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Andrea Irsara: Einen guten Koch erkennst du am Risotto“

ANDREA IRSARA „Einen guten Koch erkennst du am Risotto“

Viele Wege führen zum Kochen. Der von Andrea Irsara begann am väterlichen Herd, ging über die Toskana quer durch Europa und wieder zurück in die Heimat. Verena Duregger hat seine Geschichte in „Genussregion Südtirol“ aufgeschrieben. Im Kochbuch erzählt Irsara, warum er nichts davon hält, zu lange am fertigen Gericht herumzubasteln, was er in seiner Küche anders als sonst üblich häufig verwendet und wie wichtig ihm eine kleine Berghütte als Rückzugsort ist. Porträt über einen, der gelernt hat, dass man manchmal gehen muss, um bleiben zu können.

Andrea Irsara sitzt in der getäfelten Holzstube. An der Wand hängen ein geschnitzter Herrgott und ein schwarzer Trachtenhut mit der langen Schleife, wie ihn die Frauen im Gadertal zu besonderen Anlässen tragen. Das Bild daneben zeigt Anna, Andreas Großmutter. Der kleine Raum mit den drei Tischen ist eine typische Südtiroler Stube und mehr als das. Es ist der beste Ort, um Andreas Geschichte zu erzählen. Hier hat alles angefangen.

In dieser Stube kam Papa Hermann zur Welt. Hier arbeitete die Tante als Dorfschneiderin. Oma Anna verbrachte hier ihr Leben. Im ganzen Dorf wussten die Kinder, dass die gelernte Köchin immer etwas Selbstgebackenes in der großen Holzkommode hatte und kamen vorbei, um ein Stück Kuchen oder ein paar Kekse zu naschen.

Badia, Abtei, ist ein kleiner Ort in den Dolomiten. Eine Gegend, die im Sommer wie gemalt scheint und im Winter Skifahren zum Erlebnis zwischen Sellaronda und Kriegerrunde macht. Die Künstler hervorgebracht hat und begabte Musikerinnen. In der die Menschen eine für Außenstehende geheimnisvolle Sprache sprechen: Ladinisch.

Eine echte Familienangelegenheit: Andrea Irsara führt das Hotel Gran Ander mit seiner Frau Evelyn.

Der Heiligkreuzkofel, einer der schönsten Berge der Gegend, thront über den Häusern. Eine atemberaubende Kulisse. Ein Platz wie gemacht zum Bleiben. Und doch zieht es gute Köche zunächst hinaus aus dem Tal. Das war bei Hermann Irsara schon so. Mit 15 Jahren ging er zur Kochlehre nach Levico Terme, kochte in Venedig, Davos und in Paris. Omelette für Sophia Loren, auch Diven mögen einfache Speisen. „Er hat immer in die Zukunft gedacht”, sagt Andrea Irsara über seinen Vater. Als der zurück nach Hause kommt und sich mit seiner Frau Rita das Hotel Gran Ander (das ist Ladinisch und heißt große Höhle, wie die Höhle auf dem Berg Gardenacia, der sich hinter dem Hotel erhebt) peu à peu aufbaut, sind Andrea und seine Zwillingsschwestern immer in der Küche willkommen. Sie dürfen einfach machen. Als Andrea sechs Jahre alt ist, sagt er zu seiner Mutter: „Ich will Koch werden.” Geschmack und Hingabe – das hat er von seinem Vater gelernt. Und dass man gehen muss, um bleiben zu können.

Andrea kocht sich von der Toskana quer durch Europa. Die allerbeste Station aber liegt gar nicht weit entfernt. Sternekoch Karl Baumgartner zeigt ihm die hohe Gastrono-

Plin, Topfen, Kräuter, Almbutter, Flechten und Saubohnen machen dieses Gericht zu etwas Besonderem. Andrea Irsara ist Küchenchef aus Leidenschaft. Alle Fotos: Matthaes Verlag/Uwe Spörl Bei Risotto macht Andrea Irsara keine Kompromisse. Im Kochbuch präsentiert er ein Rezept mit Zirbe, Kalbsbries, Apfelbalsam und Freiland-Bottarga.

Das Menü erinnert an ein abgerissenes Blatt einer Einkaufsliste. Eine Erinnerung an die Zettel, mit denen Mama Rita Andrea als Kind zum Einkaufen schickte.

mie. Wie guter Wein reift die Idee in ihm heran, irgendwann ein eigenes Gourmetrestaurant zu eröffnen. „Mach”, sagt sein Vater, „aber vergiss nicht, auch selbst immer zu leben.”

2013 eröffnet er in der Stube das kleinste Restaurant des Tals. Drei Tische. Was aussieht wie ein abgerissenes Blatt einer Einkaufsliste, ist das handgeschriebene Menü. Eine Erinnerung an die Zettel, mit denen Ma- Gourmetführer: Mit zehn anderen Köma Rita Andrea damals zum Dorfbäcker zum Einkaufen chen präsentiert Irsara seine Rezepte in Genussregion Südtirol, Matthaes Verlag. geschickt hat. Seine Wurzeln prägen ihn. Viele Rezepte sind aus Großmutters Zeiten überliefert. Mit seinen Tellern will er auch die Geschichte seiner Heimat erzählen. Die beginnt in Andrea Irsaras Restaurant mit traditionellen Speisen, die er abwandelt. Kleine Leberknödel in der Suppe. Tirtlan, die gebackenen runden Teigfladen mit unterschiedlicher Füllung. Oder Kartoffelblattlan mit Sauerkraut. Es reizt ihn, Neues aus Altbekanntem zu machen und seine Gäste damit zu überraschen. „Innereien mag eigentlich keiner”, sagt er. Andrea arbeitet viel mit Bries, Nieren, Milz, Leber und verfeinert die Innereien so, dass sie jedem schmecken. Seine Milzschnittensuppe: ein Renner. Das, was alle machen, treibt ihn nicht an. „Wenn ich irgendwo essen gehe, will ich ja schließlich auch was erleben.” Im Gran Ander heißt das, schon mal herzhaft in Tannenzapfen zu beißen.

Die besten Ideen für seine Küche kommen ihm beim Wandern. In der Natur fühlt er sich frei. Eine halbe Stunde vom Hotel entfernt hat er sich zusammen mit einem Freund eine kleine Hütte >>

„Der ist ein echter Südtiroler!“

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Südtirol Es ist in unserer Natur

Handwerker: Am Herd ist Andrea Irsara in seinem Element. Weinbegleitung: Zu einem guten Essen gehört der passende Wein. Andreas Frau Evelyn kümmert sich um den Weinkeller. Alle Fotos: Uwe Spörl

gekauft. Oben am Gardenacia. Seine kleine Höhle. Hier schaltet er ab, hier probiert er herum, hier tankt er auf. Die Natur begleitet ihn dabei. Und die Tannenzapfen, die er für sein Restaurant sammelt. Eier, Käse, Graukäse, Fleisch bekommt er von jungen Bauern aus der Gegend. Das Kitz, das er seinen Gästen dann serviert, wird von Bauer Iaco einmal täglich gestreichelt. „Das merkst du dem Produkt an”, sagt Andrea. Die materia prima, die Rohstoffe, erlauben keine Kompromisse. Und noch so ein Prinzip von Andrea Irsara? „Wenn der Koch zu lange am Teller herumbastelt, wird es kalt.”

Vier bis fünf Handgriffe – mehr braucht er nicht, um eine Speise zu arrangieren. Er spielt lieber mit der Keramik. Genug Farbe und Abwechslung. Bei seinen natürlich wie alle Teigwaren von Hand gemachten Cappelletti mit Spanferkel, Ochsenschwanz und Heusuppe kommen drei grüne Blätter drauf. „Basta. Mehr ist nicht”, sagt

„Radio ist das Begleitmedium Nr. 1 und damit mitten unter uns!“

Albert Dejaco (Radiomoderator)

er und lacht. Vier Köche stehen mit ihm in der Küche und versorgen neben den Restaurantgästen auch die Urlauber im Hotel. Jeder selbst gemachte Teller Pasta wird von den Köchen persönlich am Tisch serviert.

Tante Maria, die Schneiderin, ist heute Andreas Kräuterhexe. Jeden Morgen geht sie eine Stunde in den Wald gleich hinter dem Haus und schaut, was gerade wächst. Zigori, Gundelrebe, Guter Heinrich, Giersch, die Andrea dann nach Verfügbarkeit verarbeitet. „Es ist viel spannender, weil man tüfteln kann und gefordert ist.” Die Löwenzahnknospen legt Andrea in Essigwasser ein und gewinnt daraus wilde Kapern. Aus den Zirbelkiefern macht er macht er Öl. Überhaupt das Öl: Sesam, Sonnenblumen, Kürbiskern – alles selbst gepresst. Das ist nicht wie beim Großhändler zu bestellen und alles verfügbar zu haben. Er kocht das, was gerade da ist. So wie die Erika, die er in der Küche zum Trocknen ausgebreitet hat. Er braucht sie für ein neues Gericht mit Saibling.

Zeit für einen Risotto mit Zirbe, Kalbsbries und Apfelbalsam. Andrea stellt einen großen Topf auf den Herd und gibt Reis hinein. Die Zwiebeln hat er vorher in Öl angeschwitzt, nie würde er sie mit dem Reis in die Pfanne geben. Einen guten Koch erkennst du am Risotto, sagte sein Vater immer. Bei diesem Gericht machen die Irsaras keine Kompromisse: Wenn Andrea einen neuen Koch einstellen will, lässt er ihn Risotto kochen. Während er den Reis rührt, erzählt er, dass er nur Natursalz verwendet und dass in seine Pizza Naturhefe, Lievito Madre, kommt. Er rührt weiter und gibt Fleischsuppe hinzu und rührt und erzählt. Dann kommt das Kalbsbries in die Pfanne und gefrorene Butter ins Risotto (noch so ein Geheimtipp). Und Andreas Frau Evelyn zur Tür herein.

Sie ist eigentlich Lehrerin. Aber im Gran Ander war so viel zu tun, dass sie beschloss, ihrem Mann zu helfen. Sie kümmert sich um den Weinkeller. Die Wendeltreppe vom Speisesaal zu den Weinen hat Andrea selbst geschmiedet. Er ist eben Handwerker durch und durch und das kleine Reich mit Verglasung nach oben sein ganzer Stolz. Evelyn stellt eine Flasche Nebbiolo auf den Tisch in der Stube. Mittags trifft sich die Familie meistens hier. Mama Rita kostet den Zirbenrisotto und lächelt zufrieden. „Essen war in unserer Familie immer schon wichtig. Ich sehe Andrea noch heute vor mir, wie er mit den Pfannen in der Küche spielt, Kartoffeln schält und Hermann mit Fragen löchert.” Papa Hermann ist heute nicht mehr da. Aber sein Geist ist überall.

Als Andrea Irsara damals nach einem Namen für sein Restaurant suchte, musste er nicht lange überlegen. Stüa dla Lâ, Omas Stube, hat er sein Gourmetrestaurant genannt. Seine Wurzeln haben ihn zu dem gemacht, der er heute ist. // Verena Duregger

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