels wird deutlich, wie Ereignisse in der Kunst zustande kommen und welches Potenzial sie haben können. Die unerwarteten und für die Gesellschaft inakzeptablen Handlungen Courbets haben das Publikum in eine exponierte Situation gebracht. Es entstand eine Welle der Empörung, die dazu führte, dass Courbet im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand. Das Publikum hat in gewisser Weise mit seiner Reaktion das Kunstwerk vollendet.

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V.II ZWECKFREIE KUNST. ‚L’ART POUR L’ART‘ ALS GEGENSTRÖMUNG ZUM REALISMUS

Kunst muss jedoch nicht zwangsläufig gesellschaftliche oder politische Inhalte haben, um Gespräche zwischen Beobachtenden zu provozieren. Die in Frankreich zeitgleich mit dem Realismus entstandene Bewegung ‚l’art pour l’art‘ hatte als erklärtes Ziel, zweckfrei zu sein und sich von gesellschaftlichen Verpflichtungen zu lösen. Der französische Schriftsteller Théophile Gautier, der sich in den dreißiger Jahren vehement gegen das utilitaristische und moralisierende Denken jener Zeit wandte, schrieb 1834/35 im Vorwort zu seinem Roman „Mademoiselle de Maupin“: „Nur das ist wirklich schön, das nichts dienen kann; alles, was nützlich ist, ist hässlich, denn es stellt den Ausdruck von Bedürfnissen dar und die Bedürfnisse des Menschen sind niedrig und ekelhaft, so wie seine arme und schwache Natur“ (Kiesel, 2004, S. 237). Der US-amerikanische Farbfeldmaler, Karikaturist und Kunsttheoretiker Ad Reinhardt, auch bekannt als Vorläufer des Minimalismus in der Malerei, ist ebenfalls ein vehementer Vertreter der Philosophie, dass Kunst frei von Botschaften sein soll. Reinhardt resümierte seine Sicht auf die Bedeutung der Kunst sehr treffend: „Das eine, was sich über Kunst sagen lässt, ist, dass sie eine ist. Kunst ist Kunst als Kunst, und alles andere ist alles andere. Kunst als Kunst ist nichts als Kunst. Kunst ist nicht, was nicht Kunst ist“ (Knerr, 2007, S. 9). Ann Temkin, die Kuratorin des MoMA in New York, betonte in einer Videomitteilung des Museums über Ad Reinhardts Werk, dass das Publikum Zeit braucht, um die zweckfreien Werke der abstrakten Expressionisten (auch informelle Kunst oder Tachismus genannt) zu enthüllen. Ihrer Meinung nach sind diese Werke „holders of secrets. [...] Their work is made to communicate with a certain level of „like-minded“ or „like-spirited“ viewers who are ready for what they are providing them.“ so die Expertin (Temkin, 2010).

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Abbildung 3: „Imageless: The Scientific Study and Experimental Treatment of an Ad Reinhardt Black Painting”. Guggenheim Museum. Foto: Fred R. Conrad/The New York Times

„Things fall apart. That’s one of the facts of art. Material gets buried under other material. That’s another art fact. As the focus of attention turns from art’s creation to its preservation, art and science converge, as you can see in “Imageless: The Scientific Study and Experimental Treatment of an Ad Reinhardt Black Painting” at the Guggenheim Museum.“ Holland Cotter. Kunstkritiker New York Times

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V.III KUNST UND FREIHEIT. PROVOKATION DURCH ANTIINSTITUTIONALISIERUNG

Es ist in unserer Gesellschaft heute nicht leicht, mit der Kunst eine Empörung im Publikum auszulösen. Da gesellschaftskritische Interventionen künstlerischer Art heute in der Regel von staatlichen oder halbstaatlichen Institutionen finanziell unterstützt oder sogar getragen und geplant werden, ist der Protest in der Kunst quasi institutionalisiert, wodurch er an Kraft verliert. Raedle bemerkt in ihrer Rede (siehe auch S. 43), dass „[d]ie Institutionalisierung von künstlerischer sozialer Praxis [...] eine Umwertung mit sich bringt – wenn nicht sogar die völlige Umkehrung ihrer Zielrichtung.“ Durch die Institutionalisierung gewagter künstlerischer Interventionen steigt selbstverständlich deren Akzeptanz und sinkt der Ereignisgehalt für das Publikum. Es ist anzunehmen, dass dies auch einer der Gründe dafür war, dass die Fluxus Bewegung, stark geprägt von George Maciunas, „laut Manifest (das niemand unterschrieben hat) die Kunst als Institution zerstören wollte.“ 12 Ein aktuelles Beispiel für die Vereinnahmung der Kunst durch die Institution findet sich in der Zürcher Museumsszene. Mit dem Ziel, die halb legale, halb illegale Welt der Straßenkünstlerinnen und -künstler dem Publikum näher zu bringen, organisierte das Kunsthaus Zürich am 12. März 2011 einen langen Abend zum Thema ‚Urban Art’. In der so genannte ‚Kunsthausnacht’ drehte sich alles um die urbane Kunst ‚von der legalen Aktion bis zum illegalen Vandalismus‘ so der Pressebericht des Kunsthauses. In dem entsprechenden Communiqué wurde von den Veranstaltenden selbst die Frage aufgeworfen, ob „die Kuratoren der Museen [...] ihren Einflussbereich entweder über die Mauern der Institution ausdehnen müssen, mit neuen Partnern kooperieren und Bewilligungen einholen oder zu Komplizen von Guerilla-Kunst-Aktionen werden“ sollen. Die Institutionalisierung der unabhängigen Kunst – in diesem Fall der ‚Street Art‘ – stand zur Debatte und wurde gleichzeitig praktiziert, indem die Kunst der Straße in die Hallen des Museums geholt wurde. Ein Höhepunkt des Abends war eine ‚Live-Painting‘ Aufführung der Zürcher Streetart-Künstlerin TIKA, die sich beim legalen Sprayen in einem der Ausstellungsräume des Museums über die Schulter blicken ließ. 12 Email von Dorothee Richter, Institute for Cultural Studies in the Arts, von 15. März 2011.

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Abbildung 4: Das Kunsthaus Zürich am 12. März 2011. ‚Graffiti R.I.P.‘

In derselben Nacht wurde die Fassade des Zürcher Kunsthauses von Anonymen illegal besprayt. Mit violetter Farbe wurde an den Eingang des Museums ‚Welcome to Graffitiland‘ gesprayt und die sakral wirkende Fassade des Kunsthauses – Baujahr 1910 – mit dem Spruch ‚Graffiti R.I.P.‘ (Graffiti Rest In Peace) besprüht. Eine der wenigen noch existierenden unabhängigen Kunstbewegungen hatte sich mit dieser Aktion zu Wort gemeldet. Diese Initiative ist als Protest gegen die Institutionalisierung der freien Straßenkunst zu verstehen. Graffiti Kunst wird oft als Aufstand gegen öffentliche Autoritäten wie Polizei oder Politiker eingesetzt. Die Live-Graffiti-Veranstaltung im Museum wurde von den ‚Aufständischen’ als eine Art ‚Käuflichkeit’ der Straßenkunst gesehen. Durch die Berichterstattung in der Presse wurde die Aktion zum medialen Ereignis, zum öffentlichen Gesprächsstoff, womit ihr Zweck erfüllt war.13 (siehe Abb. 4)

13

http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/ Sprayerei-war-Reaktion-auf-KunsthausVeranstaltung/story/27532465 http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/ Kunsthaus-mit-violetter-Farbe-verschmiert/story/21613435 http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/

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V.IV KUNST DURCH GESPRÄCH: BETRACHTENDE ALS TEIL DES KUNSTWERKS

Neben Künstlerinnen und Künstlern, die mit ihren Werken gezielt provozieren und somit Kommunikation auslösen, gibt es auch solche, die auf die Reaktionen und Reflexionen des Publikums angewiesen sind, damit ihre Werke überhaupt erst zu Kunst werden. Marcel Duchamp (1956), einer der Mitgründer der Konzeptkunst, ist beispielsweise der Ansicht, dass die betrachtenden Personen zugleich auch die Anstifter eines Werkes sind. Seine ‚Ready-Mades’, wie zum Beispiel das ‚Fontain’ (siehe Abb. 5) – das Pissoir, das zur Kunst deklariert wurde – zeigen beispielhaft, dass die Kunst das Publikum braucht, um zu existieren. Duchamp geht sogar so weit zu sagen „[...] dass ein Werk vollständig von denjenigen gemacht wird, die es betrachten oder es lesen und die es, durch ihren Beifall oder sogar durch ihre Verwerfung, überdauern lassen“ (Duchamps, zit. nach Daniels, 1992, S. 2). So sind die Reflexionen des Publikums in dem o.g. Beispiel wichtiger als das Exponat. Eine weitere sehr bekannte Vertreterin dieses Ansatzes ist die serbische Performance-Künstlerin Marina Abramović (siehe Kapitel III.V). Das Publikum sieht Abramović als aktiven Partner an und bezieht es aktiv in ihr Werk ein: „Kunst ist das Element im Weltinhalt - ganz allgemein könnte man sagen - wo der Mensch erfährt, dass er der Punkt ist, aus dem heraus etwas in die Welt kommt, aus dem heraus etwas produziert wird was immer neu ist, also revolutionär wird“ (Noever, 2001, S. 177 ff.).

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Abbildung 5: Replik von Duchamps „Fountain“, Musée Maillol, Paris

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V.V KUNST FÜR GESPRÄCH: WERKE VON PIPILOTTI RIST

Das explizite Anliegen der schweizer Videokünstlerin Pipilotti Rist ist es, durch ihre Werke Gespräche zwischen Unbekannten im öffentlichen Raum anzuregen. Im Gegensatz zu Duchamp oder Abramović basieren ihre Werke weniger auf offensiver Provokation, sondern haben einen eher spielerischen Charakter. Mit ihrem Projekt ‚Achterbahn / Das Tram ist noch nicht voll.‘ sollten zum Beispiel die Fahrgäste der Zürcher Tram Nr. 8 dazu animiert werden, mit fremden Leuten Kontakt aufzunehmen. So wurde unter anderem an den Fenstern der Tram – von der Künstlerin in ‚Achterbahn‘ umgetauft – neue Handlungsanweisungen im Stil der Typografie des Verkehrsbundes Zürich angebracht. Die Anweisung ‚nicht aus dem Fenster lehnen‘ wurde beispielsweise in Auforderungen wie ‚Kichern Sie während der ganzen Fahrt vor sich hin‘ verwandelt (siehe Abb. 6). In einem weiteren aufsehenerregenden Projekt arbeitete die Künstlerin zusammen mit dem Architekten Carlos Martinez an einer sogenannten ‚stadtlounge’ in St. Gallen (siehe Abb. 8 und 9). Ziel dieses Projektes war, den öffentlichen Raum als Erweiterung von privatem Raum zu gestalten. Die ‚stadtlounge’ wurde zu einem Wohnraum im öffentlichem Leben, wo Bankerinnen und Banker in der Mittagspause Döner konsumieren, Jugendliche gemeinsam „abhängen“ und Mütter ihre Babies stillen konnten (Ritzhaupt, 2010). Pipilotti Rist erklärt im Gespräch mit Tim Zulauf dazu: „Das Schlüsselmotiv ist die Zurückdrängung des Autos. Wenn du in Venedig vom Innenraum in den Aussenraum trittst, fährt da kein Auto. Die Gässlein und die Zwischenräume sind belebt. Der Unterschied zwischen innen und aussen, zwischen privat und öffentlich wird dadurch viel kleiner.“ Sie fügt hinzu, dass „[d]ie Zeit, welche die Menschen früher zwischen den Häusern verbrachten, [sie heute vor dem Fernseher verbringen]. In ihren privaten Räumen wird ihre Aufmerksamkeit in öffentlichen Institutionen eingesaugt. Sie sehen diesen kollektiven Ort zwar alle, aber untereinander sehen sie sich nicht und tauschen sich auch nicht aus“ (Schenker & Hiltbrunner, 2007, S. 217 ff.). Mit ihrer Arbeit ‚Pour Your Body Out (7354 Cubic Meters)’ (Siehe Abb. 7) im Museum of Modern Art (MoMA) in New York versuchte Rist die ‚Ganzkör-

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pererfahrung‘ eines Museumsbesuchs spürbarer zu machen. Sie sagte in einem Interview mit dem MoMA, dass das Museum im Vergleich zur andere Medien – beispielsweise solchen, die ihre Konsumenten im Wohnzimmer besuchen – ein Medium ist, in das die Nutzerinnen und Nutzer ihren ganzen Körper mitnehmen müssen, um das Medium erfahren zu können. In ihrer Ausstellung im kolossalen ‚Marron Atrium‘ des MoMA, flackerten denn auch „über alle Wände rosarote, lilafarbene und giftgrüne Bildsinfonien von Blumenfeldern, überlebensgroßen Pilzwäldern und viel Obst und Gemüse. In kleinen Gruppen beieinanderstehend oder sich in Socken auf der von der Künstlerin entworfenen, kreisförmigen Sitzlandschaft räkelnd, genoss das Publikum eine visuelle Orgie verkitschter Natur, die ab und zu in Zivilisationsmüll degenerierte, um gleich wieder zum organischen Traumland zu werden“ (Schwerfel, 2008). Rist versuchte, mit dieser Arbeit die sakrale Stimmung der Museumshalle zu durchbrechen. Ihr persönliches Anliegen war es, das Denken und den Körper im Einklang zu bringen, so Rist im Interview mit dem MoMA. Die Besuchenden konnten den Raum benutzen, als wäre es ihr eigener. Bei den Projekten Rists bekommt das Publikum die Gelegenheit, die Kunst aktiv in ihr Leben einzubinden. Mit der Strategie, das private ‚Wohnzimmer‘ in den öffentlichen Raum auszuweiten, werden Berührungsängste gebrochen und Menschen zusammen gebracht. Es werden Austausch und Kommunikation initiiert.

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Abbildung 6: „Achterbahn / Das Tram ist noch nicht voll.“ Pipilotti Rist, 2005 Abbildung 7: „Pour Your Body Out (7354 Cubic Meters)“ im MoMA, Pipilotti Rist

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Abbildung 8 und 9: „Stadtlounge“, Citylounge in St. Gallen Pipilotti Rist

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VI FAZIT

Gespräche sind ein menschliches Grundbedürfnis. Sie finden in vielfältigen Situationen und zu vielfältigen Anlässen statt und konstituieren maßgeblich das soziale Miteinander (siehe Kapitel II). Gespräche sind immer im Prozess und sind somit ein Zeichen für Lebendigkeit und Entwicklung. Ihre Abläufe sind selten vorhersehbar. Im Gespräch verwandeln, sortieren und verfestigen sich die Gedanken, wodurch erworbene Erfahrungen nachhaltiger im Gehirn gespeichert werden. Das Museum als ein Ort des öffentlichen Lebens, an dem sich Menschen mit ähnlichen Interessen begegnen und an dem durch die Exponate, aber auch durch die Ausstellungsszenographie diverse Anregungen und Impulse gegeben werden, eignet sich hervorragend, um Gespräche zu führen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Dennoch findet in Ausstellungen kaum Kommunikation zwischen Besuchenden statt, die sich nicht kennen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von der Tradition und Architektur von Museen über soziologische Faktoren bis zu divergierenden Absichten von Museumsleiterinnen und -leitern und wurden in Kapitel 3 ausführlich beleuchtet und reflektiert. Dennoch ist zu beachten, dass in der Museumspädagogik und Kunstvermittlung durchaus kommunikationsfördernde Ansätze bestehen (siehe Kapitel IV). Die Ansätze, die zur Anwendung kommen, haben jedoch in der Regel einen didaktischen Anspruch und können somit nur punktuell dazu beitragen, das kommunikationshemmende Klima in Museen nachhaltig aufzulockern. Diverse gesprächsfördernde Ansätze finden sich in der Kunst selbst. Von den ersten sozial kritischen Werken des Realismus bis zur Streetart des 20. Jahrhunderts gibt es eine Reihe von Künstlerinnen und Künstlern, die das Publikum durch Provokation, Irritation oder konkreten Einbezug in ihr Werk aus der Reserve locken. Auf die schweizer Künstlerin Pipilotti Rist wurde vertieft eingegangen, da ihre Arbeiten zweckfreie Gespräche zwischen Unbekannten ermöglichen. Die Künstlerin fördert das Gespräch in der Stadt und verzaubert das pseudosakrale

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Museum in einen Ort für Entspannung und zwischenmenschliche Interaktion. Trotz dieser kommunikationsfördernden Ansätze bleibt die Kommunikation des Publikums jedoch in der Regel an das Exponat, die Performance oder die Installation gebunden. Das Klima in den Kunstausstellungen ist auch im 21. Jahrhunderts sakral, steif und kommunikationsfeindlich.

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- FRAGESTELLUNG UND PRAKTISCHE ANWENDUNGEN -

Die Studie ‚Raum für Gespräch‘ hat zum Ziel, Methoden zu entwickeln, durch die Gespräche zwischen Museumsbesuchenden gefördert werden. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Frage, welche Interventionen geeignet sind, um Besuchende von Kunst- und Kunsthandwerkmuseen spontan, frei von Vorurteilen und unabhängig von ihrem gesellschaftlichen Status ins Gespräch zu bringen. Das Ziel ist, Methoden zu entwickeln, die ohne menschliche Animation funktionieren. Die gestalterische Umsetzung der Produkte muss folglich das Potential haben, Besuchende zu irritieren und zu exponieren, um über diese elementaren Bestandteile eines Ereignisses Kommunikation zu ermöglichen. Im Rahmen der praktischen Anwendungen finden Vorstudien im öffentlichen Raum statt. Hierbei werden erste Informationen zur Gesprächsbereitschaft mit unbekannten Personen gesammelt. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen werden weitere Methoden entwickelt und gestaltet, die sich zur Anregung von Gesprächen in Museen eignen. In den folgenden Hauptstudien kommen zwei dieser Methoden zur Anwendung. Die Darstellung der einzelnen Studien gliedert sich jeweils in Hypothese, Methodisches Vorgehen, Ergebnisse und Diskussion.

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VII VORSTUDIEN IM ÖFFENTLICHEN RAUM

Im folgenden Kapitel werden eine Befragungs- und eine Beobachtungsstudie beschrieben, die zur Vorbereitung des Mastervorhabens ‚Raum für Gespräch‘ im öffentlichen Raum durchgeführt wurden. In den Studien wird der Frage nachgegangen, ob eine Nachfrage nach Kommunikationsanregungen im öffentlichen Raum besteht beispielsweise ob durch visuelle Irritationen Gespräche im öffentlichen Raum provoziert werden können.

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VII.I BEFRAGUNGSSTUDIE ZUR GESPRÄCHSBEREITSCHAFT IM ÖFFENTLICHEN RAUM

Im Rahmen der ersten Studie wurde eine Befragung durchgeführt. Ziel dieser Vorstudie war die Exploration der Bedeutung von Gesprächen sowie des Interesses an Gesprächsanregungen mit Unbekannten im öffentlichen Raum. Hypothese. Gespräche sind individuell bedeutsam, da im Gespräch Wissen generiert werden kann. Um das persönliche Wissen zu erweitern, besteht folglich auch ein Interesse an Gesprächen mit Unbekannten. Methodisches Vorgehen und Durchführung. Für die Befragung wurde ein informatorisches Interview vorbereitet, das aus drei Fragen mit freiem Antwortformat besteht. Zwei Fragen dienen dazu, die Interviewten erläutern zu lassen, wie ihrer Meinung nach persönliches Wissen entsteht und wozu Menschen in unserer Gesellschaft Gespräche nutzen oder nutzen wollen. Zur Exploration der Gesprächsbereitschaft im öffentlichen Raum wird weiterhin die Frage gestellt, ob die Interviewten von Gesprächsanregungen mit Unbekannten im öffentlichen Raum Gebrauch machen würden: 1 2 3

Wie entsteht persönliches Wissen? Wozu dienen Gespräche? Wenn es eine Gelegenheit gäbe, sich in der Stadt mit Unbekannten auszutauschen: Würden Sie diese nutzen?

Am 1. Juni 2010 wurden insgesamt 15 Passanten in Zürich angesprochen und zu einer Teilnahme an dem Interview eingeladen. Die Auswahl dieser Personen erfolgte nach dem Zufallsprinzip. Von den angesprochenen Personen erklärten sich acht (5 Männer, 3 Frauen) zur Teilnahme bereit. Mit diesen wurde das Interview standardisiert durchgeführt und die Antworten mit einem Mikrofon aufgezeichnet.

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Auswertung. Die Antworten wurden einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen und mithilfe der Technik ‚Zusammenfassen‘ nach Mayring (2010) ausgewertet. In Folge mehrerer Reduktionsschritte wurden die Antworten in induktiven Kategorien gebündelt, deren Inhalte in Tabelle 1, 2 und 3 dargestellt sind. (Die Transkripte der Interviews finden sich auf der CD-ROM im Anhang unter ‚Transkript 1‘) Diskussion. Bei der Analyse der Ergebnisse aus Tabelle 1 ist sehr bemerkenswert, dass mit 75% die große Mehrheit der Befragten spontan angegeben hat, dass Wissen im Austausch mit anderen Menschen entsteht. Erst auf Platz zwei werden Medien, wie Bücher, Zeitungen oder das Internet als Wissensvermittler genannt. 37,5% der Befragten nennen persönliche Erfahrungen als wichtig. Gemeint sind damit unbewusste Erfahrungen, die zum Beispiel als Kind bei der Entdeckung und Erforschung der Umwelt gemacht werden. Nur 25% der Befragten nennen die Erziehung oder die Schule als wichtige Kontexte für den Erwerb von Wissen. Diese Ergebnisse zeigen, dass der Kommunikation und zwischenmenschlichen Interaktion in der Vermittlung und dem Erwerb von Wissen eine sehr hohe Bedeutung beigemessen wird und bestätigen somit die erste Teilhypothese der Studie. Im Einklang mit dieser Hypothese stehen auch die Ergebnisse der 2. Tabelle, aus der hervorgeht, dass 87,5% der Befragten der Meinung sind, dass Gespräche dem Lernen dienen. Mit 62% gibt mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie an Orten des öffentlichen Lebens die Gelegenheit nutzen würden, mit Unbekannten ins Gespräch zu kommen. Es besteht folglich bei der Mehrheit der Teilnehmenden Nachfrage und Interesse am Austausch mit neuen Gesprächspartner oder Gesprächspartnerinnen, wodurch auch der zweite Teil der Ausgangshypothese bestätigt wird. Von den Personen, die ein entsprechendes Angebot nicht nutzen würden, wird unter anderem Zeitmangel oder ein fehlendes gemeinsames Thema genannt. Aus den Ergebnissen lässt sich die Folgehypothese ableiten, dass Menschen im Kontext von Weiterbildung und Freizeit eine erhöhte Bereitschaft aufweisen, Gesprächsanregungen mit Unbekannten zu nutzen. Diese Hypothese basiert auf der Annahme, dass im Weiterbildungskontext ein gesteigertes Interesse daran besteht, neues Wissen zu erwerben und somit die Offenheit gegenüber Gesprächen mit

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Tabelle 1. Wie entsteht Wissen? Befragte Personen

Durch den Durch die Medien Austausch mit anderen Menschen

1

1

1

2

1

1

3 4

Durch persönliche Erfahrungen

Durch die Erziehung (Eltern)

1 1 1 1

7

1

1

1

5 6

In der Schule

1

1

1 1

8

1

TOTAL

6

4

3

2

2

75%

50%

37,5%

25%

25%

Reflektieren / andere Sichten verstehen

Spaß / Entspannung

Unterstützung holen

PROZENTE

1

Tabelle 2. Wozu dienen Ihrer Meinung nach Gespräche? Befragte Personen

Lernen

Kontakte pflegen

2

1

1

3

1

1

4

1

1

5

1

1

6

1

1

7

1

8

1

1

TOTAL PROZENTE

7

5

2

2

1

62,5%

25%

25%

12,5%

Würden Sie diese nutzen? JA

1

NEIN 1

2

1

3

1

4

1

5

1

6

1

7

1

8

PROZENTE

1

87,5%

sich in der Stadt mit Unbekannten auszutauschen.

TOTAL

1

1

Tabelle 3. Wenn es eine Gelegenheit gäbe,

Befragte Personen

1 1

1 5

3

62,5%

37,5%

62


Unbekannten zunimmt. Weiterhin wird angenommen, dass in der Freizeit der gesprächshemmende Aspekt des Zeitmangels wegfällt und somit eine erhöhte Kommunikationsbereitschaft besteht. Aus diesen Schlussfolgerungen lässt sich ableiten, dass sich Museen als Orte der Bildung und der Muße dazu eigenen, Gespräche zwischen Unbekannten anzuregen. Bevor der Fokus auf Gespräche in Museen gerichtet wird, soll vorbereitend in einer Beobachtungsstudie untersucht werden, wie Menschen reagieren, wenn sie tatsächlich mit Gesprächsanregungen im öffentlichen Raum konfrontiert werden.

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VII.II BEOBACHTUNGSSTUDIE ZU GESPRÄCHSANREGUNGEN IM ÖFFENTLICHEN RAUM

Nachdem in der ersten Vorstudie die Mehrheit der Befragten angegeben hatte, Gesprächsanregungen im öffentlichen Raum zu nutzen, wurde in der zweiten Vorstudie beobachtet, wie Menschen auf solche Gesprächsanregungen reagieren. Hypothese. Unbekannte kommen im öffentlichen Raum durch Irritation ins Gespräch. Unerwartete visuelle Elemente können dabei eine tragende Rolle spielen. Methodisches Vorgehen und Durchführung. Zur Überprüfung der Hypothese wird eine verdeckte quantitative Beobachtung realisiert. Dazu werden an Plätzen des öffentlichen Lebens farbige Kreise auf dem Boden markiert, in denen unterschiedliche Fragen oder Aufforderungen deutlich sichtbar zu lesen sind. Um Irritation hervorzurufen, werden die Fragen oder Aussagen so ausgewählt, dass sie einen ungewöhnlichen Charakter haben. Die somit hervorgerufene Irritation soll dafür sorgen, dass die Teilnehmenden ihre Aufmerksamkeit auf die visuellen Elemente richten und verweilen. Es wird angenommen, dass durch ihre somit exponierte Situation Gespräche zwischen Unbekannten auslöst werden. In einem ersten Durchgang wurde am 4. Dezember 2010 auf dem Boden der Zürichseepromenade mit neongelben Bauklebeband ein Rechteck von ca. 3 m Durchmesser markiert. In dem Rechteck wurde ein gelber Karton von 42 auf 30 cm geklebt, auf dem mit schwarzem Edding folgender Texte geschrieben war: ‚Wie oft reden Sie mit neuen Leuten?‘ (siehe Abb. 10). Im zweiten Durchgang wurde am 5. Dezember 2010 auf dem Boden des Bellevue Platzes an der S-Bahn Haltestation der Linien 4 und 15 mit neongelben Bauklebeband ein Kreis von ebenfalls 3 m Durchmesser markiert. Auf den darin geklebten gelben Karton wurde mit schwarzen Edding ‚Raum für Gespräch‘ geschrieben (siehe Abb. 11). Mithilfe von Beobachtungsbögen wurde im Rahmen der verdeckten Beobachtung jeweils über einen Zeitraum von 45 Minuten erfasst, wie Passanten auf die visuellen Irritationen reagieren und ob auf diese Weise Gespräche angeregt

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werden. Als Zeitungsleser getarnt hatte der Beobachter beim ersten Durchgang auf einer Sitzbank an der Zürichseepromenade Platz genommen. Beim zweiten Durchgang beobachtete er von einem Fenstersitzplatz im Café Bellevue aus die Reaktionen der Passanten. Die Beobachtungsbögen enthielten folgende Kategorien: (1) Reaktion auf Kreis (2) Geschlecht (3) Alterskategorie (4) Begleitung (5) Kleidungsstil (6) Gesprächspartner (7) Gesprächsdauer (8) Qualitative individuelle Beobachtungen. Bei der Zürichseepromenade wurde zusätzlich die Anzahl der Teilnehmenden erfasst, denen der Kreis nicht auffällt sowie die der Teilnehmenden, die sich den Kreis nur im Vorbeigehen angesehen haben. Die Beobachtungen am Bellevue Platz wurden auch auf Video aufgezeichnet. Ergebnisse. Die ausführliche Darstellung der Ergebnisse zu den Beobachtungen an der Zürichseepromenade findet sich in Tabelle 4 (auf der CD-ROM im Anhang) und in Tabelle 5. In Tabelle 6 sind die Ergebnisse der Beobachtungen am Bellevue Platz dargestellt. Die Ergebnisse in Tabelle 4 zeigen, dass an der Zürichseepromenade von insgesamt 42 Einzelpersonen 21 das Quadrat im Vorbeigehen angesehen haben. Von den 104 Paaren betrachteten 53, von den 32 Gruppen 16 die visuelle Irritation. Dies entspricht jeweils einem Anteil von ca. 50%. Bei einer Einzelperson, 13 Paaren und fünf Gruppen wurden aufgrund des Quadrats weitere Reaktionen gezeigt (siehe Tabelle 5, Spalte 1 und 2). Dabei lag der Anteil der Männer mit 53% leicht über dem der Frauen. 58% der reagierenden Personen wurden der Alterskategorie 20 – 35 zugeteilt, 26% wurden als jünger, 21% als älter eingeschätzt. Der Kleidungsstil von 74% der Personen fällt in die Kategorie Freizeitlook. 16% waren trendy und 11% luxuriös gekleidet. Die durchschnittliche Dauer der gezeigten anderen Reaktionen betrug 15,3 Sekunden. Insgesamt wurden durch das Quadrat 15 Gespräche initiiert, die alle mit den Begleitpersonen aufgenommen wurden. Ein Gespräch zwischen Unbekannten kam nicht zustande. Die initiierten Gespräche dauerten durchschnittlich 10,1 Sekunden. Die Mehrheit der Gesprächsinitiatoren war im Freizeitlook unterwegs (58%).

65


Abbildung 10. Z端richseepromenade

66


Abbildung 11. Bellevue Platz

67


1

19

RESULTAT

SC M F GR FR BU

PROZENTE

10

10

20

10

15.3

Schmunzeln Männlich Weiblich Gruppe von mehr als 2 Personen Freizeit Business

1

18

1

1

16

17

10

10

1

1

14

15

15

20

1

1

12

42

8

1

1

1

1

1

53

10

1

1

1

1

1

20

30

1

1

5

1

20

1

1

1

10

1

1

20

Lesen, Uhr kucken

1

1

1

M

1

1

10

10

20

20

Luftgitarre

Winken

1

1

1

20

Dauer

F

Performance

Andere

SC

1

Geschl.

Reaktion

13

11

10

9

8

7

6

5

4

3

2

1

Nr.

AL TR LU BE UN

21

4

1

1

1

1

05 -15

58

11

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

20 -35

21

4

1

1

1

1

35 -55

0

0

55 -70

Alternative Trendy Luxuriös Gespräch mit Begleitung Gespräch mit Unbekannten

0

0

15 -20

Alterskategorie

Tabelle 5: Zürichseepromenade „Wie oft sprechen sie mit neuen Leute?“

68 26

5

1

1

1

1

1

M

42

8

1

1

1

1

1

1

1

1

F

1 pers.

26

5

1

1

1

1

1

GR.

Begleitung

74

14

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

FR

0

0

BU

0

0

AL

16

3

1

1

1

TR

Kleidungsstil

11

2

1

1

LU

79

15

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

JA

16

3

1

1

1

NEIN

79

15

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

BE

Gespräch

5

1

1

UN

10.1

6

10

5

5

5

5

10

15

10

30

5

15

10

10

10

10

Dauer

Dauer

Kind fragt Mutter über Kreis

Frau macht Foto und sagt was zur Freundin.

Frau macht Foto und sagt was zur Freundin.

2 Kinder staunen und sagen etwas

Frau macht Foto und sagt was zum Freund.

Fragt eine Frau auf der Bank etwas

Mann macht Foto und sagt was zum Kollege

Mutter versucht Kind Kreis zu erklären

Kind ruft was zur Familie

Redet motiviert, begeistert, überrascht

Redet mit älterer Bruder über den Kreis

Mann macht Witze. Frau amusiert sich.

Beobachtungen


1

1

1

1

6

7

8

9

SC M F GR FR BU

PROZENTE

RESULTAT

Haben spass

Hat spass und sucht Beobachter

Kreis schauen

186

120

420

360

60

120

30

120

Schmunzeln Männlich Weiblich Gruppe von mehr als 2 Personen Freizeit Business

1

5

1

4

1

260

1

44

4

1

1

1

1

56

5

1

1

1

1

1

M

F

180

1

Dauer

SC

Andere

Geschl.

Reaktion

3

2

1

Nr.

Tabelle 6: Bellevue „Raum für Gespräch“

69

AL TR LU BE UN

11

1

1

05 -15

56

5

1

1

1

1

1

20 -35

0

0

35 -55

11

1

1

55 -70

Alternative Trendy Luxuriös Gespräch mit Begleitung Gespräch mit Unbekannten

22

2

1

1

15 -20

Alterskategorie

11

1

1

M

67

6

1

1

1

1

1

1

F

1 pers.

11

1

1

GR.

Begleitung

67

6

1

1

1

1

1

1

FR

11

1

1

BU

0

0

AL

11

1

1

TR

Kleidungsstil

0

0

LU

89

8

1

1

1

1

1

1

1

1

JA

11

1

1

NEIN

67

6

1

1

1

1

1

1

BE

Gespräch

22

2

1

1

UN

158.75

30

400

120

60

120

120

240

180

Dauer

Dauer

Junge animiert Gruppe und hält einen kurzen Smalltalk für Gruppe von 4 Leuten. Dann schnell wieder weiter.

Reden miteinander und warten auf Andere

Reden miteinander und warten auf Andere

Kommt zu mir und redet mit mir über sich

Kind ist neugierig und fragt Mutter was das soll, Mutter will weiter.

Macht Freundin aufmersam und redet ausserhalb über den Kreis.

Mann lädt Frau ein zum Gespräch. Später kommen zwei Jungs und reden mit. Er kommt später zu mir.

Küssen sich, reden und haben spass

Beobachtungen


Bei der Beobachtung am Bellevue Platz zeigten neun Personen eine Reaktion auf die visuelle Irritation. Die Reaktionen dauerten im Durchschnitt 186 Sekunden. Auch hier lag der Anteil der Männer mit 56 % leicht über dem der Frauen. 56 % der reagierenden Personen wurden der Alterskategorie 20 – 35 zugeordnet. 33 % lagen darunter und 11 % darüber. 76 % dieser Personen waren im Freizeitlook, 11 % trendy und 11 % im Businesslook gekleidet. 89 % der Personen die eine Reaktion zeigten, initiierten auch ein Gespräch. Davon 22 % ein Gespräch mit Unbekannten. Die durchschnittliche Gesprächsdauer betrug 159 Sekunden. Diskussion. Bei der Analyse des quantitativen Resultats der 1. Beobachtungsstudie am Zürichsee fällt auf, dass jeweils die Hälfte der Einzelpersonen, die Hälfte der Paare und die Hälfte der Gruppen eine Reaktion auf das Quadrat zeigten. Dieses Resultat macht deutlich, dass die Aufmerksamkeitsfokussierung unabhängig davon ist, ob man mit oder ohne Begleitung unterwegs ist. Ein interessantes Ergebnis ist weiterhin, dass durch das Quadrat außer Stehenbleiben und Gesprächen diverse weitere Reaktionen hervorgerufen wurden. In vier Fällen wurde das Quadrat fotografiert. Einmal hat ein Person auf dem Kreis getanzt, ein andermal haben zwei Kinder in dem Quadrat Luftgitarre gespielt. Diese Beobachtungen zeigen, dass es durch die applizierten Elemente gelungen ist, Menschen auf unterschiedliche Weise in Aktion zu bringen. Ein einfaches Quadrat mit Text wurde von den Passanten als ein Ereignis wahrgenommen, da sie es an der Zürichseepromenade nicht erwartet haben und somit Irritation auslöst wurde. Durch die erste Beobachtungsstudie konnte folglich die Hypothese bestätigt werden, dass Menschen durch visuelle Irritationen im öffentlichen Raum ins Gespräch kommen. Es bleibt allerdings zu bemerken, dass an der Zürichseepromenade keine Gespräche zwischen Unbekannten zustande gekommen sind. Als Grund dafür wird angenommen, dass die Frage ‚Wie oft reden Sie mit neuen Leuten‘ in keiner Situation so verstanden wurde, dass darauf eine ernsthafte Antwort erwartet würde. Der Kreis wurde weniger als Aufforderung, sondern vielmehr als eine Art Kunst wahrgenommen und die initiierten Gespräche eher über die Installation als über den Inhalt des Textes geführt. Die Installation eignet sich folglich nicht dazu, Gespräche zwischen Unbekannten anzuregen.

70


In der 2. Beobachtungsstudie am Bellevueplatz konnte die Ausgangshypothese ebenfalls bestätigt werden. In diesem Setting blieben im gleichen Zeitraum zwar weniger Leute beim oder im Kreis stehen, die Dauer der Aufenthalt auf dem Kreis war jedoch ungefähr zwölf mal, die Dauer der Gespräche sogar fünfzehn mal länger als auf der Zürichseepromenade. Besonders interessant ist, dass in diesem Setting in vier Fällen die Initiative zu Gesprächen mit Unbekannten ergriffen wurde. In zwei Fällen betraten Personen den Kreis, um sich zu unterhalten. Es handelte sich dabei einmal um zwei Mädchen (siehe Abb. 12), ein andermal um zwei Damen (siehe Abb. 14). Durch ihre extrovertierte Körpersprache und ihre Blicke in alle Richtungen signalisierten diese, dass sie darauf warten, dass sich andere Personen ins Gespräch einklinken. Im Gegensatz zum ersten Experiment wurde an diesen Beispielen sehr schön deutlich, dass der Text ‚Raum für Gespräch‘ als Aufforderung verstanden wird. Leider wurden beide Beobachtungen durch das Eintreffen der S-Bahnen der Mädchen beispielsweise der jungen Damen unterbrochen. In den zwei weiteren Fällen kamen tatsächlich Gespräche zwischen Unbekannten zustande. Im ersten Fall ging ein Mann der Alterskategorie 55-70 auf den Kreis zu und machte sich Gedanken über die Installation. Er brachte sich in eine exponierte Situation, indem er auf dem Kreis eine Runde drehte und versuchte zu erforschen, ob sich dessen Urheber in unmittelbarer Nähe befände. Als er schließlich den Beobachtenden im Café entdeckte, hat er er demonstrativ mit dem Regenschirm auf den Text gezeigt (siehe Abb. 13), ist auf den Beobachter zugegangen und hat mit ihm ein Gespräch begonnen, in dem er den Hintergrund der Installation erfragte und schließlich von seinen früheren Geliebten berichtete. Im zweiten Fall nutzte ein Mann der Alterskategorie 20-35 den Kreis, um eine andere Frau der gleichen Altersgruppe anzusprechen. Diese nahm das Gesprächsangebot an und unterhielt sich mit dem Mann auf dem Kreis. Während des Gesprächs sind zwei kleinere Jungen dazugestoßen und haben sich in die Konversation eingeklinkt (siehe Abb. 15). Als die Gruppe schließlich den Beobachter entdeckte, hat der junge Mann das Gespräch mit ihm aufgenommen und enthusiastisch von seinen Erlebnissen berichtet.

71


Abbildung 12: Zwei M채dchen im Gespr채ch Abbildung 13: Ein Mann macht sich Gedanken 체ber die Installation

72


Abbildung 14: Zwei junge Damen im Gespr채ch Abbildung 15: Ein Gruppengespr채ch zwischen Unbekannten

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In diesen Situationen ist der Ereignischarakter der Installation sehr deutlich geworden. Bei den Passanten wurden durch die unerwartete Installation und deren Kennzeichnung als ‚Raum für Gespräch‘ Reflexionsprozesse angestoßen und verschiedene Reaktionen hervorgerufen. Es ist gelungen, Gespräche zwischen Unbekannten anzuregen. Aus den Ergebnissen der Beobachtungsstudie lässt sich der Schluss ziehen, dass bereits einfachste Mittel ausreichen, um Menschen in Interaktion zu bringen, solange deren Installation die Kriterien eines Ereignisses - Unvorhersehbarkeit, Überraschung und Exponiertheit - erfüllen.

74


VII.III Zusammenfassung

Die Ergebnisse der beschriebenen Vorstudien zeigen, dass eine Nachfrage an Gesprächsanregungen zwischen Unbekannten im öffentlichen Raum besteht und dass Menschen entsprechende Gesprächsanregungen nutzen, wenn sie damit konfrontiert werden. Es lässt sich weiterhin der Schluss ziehen, dass sich der Kontext Museum besonders gut dazu eignet, durch Irritation Kommunikation anzuregen. In Museen halten sich Menschen in ihrer Freizeit auf und sind somit keinem Zeitdruck ausgesetzt. Ein wichtiges Gesprächshindernis ist somit ausgeschaltet (siehe S. 63). Weiterhin korrespondiert dieses Setting mit der Beobachtung, dass insbesondere Passanten im Freizeitlook die Gesprächsanregungen im öffentlichen Raum nutzen (siehe S. 65). Darüber hinaus ist im Museum eine Zielgruppe anzutreffen, die in der Mehrheit an Weiterbildung und Wissenserwerb interessiert ist. Er kann somit davon ausgegangen werden, dass ein erhöhtes Interesse an Kommunikation und Austausch besteht.

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VIII TRANSFER IN DIE GESTALTUNG

In der Vorstudie ‚Raum für Gespräch’ hat sich gezeigt, dass es mit einfachsten gestalterischen Mitteln möglich ist, im öffentlichen Raum Kommunikation zwischen Unbekannten anzuregen. Auch dem gestalterischen Konzept für den Transfer der Methoden in Museen liegt die Idee zugrunde, ausschließlich mit Methoden zu arbeiten, die keine ‚Design-Hürde’ darstellen. Das heißt Materialien zu verwenden, die jederzeit mit wenigen Mitteln käuflich erworben und appliziert werden können (z.B. Aufkleber, Klebeband) oder die bereits im Museum vorhanden sind (z.B. Audioguides). Die Methoden enthalten Elemente aus der universalen Lebensrealität aller Besuchenden und sind somit unmittelbar und intuitiv verständlich. Ein Beispiel dafür ist die hier als ,Kommunikationsampel’ bezeichnete Methode, bei der die Besuchenden ihre Gesprächsbereitschaft mit verschiedenfarbigen Aufklebern signalisieren. Dabei steht Grün für ‚GO - ich will sprechen‘, Gelb für ‚Ich kenne mich mit dem Ausstellungsthema aus und ich bin bereit, mein Wissen zu teilen‘ und Rot für ‚STOP – ich will nicht sprechen‘. Die Kommunikationsampel wird in dieser Arbeit in einer Vorstudie im Museumskontext erprobt (Kapitel IX.II) und bei zwei Hauptstudien zur Gesprächsbereitschaft in Museen eingesetzt (Kunsthaus Zürich, Kapitel X.I.I und Museum für Gestaltung Zürich, Kapitel X.I.II). Ein weiteres Beispiel ist die in der Vorstudie eingesetzte Methode ‚Raum für Gespräch’, die in einer weiteren Hauptstudie im Museum für Gestaltung Zürich (Kapitel X.III) realisiert wird. Wegen seiner Leuchtkraft wurde für alle Methoden, in denen mit visuellen Elementen gearbeitet wird (mit Ausnahme der Kommunikationsampel und der auf Seite 93 beschriebenen Methode ‚Couch in Terms‘) ein kräftiges Gelb als Identitätsfarbe gewählt. Dies auch, weil die Farbe in der sakralen Umgebung des Museums besonders irritiert. Als Schriftzug wurde ‚Avenir LT Std 95 Black Oblique‘ gewählt. - Fett wegen der Lesbarkeit und kursiv, weil es sich bei den Schriftzügen um Aussagen und Aufforderungen handelt. Die im Folgenden dar-

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gestellten Methoden sollen in diesem Stil weitergeführt und genutzt werden. Die gestalterische Identität wurde geschaffen, damit die Musemsbesuchenden die Methode ‚Raum für Gespräch‘ wiedererkennen und sich mit ihrer gestalterischen Umsetzung vertraut fühlen. Nachfolgend werden die oben bereits genannten Methoden Kommunikationsampel und ,Raum für Gespräch‘ mit ihren zugrunde liegenden Konzepten ausführlich dargestellt sowie weitere gesprächsanregende Methoden aufgezeigt. In den Kapiteln IX (Vorstudien im Museumskontext) und X (Hauptstudien im Museumskontext) werden dann die konkreten Versuchsanordnungen der Studien zur Kommunikationsampel und der Studie zum ‚Raum für Gespräch’ beschrieben und die damit erzielten Ergebnisse präsentiert.

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VIII.I DIE KOMMUNIKATIONSAMPEL

Während des Museumsbesuchs ist es möglich, auf andere Besuchende aufmerksam zu werden, mit denen man gerne ins Gespräch kommen würde. Gründe dafür können zum Beispiel sein, dass eine Person sich ausgiebig mit einem Exponat beschäftigt, so dass es verlockend ist, zu fragen, was sie über das Gesehene zu sagen hat. – Oder aber, dass eine andere Person so kurz vor einem Bild verweilt, dass es spannend wäre, zu wissen, warum dieses sie nicht interessiert. Auch die Feststellung, dass eine andere Besucherin oder ein anderer Besucher über Expertenwissen zur Ausstellung verfügt, kann den Wunsch nach Austausch zur Folge haben. Bei dieser Gelegenheit können Fragen gestellt werden, auf die bei einem normalen Ausstellungsbesuch nur schwer Antworten zu erhalten sind. - Und nicht jede Museumsführerin oder jeder Museumsführer kann nach dem Ausstellungsbesuch noch zum Kaffee einladen werden, um sich weiter über spannende Themen auszutauschen. Die Methode ‚Kommunikationsampel‘ vereinfacht Gesprächsinitiativen zwischen gesprächsoffenen Museumsbesuchenden und ermöglicht spontanen Austausch im Publikum, ohne dass Gäste gestört werden, die ‚in Stille‘ die Ausstellung besuchen möchten.

Rote Badges: Signalisieren kein Interesse an Austausch. Erleichtern die Erkennung von Personen, die nicht angesprochen werden möchten.

Gelbe Badges: Signalisieren besonderes Wissen. Erleichtern die Erkennung von ,Expertinnen und Experten‘, die bereit sind, ihre Kenntnisse zu teilen.

Grüne Badges: Signalisieren Offenheit für Kommunikation. Erleichtern, jemanden anzusprechen und angesprochen zu werden.

Material. Die Kommunikationsampel wird mithilfe einfacher rot-, grün- und gelbfarbiger Papieraufkleber realisiert (siehe Abb. 12 und 13). Die Aufkleber mit

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einem Durchmesser von ca. 30 mm können in jedem Schreibwarenhandel erworben werden. Beim Kauf sollte darauf geachtet werden, dass die Badges keine Spuren auf der Kleidung hinterlassen. Die Menge der benötigten Badges orientiert sich an der durchschnittlichen täglichen Besucherzahl des Museums. Anwendung. Die Methode wird den Besuchenden beim Kauf der Eintrittskarte an der Museumskasse vorgestellt. Es werden bei dieser Gelegenheit die Bedeutung der roten, grünen und gelben Badges erläutert und erfragt, ob Interesse daran besteht, ein Badge zu tragen. Ist dies der Fall, wird das entsprechende Badge an die betreffende Person ausgehändigt und sie wird darum gebeten, dieses gut sichtbar an ihrer Kleidung zu befestigen. Alternativ können statt der Aufkleber auch Ketten mit Anhängern verteilt werden, deren Oberflächenfarbe auf einer Seite grün, auf der anderen rot beschichtet ist. Die Besuchenden haben so die Möglichkeit, während ihrem Ausstellungsbesuch die Farbe zu wechseln und somit ihre aktuelle Kommunikationsbereitschaft zu signalisieren. Bei dieser Variation fällt die Expertenkennzeichnung weg. Einsatzmöglichkeiten. Die Kommunikationsampel wurde bereits in drei Kunstund Kunstgewerbemuseen erfolgreich getestet. Die quantitativen Auswertungen dieser Studien sind in Kapitel X.I.III ausführlich dargestellt. Neben Kunst- und Kunstgewerbemuseen eignet sich die Kommunikationsampel auch für den Einsatz in allen anderen Museumsgattungen.

79


Abbildung 12 und 13. Kommunikationsampel

80


81


VIII.II RAUM FÜR GESPRÄCH

In Museen kann es Räume geben, die aufgrund ihrer anregenden und zugleich entspannten Atmosphäre einen sehr guten Rahmen für Gespräche zwischen Besuchenden bieten. Dennoch ist die Hemmung, einen unbekannten Gast spontan anzusprechen, meist stärker als der Wunsch nach Kommunikation. Die Installation ‚Raum für Gespräch‘ schafft einen Ort, der diesen Austausch erleichtert. Durch das Betreten des ‚Raum für Gespräch‘ haben die Besuchenden die Möglichkeit, ihre Gesprächsbereitschaft zu kommunizieren. Andere Museumsgäste mit Interesse an Austausch können sich dazu gesellen. Der Raum für Gespräch kann auf unterschiedliche Weisen realisiert werden: Anwendung. In der klassischen Anordnung wird der ‚Raum für Gespräch‘ auf dem Boden des Ausstellungsraumes markiert und in den Kreis gut sichtbar ‚Raum für Gespräch‘ geschrieben. Kreis und Text können mit einer farbigen Klebefolie angebracht und der Look an das jeweilige Ausstellungsdesign beliebig angepasst werden. Es ist zu vermeiden, dass die Installation mit einer Musealie verwechselt wird. Deshalb ist es wichtig, dass der ‚Raum für Gespräch‘ ein den übrigen Exponaten unähnliches Design aufweist. Weiterhin ist es notwendig, die Methode den Besuchenden zum Beispiel mit Hilfe von Informationstafeln (zum Beispiel am Eingang des Museums) zu erläutern. Abhängig vom Ausstellungskonzept können neben dem Kreis auch andere organische Formen für den ‚Raum für Gespräch‘ genutzt werden. Abhängig von der Zielvorstellung können verschiedene visuelle Variationen eingesetzt und erprobt werden. Je nach Ausstellungskonzept können beisspielsweise auch ‚Gesprächsinseln‘ gestaltet werden. Das heißt, es werden an mehreren Orten im Museum Plätze markiert, die zum Austausch einladen. Bei der Anwendung dieser Methode ist es sehr wichtig, die Orte, an denen der ‚Raum für Gespräch‘ installiert wird, sorgsam auszuwählen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Einsatzorte ‚gesprächsfreundlich‘ sind. Das heißt, dass sich die Besuchenden an diesen Plätzen wohl fühlen können. Sehr exponierte Orte, beispielsweise in der Mitte eines Raumes, in Gängen oder an Plätzen mit grellen Lichtverhältnissen eigenen sich nicht zur Installation eines ‚Raums für Gespräch‘.

82


‚Raum für Gespräch‘ Abbildung 14. Raum für Gespräch. (Gesprächsinseln)


VIII.III LOST IN DICTATION

Ziel dieser Methode ist, durch auditive Irritationen Gespräche zwischen Museumsbesuchenden zu provozieren. Besuchende, die einen Audio-Guide nutzen, werden durch diesen während ihres Museumsbesuchs mit einer Vielzahl von Information ‚gefüttert’. Diese nehmen sie in Form einer ‚Einweg-Kommunikation’ auf. Das heißt, sie hören zu, ohne die neuen Informationen aktiv, beispielsweise im Austausch mit einer anderen Person zu verarbeiten, sie sind sozusagen „lost in dictation“. Auf sich selbst zurückgeworfen und abgeschottet von der Außenwelt kann es passieren, dass Besuchende ermüden und die Konzentration verlieren (siehe Kap III.III). Gespräche mit anderen Besuchenden bieten die Möglichkeit, sich mit dem neu erworbenen Wissen vertieft und interaktiv auseinanderzusetzen. Auf diese Weise Auf diese Weise werden die Informationen mit Eindrücken, Erlebnissen und Erkenntnissen verknüpft, in vorhandene Wissensnetzwerke kognitiv integriert und folglich nachhaltiger gespeichert. Darüber hinaus können Gespräche auch die Möglichkeit einer ‚intellektuellen Pause’ bieten, in deren Folge die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit wieder ansteigt und der Museumsbesuch mit erneuter Aufmerksamkeit fortgesetzt werden kann. Um Gespräche anzuregen, werden in dieser Methode irritierende Sätze und konkrete Aufforderungen auf die Audio-Guides eingespielt, durch die Nutzerinnen und Nutzer des Guides zum Gespräch mit anderen Besuchenden angeregt werden. Umsetzung. Die Methode ‚Lost in dictation’ sollte bereits in die Ausstellungsplanung integriert sein. Neben den Informationstexten zu verschiedenen Exponaten werden zu ein oder zwei ausgewählten Stücken überraschende oder irritierende Texte aufgenommen. Da die Aufmerksamkeit der Besuchenden häufig in der Mitte der Ausstellung beginnt, nachzulassen, sollten sich die entsprechenden Exponate etwa in dieser befinden. Beispiele für Texte können sein: (1) ‚Lassen Sie dieses Werk auf sich wirken. Fragen Sie dann Ihre Nachbarin oder Ihren Nachbarn, was sie oder er bei der Betrachtung dieses Werk empfindet.‘ (2) ‚Wissen die Leute neben Ihnen vielleicht, was das soll?‘ oder auch (3) ‚Zu diesem Werk geben wir keine Informationen. Vielleicht hat aber die Person neben Ihnen eine Idee, wie sich das Werk interpretieren lässt.‘

84


‚Wissen die Leute neben Ihnen vielleicht, was das soll?‘

Abbildung 15. Lost in dictation

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VIII.IV CAFÉ D‘ÉCHANGE

Nach der Besichtigung der Ausstellung bieten die neu erworbenen Informationen und Erfahrungen vielfältigen Gesprächsstoff. Zum Abschluss eines Museumsbesuchs gehört deshalb für viele Besuchende eine Tasse Kaffee in der Museumscafeteria. Es ist anzunehmen, dass auch Personen, die das Museum allein besichtigten, dieses Bedürfnis nach Austausch und Rückkopplung haben. Durch die Reservierung eines Tisches in der Cafeteria als ‚Café d‘échange‘ wird ein Ort geschaffen, an dem sich Menschen treffen können, um Kontakte zu knüpfen und spannende Gespräche mit Leute zu führen, die das Gleiche gesehen und erlebt haben. Vielleicht ein Grund, um künftig gelegentlich zusammen eine Ausstellung zu besuchen? Umsetzung. Abhängig von der Größe der Cafeteria kann ein Tisch oder können mehrere Tische als ‚Café d‘échange‘ definiert werden. Hierzu wird ein schönes Schild, zum Beispiel mit dem Text ‚Gesprächstisch reserviert für Unbekannte‘ auf dem Tisch oder den Tischen positioniert. Einsatzmöglichkeiten. Diese Methode kann in allen Museen, die eine Cafeteria besitzen, eingesetzt werden.

86


‚Gesprächstisch reserviert für Unbekannte.‘

Abbildung 16. Café d‘échange

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VIII.V ANSPRECHER

In der Regel finden sich neben den Ausstellungsexponaten kleine Beschilderungen mit erläuternden Texten zum Werk. Dazu gehören mindestens der Titel des Werkes, sein Erstellungsjahr und der Name der Gestalterin oder des Gestalters. In vielen Fällen wird das Werk zusätzlich noch beschrieben oder seine Bedeutung erklärt. Da Besuchende häufig die Beschreibung lesen, bevor sie sich vertieft mit dem Werk auseinander setzen, besteht die Gefahr, dass sie sich in ihrer Wahrnehmung und Interpretation durch die technischen Beschreibungen ablenken oder einschränken lassen (siehe auch Blühm, 2008, S. 42). Durch überraschende Texte auf dem Label kann die Aufmerksamkeit der Besuchenden wieder auf das Werk gelenkt und zu dessen Interpretation das Gespräch mit anderen Besuchenden angeregt werden. Umsetzung. Bei der Ausstellungsgestaltung werden verschiedene Werke ausgewählt, auf deren Beschilderung in Ergänzung zu den technischen Daten irritierende Texte appliziert werden. Beispiele für Texte sind: ‚Spricht das Werk nur für sich oder sprechen Sie mit? Zum Beispiel mit der Person neben Ihnen. - Vielleicht können dabei noch neue Interpretationen entstehen.‘ ‚Die Interpretation dieses Werkes lässt sich im Gespräch mit Ihrer Nachbarin oder Ihrem Nachbarn vollenden. Das können Sie sich nicht vorstellen? Probieren Sie es aus.‘ ‚Hat die Frau oder der Mann neben Ihnen vielleicht eine ganz andere Interpretation zu diesem Werk? Fragen Sie doch einfach nach.‘

88


‚Spricht das Werk nur für sich oder sprechen Sie mit? Zum Beispiel mit der Person neben Ihnen. - Vielleicht können dabei noch neue Interpretationen entstehen.‘

Abbildung 17. Ansprecher

89


VIII.VI DISKUSSIONSEXPONAT

Überraschende Gespräche über Ausbildungsexponate können einen Mehrwert für den Museumsbesuch bieten. Für Gäste, die das Museum alleine besuchen, stellt es jedoch häufig eine Schwierigkeit dar, mit anderen Museumsbesuchenden ins Gespräch zu kommen. Sind bestimmte ‚Diskussionsexponate‘ offiziell ‚zum Gespräch frei gegeben‘, ist es für Museumsbesuchende leichter, sich mit anderen Gästen auszutauschen. Umsetzung. Täglich wird ein neues Werk zum ‚Diskussionsexponat‘ deklariert. Das entsprechende Exponat wird durch einen ansprechenden Text (zum Beispiel auf einem Ständer vor dem Exponat) markiert. Die Besuchenden werden beim Kauf der Eintrittskarte über das ‚Diskussionsexponat‘ informiert. Dies geschieht, indem ihnen eine Postkarte ausgehändigt wird, auf dem das betreffende Exponat abgebildet ist. Sie werden dazu eingeladen, sich mit anderen Besuchenden zu dem Ausstellungsexponat auszutauschen. Eine Sitzgelegenheit vor dem Exponat bietet den am Austausch interessierten Besuchenden einen angenehmen Platz zum Verweilen und zum Gespräch.

90


‚Verstehen Sie, was gemeint ist?‘

Abbildung 18. Diskussionsexponat (Beispiel)

91


VIII.VII COUCH IN TERMS

Zeit, sich auszuruhen? Schwere Beine? Rückenschmerzen? Lust, sich kurz hinzusetzen, um die in der Ausstellung erworbenen Informationen oder Kunstwerke auf sich wirken zu lassen? In den meisten Ausstellungen gibt es Sitzgelegenheiten, an denen sich ein entspanntes Gespräch mit anderen Besuchenden anbieten würde. Leider kommt es selten dazu, da aus den bekannten Gründen die Hemmschwellen in der Regel zu hoch sind, um sich mit Unbekannten spontan zu unterhalten. Ein vom Museum installiertes umwendbares Schild bei der Sitzgelegenheit, das den rastenden Besuchenden die Möglichkeit bietet, ihre Gesprächsbereitschaft zu kommunizieren, kann es erleichtern, an diesen Orten des Verweilens ins Gespräch zu kommen. Umsetzung. Ähnlich zu den ‚Don’t disturb / Please clean room‘ –Schildern in Hotels, werden bei den Sitzgelegenheiten im Museum Schilder aufgestellt, die gewendet werden können. Auf einer Seite des Schildes steht in großen Lettern und deutlich lesbar der Text: ‚gesprächsoffen‘, auf der anderen der Text ‚gesprächsmüde’. Dieses Schild kann von rastenden Besuchenden wie ein Stehkalender genutzt werden, um ihre aktuelle Gesprächsbereitschaft zu kommunizieren. Apropos: Unter ‚Couch in terms‘ versteht man im Deutschen: ‚In Worte fassen‘.

92


‚gesprächsoffen‘

Abbildung 19. Couch in terms

93


IX VORSTUDIEN IM MUSEUMSKONTEXT

Im folgenden Kapitel werden eine Befragungs- und eine Beobachtungsstudie beschrieben, die zur Vorbereitung der Hauptstudien im Museumskontext durchgeführt wurden. In den Studien wird der Frage nachgegangen, ob eine Nachfrage an Kommunikationsanregungen im Museum besteht beispielsweise ob durch einmalige Aktionen Gespräche im Museum provoziert werden können.

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IX.I BEFRAGUNGSSTUDIE ZUR GESPRÄCHSBEREITSCHAFT IN MUSEEN

Nach den im Kapital IX beschriebenen Vorstudien im öffentlichen Raum wurden zwei weitere vorbereitende Studien im Museumskontext durchgeführt. Bei der ersten Studie handelt es sich um eine Befragung von Museumsbesuchenden. Ziel dieser Befragung war, im Sinne einer Bedarfsabklärung die Erfahrungen und Meinungen von Besuchenden zum Thema ,Kommunikation im Museum’ zu erfassen. Hypothese. Im Museum findet wenig Austausch zwischen Besuchenden statt. Würden kommunikationsfördernde Anätze existieren, wären die Besuchenden jedoch daran interessiert, diese zu nutzen. Durchführung. Die Befragung wurde am 19. Dember 2010 von 16:00 bis 18:00 Uhr am Ausgang des Kunsthauses Zürich durchgeführt. Nach dem Zufallsprinzip wurden Besuchende der Ausstellung ‚Picasso - die erste Museumsausstellung 1932‘ beim Verlassen des Museums angesprochen und zur Teilnahme an der Befragung eingeladen. Von den insgesamt 25 Angesprochenen erklärten sich 14 Personen (7 Frauen, 7 Männer) zur Teilnahme an einem Interview bereit. Das Interview wurde nach einem vorbereiteten Leitfaden halbstrukturiert durchgeführt. Im ersten Teil wurde erfasst, ob die Befragten während des Besuches mit anderen Personen ins Gespräch gekommen sind beispielsweise ob sie jemals bei einem Museumsbesuch mit anderen Personen ins Gespräch gekommen sind. War dies der Fall, wurden zusätzlich Gesprächsanlass und -inhalt erfasst. Anschließend wurde gefragt, ob sie eine Chance darin sehen, dass Museumsbesuchende in einer Ausstellung zum Austausch über Exponate angeregt werden. Im zweiten Teil wurden demographische Aspekte zum Geschlecht und Alter der Befragten sowie zu ihrer selbst eingeschätzten Kommunikations- und Innovationsfreudigkeit erfasst. Die Gespräche wurden mit einem Mikrofon aufgezeichnet und anschließend für die Auswertung transkribiert.

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Interviewleitfaden: Befragung Kunsthaus Fragen zu Museumsbesuch: 1 Sind Sie während Ihres Museumsbesuchs mit anderen Besuchenden ins Gespräch gekommen? 2 Sind Sie jemals bei einem Museumsbesuch mit anderen Besuchenden ins Gespräch gekommen? 3 Aus welchem Anlass sind Sie ins Gespräch gekommen und worüber haben Sie sich unterhalten? 4 Sehen Sie eine Chance darin, Museumsbesuchende in einer Ausstellung gezielt zum Austausch über die Exponate anzuregen? Welche? 5 Würden Sie der folgenden Aussage zustimmen oder eher nicht zustimmen? „Museen stoßen Kommunikation und Austausch zwischen sich unbekannten Besuchenden an“ Allgemeine Fragen: 6 Geschlecht: Mann / Frau 7 Alter: 8 Wie häufig gehen Sie ins Museum? (Museumsbesuche/Jahr) 9 Auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 5 (sehr) a. Wie kommunikativ würden Sie sich einschätzen? b. Wie innovationsfreudig würden Sie sich einschätzen? Auswertung. Die transkribierten Antworten wurden einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayering (2010) unterzogen und anschließend mithilfe des Programms Excel ausgewertet. Die quantitative Darstellung der Ergebnisse findet sich in Tabelle 7 (die ausführliche Tabelle mit allen transkribierten Kommentaren findet sich im Anhang unter: ‚Befragungsstudie‘).

96


Tabelle 7. Darstellung der Ergebnisse Frage 1 J

N

1

Frage 2 J

N

1 1 1 1

Frage 4 J

N

/

Frage 5 J

N

W

F. 8

F. 9a

F. 9b

71

12

5

4

48

2

2

2

1

1

1

1

1

1

1

1

45

5

3

2

1

1

1

32

10

3

3

30

10

4

3

34

8

4

4

55

10

3

2

40

12

2.5

2.5

38

8

2

2

35

5

4

4

1

34

4

4

2

1

1

F. 7

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

Frage 6 M

1

1 1 1 1

1 1 1

1 1

1

1

1

1

1

1

66

12

5

5

1

1

1

1

1

50

12

4

5

25

12

5

3

7

43.1

8.7

3.6

3.1

1

1

1

1

T.

1

13

1 3

11

11

1

2

5

9

7

%

7.1

92.9

21.4

78.6

78.6

7.1

14.3

35.7

64.3

Von den 14 Befragten gaben 13 Personen an, während ihres Museumsbesuchs nicht mit anderen Personen ins Gespräch gekommen zu sein. Die einzige Person, die diese Frage positiv beantwortete, hatte sich während einer Ausstellungsführung mit anderen Teilnehmenden unterhalten und gilt somit nicht als repräsentativ. Der Anteil der Personen, die nicht mit anderen Besuchenden ins Gespräch gekommen sind, beträgt folglich 100 Prozent. 78,6 Prozent der befragten Museumsgäste sehen eine Chance darin, Museumsbesuchende gezielt zum Austausch anzuregen. 35,7 Prozent der Teilnehmenden stimmten der Aussage ‚Museen stoßen Kommunikation und Austausch zwischen sich unbekannten Besuchenden an‘ zu. Davon gab allerdings nur eine Person an, jemals während eines Museumsbesuchs mit einer anderen Gästen ins Gespräch gekommen zu sein. Für alle Fragen wurde zusätzlich berechnet, ob Zusammenhänge zwischen Antwort und Alter, Anzahl der Museumsbesuche pro Jahr, Kommunikativität sowie Innovationsbereitschaft bestehen. Die Ergebnisse für die Fragen 2 und 4 sind in Tabelle 8 dargestellt.

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Tabelle 8. Ergebnisse der Fragen 2 und 4 Frage 2.

4.

Antwort

F. 7

m/w

F. 8

F. 9a

F. 9b

ja

45,6

2

1

8,6

4

3

nein

42,4

5

6

8,7

3,5

3,1

ja

54

2

3

8,6

4

4

nein

37

5

4

8,7

2,9

2,6

Während bei Frage 2 keine Zusammenhänge zwischen den Variablen erkennbar sind, zeigt sich bei Frage 4 die Tendenz, dass Personen, die der Meinung sind, dass Museen Kommunikation anregen, im Durchschnitt älter sind und sich selbst als kommunikativer und innovativer einschätzen als solche, die diese Frage mit nein beantworten. Diskussion. Bei der Betrachtung der Ergebnisse fällt auf, dass nur 21,4% der Besuchenden jemals in einem Museum mit anderen Personen ins Gespräch gekommen sind. Dazu passend ist, dass 64,3% der Befragten der Meinung sind, dass Museen Kommunikation nicht anregen. Es lässt sich daraus ableiten, dass Museen von den Besuchenden nicht als kommunikative Räume empfunden werden. In entsprechenden Initiativen von Museen würde die große Mehrheit der Befragten eine Chance sehen. Sie erhoffen sich davon fruchtbare Interaktion, kulturellen Austausch und Diskussion über die Interpretation der Exponate. 36,4% sehen insbesondere in der Erweiterung ihrer Sichtweisen und Perspektiven eine Chance (Die Transkriptionen finden sich auf der CD-ROM im Anhang unter ‚Befragungsstudie‘). Ein Befragter spricht sich für ‚ein bis zwei Diskussionsbilder‘ pro Ausstellung aus, eine andere Befragte findet die Idee von gesprächsanregenden Fragen über einzelne Exponate ‚witzig‘ und fände interessant, was dann geschehen würde. Von den Befragten, die zunächst angeben, keine oder nur eine eingeschränkte Chance darin zu sehen, die Kommunikation zwischen Besuchenden zu fördern, wurden als Gründe eine möglicherweise fehlende Überschneidung an Interessen, Vorkenntnissen und Wahrnehmungen mit anderen Besuchenden genannt. Obwohl sie angaben, Kommunikationsanregungen selbst voraussichtlich nicht zu

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nutzen, zeigte sich im Gespräch, dass diese Personen durchaus der Meinung sind, dass andere Besuchende davon profitieren könnten (Die Transkriptionen finden sich auf der CD-ROM im Anhang unter ‚Befragungsstudie‘). Ein interessantes Ergebnis ist in diesem Zusammenhang, dass diese Gruppe von Personen älter ist als der Durchschnitt der Befragten sowie dass sie sich selbst als kommunikativer und innovativer einschätzt. Die Befragten hingegen, die eine Chance in Kommunikationsanregungen sehen, sind jünger als der Durchschnitt und beschreiben sich als weniger kommunikativ und innovativ. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass gerade Menschen, denen es weniger leicht fällt, mit anderen Personen in Kontakt zu kommen, von gesprächsanregenden Angeboten profitieren könnten, während Menschen, die sich selbst als kommunikativ und innovativ einschätzen, auf entsprechende Anregungen weniger angewiesen sind. Trotz der relativ kleinen, nicht repräsentativen Stichprobe dieser Studie lässt sich aus den Resultaten ableiten, dass die Mehrheit der Besuchenden Kommunikationsanregungen im Museum als positiv bewerten würde. Den Museumsbesuch nicht vordergründig als persönliches, sondern auch als gemeinsames Erleben in den Fokus zu rücken, hätte folglich das Potential, die Besucherzufriedenheit und die Attraktivität von Museen zu steigern.

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IX.II CASINO LUXEMBOURG

Bei dieser zweiten vorbereitenden Studie wurde die Methode der Kommunikationsampel (siehe Kapitel VIII.I) eingesetzt und getestet. Ziel war, die Bereitschaft der Besuchenden zu erfassen, ihre eigene Kommunikationsbereitschaft oder ‚Nichtbereitschaft‘ sowohl äußerlich sichtbar zu zeigen als auch in die Tat umzusetzen sowie die Akzeptanz und Eignung der Kommunikationsampel-Methode als Mittel zur Gesprächsanregung zu beurteilen. Hypothesen. (1) An Gespräch interessierte beispielsweise nicht-interessierte Museumsgäste sind dazu bereit, ihre Einstellung durch eine optische Markierung dem Museumspublikum zu kommunizieren. (2) Durch die optische Markierung lassen sich Gespräche im Museum anregen. Methodisches Vorgehen und Durchführung. Als Kooperationspartner für diese Studie konnte das Casino Luxembourg - Forum d’art contemporain gewonnen werden.14 Die Untersuchung wurde am Samstag, den 8. Januar 2011 von 11:00 bis 18:00 Uhr im ganzen Museum durchgeführt. Alle Museumsgäste wurden beim Kauf der Eintrittskarte von der Mitarbeiterin des Museums an der Kasse darüber aufgeklärt, dass an diesem Tag in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste eine Studie zum Thema ,Kommunikation in Museen’ durchgeführt würde. Die Besuchenden wurden dann dazu eingeladen, einen roten oder grünen Aufkleber auszuwählen. Es wurde erläutert, dass grüne Aufkleber bedeuten ‚Ich tausche mich gerne mit andere Besuchenden aus‘, während rote Aufkleber signalisieren ‚Ich möchte nicht sprechen, sondern in Stille die Kunst betrachten‘. Entsprechend ihrer Kommunikationsbereitschaft konnten die Besuchenden einen Aufkleber auswählen. Anschließend wurden sie dazu aufgefordert, diesen gut sichtbar an ihrer Kleidung zu befestigen.

14 An dieser Stelle sei Jo Kox für seine Unterstützung bei der Realisierung der Studien im Casino Luxembourg - Forum d‘Art contemporain besonders gedankt.

100


Die Mitarbeiterin an der Museumskasse erfasste für alle Museumsgäste das Geschlecht und ob sie mit oder ohne Begleitung das Museum besuchten. Weiterhin schätze sie die Alterkategorie der Personen und notierte, ob sie einen Aufkleber akzeptieren oder ablehnten. Willigten Besuchende ein, einen Aufkleber zu tragen, so wurde vermerkt, welche Farbe sie wählten. In den Ausstellungsräumen wurde verdeckt beobachtet, ob Besuchende aufgrund der Aufkleber ins Gespräch kommen. Dabei wurden folgende Beobachtungskategorien berücksichtigt: (1) Gesprächsbereitschaft in Abhängigkeit von Begleitung, (2) Geschlecht, (3) Alterskategorie, (4) Gesprächsort. Fanden Gespräche statt, so wurden die Gesprächspartnerinnen beispielsweise -partner anschließend in einem offenen Interview über deren Inhalte befragt. Unabhängig davon wurden explorative Gespräche mit Besuchenden geführt, in denen ihre Meinung zu den Aufklebern erfragt wurde. Die befragten Personen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Ergebnisse. Insgesamt haben am 8. Januar 2011 22 Personen, 10 Frauen und 12 Männer, das Museum Casino Luxemburg besucht. Davon waren 17 (77,3%) Besuchende mit und 5 (22,7%) ohne Begleitung. 50,0% der Museumsgäste (4 Frauen, 7 Männer) haben sich für einen grünen Aufkleber entschieden. 40,9% (4 Männer, 4 Frauen) haben es abgelehnt, ein Aufkleber zu tragen und zwei Personen (eine Frau, ein Mann) haben einen roten Aufkleber gewählt. Von den insgesamt 50,0% der Personen, die sich nicht austauschen wollten, bevorzugten es 75,0%, keinen Aufkleber zu tragen. Alle Personen, die keinen Aufkleber oder einen roten Aufkleber wählten, waren mit einer Begleitung unterwegs. Alle Personen, die einen grünen Aufkleber gewählt haben, waren ohne Begleitung unterwegs. Das heißt 100% aller Besuchenden ohne Begleitung haben sich für einen grünen Aufkleber entschieden. Es kam ein Gespräch zwischen zwei Männern zustande, die einen grünen Aufkleber trugen (siehe Transkription im Anhang unter: ‚Casino‘). Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse findet sich in Tabelle 9.

101


Grün

Rot

Kein

M

W

Alter

Begl.

Alleine

1

1

1

31 - 60

1

1

31 - 60

1

1

2

1

3

1

1

31 - 60

4

1

1

31 - 60

1

5

1

1

0 - 30

1

6

1

1

31 - 60

1

7

1

1

0 - 30

1

8

1

1

31 - 60

1

9

1

1

0 - 30

1

10

1

1

0 - 30

1

11

1

1

0 - 30

1

12

1

1

31 - 60

1

13

1

1

31 - 60

1

14

1

1

31 - 60

1

15

1

1

0 - 30

1

1

1

16

1

0 - 30

17

1

1

61+

1

18

1

1

61+

1

19

1

1

31 - 60

1

20

1

1

31 - 60

1

21

1

1

31 - 60

1

22

1

1

0 - 30

1

TOTAL

11

2

9

12

10

17

5

PROZENT

50

9.1

40.9

54.5

45.4

77.3

22.7

Tabelle 9. Ergebnisse ‚Casino‘

Diskussion. Ein besonders auffälliges Ergebnis dieser Studie ist, dass alle Personen, die das Museum alleine besuchten, einen grünen Aufkleber wählten. Hingegen war die Gesamtheit aller Personen, die sich gegen einen Aufkleber entschieden, mit einer Begleitperson unterwegs. Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass alle Museumsgäste grundsätzlich an einem Austausch interessiert waren. Konnte das Kommunikationsbedürfnis durch die Begleitperson gedeckt werden, so bestand

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jedoch kein Interesse an Kommunikation mit anderen Museumsgästen. War dies hingegen nicht der Fall, so wurde das Angebot, die eigene Kommunikationsbereitschaft optisch zu signalisieren, von 100% der Besuchenden genutzt. Dieser Befund zeigt, dass eine große Bereitschaft für Kommunikation im Museum besteht und dass die Möglichkeit, diese zu signalisieren, intensiv genutzt wird. Damit wurde die erste Teilhypothese dieser Studie belegt. Die Tatsache, dass sich die Mehrheit der Personen, die nicht an einem Gespräch interessiert waren, gegen einen Aufkleber entschieden, widerlegt hingegen die 2. Teilhypothese. Grund dafür könnte sein, dass die betreffenden Personen sich durch den roten Aufkleber stigmatisiert beispielsweise in die Rolle einer Außenseiterin beispielsweise eines Außenseiters oder einer Spaßverderberin beispielsweise eines Spaßverderbers gedrängt sehen. Es lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass bei weiterführenden Studien auf die roten Aufkleber verzichtet werden kann. Obwohl sich 11 Personen für grüne Aufkleber entschieden hatten, konnte lediglich eine Situation beobachtet werden, in der infolgedessen ein Gespräch zustande gekommen ist. Da die Gäste verteilt über einen Zeitraum von sieben Stunden das Museum besuchten, befanden sich nur sehr selten mehrere Personen mit einem grünen Aufkleber gleichzeitig in einem Raum. Diese Tatsache schränkt die Repräsentativität des Ergebnisses stark ein und behindert die Überprüfung der 2. Hypothese, nach der sich durch die Aufkleber Gespräche anregen lassen. Dennoch ist das initiierte Gespräch ein Beleg dafür, dass die KommunikationsampelMethode grundsätzlich funktioniert. Um ihre Effektivität besser überprüfen zu können, wurde die Studie zu einem späteren Zeitpunkt in zwei Museen mit höherer Besucherfrequenz repliziert (siehe Kapitel X.I). Hypothesenkonform und aufschlussreich sind die Gespräche, die durch den Beobachter mit Teilnehmenden an der Studie geführt wurden. Alle befragten Personen äußerten sich sehr positiv über die Aufkleber und befürworteten die Stimulation der Besucherinteraktion. Ein Gesprächspartner sieht darin nicht nur eine Chance für die Museumsgäste, sondern auch für das Museum, da durch die Auseinandersetzung mit anderen Interpretationen Kunstwerke eine ‚second chance‘ erhalten würden. Durch Gespräche mit anderen Besuchenden könnten

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Gäste zum Beispiel dazu ermuntert werden, sich auch mit den Kunstwerken auseinanderzusetzen, die sie ansonsten vielleicht wenig beachtet hätten. Eine andere Befragte hält die Methode für eine ‚great idea‘, die sich insbesondere für Personen eigne, die sich alleine und/oder in einer fremden Stadt in einem Museum aufhielten und somit nicht die Gelegenheit hätten, sich mit Bekannten über die Kunstobjekte auszutauschen. Der Besucher, der aufgrund des Aufklebers mit einem anderen Gast ins Gespräch gekommen war, erklärte, besonders interessant gefunden zu haben, dass sich seine eigenen Wahrnehmungen und Interpretationen im Austausch bestätigten. Zusammenfassend weisen die Ergebnisse darauf hin, dass die Kommunikationsampel-Methode von den Besuchenden positiv aufgenommen wird und somit über das Potential verfügt, die Kommunikation im Museum zu fördern. Um die Methode weiter zu überprüfen, ist es notwendig, diese in Museen mit höherer Besucherfrequenz auszutesten. Dies wird in der Nachfolgestudie getan.

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IX.III ZUSAMMENFASSUNG

In den beschriebenen Vorstudien konnte gezeigt werden, dass Museumsbesuchende an Austausch interessiert und für gesprächsfördernde Methoden offen sind. An beiden Studien nahm jedoch nur eine sehr geringe Anzahl von Personen teil. Die Ergebnisse haben somit explorativen Charakter, sind nicht repräsentativ und spiegeln Tendenzen wieder. Im folgenden Kapitel werden nun drei größer angelegte Studien beschrieben, in denen in hoch frequentierten Zürcher Museen gesprächsfördernde Methoden zum Einsatz kamen.

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X EXPERIMENTE IM MUSEUMSKONTEXT

In diesem Kapitel werden zunächst zwei Studien beschrieben, in denen die Kommunikationsampel-Methode repliziert wurde. Dabei wurde in der zweiten Studie auf die roten Aufkleber verzichtet und stattdessen gelbe ,Expertenaufkleber’ zur Verfügung gestellt. Im Anschluss an die Studien zur ‚Kommunikationsampel‘ wird eine weitere Studie dargestellt, in der die Methode ‚Raum für Gespräch’ zum Einsatz kommt. Wie im vorangegangenem Kapitel werden zu allen Studien in im ersten Schritt die Methoden erläutert. Nach der Beschreibung der Ergebnisse folgt dann ein Fazit und die Diskussion der Resultate.

106


107


X.I DIE KOMMUNIKATIONSAMPEL

Die bereits erläuterte Methode der Kommunikationsampel mit roten, grünen und gelben Aufklebern wurde in den zwei Zürcher Museen Kunsthaus Zürich und Museum für Gestaltung Zürich durchgeführt. In den zwei folgenden Kapiteln werden die Versuchsanordnungen dieser Studien beschrieben. Zu jeder Studie werden auch die Ergebnisse präsentiert, die unter Anwendung des Statistikprogramms SPSS 19 berechnet und analysiert wurden. In Kapitel X.I.III folgt dann die gemeinsame Diskussion der Resultate.

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X.I.I KUNSTHAUS ZÜRICH

Hypothese. (1) An Gespräch interessierte beispielsweise nicht-interessierte Museumsgäste sind dazu bereit, ihre Einstellung durch eine optische Markierung dem Museumspublikum zu kommunizieren. (2) Durch die optische Markierung lassen sich Gespräche im Museum anregen. Methodisches Vorgehen und Durchführung. In einem Vorabtreffen mit der Leitung der Museumskommunikation des Kunsthauses Zürich15 wurde die explorative Studie im Forum d’Art contemporain in Luxemburg präsentiert und darum gebeten, dieselbe Studie im hoch frequentierten Kunsthaus Zürich realisieren zu dürfen. Die Zusage des Kunsthauses enthielt die Einschränkung, die Aufkleber an einer Theke im Eingangsbereich des Museums zu verteilen und nicht direkt an der Kasse. Die Untersuchung wurde am Freitag, den 25. März 2011 von 10:00 bis 16:00 Uhr im ganzen Museum durchgeführt. Neben der eigenen Sammlung waren eine Wechselausstellung namens «FotoSkulptur. Die Fotografie der Skulptur 1839 bis heute» und «Alberto Giacometti – Das Sehen im Werk» zu sehen. In der Empfangshalle des Museums wurde die Theke zentral und nah bei der Kasse installiert, um möglichst viele Museumsbesuchende abzufangen und sie zur Teilnahme an der Studie einzuladen (siehe Abb. 21). Neben der Theke war eine Informationstafel aufgebaut, deren Text die Studie zusammenfassend erläuterte (siehe Abb. 20): ‚Umfrage und Experiment zum Kommunikationsverhalten in Museen. Ein Projekt der Zürcher Hochschule der Künste in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich. Die Teilnahme ist freiwillig und unverbindlich. Das Projekt geht der Frage nach, durch welche Methoden im Kontext Museum die zwischenmenschlichen Ressourcen und Potentiale besser stimuliert, zugänglich gemacht und genutzt werden können. Dabei liegt der Fokus auf Gesprächsanregungen. Durch die Ermöglichung von Austausch und Diskussion soll das Museum in seiner Funktion als Kommunikationsmedium erweitert und bereichert werden.‘ 15 An dieser Stelle sei Björn Quellenberg für seine Unterstützung bei der Realisierung der Studien im Kunsthaus Zürich besonders gedankt.

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An der Theke wurden die Besuchenden von einem zweiköpfigen Team darüber aufgeklärt, dass an diesem Tag in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste eine Studie zum Thema ,Kommunikation in Museen’ durchgeführt würde. Identisch zu der Vorstudie im ‚Casino Luxembourg - Forum d’art contemporain’ wurden die Besuchenden in Abhängigkeit ihrer Kommunikationsbereitschaft dazu eingeladen, während des Museumsbesuchs rote oder grüne Aufkleber zu tragen. Da es in der Empfangshalle des Museums vier weit auseinander liegende Eingänge zu den verschiedenen Ausstellungsbereichen gibt, war es nicht möglich, alle Besuchenden aufzufangen. Wie in Luxemburg wurde auch im Kunsthaus das Geschlecht und die Alterskategorie der Teilnehmenden erfasst sowie, ob sie das Museum mit oder ohne Begleitung besuchten. Zudem wurde notiert, ob sie einen Aufkleber akzeptierten und falls ja, welche Farbe sie wählten. Bei der Ausgabe der Aufkleber wurden die Teilnehmenden darum gebeten, das Team der Studie nach dem Ausstellungsbesuch darüber zu informieren, wie sie den Ausstellungsbesuch mit Aufkleber erlebt und ob Gespräche stattgefunden hatten. Zusätzlich wurden in den Ausstellungsräumen explorative Gespräche mit Besuchenden geführt, in denen ihre Meinung zu den Aufklebern erfragt wurde. Diese Personen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und die Interviews mit einer Kamera aufgezeichnet.

110


Abbildung 20: Informationstafel Abbildung 21: Theke „Verfasser erklärt einem Besucherpaar die Studie“

111


Ergebnisse. Insgesamt haben am 25. März 2011 113 Personen (62 Frauen und 51 Männer) an der Studie teilgenommen. Davon waren 76 Teilnehmende mit und 37 ohne Begleitung unterwegs. 24 der Teilnehmenden gehörten der Alterkategorie ,unter 30 Jahre’ an, 54 Personen der Kategorie ,31 bis 60 Jahre’ und 35 Teilnehmende der Kategorie ,über 61 Jahre’ (siehe Grafik 1). Grafik 1. Besucherergebnisse in Prozenten

weiblich | 54,9% männlich | 45,1%

in Begleitung | 67,3% ohne Begleitung | 32,7%

0 - 30 | 21,2% 31 - 60 | 47,8% 61+ | 31,0%

Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft. 75 Teilnehmende haben sich für den grünen Aufkleber entschieden. 20 Teilnehmende wählten rot und 18 Teilnehmende bevorzugten es, die Ausstellung ohne Markierung zu besuchen (Siehe Grafik 2). Grafik 2. Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft in Prozenten

Grün | 66,4% Rot | 17,7% Kein | 15,9%

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Ergebnisse der Gesprächsbereitschaft von Frauen und Männer. Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft von Frauen und Männern. 45 von 62 Frauen und 30 von 51 Männern wählten grün. 9 Frauen und 11 Männer haben sich für rot entschieden. 8 Frauen und 10 Männer bevorzugten es, keinen Aufkleber in der Ausstellung zu tragen (siehe Grafik 3). Grafik 3. Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft von Frauen und Männern in Prozenten

Grün | 72.6% der teilnehmenden Frauen Rot | 14,5% der teilnehmenden Frauen Kein | 12,9% der teilnehmenden Frauen

Grün | 58,8% der teilnehmenden Männer Rot | 21,6% der teilnehmenden Männer Kein | 19,6% der teilnehmenden Männer

Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft der Teilnehmenden in Abhängigkeit von Begleitung. 28 von 37 Teilnehmenden ohne Begleitung wählten grün. 5 Teilnehmende ohne Begleitung haben sich für den roten Aufkleber entschieden und 4 bevorzugten, keinen Aufkleber zu tragen. Von den 76 Teilnehmenden mit Begleitung wählten 47 grün, 15 rot und 14 beschlossen, keinen Aufkleber zu tragen (siehe Grafik 4).

113


Grafik 4. Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft der Teilnehmenden in Abhängigkeit von Begleitung in Prozenten

Grün | 75,7% der Teiln. ohne Begl. Rot | 13,5% der Teilnehmenden ohne Begleitung Kein | 10,8% der Teilnehmenden ohne Begleitung

Grün | 61,8% der Teilnehmenden in Begleitung Rot | 19,7% der Teilnehmenden in Begleitung Kein | 18,4% der Teilnehmenden in Begleitung

Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft von Teilnehmenden in Abhängigkeit ihrer Alterskategorie. In der Alterskategorie ,unter 30 Jahre’ wählten von den insgesamt 24 Teilnehmenden 16 einen grünen und 2 einen roten Aufkleber. 6 Personen bevorzugten es, keinen Aufkleber zu tragen. Von den 54 Teilnehmenden der Kategorie ,31 bis 60 Jahre’ wählten 39 grün, 10 rot und 5 verzichteten auf einen Aufkleber. In der Alterskategorie ,über 60 Jahre’ waren es von insgesamt 35 Personen 20, die grün wählten, 8, die rot wählten und 7, die einen Aufkleber ablehnten (siehe Grafik 5).

114


Grafik 5. Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft von Teilnehmenden, abhängig von der Alterskategorie in Prozenten

Grün | 66,7% der Teilnehmenden unter 30 Grün | 72,2% der Teiln. von 31 - 60 Grün | 57,1% der Teilnehmenden über 61

Rot | 8,3% der Teilnehmenden in der Alterskategorie unter 30 Rot | 18,5% der Teilnehmenden in der Alterskategorie von 31 - 60 Rot | 22,9% der Teilnehmenden der Alterskategorie über 61

Kein | 25,0% der Teilnehmenden in der Alterskategorie unter 30 Kein | 9,3% der Teilnehmenden in der Alterskategorie in der Alterskategorie von 31 - 60 Kein | 20,0% der Teiln. in der Alterskategorie über 61

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X.I.II MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH

Hypothese. (1) An Gespräch interessierte beispielsweise nicht-interessierte Museumsgäste sind dazu bereit, ihre Einstellung durch eine optische Markierung (Aufkleber) dem Museumspublikum zu kommunizieren. (2) Besuchende, die sich mit dem Ausstellungsthema auskennen, sind bereit, dies durch eine optische Markierung dem Museumspublikum zu kommunizieren. (siehe auch Kapitel III.III) Methodisches Vorgehen und Durchführung. Für die folgende Studie wurde das Museum für Gestaltung Zürich - angegliedert an die Zürcher Hochschule der Künste – gewonnen.16 In einem Treffen mit der Leiterin der Museumsdienste wurde die Durchführung der Studie geplant. Die Untersuchung wurde am Sonntag, den 10. April 2011 von 10:00 bis 17:00 Uhr im ganzen Museum durchgeführt. In der Ausstellung waren an diesem Tag Werke des Fotografen Henri Cartier-Bresson zu sehen. Direkt am Eingang der Ausstellung wurde für die Studie ein Informationstisch installiert. Neben dem Informationstisch war ein Ständer mit einem Schild positioniert, dessen Text die Studie zusammenfassend erläuterte (siehe Abb. 22). Da das Museum nur über einen Zugang bestand durch die Platzierung im Eingangsbereich die Möglichkeit, die Mehrheit der Museumsgäste auf die Studie hinzuweisen und sie zur Teilnahme einzuladen. An dem Informationstisch wurden die Besuchenden von einem zweiköpfigen Team darüber aufgeklärt, dass an diesem Tag in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste eine Studie zum Thema ,Kommunikation in Museen’ durchgeführt würde. Im Unterschied zur Studie im Kunsthaus Zürich wurden die Besuchenden in diesem Setting in Abhängigkeit ihrer Kommunikationsbereitschaft dazu eingeladen, während des Museumsbesuchs grüne oder gelbe Aufkleber zu tragen. Entsprechend der Kommunikationsampel-Methode signalisierten die grünen Aufkleber die Gesprächsbereitschaft der betreffenden Person. Gelbe Aufkleber bedeuteten, 16 An dieser Stelle sei Christian Brändle und Mireille Osmieri für ihre Unterstützung bei der Realisierung der Studien im Museum für Gestaltung besonders gedankt.

116


dass die Besucherin oder der Besucher nicht nur gesprächsoffen ist, sondern sich darüber hinaus gut mit ‚Henri Cartier-Bresson‘ auskennt beispielsweise sich beruflich oder privat mit Fotografie beschäftigt, somit über ein gewisses ,Expertenwissen’ verfügt und dazu bereit ist, dieses Wissen mit anderen Museumsbesuchenden zu teilen. Wie in den vorangegangenen Studien zur Kommunikationsampel wurden das Geschlecht und die Alterskategorie der Teilnehmenden erfasst sowie, ob sie das Museum mit oder ohne Begleitung besuchten. Außerdem wurde die Farbe der gewählten Aufkleber notiert. Bei der Ausgabe der Aufkleber wurden die Teilnehmenden darum gebeten, das Team der Studie nach ihrem Rundgang darüber zu informieren, wie sie den Ausstellungsbesuch mit Aufkleber erlebt und ob Gespräche stattgefunden hatten. Zusätzlich wurden in den Ausstellungsräumen explorative Gespräche mit Besuchenden geführt, in denen ihre Meinung zu den Aufklebern erfragt wurde. Diese Personen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und die Interviews mit einer Kamera aufgezeichnet.

Abbildung 22. Der Verfasser im Eingang der Ausstellung

117


Besucherergebnisse. Insgesamt haben am 10. April 2011 198 Personen (106 Frauen, 92 Männer) an der Studie teilgenommen. Davon waren 150 Teilnehmende mit und 48 ohne Begleitung unterwegs. 48 der teilnehmenden Personen gehörten der Alterkategorie ,unter 30 Jahre’, 136 der Alterskategorie ,31 bis 60 Jahre’ und 14 der Alterskategorie ,über 61 Jahre’ an (siehe Grafik 6). Grafik 6. Besucherergebnisse in Prozenten

weiblich | 53,5% wännlich | 46,5%

in Begleitung | 75,8% ohne Begleitung | 24,2%

0 - 30 | 24,2% 31 - 60 | 68,7% 61+ | 7,1%

Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft. 120 Teilnehmende haben sich für den grünen Aufkleber entschieden. 6 Teilnehmende wählten gelb und 72 Teilnehmende bevorzugten es, die Ausstellung ohne Markierung zu besuchen (siehe Grafik 7). Grafik 7. Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft in Prozenten

Grün | 66,6% Gelb | 3,0% Kein | 36,4%

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Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft von Frauen und Männern. 68 von 106 Frauen und 52 von 92 Männern wählten den grünen Aufkleber. 2 Frauen und 4 Männer haben sich für gelb entschieden. 36 Frauen und 36 Männer bevorzugten es, keinen Aufkleber in der Ausstellung zu tragen (siehe Grafik 8). Grafik 8. Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft von Frauen und Männer in Prozenten

Grün | 64,1% der teilnehmenden Frauen Gelb | 1,9% der teilnehmenden Frauen Kein | 34,0% der teilnehmenden Frauen

Grün | 56,5% der teilnehmenden Männer Rot | 4,3% der teilnehmenden Männer Kein | 39,2% der teilnehmenden Männer

Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft von Teilnehmenden in Abhängigkeit von Begleitung. 27 von 48 Teilnehmenden ohne Begleitung wählten einen grünen und 4 einen gelben Aufkleber. 17 Teilnehmende ohne Begleitung favorisierten keinen Aufkleber zu tragen. 93 von 150 Teilnehmenden mit Begleitung entschieden sich für einen grünen, 2 für einen gelben Aufkleber. 55 Teilnehmende mit Begleitung beschlossen, keinen Aufkleber zu tragen (siehe Grafik 9).

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Grafik 9. Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft von Teilnehmenden, abhängig von Begleitung in Prozenten

Grün | 56,3% der Teilnehmenden ohne Begleitung Gelb | 8,3% der Teilnehmenden ohne Begleitung Kein | 35,4% der Teilnehmenden ohne Begleitung

Grün | 62% der Teilnehmenden in Begleitung Gelb | 1,3% der Teilnehmenden in Begleitung Kein | 36,7% der Teilnehmenden in Begleitung

Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft von Teilnehmenden in Abhängigkeit ihrer Alterskategorie. Von den 48 Teilnehmenden der Alterskategorie ,unter 30 Jahre’ wählten 33 einen grünen und eine Person einen gelben Aufkleber. 14 Personen verzichteten auf die optische Markierung ihrer Gesprächsbereitschaft. 77 der 136 Personen aus der Alterskategorie ,31 bis 60 Jahre’ entschieden sich für einen grünen, 4 für einen gelben und 55 für keinen Aufkleber. In der Alterskategorie ,über 60 Jahre’ akzeptierten von insgesamt 14 Teilnehmenden 10 einen grünen und eine Person einen gelben Aufkleber. Die übrigen 3 Personen lehnten einen Aufkleber ab (siehe Grafik 10).

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Grafik 10. Ergebnisse zur Gesprächsbereitschaft von Teilnehmenden, abhängig von der Alterskategorie in Prozenten

Grün | 68,8% der Teilnehmenden unter 30 Grün | 56,6% der Teilnehmenden von 31 - 60 Grün | 71,4% der Teiln. über 61

Gelb | 2,0% der Teilnehmenden in der Alterskategorie unter 30 Gelb | 2,9% der Teilnehmenden in der Alterskategorie von 31 - 60 Gelb | 7,1% der Teilnehmenden in der Alterskategorie über 61

Kein | 29,2% der Teilnehmenden in der Alterskategorie unter 30 Kein | 40,5% der Teilnehmenden in der Alterskategorie von 31 - 60 Kein | 21,5% der Teilnehmenden in der Alterskategorie über 61

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X.I.III KUNSTHAUS UND MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH. VERGLEICH UND DISKUSSION DER ERGEBNISSE.

Gesprächsbereitschaft. Die Ergebnisse der beiden Studien im Kunsthaus Zürich und im Museum für Gestaltung Zürich, an denen insgesamt 311 Museumsbesuchende teilgenommen haben, bestätigen die Hypothese, dass Museumsbesuchende damit einverstanden sind, ihre Gesprächsbereitschaft optisch anderen Besuchenden zu signalisieren. Sie sind dazu bereit, sich in eine exponierte Situation zu begeben, um in der Ausstellung Gespräche mit Unbekannten zu führen. Deutlich mehr als die Hälfte der 311 Teilnehmenden (66,5%) haben während ihres Ausstellungsbesuchs einen grünen Aufkleber getragen. Dieser Befund zeigt, dass im Museum eine große Bereitschaft für Gespräche mit anderen, unbekannten Besuchenden besteht und dass die Möglichkeit, diese zu signalisieren, intensiv genutzt wird. Im Unterschied zu der Vorstudie im ,Casino Luxembourg – Forum d‘Art contemporain’ belegt die Studie im Kunsthaus Zürich, dass auch ‚nicht-gesprächsbereite’ Teilnehmende akzeptieren, dies mit einem roten Aufkleber kenntlich zu machen. Denn es haben 17,7% der ‚Nicht-Gesprächsbereiten‘ den roten Aufkleber gewählt und nur 15,9% der ‚Nicht-Gesprächsbereiten‘ sich dazu entschieden, keinen Aufkleber zu tragen. In der Studie im Museum für Gestaltung Zürich wurde dennoch auf die Ausgabe von roten Aufklebern verzichtet. Da diese dieselbe Botschaft kommunizieren wie das Tragen keines Aufklebers wurde, die Entscheidung getroffen, nur noch grüne und gelbe Aufkleber zu verteilen und somit eine farbliche Exklusion der ,Nicht-Gesprächsbereiten’ zu vermeiden. Es ist davon auszugehen, dass diese Versuchsanordnung die Akzeptanz der Kommunikationsampel bei den Besuchenden erhöht, da keine farbliche Wertung der Entscheidung für oder gegen Gespräch vorgenommen wird. Zusätzlich wird durch den Verzicht auf rote Aufkleber der Aufwand zur Umsetzung der Methode reduziert. Künftigen Nutzerinnen und Nutzern der Kommunikationsampel-Methode wird diese reduzierte Anwendung der Methode empfohlen.

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Geschlecht. Beide Studien haben gezeigt, dass Frauen während ihres Ausstellungsbesuchs eher an Gespräch mit anderen, unbekannten Museumsbesuchenden interessiert sind. Im Museum für Gestaltung Zürich haben sich 7,7%, im Kunsthaus Zürich 13,8% mehr Frauen als Männer für den grünen Aufkleber entschieden. Im Durchschnitt macht dies 10,7% oder 33,4 der 311 Teilnehmenden aus. Dieser Befund deutet darauf hin, dass insbesondere Frauen, die im Volksmund als kommunikativer als Männer gelten, von der Methode profitieren können. Mit Hinblick auf die weitere Anwendung der Methode lässt sich daraus ableiten, dass sich die Kommunikationsampel auch sehr gut für Museen eignet, die einen erhöhten Anteil an weiblichen Besuchenden aufweisen (z.B. Frauenmuseen). Alter. Die Ergebnisse der Hauptstudien zeigen, dass die Gesprächsbereitschaft unabhängig vom Alter der Teilnehmenden ist. Im Durchschnitt haben sich 67,7% der Teilnehmenden aus der Alterskategorie ,unter 30 Jahre’, 64,4% aus der Kategorie ,31 bis 60 Jahre’ und 64,2% aus der Kategorie ,über 61 Jahre’ für eine grüne Markierung entschieden. Dieser Befund zeigt, dass die Entscheidung einer interessierten Museumsleitung für oder gegen die Anwendung der Methode unabhängig vom Durchschnittsalter der Zielgruppe des jeweiligen Museums getroffen werden kann. Gelbe Aufkleber. Im Museum für Gestaltung Zürich haben 6 von 198 Teilnehmenden den gelben ‚Expertenaufkleber‘ ausgewählt. 3 Teilnehmende waren der Meinung, dass sie sich so gut mit Bresson auskennen, dass sie sich als Expertin beispielsweise Experte bezeichnen und ihr Wissen an andere Besuchende weiter geben können. Eine dieser Personen war keine ‚Bresson-Expertin‘, war aber beruflich als Fotografin tätig und befand, dass ihr technisches Wissen auch ein Beitrag zur Wissensvermittlung sein könne. Ein Vater, der mit seiner kleiner Tochter (geschätzt 6 Jahre alt) unterwegs war, hatte schmunzelnd für sich und das Kind gelb gewählt und dabei geäußert, dass sie beide große ‚Bresson Experten‘ seien. Diese Begebenheit zeigt, dass die Anwendung der gelben Aufkleber ein Risiko birgt. Es kann sein, dass sich selbst ernannte Expertinnen oder Experten für einen gelben Aufkleber entscheiden, obwohl sie inhaltlich und fachlich nicht kompetent sind, oder aber,

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dass Personen aus Spaß gelb wählen. Natürlich kann gerade das Gespräch mit einer solchen Person auch ,spaßig’ sein. Hatte sich jedoch die Besucherin oder der Besucher, die oder der die vermeintliche Expertin beispielsweise den vermeintlichen Experten anspricht, davon einen ernsthaften Zuwachs an Wissen erhofft, so kann auch Enttäuschung und in der Folge eine Ablehnung der Methode ausgelöst werden. Es ist somit zu überlegen, wie die Ausgabe der gelben Badges verbessert werden kann. Eine Möglichkeit ist, die betreffenden Personen zu fragen, warum sie sich für gelb entscheiden und welchen fachlichen Bezug sie zur Ausstellungsthematik haben. Da sich bei der Studie im Museum für Gestaltung Zürich gezeigt hat, dass sich insgesamt nur wenige Personen für gelb entscheiden (3%) ist nicht davon auszugehen, dass die Befragung der ,Expertinnen und Experten’ zu zeitaufwendig ist. Das beschriebene Vorgehen kann eine vielversprechende Ergänzung der Kommunikationsampel-Methode sein, denn die gelben Badges wurden insgesamt sehr positiv aufgenommen und es wäre bedauerlich, auf ihren Einsatz zu verzichten. So nahmen sich verschiedene Teilnehmende bei der Ausgabe der Aufkleber vor, in der Ausstellung explizit nach Personen Ausschau zu halten, die einen gelben Aufkleber tragen. Andere bedauerten es nach dem Besuch, wenn sie keine Personen mit einem gelben Aufkleber gefunden hatten. Feedback und offene Interviews. Leider konnte nicht quantitativ festgestellt werden, wie viele Gespräche aufgrund der Aufkleber tatsächlich stattgefunden haben. Wie in den jeweiligen Versuchsanordnungen beschrieben, wurden die Besuchenden bei der Ausgabe der Aufkleber darum gebeten, dem zweiköpfigen Team der Studie beim Verlassen des Museums zu berichten, ob aufgrund der Aufkleber Gespräche mit anderen, unbekannten Besuchenden zustande gekommen waren. In beiden Studien wurde von einigen Personen diese Rückmeldung gegeben, so dass belegt ist, dass sowohl im Kunsthaus Zürich, als auch im Museum für Gestaltung Zürich durch die Kommunikationsampel Gespräche initiiert wurden. Jedoch hat die große Mehrheit der Besuchenden kein Feedback gegeben, weshalb die erhaltenen Rückmeldungen nicht repräsentativ sind. Es ist deshalb notwendig, in einer Folgestudie die Interaktion zwischen den Museumsbesuchenden in den Ausstellungsräumen systematisch zu beobachten und/oder alle Teilnehmenden nach ihrem Ausstellungsbesuch erneut zu kontaktieren, um ihre Erfahrungen

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und Erlebnisse mit dem Aufkleber zu erfragen. Nur auf diese Weise kann auch quantitativ beurteilen werden, welches Potential die Kommunikationsampel-Methode tatsächlich in den Räumen des Museums entfaltet. Mit einigen Teilnehmenden wurden während und nach ihrem Ausstellungsbesuch spontan offene Interviews geführt. Von den Befragten wurde die Methode sehr positiv bewertet, wie die folgenden Auszüge aus den Gesprächen im Kunsthaus Zürich und im Museum für Gestaltung Zürich zeigen. Im Kunsthaus Zürich äußerte einer der Befragten begeistert, dass der grüne Aufkleber für ihn „ein Freipass zum Sprechen im Museum sei“ und strich heraus, dass es zu einem „Bild“ nicht nur die Meinung der Fachpersonen gebe. Ein anderer Teilnehmer, der mit seiner Frau das Museum besuchte, sagte, dass es „sehr interessant und bereichernd [ist], wenn man seine Eindrücke mit jemand anderem austauschen kann.“ Seine Frau stellte fest, dass „im Museum zu wenig kommuniziert wird und dass es schön wäre, wenn da eine Öffnung stattfindet. Eine Aufforderung zum Kommunizieren.“ Ihr Mann fügte hinzu „vier Augen sehen besser, zwei Hirne fantasieren besser.“ - Beide zeigten sich sehr enthusiastisch gegenüber der Kommunikationsampel-Methode: „Es ist eine Bereicherung, wenn wir Eindrücke einander formulieren lassen“, so der Hobbyfotograf. Seine Frau, Fotokunst-Dozentin, ergänzt: „Die Bildwelt ist etwas ‚Außersprachliches’ und hat keine eigene Syntax. Die Bedeutungen sind unendlich. Das zu kommunizieren bringt viele neue Dimensionen rein.“ Angetan war auch eine Kuratorin aus New York, die feststellte, dass sie „es interessant findet, herauszufinden, was im Dialog mit Unbekannten im Museum passiert.“ – Sie selbst hatte einst ihren Ehemann im Museum kennengelernt, wie sie lächelnd berichtete. Im Museum für Gestaltung Zürich sagte eine Besucherin, dass „die Einteilung in ,fachliches Wissen’ (gelbe Aufkleber) und offene Gespräche, die auch private Gespräche sein können (grüne Aufkleber), eine gut Idee ist.“ Ein Mann teilte seine Überlegung mit, dass man diese Studie weiterentwickeln „und andere Möglichkeiten und Methoden suchen soll, um das Gespräch über Kunst und Kultur zu fördern.“ Er ergänzte, dass dies nicht nur im geschlossenen und elitären Rahmen passieren, sondern dass das kulturelle Gespräch mehr unters Volk kommen sollte.

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Eine junge Dame fand, dass man „im Museum schweigend durch die Räume geht“, und dass man sich sogar scheue, die eigene Begleitung anzusprechen. Sie denkt, dass „viele Leute sich nicht trauen, über die Exponate zu sprechen, da sie sich davor fürchten, nicht genug Wissen zu haben“ und fügte hinzu, dass man aber auf verschiedenen Stufen über die Exponate sprechen und auf diesem Weg auch „weiter kommen“ könne. Alle Interviews wurden auf Video festgehalten und finden sich auf der CD-ROM im Anhang dieser Arbeit (siehe auf der CD-ROM: Video Studie).

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X.II Zusammenfassung

Bemerkenswert ist, dass in beiden Studien die Faktoren Alter und Begleitung keine ausgeprägte Auswirkung auf die Gesprächsbereitschaft der Museumsbesuchenden hatten. Es hat sich somit gezeigt, dass sich die Methode zur Anwendung in allen Museen – unabgängig von der jeweiligen Zielgruppe – eignet. Dabei ist aufgrund der Ergebnisse zum Geschlecht anzunehmen, dass die Methode in Museen mit einem hohen weiblichen Besucheranteil besonders positiv aufgenommen wird. Aufgrund der in diesem Kapitel beschriebenen Erkenntnisse wird empfohlen, nur mit grünen und gelben Aufklebern zu arbeiten, wobei die Personen, die letztere auswählen, vor der Ausgabe des entsprechenden Aufklebers gefragt werden sollten, warum sie sich für diesen entschieden haben. Auf diese Weise wird das Risiko verringert, dass vermeintliche ,Expertinnen und Experten’ gelbe Aufkleber tragen, obwohl sie keine sind. Die Kommunikationsampel-Methode kann nach Rücksprache mit dem Verfasser frei genutzt werden. Um die Erkenntnisse aus weiteren Anwendungen sammeln und evaluieren zu können, wird ein Internet Blog eingerichtet (www.raumfuergespraech.org). Nutzerinnen und Nutzer der Methode sind dazu eingeladen, ihre Erfahrungen mit der Kommunikationsampel in diesem Blog mit anderen Interessierten zu teilen. Somit kann die Methode weiter gestestet und bekannt gemacht werden und es steigt die Chance, dass eines Tages an jeder Museumskasse grüne oder gelbe Aufkleber selbstverständlich für alle Besuchenden bereit gestellt werden – so, wie es ein Museumsmitarbeiter während der Studie im Kunsthaus Zürich als Vision skizziert und als Wunsch formuliert hatte.

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X.III RAUM FÜR GESPRÄCH

Hypothese. (1) Ein in einem Ausstellungsraum positioniertes Schild mit der Formulierung ‚Raum für Gespräch’ hat eine irritierende Wirkung und löst dadurch Gespräche zwischen einander unbekannten Museumsbesuchenden aus. Methodisches Vorgehen und Durchführung. Da die Vorstudie im öffentlichen Raum (siehe Kapitel VII.II) gezeigt hat, dass visuelle Irritationen mit dem Text ‚Raum für Gespräch’ Gespräche zwischen Menschen auslösen können, wurde dieses Konzept ins Museum übertragen. Das Museum für Gestaltung Zürich konnte auch für diese Studie als Partner gewonnen werden. Wie die Untersuchung zur ‚Kommunikationsampel’ wurde auch dieses Experiment in der Henri CartierBresson Ausstellung durchgeführt. Die Studie wurde am 23. April 2011 von 13 Uhr bis 17 Uhr realisiert. Der ‚Raum für Gespräch’ wurde in einem Raum in der Ausstellungsraum installiert, dessen szenographische Inszenierung mit Klavier, Sofa und einem dicken fransigen Teppichboden an ein Wohnzimmer erinnerte (siehe Abb. 23). Da ein Wohnzimmer assoziiert ist mit Gemütlichkeit und geselligem Zusammensein, wurde angenommen, dass sich dieser Raum besonders gut für die Studie eignet. Zudem wurde von der Museumsleitung die Umsetzung der Studie auf diesen Raum beschränkt. Aufgrund des Teppichbodens konnte in dem beschriebenen Ausstellungsbereich der ‚Raum für Gespräch’ nicht auf dem Boden appliziert und somit umgrenzt werden. Als Alternative wurde neben dem Sofa und somit zentral im Raum ein Ständer installiert, auf dem in Augenhöhe ein A3-Schild mit der Beschriftung ‚Raum für Gespräch, Espace de conversation, Chat zone’ angebracht war. Während des Beobachtungszeitraums wurde die Installation verdeckt mit einer Kamera gefilmt, die auf einem Fensterbrett an einem Ende des Raumes positioniert war. Bei der Auswertung des Filmmaterials wurde beobachtet, ob aufgrund der Irritation Gespräche zwischen Unbekannten stattfanden. Bei Personen, die auf das Schild reagierten, waren analog zu den vorher beschriebenen Studien

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Alterskategorie, Geschlecht und Begleitung weitere Beobachtungskategorien. Die Reaktionen auf das Schild und die Dauer der gegebenenfalls ausgelösten Gespräche sollten erfasst und ausgewertet werden.

Laufrichtung

Abbildung 23. Installation des Gesprächschildes mit dem Text: ‚Raum für Gespräch, Espace de conversation, Chat zone’ (ser Text befand sich auf der anderen Seite des Schildes)

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Ergebnisse. Die Hypothese, dass unbekannte Museumsbesuchende durch die beschriebene visuelle Irritation ins Gespräch kommen, konnte nicht bestätigt werden. Bei der Auswertung des Filmmaterials hat sich gezeigt, dass einige Besuchende das Schild aufmerksam gelesen und sich zum Teil auch mit ihrer Begleitung darüber ausgetauscht haben (siehe Abb. 24 bis Abb. 33). Jedoch wurde aufgrund des Schildes ,Raum für Gespräch’ kein Gespräch zwischen Unbekannten initiiert.

Abb. 24 - 26: Ein Mann geht auf das Schild zu, bleibt stehen und liest den Text. Er wirkt dabei irritiert.

Abb. 27 - 30: Ein junges Paar geht gezielt auf das Schild zu. Abb. 31: Vor der Installation zeigt der Mann auf das Schild. Abb. 32: Beiden lesen den Text. Abb. 33: Einige Sekunden blickt sich der junge Mann in dem Raum um und schmunzelt.

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Diskussion. Es wird angenommen, dass folgende Bedingungen ursächlich dafür sind, dass die Hypothese dieser Studie nicht bestätigt werden konnte: 1. Das Schild wurde nicht als Störung wahrgenommen. 2. Die Botschaft war unklar. Möglicherweise wurde das Schild auf den gesamten Raum bezogen und nicht auf einen begrenzten Kommunikationsraum um das Schild. 3. Die im Raum ausgestellten Bilder eignen sich nicht dazu, Menschen ins Gespräch zu bringen, da sie zuwenig Gesprächsthemen bieten. 4. Es waren nicht genug Besuchende gleichzeitig im Raum. Wie die Abbildungen zeigen, hat sich auch in dieser Studie die irritierende Wirkung des Spruchs ‚Raum für Gespräch’ auf Passantinnen und Passanten bestätigt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass es nicht ausreichend ist, diesen lediglich mit einem Schild zu markieren, da dieses nicht als Störung wahrgenommen wird (Annahme 1). Vielmehr ist es essentiell, den ‚Raum für Gespräch’ auch als solchen zu markieren und zu umgrenzen, um tatsächlich Gespräche zu provozieren. Ansonsten besteht das Risiko, dass die Installation auf den gesamten betreffenden Museumssaal bezogen wird und somit die Besuchenden aufgrund des Schildes lediglich den Rückschluss ziehen, dass nur in diesem Saal Kommunikation erlaubt ist. Die anderen Ausstellungsräume würden in der Folge als „Schweigezonen“ wahrgenommen, was dem Zweck des Forschungsvorhabens - nämlich Gespräche im Museum anzuregen - zuwiderlaufen würde (Annahme 2). Damit die Botschaft der Methode ‚Raum für Gespräch’ besser verständlich wird, könnte in einer weiteren Versuchsanordnung versucht werden, über das gesamte Museum verteilt ‚Gesprächsinseln’ (siehe Kapitel VIII.II) zu installieren. Es ist anzunehmen, dass die Wiederholung der Gesprächskreise als auf dem Boden und an verschiedenen Orten des Museums markierte ,Inseln’ mehr Irritation bei den Besuchenden auslösen würde. Wie unter Kapitel VIII.II beschrieben, wäre es bei dieser Erweiterung der Methode ‚Raum für Gespräch’ essentiell, die Installationsorte sehr sorgsam auszuwählen. Aufgrund der Ergebnisse dieser Studie wird angenommen, dass sich Räume, in denen kontroverse Exponate ausgestellt sind, besser dazu eigenen, Gespräche zu provozieren als solche, in denen – wie in der hier beschriebenen Studie - dies nicht der Fall ist (Annahme 3). Grund dafür ist,

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dass kontroverse Exponate mehr Gesprächsanlässe und –themen bieten und somit bei den Besuchenden ein höheres Bedürfnis besteht, sich dazu auszutauschen. Weiterhin ist darauf zu achten, dass es sich um hoch frequentierte Orte handelt, denn es ist denkbar, dass in der beschriebenen Studie die Methode unter anderem auch deshalb nicht funktionierte, weil sich nur wenige Personen gleichzeitig in dem betreffenden Museumssaal aufhielten (siehe Annahme 4). Zusammenfassung. Obwohl die Hypothese dieser Studie nicht bestätigt werden konnte sollte, die Versuchsanordnung ,Raum für Gespräch’ mit einem - entsprechend der in der Diskussion angeführten Analysen - angepassten und verbesserten Design nochmals im Museumskontext getestet werden. Denn wie erörtert ist weiterhin anzunehmen, dass der ‚Raum für Gespräch’ als ein auf dem Boden applizierter Störfaktor das Potential hat, Gespräche im Museum auszulösen. Dazu ist allerdings die Akzeptanz des vollständigen Designs durch die Museumsleitung eine wichtige Voraussetzung. Um die Methode ‚Raum für Gespräch’ in ihrer ursprünglichen gestalterischen Form in Museen umzusetzen, ist wohl noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten. Es ist davon auszugehen, dass - wie in dieser Studie geschehen - viele Ausstellungsplanerinnen und -planer den markierten ‚Raum für Gespräch’ als Eingriff in ihr szenographisches Konzept empfinden und daher entsprechende Ansätze ablehnen. Deshalb ist es umso erstrebenswerter, noch weitere Experimente zum ‚Raum für Gespräch’ im Museumskontext durchzuführen, um zu untersuchen, wie sich das im öffentlichen Raum nachgewiesene Potential dieser Methode für Museen nutzbar machen lässt. Erweist sich der ‚Raum für Gespräch’ als Methode, die auch in Museen funktioniert, ist anzunehmen, dass sich auch die Skepsis der museologischen Entscheidungsträger leichter überwinden lässt.

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XI FAZIT UND AUSBLICK

Wie im theoretischen Teil der Arbeit ausgeführt, sind Kommunikation und Austausch zentrale Bestandteile des sozialen Lebens. In unserer Gesellschaft ist es jedoch kein Leichtes, unbekannte Menschen an Orten des öffentlichen Lebens spontan anzusprechen. Damit dies geschehen kann, bedarf es unerwarteter oder irritierender Situationen. Es bedarf eines Ereignisses (siehe Kapitel II.V). Die Studie ‚Raum für Gespräch’ hatte zum Ziel, einfache gestalterische Methoden zu entwickeln, die sich dazu eigenen, Momente mit Ereignischarakter zu provozieren und somit in der Öffentlichkeit Kommunikation zwischen sich unbekannten Menschen anzuregen (siehe ,Praktische Anwendungen’, S. 58). Dafür wurden zunächst zwei Vorstudien im öffentlichen Raum durchgeführt. Die Resultate der ersten Vorstudie, einer qualitative Befragung, haben gezeigt, dass Menschen Gespräche zum Lernen nutzen, zur Pflege von Kontakten, zur Reflektion, zur Unterhaltung oder um sich Unterstützung zu holen (siehe Kapitel VII.I). In der zweiten Vorstudie konnte nachgewiesen werden, dass visuelle Irritationen an Orten des öffentlichen Lebens Passantinnen und Passanten dazu bringen können, sich mit anderen Personen auszutauschen (siehe Kap. VII.II). Basierend auf den Erkenntnissen aus diesen Studien wurde entschieden, die Studie ‚Raum für Gespräch’ in Museen vertieft zu untersuchen. Das Museum ist ein öffentlicher Ort – bereits per se ein Kommunikationsmedium –, an dem Menschen mit konvergierenden Interessen in ihrer Freizeit aufeinander treffen. Durch die Exponate werden den Besuchenden zahlreiche Impulse für Austausch und Gespräch gegeben. Dennoch findet in Ausstellungen kaum Kommunikation zwischen sich unbekannten Besuchenden statt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von der Tradition und Architektur von Museen über soziologische Faktoren bis hin zu divergierenden Absichten von Museumsleiterinnen und -leitern und wurden in Kapitel III ausführlich beleuchtet und reflektiert.

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Dabei bieten Gespräche während oder nach dem Museumsbesuch die Gelegenheit, sich noch einmal mit dem Gesehenen und Erlebten auseinander zu setzen – mit dem positiven Nebeneffekt, dass die erworben Erkenntnisse nachhaltiger im Gedächtnis gespeichert bleiben. Zweckfreie Gespräche zu ausstellungsfremden Themen können während des Museumsbesuches dazu dienen, sich von der Vielzahl an neuen Eindrücken zu erholen, wodurch der Museumsbesuch - größtenteils bestehend aus der Absorption neuer Information – weniger ermüdend ist (siehe Kapitel III.III). Es ist folglich anzunehmen, dass die gesprächsanregenden Methoden in diesem Kontext besonders wirksam eingesetzt und untersucht werden können. Entsprechend dieser Annahme erwies sich die Methode ‚Kommunikationsampel’, so genannt wegen der verwendeten Farbkennzeichnungen grün (Gesprächsbereitschaft), gelb (Kompetenz) und rot (keine Gesprächsbereitschaft), in der in dem Museum Casino Luxembourg - Forum d‘Art contemporain durchgeführten Vorstudie denn auch als aussagefähig und praktikabel und fand bei den Besuchenden sehr gute Akzeptanz (siehe Kapitel IX.II). Sie wurde deshalb in zwei weiteren, größer angelegten Hauptstudien im Kunsthaus Zürich und im Museum für Gestaltung Zürich weiter untersucht. Die Ergebnisse dieser Studien bestätigen, dass sich die Methode sehr gut dazu eignet, Kommunikationsbereitschaft unter einander unbekannten Museumsbesuchenden zu initiieren, diese erkennbar zu machen und Gespräche mit anderen, unbekannten Besuchenden zu provozieren. Eine wichtige Erkenntnis dieser Studien ist, dass Museumsbesuchende nicht nur gesprächsoffen sind, sondern auch dazu bereit, sich in eine exponierte Situation zu begeben, damit es zum Gespräch mit anderen Besuchenden kommen kann. Dass die Gesprächsbereitschaft unabhängig davon ist, ob Menschen mit oder ohne Begleitung das Museum besuchen und dass das Geschlecht und die Alterskategorie der Besuchenden für die Wahl eines Aufklebers nicht von Bedeutung sind, sind weitere wichtige Erkenntnisse aus diesen Studien (siehe Kapitel X.I.III). Insgesamt haben sich in den Studien zur Kommunikationsampel mehr als 65% der über 300 Teilnehmenden im Kunsthaus Zürich und im Museum für Gestaltung Zürich dazu bereit erklärt, ihre Kommunikationsbereitschaft optisch zu markieren und somit gezeigt, dass die

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Mehrheit der Museumsbesuchenden Kommunikationsanregungen im Museum begrüßt. Die Ergebnisse der Studien zur Kommunikationsampel belegen übereinstimmend die Kommunikationsbereitschaft und den Kommunikationsnutzen im Museum und liefern einen eindrücklichen Nachweis für das Gesprächsbedürfnis von Museumsbesuchenden. Im Rahmen der dritten Hauptstudie im Museum für Gestaltung Zürich wurde eine Modifikation der Methode ‚Raum für Gespräch’ realisiert. Dazu wurde in einem Saal der Ausstellung ein Schild mit der Beschriftung ‚Raum für Gespräch‘ neben einem Sitzarrangement positioniert. Bei dieser Intervention zeigte das Publikum eine deutlich geringere Akzeptanz und Reaktionsbereitschaft (siehe Kapitel X.III). Es ist anzunehmen, dass dieses Ergebnis v.a. auf die abweichende Umsetzung der originalen Installation zurückzuführen ist. – Der ‚Raum für Gespräch’ ist ursprünglich als kreisförmige Applikation auf dem Boden gedacht und hat sich als solche in den Vorstudien bewährt (siehe Kapitel VII.II). Damit er in dieser Form auch in Museen zum Einsatz kommen kann, ist jedoch wohl noch einiges an Überzeugungsarbeit gegenüber den zuständigen Museumsleiterinnen und -leitern zu leisten (siehe Kapitel X.II). In dieser Arbeit wurden neben dem ,Raum für Gespräch’ und der ,Kommunikationsampel’ weitere Methoden zur Kommunikationsanregung entworfen und ihre gestalterische Umsetzung skizziert (siehe Kapitel VIII). Museen sind dazu eingeladen, diese Methoden nach Rücksprache mit dem Verfasser anzuwenden, weiterzuentwickeln und zu evaluieren. Um die Ergebnisse entsprechender Studien festzuhalten, wird ein Internet Blog eingerichtet, den alle interessierten Ausstellungsplanerinnen und -planer nutzen können (www.raumfuergespraech.org). Nach dem Erfolg der Vorstudie ‚Raum für Gespräch‘ im öffentlichen Raum (siehe Kap. VII.II) steht diese Plattform auch für die Dokumentation und Diskussion von Studien zur Verfügung, die an anderen Orten des öffentlichen Lebens durchgeführt werden. Die Plattform hat zum Ziel, die in dieser Studie entwickelten Methoden zu etablieren. Dazu gehört auch die Weiterentwicklung ihrer visuellen Identität, damit die Marke ‚Raum für Gespräch‘ einen starken Wiedererkennungswert bekommt.

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Das Anliegen dieser Studie ist, den Weg frei zu machen für mehr Gespräch im öffentlichen Raum. Den Weg frei zu machen für ein neues Museum, in dem Menschen nicht nur empfangen und aufnehmen, sondern auch dazu eingeladen sind, sich zu äußern. Ein Museum, in dem sie die Gelegenheit erhalten, ihr „Menschsein“ zu manifestieren. Denn, um mit Hannah Arendt zu schließen, „[s]prechend und handelnd unterscheiden Menschen sich aktiv voneinander, anstatt lediglich verschieden zu sein“ (Arendt, 1960, S. 214).

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XII LITERATURVERZEICHNIS

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