Christliches Medienmagazin PRO 1/2024

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„Wir reden hier vom größten Diebstahl der Geschichte“ Mika Beuster ist Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). Er findet: Systeme mit Künstlicher Intelligenz können nützliche Werkzeuge sein. Doch aktuell bereicherten sich große Konzerne an der Arbeit von Journalisten. Nicolai Franz

Mika Beuster: Indem man zum Beispiel bei Texten angibt, welche KI-Werkzeuge dazu benutzt wurden. Einige Medien machen das bereits. Wir müssen aber unterscheiden, in welcher Tiefe solche Systeme eingesetzt werden. Wenn sie bloß einfache, sich wiederholende Aufgaben übernehmen, ist das etwas anderes, als wenn sie ganze Texte übersetzen. Da brauchen wir die Kennzeichnung, weil Journalismus von Glaubwürdigkeit lebt. Und die ist an Menschen geknüpft. Wenn ich als Nutzer einer Zeitung Texte lese, dann gehe ich davon aus, dass sie von Menschen gemacht sind. Wenn das nicht so ist, muss das transparent gemacht werden.

Foto: Frank Sonnenberg

Experten fordern, bei der Nutzung von KI muss am Anfang und am Ende der Mensch stehen. Der Mensch gibt der Maschine eine Aufnahme und überprüft am Ende das Ergebnis. Künstliche Intelligenz kann viel Gutes bewirken im Journalismus. Zum Beispiel beim Prüfen von Fakten: Per Rückwärtssuche kann man den Ursprung eines Bildes finden, mit Dateninstrumenten kann man große Mengen an Daten auswerten, was ohne maschinelle Methoden kaum möglich wäre. Man kann KI aber auch für Schlechtes einsetzen: Wenn die menschliche Kontrolle fehlt, leidet darunter die Qualität und die Glaubwürdigkeit des Journalismus, weil die KI bisweilen halluziniert. Sie erfindet aus Fragmenten neue Tatsachen, die nicht der Wahrheit entsprechen. Daher ist die menschliche Prüfung und Abnahme wichtig.

Wollen Sie als DJV eine harte Kennzeichnungspflicht, also ein Gesetz?

Grundsätzlich gilt: je verbindlicher, desto besser. Aber das Thema ist wichtig, zum Beispiel im Krieg gegen die Hamas. Da sehen wir gefälschte Fotos, beispielsweise eine Gruppe palästinensischer Kinder in den Trümmern – und erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass sie sechs oder sieben Finger haben, weil die KI versagt hat. Wenn solche Fakes reale Auswirkungen auf die Politik und sogar Menschenleben haben können, dann müssen wir unbedingt verbindliche Regeln für den Umgang mit dieser Technik finden.

Professionelle Medien in Deutschland unterliegen deutschem Recht. Aber wie will man die Anbieter von KI-Systemen einhegen, die aus aller Welt kommen? Ja, die ducken sich weg, dabei bedienen sie sich am geistigen Eigentum Anderer, um ihre Systeme zu trainieren. Wir reden hier vom größten Diebstahl der Geschichte. Es wird versucht, Werke von Autoren und Journalisten aus Europa einfach zu nehmen und in den USA in eine Wertschöpfungskette einzubauen, die nur den Konzernen nutzt, ohne dass die Urheber etwas davon haben. Wenn wir in Europa weiterhin funktionierende Medien haben wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass sie sich auch finanzieren können. Deswegen dürfen wir es nicht zulassen, dass KI-Anbieter das geistige Eigentum von Autorinnen und Autoren klauen. Aber die Frage ist: Kümmert man sich im Silicon Valley wirklich um europäisches Recht? Das bezweifle ich.

Um die Urheber zu vergüten, müssten die Firmen ihre eigenen Datenquellen offenlegen. Ja, und diese Transparenzpflicht fordern wir auch in unserer KI-Stellungnahme.

Was halten Sie vom „AI Act“ der Europäischen Union, also dem Vorschlag für ein europäisches KI-Gesetz? Es ist sehr gut, dass auf europäischer Ebene KI reguliert werden soll! Wir haben als Journalistenverband zusammen mit anderen europäischen Kollegen versucht, Transparenz- und Kennzeichnungspflichten in die Texte zu bringen. Die großen Konzerne wollten das verhindern, indem sie versucht haben, jegliche Regulierung abzuwenden. Das ist ihnen nicht gelungen. Sicher hätten wir uns diese Gesetzgebung noch eine Spur schärfer gewünscht. Aber sie ist der erste Versuch, diese Technologie mit juristischen Mitteln zu regulieren. Allein das finde ich schon gut.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die größten Befürchtungen in Bezug auf KI Anteil der Befragten, die folgende Sorgen bezüglich Künstlicher Intelligenz haben

29% Bedrohung der Demokratie durch gefälschte/verzerrte Inhalte

28% Ersetzen von menschlicher Arbeitskraft

14% Auswirkungen auf Privatsphäre und Datenschutz

9% Ungeklärte Haftung bei Schäden/Unfällen

7% Keine

4% Etwas anderes

Basis: 2.039 Befragte (ab 18 Jahre) in Deutschland;

Differenz zu 100%=Weiß nicht/keine Angabe; 03.05.-05.05.2023

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Quelle: YouGov (CC BY-SA)

PRO: Der DJV fordert eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte. Wie soll das konkret aussehen?

Mika Beuster mahnt, dass Urheber vergütet werden müssen


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