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Ruth Innerhofer: Rezepte für ein gutes Leben
Es ist eine Autoimmunerkrankung, die einem das Leben schwer machen kann: Zöliakie. Ruth Innerhofer bekam die Diagnose im Jahr 2000. Eine Herausforderung, denn glutenfreie Produkte waren damals rar und schmeckten nicht. Da beschloss die gelernte Köchin, so lange zu tüfteln, bis ihr Knödel, Schlutzer und Kuchen gelangen und diese auch in ihrem Hotel für die Gäste anzubieten. Nun hat die 59-Jährige ein Kochbuch herausgebracht, indem sie ihr geballtes Wissen weitergibt.
PZ: Als Sie vor über 20 Jahren die Diagnose Zöliakie bekamen, war die Erkrankung für viele noch völlig unbekannt.
Ruth Innerhofer: Das war auch für mich kein Thema. Ich war zu dem Zeitpunkt mit meiner dritten Tochter schwanger und es ging mir sehr schlecht. Die Ärzte schoben es zunächst auf die Schwangerschaft, aber nach der Entbindung ging es mir nicht besser. Ich bin von Arzt zu Arzt gelaufen und hörte immer, es sei der Stress. Also fuhren mein Mann und ich in Urlaub. Doch von der erhofften Entspannung wurde nichts. Nach zwei Tagen war es so schlimm, dass wir noch auf der Rückfahrt am Bozner Krankenhaus einen Stopp gemacht haben. Das war mein Glück: Die Ärzte führten eine Gastroskopie durch und nach zwei Stunden wusste ich, was mich so beeinträchtigt hatte. Ich hatte keine Darmzotten mehr. Die Schäden, die durch die Zöliakie hervorgerufen wurden, waren also bereits beträchtlich. Ruth Innerhofer, Jahrgang 1962, besucht die dreijährige Hotelfachschule in Meran. Bei einem Praktikum in der Alten Mühle in Sand in Taufers entdeckt sie die Liebe zum Kochen und die Bedeutung der richtigen Technik. Bis 1982 arbeitet sie im elterlichen Betrieb Hotel Drumlerhof in Sand in Taufers. Dann geht sie nach München, wo sie zehn Jahre verschiedene Erfahrungen sammelt: Zunächst macht sie einen Abstecher in den medizinisch-technischen Bereich, bevor sie als Geschäftsführerin die bekannten Torggelstuben übernimmt. 1992 kehrt sie nach Südtirol zurück. Seither führt sie den Drumlerhof mit ihrem Mann Stefan Fauster. Nachhaltigkeit ist für sie nicht nur ein Wort, sondern wird im ganzen Haus gelebt. Ein Beispiel dafür ist das ganzheitliche Kochen. 2019 und 2020 zeichnet Falstaff den Drumlerhof für Nachhaltigkeit und Innovation aus. Glutenfreie Küche ist ein weiteres Aushängeschild des Hotels. Ihre Rezepte für ein rundum glutenfreies Esserlebnis hat Ruth Innerhofer nun in einem Kochbuch veröffentlicht: „Know-how glutenfrei – 66 Rezepte für alle Teige - Nudel, Knödel, Brot, Kuchen, Kekse“, Raetia, 24,90 Euro. www.drumlerhof.com

PZ: Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, die durch eine fehlgeleitete Immunreaktion auf das Klebereiweiß Gluten ausgelöst wird. Die Therapie ist auf den ersten Blick denkbar einfach: Betroffene müssen auf Gluten verzichten.
Was bedeutet das aber wirklich?
Ruth Innerhofer: Als ich mit der Diät angefangen habe, ging es mir sehr schnell besser. Wenn man so unter den Beschwerden zu leiden hat, dann verzichtet man gerne auf Lebensmittel, die Gluten enthalten. Brot, Grissini, Knödel, Schlutzkrapfen, Kuchen, die Liste ist lang. Trotzdem war es für mich nicht einfach. Die wenigen Fertigprodukte, die es damals gab, schmeckten mir nicht. Über drei Jahre habe ich kein Stück Brot mehr gegessen. Irgendwann sagte ich mir, du hast selbst kochen gelernt, probier doch mit glutenfreiem Mehl das zu kochen, was du gerne essen würdest. Meine Rezepte von damals sind heute wieder überholt. Denn es hat sich viel getan. Bindemittel sind bei glutenfreier Küche zum Beispiel ein Problem. Hier gibt es mittlerweile gute Alternativen. Oder auch die Mehle. Früher habe ich meine Urlaube hauptsächlich damit verbracht, in deutschen Reformhäusern nach Mehlen zu suchen. Das Angebot heute ist riesig.
PZ: Im Hotel Drumlerhof bieten Sie Ihre glutenfreie Küche auch für Gäste an.
Ein Erfolgsgeheimnis?
Ruth Innerhofer: Wenn wir 60 Leute im Haus
haben, essen davon 20 glutenfrei. Unsere Gäste spüren, dass wir das Thema sehr ernst nehmen. Gerade weil ich selbst betroffen bin, weiß ich, wie wichtig das ist. Wir haben zwei getrennte Küchen. Und wenn wir den Service in einer Küche machen, dann läuft dort alles getrennt ab. Nur zwei Beispiele: Wir haben zwei Fritteusen, keine Pfanne, die für glutenfreie Küche verwendet wird, wird je mit Weizenmehl in Kontakt kommen. Viele Menschen fragen heute nach glutenfreien Speisen, und viele Restaurants und Hotels bieten diese an. Sehr oft ist es aber eine halbgare Sache. Wenn etwas im gleichen Ofen gebacken wird, dann kann der Teig schon glutenfrei sein, das Endprodukt ist es aber nicht mehr.
PZ: Die Idee mit dem Kochbuch tragen
Sie schon länger mit sich herum.
Ruth Innerhofer: Viele Gäste haben mich nach Rezepten gefragt. Mir wurde das irgendwann zu viel, und ich dachte, warum nicht alles, was ich bisher herausgefunden habe, sammeln? Deshalb heißt das Buch auch Know-how glutenfrei.
PZ: Sie haben sich bewusst dafür entschieden, keine Rezepte für Rinderfilet oder Gulasch aufzuschreiben, sondern 66 Teigrezepte. Warum?
Ruth Innerhofer: Ein Mensch, der Zöliakie hat, will wissen: Wie mache ich Brot, Focaccia, Pizza? Bekomme ich leckere Kekse für Weihnachten hin? Das Filet schafft er auch ohne mein Kochbuch. Mein Ziel war immer, alles identisch glutenfrei hinzubekommen. Tortelli, Schlutzer, Kartoffeltaschen. Je mehr ich damit gearbeitet habe, umso mehr Ideen habe ich bekommen. Mein Hauptbindemittel heute ist nicht das sonst so vielfach verwendete Guarkernmehl, sondern die gekochte Kartoffel.
PZ: Lactose, Fructose, Histamin, Kreuzintoleranzen - Köche müssen sich heu-

Standardwerk für Zöllis: Das Kochbuch von Ruth Innerhofer
te viel mit Ernährung auseinandersetzen. Werden Intoleranzen ausreichend ernst genommen?
Ruth Innerhofer: Es hat sich viel getan, und es ist für Betroffene sicher leichter geworden. Manchmal fehlt ganz klar das Verständnis dafür, dass zum Beispiel bei Zöliakie eine Kontamination ausreicht, damit ein Betroffener gewaltige Symptome entwickelt. Die Einstellung zum Thema hängt aber auch mit Menschen zusammen, die meinen, glutenfrei zu essen, sei eine Form von Diät, die schlank mache. Es ärgert mich sehr, wenn jemand sich als glutenfreier Esser anmeldet, dann bei der Nachspeise aber doch nicht auf das klassische Schokotörtchen verzichten will. Genau deshalb meinen viele, dass es nicht weiter schlimm sei, und wir Betroffenen werden nicht ernst genommen.
PZ: Gehen Sie selbst gerne essen?
Ruth Innerhofer: Ich habe kein Problem damit, auf etwas zu verzichten. Wenn ich keine Milch vertrage, dann trinke ich meinen Kaf-




Schokobrownies - ein Genuss
fee eben ohne – es muss nicht überall die Variante in Soja oder Hafer geben. Beim Essen geht es aber ums Soziale, und da habe ich mich oft ausgebremst gefühlt. Ich erinnere mich, wie ich vor 20 Jahren viele Abende in Gesellschaft erlebt habe, wo es nichts gab, das ich essen konnte. Natürlich gehe auch ich gerne essen. Aber es ist selten wirklich unbeschwert. Ein Beispiel: Vor zwei Jahren hat mich mein Mann in München zum Essen in ein feines Restaurant eingeladen. Glutenfrei? Kein Problem hieß es bei der telefonischen Reservierung. Ich musste nach dem Gruß aus der Küche aufstehen und gehen, weil die Beschwerden sofort da waren. Da brauche ich eine Woche, um mich davon zu erholen. Es gibt aber auch Restaurants und Hotels, wo meine Intoleranz ernst genommen wird, und da gehe ich gerne hin.
PZ: Ihr Kochbuch in kurzen Worten? Ruth Innerhofer: Es ist ein Handbuch für Zöllis mit Rezepten, die ich vor 20 Jahren auch gerne gehabt hätte. Damit können Betroffene so gut leben wie zuvor – nur ohne Be-
schwerden. // Interview: Verena Duregger Suchen Mitarbeiter Mitarbeiter
Tel.: 0472 86 90 29 www.gruber-steinmetz.it