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ARCHITECTURAL DIGEST. Stil, Design, Kunst & Architektur

Deutschland Juni 2020 / 8 Euro

Kraftorte

Sechs Variationen über das, was wir Zuhause nennen

Starke Stimmen Begegnungen und Gespräche mit India Mahdavi, Pierre Yovanovitch, Jan Gehl und Christian Haas

Special Bad & Spa Neuheiten 2020

Hier & Jetzt Wo stehen wir, wovon träumen wir, was inspiriert uns wirklich? Eine Momentaufnahme


IMAGINATION TAKES FLIGHT









13 Editorial 14 Impressum 17 AD stellt vor

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Stil 18

Neuheiten Der Zeit stets voraus: Die jüngste Kollektion von Muller Van Severen ist ein Balanceakt zwischen Kunst und Design – für das Interior von morgen.

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Interview N˚ 2 Axel Meise denkt Licht immer wieder neu. Ein Gespräch über 20 Jahre Occhio und Leuchten mit Lagerfeuer-Feeling.

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Attitude Was jetzt zählt: Wir haben Künstler und Unternehmerinnen, Designer und Sammlerinnen gefragt, was sie bewegt.

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Interview N˚ 3

20 Porträt Giancarlo Valle 22 Porträt Studio Besau-Marguerre 24 Thema Lila

Das Wichtigste ist jetzt Empathie. Sagt Christian Haas, Deutschlands leiser Designstar aus Porto.

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Interview N˚ 1

Garten

Was sich zwei der besten Interiordesigner der Welt, Pierre Yovanovitch und India Mahdavi, längst einmal sagen wollten …

In Marokko erschuf Umberto Pasti eine Landscha , in der Rosen wachsen, Lilien – und etwas ganz Seltenes: Glück.

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India Mahdavi + Pierre Yovanovitch

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Erfrischend!

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Bad Special 51 Armaturen 52 Duschen 53 Bette 54 Wannen 56 Material 58 Salvatori 60 Waschbecken 62 Stauraum

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Interview N˚ 4 Wie man ein zeitgemäßes Home-Spa gestaltet – wer könnte das besser wissen als Gesa Hansen und O o Braun?

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Inhalt Juni 97

Leben 98

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Marokko erblüht!

L. A. Melange Studio KO verwandelten das einstige Anwesen eines Pornoproduzenten in eine paradiesische Fantasie.

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Der große Unsichtbare So wohnt Luis Laplace – der Designstar, der gern in seinem Werk verschwindet!

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Eintauchen, bitte! Hinter einem Treppenhaus mit Zacken und Kanten erwartet uns in Treviglio die submarine Welt des Daniele Daminelli.

126

Ornament und Vergnügen Wie schenkt man einem kantigen Bau in Altadena Wärme? Etwa mit zitrusfrischen Tapeten, weiß Frances Merrill.

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Der Schamane In seinem Altstadthaus in Bayonne beschwört Christian Astuguevieille die Ausgeburten seiner Fantasie.

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Cover: Laure Joliet; Porträt: Matthieu Salvaing; Fotos: Ngoc Minh Ngo; Manufactum; Via; Stephen Kent Johnson

Der Duft der Frauen

Turmherren

Guerlain zählt zu Frankreichs Kulturerbe. Wegen der legendären Düfte, vor allem aber, weil das Haus die Schönheit feiert.

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Interview N˚ 5 Wohin geht das Leben in unseren Städten? Drängende Fragen an Dänemarks Stadtplaner-Legende Jan Gehl.

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Kunst Weil die Zeitgenossen noch nicht bereit waren, vermachte sie ihr Werk der Zukunft. Jetzt sind wir reif für Hilma af Klint! 90 Bücher

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Interview N˚ 6 Wie weiter? Die Reisebranche stellt sich derzeit viele Fragen. Ein Hotel auf Kreta hält bereits ein paar Antworten parat.

Ihr Designbüro heißt Commune, nun wurden Steven Johanknecht und Roman Alonso in L. A. tatsächlich Nachbarn. Auf dem Cover: Eine Zitrustapete und Stahlträger in Beerentönen – so nimmt Frances Merrill einem Sixties-Bungalow die allzu sperrige Note.

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Chez Commune

152 Summaries 156 Apropos 158 Genie & Spleen



AD Editorial

„Unter der Glasglocke des Augenblicks blühen und reifen längst schon unsere Pläne und Träume von übermorgen – wie Blumen, wild und schön.“

Foto: Ngoc Minh Ngo; Porträt: René Fietzek

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enn Umberto Pasti inmitten seiner Gladiolen steht und in die weiten Hügel von Rohuna (o.) blickt, erinnert ihn das an die gemalten Landschaften des Quattrocento. Seit über 35 Jahren lebt der gebürtige Italiener als Gärtner und Schriftsteller in Marokko, um dort die bedrohte Flora zu schützen. Im Norden des Landes hat er sich über zwei Jahrzehnte hinweg selbst einen riesigen Garten angelegt, den man wohl getrost als Paradies bezeichnen darf (siehe S. 44). Wo einst nur noch einige vertrocknete Feigenbäume im Wind ächzten, breitet sich heute zwischen Korkeichen, Steineichen, Mastixbäumen und blühenden Lichtungen ein Ort aus, wild und schön, mit Themengärten wie einem Italienischen Garten, in dem Pasti mit Olivenbäumen, Myrten und Agapanthus die Gewächse seiner Jugend versammelt hat, oder einem Ägyptischen Garten, dessen Palmen an die Luxors erinnern. Das Herzstück bildet der „Giardino della Consolazione“, der Garten des Trostes, dessen für die Gegend typischen Madonnenlilien und Feeniris unmittelbar deutlich machen, was Pasti meint, wenn er sagt: „Die Natur genießen heißt für mich zu lernen, keine Angst mehr zu haben.“ Der Satz geht mir seit Wochen nicht mehr aus dem Sinn, in dieser Zeit,

in der wir alle mit großen Sorgen in unsere Zukunft schauen. Für jeden von uns, für unsere ganze Gesellschaft ist dies der Moment, wo wir so grundlegend wie noch nie in unserem Leben unser Verhältnis zu der uns umgebenden Welt und dem, was wir aus ihr gemacht haben, infrage stellen. Unser Verhältnis zu den Strukturen der Wirtschaft, zu der fast zu Tode geschundenen Natur, zu unserem Begriff von Luxus, zu Reichtum und Armut, zu Demokratie und Macht. Wie fühlt es sich an, dieses Hier und Jetzt, wenn wir an Orte wie den Garten Umberto Pastis denken und die tiefe Sehnsucht spüren, die Bedingungen unseres Lebens neu abzustecken, voller Strenge und Sanftmut zugleich? Unsere aktuelle Ausgabe möchte vor allem eine Momentaufnahme sein und stellt einige starke Stimmen in den Mittelpunkt. Wovon träumen wir jetzt, was schenkt uns Kraft und was inspiriert uns gerade – das haben wir Gestalter wie India Mahdavi, Pierre Yovanovitch, Christian Haas, Axel Meise, Jan Gehl und viele andere gefragt. Schon lange nicht mehr haben wir alle wohl in diesen Wochen unser Zuhause so sehr als einen Ort der Geborgenheit erlebt – das wird bleiben und noch viel stärker werden, davon sind wir überzeugt. Auch wenn wir uns gerade noch wie unter einer Glasglocke fühlen, reifen und blühen darunter doch längst die Pläne und Träume von übermorgen. Wie die Gladiolen in Rohuna, wild und schön. ‹

O liver Jahn

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ARCHITECTURAL DIGEST. STIL, DESIGN, KUNST & ARCHITEKTUR erscheint in der Condé Nast Germany GmbH Oskar-von-Miller-Ring 20, 80333 München Telefon 089 38104-0 mail@condenast.de, www.condenast.de ad@admagazin.de, www.admagazin.de

Chefredakteur Oliver Jahn

Redaktion Stv. Chefredakteur & Style Director Dr. Simone Herrmann Art Director Inka Baron Textchef & Kunst Barbara Gärtner Managing Editor Eike Schrimm Interior/Küche/Bad Karin Jaeger Textredaktion Andreas Kühnlein, Dr. Uta Seeburg, Florian Siebeck Stil Sally Fuls (Ltg.), Mona Bergers, Lilian Ingenkamp, Nina Luisa Vesic, Friederike Weißbach Bildredaktion Thomas Skroch (Ltg.), Isa Lim, Samantha Taruvinga Art Department Viviana Tapia (Stv. Art Director), Selina Lang Assistenz der Chefredaktion Johanna Hänsch Mitarbeiter dieser Ausgabe Andrea Brandis, Dr. Antje Korsmeier, Reinhard Krause, Sophia Lierl, Iain Reynolds, Christof Rostert Autoren dieser Ausgabe Larissa Beham, Gesine Borcherdt, Kathryn Romeyn, Mayer Rus, Dr. Julia Voss Fotografen dieser Ausgabe Alexis Armanet, Stephen Kent Johnson, Laure Joliet, Gaëlle Le Boulicaut, Ye Rin Mok, Ngoc Minh Ngo, Silvia Rivoltella, Matthieu Salvaing, Ambroise Tézenas Illustrator dieser Ausgabe Emiliano Ponzi

Büro Mailand Anna Riva, Paola Dörpinghaus Tel. +39 02 29000718, p.dorpinghaus@condenast.it Büro New York Christina Schuhbeck Tel. +1 212 2866856, christina_schuhbeck@condenast.com Schlussredaktion/Dokumentation Lektornet Syndication syndication@condenast.de Redaktion admagazin.de Andreas Kühnlein (Ltg.), Valerie Präkelt (Feature & Social Media Ltg.), Clara Westhoff (Trainee) Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt Oliver Jahn Vertrieb Abonnement-Betreuung Deutschland und Österreich: AD ARCHITECTURAL DIGEST Leserservice Postfach 290, 77649 Offenburg Tel. 0781 6394509 E-Mail: abo@ad-magazin.de, www.ad-magazin.de/abo Jahresabonnement: 68 €; Studenten (gegen Nachweis): 34 € Schweiz: AD ARCHITECTURAL DIGEST Leserservice Postfach, 6002 Luzern, Tel. +41 41 3292244 E-Mail: ad@leserservice.ch, Jahresabonnement: 115 sfr Andere Länder: Adresse siehe Deutschland, Preise auf Anfrage AD ARCHITECTURAL DIGEST (German) (USPS no 24066) is published monthly by Condé Nast Germany. Known Office of Publication: Data Media (A division of Cover-All Computer Services Corp.), 660 Howard Street, Buffalo, NY 14206. Periodicals postage is paid at Buffalo, NY 14205. Postmaster: Send address changes to AD ARCHITECTURAL DIGEST, Data Media, P.O. Box 155, Buffalo, NY 14205-0155. E-Mail: service@roltek.com, toll free: 1-877-776-5835 Bestellung von Einzelheften Preise, Verfügbarkeit und Bestellung unter abo.ad-magazin.de/einzelhefte Für weitere Fragen: Tel. 01806 012906

Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 24 vom 1. 1. 2020. Alle Rechte vorbehalten. Die Zeitschrift und alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwil­ ligung des Verlags strafar. Für unverlangt eingesandtes Text­ und Bildmaterial wird keine Haftung übernommen. ISSN­Nr. 1433­1764

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Anzeigen/Vermarktung Sales Christina Linder, Head of Sales christina.linder@condenast.de, Tel. -430 Brand Advertising Andrea Latten, Brand Director Vogue & AD andrea.latten@condenast.de, Tel. -276 (verantwortlich für Anzeigen) Marketing Angela Reipschläger, Head of Marketing angela.reipschlaeger@condenast.de, Tel. -793 Ingrid Hedley, Marketing Director ingrid.hedley@condenast.de, Tel. -142 Kathrin Ölscher, Marketing Director kathrin.oelscher@condenast.de, Tel. -746 Creative Studio Susanne Jungbluth, Executive Director susanne.jungbluth@condenast.de Advertising Operations Katharina Schumm, Head of Revenue Management, Ad & Marketing Service katharina.schumm@condenast.de, Tel. -135 Vertrieb Alima Longatti, Head of Direct Marketing & CRM alima.longatti@condenast.de, Tel. -301 Einzelverkauf MZV GmbH & Co. KG, Karsten Reißner (Bereichsleitung) Herstellung Leitung Lars Reinecke, Director Production Digitale Vorstufe/Druck Mohn Media, Mohndruck GmbH Carl-Bertelsmann-Straße 161 m, 33311 Gütersloh Unternehmenskommunikation/PR Dr. Judith Pöverlein, PR-Manager presse@condenast.de, Tel. -842 Finanzen Roland Riedesser, Finanzdirektor Geschäftsführerin und Herausgeberin Jessica Peppel-Schulz


Bodenbelag: Vero Wandbelag: Magnifica, Crogiolo Lume Badmöbel: Grande Marble Look Calacatta Vena Vecchia, Grande Stone Look Granito Black

85 Years of Human Design Seit fünfundachtzig Jahren gestalten wir keramische Produkte, deren Technologien und Innovationen für Menschen gedacht sind. Denn es ist die innige Beziehung zwischen Mensch und Objekt, die wahres Design ausmacht marazzi.it


#friedrichhautejoaillerie

Frankfurt am Main . Baden Baden . 00 49 69 28 41 41 . www.friedrich.eu

Ab Mai sind wir 24/7 online für Sie da. Wir freuen uns auf Sie.


Porträts: Julian Wass; Clara Westhoff; Philipp Deines; Matthieu Salvaing

AD stellt vor

Ngoc Minh Ngo kam ins Paradies. Als sie 2015 das erste Mal Umberto Pastis Garten besuchte, ent­ deckte sie „einen geradezu biblischen Ort. Der Blick über die Hügel, die See dahinter! Dort habe ich die schönsten Momente mei­ nes Lebens verbracht.“ Weswegen die New Yorker Fotografin im Herbst ihr Buch „Eden Revisited: A Garden in Northern Morocco“ veröffentlichte. „Das wirklich Magische aber ist, wie dieser Ort Menschen zusam­ menbringt. Was an Umberto liegt, dem klügsten Menschen, den ich kenne.“ S. 44

Mailin Sophie Zieser ist unser Fels in der Brandung. Seit zwei Jahren unterstützt die Germanistik­ studentin AD, aktualisiert unsere Website mit Bildern und Texten, schreibt auch selbst (gerade interviewte sie Ferm Living­Gründerin Trine Andersen), rettete schon das ein oder andere Event und brachte uns nun digital auf Zack. Indem sie die Printredaktion onlinetechnisch schulte: „Das war schon witzig: Gestandene Redak­ teure saßen wie Eleven im Zoommeeting!“ Logo, bei der Lehrerin. ad-magazin.de

Julia Voss ärgerte sich. Als sie vor zwölf Jahren vor Hilma af Klints Gemäldeserie „Der Schwan“ stand, „kam zu meinem Entdeckerglück Wut hinzu: Wie konnte es sein, dass kaum jemand von der Malerin gehört hatte!?“ Die Kunst­ kritikerin nahm sich vor, das zu än­ dern – und schrieb af Klints Biografie. „In den besten Momenten verliere ich jedes Proportionsverhältnis bei den Bildern. Dann fühle ich mich wie ein winziges Teilchen, das durch ein riesi­ ges Adersystem gepumpt wird.“ S. 84

Matthieu Salvaing ist stets auf der Suche nach Harmonie. Was die Bildsprache seiner elegant kom­ ponierten Interiorfotos betrifft, aber auch das Verhältnis von Mensch und Raum: „Bei meinen Porträts sollte immer eine echte Nähe zwischen den Protagonisten spürbar sein.“ Warm, vertraut, sensibel und zuversichtlich sind die Doppelporträts, die der Fotograf für AD von den Interiorstars India Mahdavi und Pierre Yovanovitch (vor Corona) in Paris aufgenommen hat. Für uns: Harmonie par excellence. S. 26

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Stil

Porträt, Thema, Interview, Attitude und Bad 2020

Von Skulpturen und Aluminiumrohren Muller Van Severen scheinen ihrer Zeit immer einen Schritt voraus. Die neuste Kollektion ist ein Balanceakt zwischen Kunst und Design fürs Interior von morgen.

Porträt: Mirjam Devriendt

Text: Friederike Weißbach / Fotos: Fien Muller

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Stil Neuheiten

E

s gab eine Zeit, da waren die Entwürfe von Fien Muller und Hannes Van Severen quasi omnipräsent. Das mag zwar nur für die kleine Welt des Möbel- und Interiordesigns gelten, aber die zu Dreidimensionalität erweckten Strichzeichnungen des Paares gehören zum Look der 2010er-Jahre einfach dazu. Kaum ein modern orientierter Decorator, der die Tisch-Sessel-Regal-Kombinationen in Form minimalistischer Gestänge nicht gerne als Prestigeobjekt in seine Arbeit integriert hätte. Das Künstlerpaar, das in Evergem bei Gent lebt und arbeitet, betreibt seit 2011 sein Designstudio. Von Anfang an haben sich Muller und Van Severen mit ihrer Arbeit an der Grenze zwischen Möbeldesign und Skulptur bewegt – immer experimentell, doch ohne Abstriche bei der Funktionalität. Auf der Designmesse Collectible in Brüssel stellte das Duo Anfang März seine neue Kollektion „Alltubes“ vor. Eine Serie mit Schränken, einer Bank und einem Stuhl aus runden Aluminiumrohren. Die Gemeinsamkeit der Stücke besteht in einer auffälligen Repetition: Ohne an- oder abzu-

setzen, legt sich Alurohr an Alurohr und schafft eine wellige, das Licht reflektierende Oberfläche. Aus einer kontinuierlichen Bewegung mit gelegentlichen Kurven oder Falten formen sich Beine, Lehne und Sitzfläche des Stuhls; ohne sichtbare Griffe, Scharniere oder Nieten werden die Schränke zu geometrischen Formen im Raum.

Funktional und skulptural, keine Frage, die Designer bleiben sich mit „Alltubes“ treu. Und noch bevor die Kollektion Einzug hält in all die Interiors der 2020er, werden die Stücke hoffentlich ihren Ehrenplatz einnehmen in der großen Muller Van SeverenAusstellung der Villa Cavrois bei Lille, der Welthauptstadt des Designs 2020. ‹

Künstlerpaar: Fien Muller und Hannes Van Severen (oben) haben Bildhauerei studiert. Jeder ihrer Entwürfe (li.) soll als Raumskulptur mit der Umgebung interagieren. Der Stuhl der neuen Serie „Alltubes“ (li. S., Preis auf Anfrage) scheint aus einem einzigen langen Stück Aluminiumrohr gebogen zu sein.

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Stil Porträt

Das famose Drama der Geometrie Mehr Applaus im Alltag: Wie Giancarlo Valle die ganz große Bühne schafft.

Text: Mona Bergers / Porträt: Brooke Holm

Achtung: Rot! Im Noho Apartment o. können Sammlerstücke vom Sofa in Dedars „Tiger Mountain“-Samt bewundert werden. Bei der Renovierung einer Mansion in Watch Hill, Rhode Island, spiegelt Giancarlo Valle (g. o.) den Ozean vor der Tür mit Blautönen (g. o. re.).

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ls Labor beschreibt Giancarlo Valle sein eigenes Loft in New York, das er mit Frau und Kindern bewohnt. „Es war mein erstes Interior – und es entwickelt sich bis heute. Hier teste ich meine Ideen auf die direkteste und wohl ehrlichste Weise: Wir leben mit ihnen.“ Bei seinen Entwürfen experimentiert der Interiordesigner mit krachenden Farbflächen, grafischen Mustern und Materialien, die miteinander ein großes Theater aufführen. „Meine Räume streben nach Direktheit, Bewohnbarkeit, aber immer auch nach Theatralik. Denn die bringt Fantasie in den Alltag.“ Die geometrischen Möbel und Interiors realisiert der gelernte Architekt übrigens zuerst als Miniaturen aus Ton. Mit Umweg über die Haptik findet er seine holistische Sicht auf die Dinge. ‹

Fotos: Stephen Kent Johnson

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FLAGSHIP STORE - BÄRENGASSE 10 - ZÜRICH HIERONYMUS-CP.COM


Stil Porträt

Text: Friederike Weißbach

Verspielte Puristen Die Entwürfe von Studio Besau-Marguerre sind so sympathisch unaufgeregt wie ihre Designer.

uf einmal waren sie da. Weder allgegenwärtig wie die Herkners, Diezs und Grcics des deutschen Designs noch so plötzlich wie Shootingstar Hanne Willmann. Doch seit einiger Zeit taucht ihr Name immer wieder auf: Studio Besau-Marguerre. Es begann mit der Ausstattung der Elbphilharmonie zusammen mit E15. Dann die Kooperation mit Fürstenberg, bei der, ganz aktuell, plissierte Porzellanablagen für die Wand entstanden. Die Zusammenarbeit mit Thonet führte zur Überarbeitung von Klassikern in neuen Farben. Und nicht zu vergessen die bunten Entwürfe für Schönbuch und das junge deutsche Label Favius. Marcel Besau und Eva Marguerre, auch privat ein Paar, bezeichnen sich selbst als „verspielte, farbenfrohe Puristen“. 2011 gründeten sie ihr interdisziplinäres Studio in Hamburg. Ihre Spezialität neben Messeständen, Stylings und Storekonzepten? Ganz klar: Möbel! ‹

Fotos: Constantin Meyer; Bloomrealities and Studio Besau-Marguerre; Porträt: Silke Zander

Farbenfroh! Eva Marguerre und Marcel Besau neben ihren gestreiften Beistelltischen „Sediment“ für Favius. Thonets Kaffeehausklassiker „214“ (o.) wirkt in je zwei frischen Tönen fast wie ein ganz neues Stuhlmodell. Für Fürstenbergs „Plisago“ (u. re.) legte das Duo Porzellan in Falten.

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Stil Thema

Wenn der Flieder wieder blüht … ist es Zeit für ein Liebeslied: Lila geht eine neue Liaison ein, mal hell und lieblich, mal cool bis schrill. 1 3

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4 Redaktion: Lilian Ingenkamp

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1 Regalmodule aus lackiertem MDF von Montana, von o. nach u. in den Farben „Fennel“, „Iris“ und „Amber“, je ab 241 Euro montanafurniture.com 2 LED-Tischleuchte „Matin“ aus Messing mit plissiertem Baumwollschirm und Dimmer von Inga Sempé für Hay. In zwei Größen und sechs Farben, ab 172 Euro hay.dk 3 Handgedrehtes Pflanzgefäß aus weißem Ton mit lilafarbener Unterglasur. Überschüssiges Wasser fließt in den unteren, abnehmbaren Teil. Von Caudex, 350 Dollar caudexstudio.com 4 Cordelia de Castellanes Speiseteller „Dior Gardens“ mit Wildblumendekor, 110 Euro dior.com 5 „Pompa“-Pouf mit Samtbezug von Houtique, 463 Euro houtique.es 6 Vase „Metacup“ aus dem 3D-Drucker von Audrey Large über Nilufar, Preis auf Anfrage nilufar.com 7 Regal „3L“ aus lackiertem Holz von Jäll & Tofta, handgefertigt in Berlin, 2000 Euro jaellundtofta.de

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Fotos: Montana Furniture; Hay; Nicholas Calcott; Dior; Houtique; Daniele Iodice; Celeste Najt

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Mit unserer Landschaftsarchitektur kreieren wir Werte für Generationen.

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„Du bist ja ein Romantiker, wie süß!“ Was sich zwei der besten Interiordesigner der Welt, India Mahdavi und Pierre Yovanovitch, immer schon mal sagen wollten …

Interview: Simone Herrmann / Porträts: Matthieu Salvaing


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i e haben Sie sich eigentlich kennengelernt?

India Mahdavi: Bei den AD Intérieurs vor zehn

Fotos: Simone Bossi; Jérôme Galland

„Die Rue las Cases in Paris ist meine Straße, mein Gedankenlaboratorium.“ Gerade hat India Mahdavi ihren Showroom o. dort neu gestaltet. Im Schaufenster thront ihr Alter Ego, der „Bishop“, und durch die Scheiben blitzt Seventies-Flair.

Auf Schloss Fabrègues in der Provence (oben) lebt Pierre Yovanovitch mit Kunst und vielen Tieren (hier zwei seiner vier weißen Hütehunde). Auf den Zwiebeltürmchen schimmern farbig glasierte Fayencen.

Stil Interview fühlen kann. Im Interiordesign konnte ich mir eine Nische schaffen und die Kontrolle behalten. Wer war die Person, die Ihre Karriere am meisten beeinflusst hat, India? IM: Maja Hoffmann – seit über zehn Jahren ar­

Welche Eigenschaft des anderen hätten Sie

beite ich für sie und ihre Kunststiftung in Arles. Alle Begegnungen und Gespräche mit ihr sind göttlich. Ich bin seither in Arles heimisch gewor­ den. Und jetzt habe ich mir dort ein Haus gekauft. PY: Wirklich, du hast dort ein Haus? Ich liebe Arles. Fabrègues ist ganz in der Nähe … IM: Dein Schloss. Jeder spricht darüber in der Gegend. Und es passt so gut zu dir: streng, histo­ risch, aber es liegt auch eine Sanftheit darin.

gern? Was bewundern Sie aneinander? IM: Pierre ist strukturiert, fluid und kohärent. Er

Welche Rolle spielt Fabrègues für Sie, Pierre? PY: Es ist eher eine Art Gutshof als ein Schloss.

hat sich als Mensch und Designer in einer Art entwickelt, die außergewöhnlich folgerichtig ist. PY: India prägt alles mit ihrem Geist. Sie verkör­ pert eine Ästhetik, die die Menschen anspricht. Ähnlich wie eine große Modemarke. In allem, was sie tut, ist sie extrem wiedererkennbar. IM: Komisch, dass du das sagst, denn ich wollte anfangs gerade nicht wiedererkennbar sein, um mich nicht festzulegen. Ich wollte frei sein.

Na ja, die Domäne ist riesig. Fabrègues ist mein Lebenswerk. Das Haus ist ein Gegenüber, eine Person für mich. Sonst sind Architekten wie der Slowene Jože Plečnik oder Jean­Michel Frank wichtig, auch die frühen 60er­Jahre in Südfrank­ reich. Die habe ich zwar nicht miterlebt, aber dieses Licht, diese Atmosphäre – Yves Montand, Simone Signoret, Picasso! – davon zehre ich.

Was meinen Sie, welchem Charakterzug verdanken Sie Ihren Erfolg? IM: Ich glaube, meinem Humor. Ich bin anderen

IM: Wen magst du, wen nicht? Das ist so ein In­

Jahren. Wir mochten uns sofort, haben uns zuvor auch in denselben Restaurants gesehen. Da war gleich großer gegenseitiger Respekt, oder? Pierre Yovanovitch: Ich war sehr eingeschüchtert von dir. Warum ich das sage? Weil ich mich als Franzose von Ikonen einschüchtern lasse. IM: Wie nett! Aber so sehe ich mich gar nicht.

Welche Künstler inspirieren Sie aktuell?

stagram­Ding, alles wird zur Visitenkarte heute. Auch so private Dinge wie Kunst. Aber weil wir Menschen sympathisch, aber auch mir selbst. hier ja unter uns sind (lacht): Iranische Kunst be­ PY: Meiner Unruhe. Ich dränge immer vorwärts. rührt mich. Und Adel Abdessemed, ein Freund. Fangen wir ganz am Anfang an. Erinnern Sie PY: Georg Baselitz und Claire Tabouret, eine sich noch, wie Ihre Kinderzimmer aussahen? Freundin. Aber verehren wir nicht beide unsere IM: Ich bin in Teheran, Boston, Heidelberg auf­ artisans? Sie arbeiten in diesem Zwischenreich gewachsen, war immer das „Mädchen von wo­ von Kunst und Handwerk. Erst durch ihr Kön­ anders“. Aber überall teilte ich das Zimmer mit nen bekommen unsere Gedanken Gestalt. meiner jüngsten Schwester. Sie war Fan von El­ Haben Sie eigentlich ein Porträt von sich? vis Presley – alles war voller Poster. Ästhetik hat PY: Claire Tabouret hat mich fünfmal gemalt. mich damals nicht interessiert. Kino, das war's! IM: Ich habe in New York eine 3D­Figur von mir PY: Ich hatte ein klassisches Jungszimmer zu machen lassen. Ansonsten hätte ich Andy War­ Hause in Nizza. Alles lag herum: Papiere, Kram, hol gefragt. Wo ich doch eine Ikone bin (lacht). eine Tafel, farbige Kreiden … Ich war ein Messie, Gibt es Designer, von denen Sie lernen? heute schüttelt es mich, wenn ich daran denke. IM: Ettore Sottsass. Weil er so frei war. In der Wann waren Sie sich sicher: Design, das Materialauswahl, in seiner Experimentierlust. könnte mein Metier für immer sein? Wie er das Leben umarmte! Er hat auch Interieurs IM: Ich denke nie, irgendetwas könnte für immer gestaltet, war Künstler, Fotograf. Und außerdem sein. Man wächst. Design ist für mich eine Art hypercharmant, das sieht man seinen Designs an. zu denken. Mit offenem Ende. Am Anfang woll­ PY: Eine Ästhetik, die ich liebe, die aber nicht te ich Filme machen, dann Sets für Filme, daraus meine ist: Carlo Mollino. Dieser Sinn für Form! sind Orte geworden, Häuser. Aus Ungeduld habe IM: Alle Italiener dieser Epoche hatten eine Art ich begonnen, Möbel zu entwerfen. Wie in der von Verrücktheit. Sie waren viel spielerischer als Philosophie stelle ich mir unentwegt Fragen – die Franzosen mit ihrer ewigen Arroganz des wie produziere ich Möbel, warum, für wen? Geschmacks – Symmetrie, Linie, gna, gna, gna … PY: Ich komme aus der Mode, habe für Pierre Welches Möbel spiegelt Ihr eigenes Wesen? Cardin gearbeitet, dann aber gemerkt, dass ich in IM: Alle meine Möbel sind wie Cousins, gehören dieser Industrie nicht glücklich werde. Ich bin zu meiner Designfamilie, sind also irgendwie mit sehr introvertiert. Ich brauche mein Team, Hand­ mir verwandt. Aber das Möbel, das mir am ähn­ werker, Menschen, bei denen ich mich zu Hause lichsten ist, ist ein Hockertischchen aus Keramik:

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Der Stil von India Mahdavi Wenn das Orange mit dem Mauve … Dann steckt die „Queen of Color“ dahinter. Und ihre Möbel tragen den Schwung der Farben weiter!

Wer hat’s erfunden? Das Interiordesign verdankt India Mahdavi die fabulous four: Samt, Messing, Rattan – und einen ganzen Subkontinent an Farben! Kombinationen wie Violett mit Karamell, Taubenblau und Orange. Das hatte sie schon im Londoner Hotel „The Connaught“ (o. re.) gewagt. 2017 kam es zum Hollywood-Mix für Ladurée o.: Lindgrün und Pink mit weißem Rattan und Blumenappliken. Und heute? In ihrem Interieur für de Gournay (g. o.) spielt sie mit Seidentapeten, bestickten Sitzkissen – und Orange! Im neu gestalteten Showroom kreist das magische Auge ihres Couchtischs (o. li.), und am Lüster „Clover“ hängen grüne Glasbeeren. Dort dürfen natürlich auch die Mahdavi-Klassiker „Bishop“ (ganz in Blümchen-Keramik) und der Sessel „Charlotte“ (in Samt) nicht fehlen. india-mahdavi.com

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Stil Interview mein „Bishop“. Eine Art Schachfigur. Er geht nicht den geraden Weg, sondern diagonal. Er ist ein Hybrid und wurde trotzdem zum Erfolg. PY: Ich bin wie mein Bären-Sessel. Er hat Humor und diese Zweideutigkeit: Er ist komfortabel, funktional und seriös, nimmt sich aber selbst nicht allzu ernst. Ich versuche denselben Spagat. Was brauchen Sie, um kreativ sein zu können:

derspenstiges sein, das man sich neu aneignet – etwa schrundiges Holz … Oft bestimmt der Tastsinn meine Material-Auswahl. Ich sehe sofort, was massives Holz, was Furnier ist. Ich fühle das mit den Augen. Was Tiefe hat und was nicht.

Stille, Musik, Menschen?

Design, die Freiheit, eine richtige Spaßexplosion nach dem Umbruch von 68. Man nahm sich weniger ernst. Und war trotzdem optimistisch, glaubte an die Zukunft. Das könnten wir in diesen Krisenzeiten gut gebrauchen. PY: Plexi, Kunststoffe. Hm. Schon lustig. Ich bin da strenger: 1910 bis 1920, die Zeit des Swedish Grace. Ein sehr zeitgenössischer Minimalismus. Lackiertes Holz, Eiche, strenge Linien, sehr präzise. Auch die klare Ästhetik von Josef Hoffmann oder Adolf Loos tut heute immer noch gut.

IM: Ich brauche immer jemanden, der vorbei-

kommt – ein Mensch oder auch nur ein Lichtstrahl, ein Zufall. Ich mag es, unter Druck zu sein. Aber am liebsten sitze ich an meinem „Bishop“ jemandem aus meinem Team gegenüber. PY: Wie beim Tennis: Wenn du mit jemandem spielst, der gut ist, dann spielst du auch gut. Für mich ist es die Musik. Kopfhörer, von morgens bis abends. Und dann lese ich auch noch dabei. Sie stehen beide für bestimmte Materialien und Farben. Welche sind die wichtigsten?

IM: Die 70er-Jahre! All diese lustigen Sachen im

Sie sprechen oft von Erinnerungen. Leben Sie

IM: Alle Farben, je mehr, desto besser! Materiali-

zu Hause mit Vintages und Souvenirs?

en? Keramik und Rattan. Das erinnert mich an die Sommerferien, als ich ein Kind war. PY: Holz. Und Keramik. Seit einiger Zeit taste ich mich auch an Farben heran. Früher hatte ich ja eine eher diskrete, kreidige Palette. Jetzt arbeite ich mit starken, gegensätzlichen Farben. Blaugrün mit Orange. Das weckt die Architektur auf.

IM: Erinnerung ist meine größte Inspirations-

Lassen Sie sich von Landschaften inspirieren? Welche Gegend greift Ihnen ans Herz?

Fotos: Courtesy India Mahdavi (2); Rebecca Reid; Damian Russell; Trevor Tondro; Wonder Glass; Simone Bossi

In Krisenzeiten greift man oft auf Bewährtes zurück. Welche Stilepoche empfehlen Sie?

„India hat mich anfangs ziemlich eingeschüchtert. Ich bin Franzose. Ikonen schüchtern mich ein.“ Pierre Yovanovitch IM: Iran, Ägypten und Arles. Da gehöre ich hin,

da ist mein Herz. Das fließt alles in meine Arbeit. PY: Die Provence, aber die strenge, ungezähmte Seite. Das Licht, der Wind, die Felsen, die Gerüche der Macchia … Es macht mich krank, wenn ich lange nicht dort sein kann. Wie wichtig ist Ihnen das Taktile? IM: Alle meine Möbel und Objekte sind rund, ge-

schwungen, damit man die Texturen besser spürt. Wir verbringen unser Leben vor einem Bildschirm, vor virtuellen Bildern. Daran verkümmert unsere Sinnlichkeit, die Fingerspitzen müssen etwas spüren. Deshalb lege ich solchen Wert auf Texturen, übertreibe das gerne. Wir müssen uns durch den Tastsinn wiederfinden. Taktiles ist ein großer Trost. Samt zum Beispiel. PY: Ich fasse alles an! Ich liebe das. Die Hand muss etwas berühren. Das kann auch etwas Wi-

quelle. Auf Reisen kaufe ich mir Tonnen von Sachen, die sich dann in meiner Wohnung begegnen und quasi mein Leben nachspielen. Ich mag das. Eine kleine Zeichnung, ein Buch, ein Teppich … Alle bringen etwas in mir zum Klingen. PY: Mir geht es genauso. Ich habe Unmengen von Picault-Geschirr, das ich nicht brauche, aber das ich fast zwanghaft kaufe, weil es mich an meine Kindheit bei meiner Großmutter in den HautesAlpes erinnert. Damit eigne ich mir meine verlorene Kinderzeit wieder an. IM: À la recherche du temps perdu … Wir laufen doch alle unser Kindheit hinterher, oder? Weil darin alles begründet ist, alles, was uns antreibt. Welche Rolle spielt Paris für Sie? IM: Ah, Paris! In meiner Straße, der Rue las Ca-

ses, verbringe ich mein Leben. Ich habe dort den Schlüssel zu fünf Türen. Dann liebe ich alles, was Paris zu Paris macht – die quais, die Brücken, die Tuilerien, das „Café de Flore“ … Banal, was? PY: Gar nicht. Paris hat diese unglaubliche Romantik. Ich werde es nie müde, an der Seine spazieren zu gehen. Man hat Lust, verliebt und zu zweit zu sein. Auf der Place Dauphine musst du jemanden im Arm halten. Wenn dein Herz da nicht klopft, dann hast du keins. Diese Atmosphäre, die Schönheit, aber gleichzeitig auch diese Radikalität des Geschmacks – allein das Palais de Tokyo oder die Maison de Verre von Chareau! Was sehen Sie, wenn Sie aus dem Fenster Ihres Designstudios schauen? IM: Den größten Baum des 7. Arrondissements!

Ich schaue direkt in den Garten des Erziehungsministeriums, da steht eine riesige Platane; sie ist wunderschön, weil so viel Leben in ihr ist.

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Der Stil von Pierre Yovanovitch Helle Eiche – immer noch. Aber im Greige leuchtet nun Pariser Blau und flämisches Rot. Dazu Keramik und das Augenzwinkern von „Papa Bear“ & Co.

Oops! Mehr Humor wollte Yovanovitch und erfand vor drei Jahren seine bärige Sesselfamilie (g. o. li. „Papa Bear“). Dem Stuhlpärchen „Mr. & Mrs. Oops“ (o.) zog er nun Pailletten und feste Schuhe an. An die Decke der Rotunde des Hotels „Le Coucou“ (g. o.) in Méribel ließ er eine blaue Gebirgslandschaft mit Käuzen („Ich sammle Eulen!“) malen. Blau und Maisgelb machen dort auch im Restaurant o. li. Appetit. Im „Connaught“ g. o. re. richtete er für Hélène Darroze Eichenboiserien und Leder-Spitzen mit maßgefertigten Möbeln an. Und auf Fabrègues, seinem Schloss in der Provence (re.), entspinnt sich zwischen dem Jungen auf dem Bild und Paavo Tynells kinetischem Lüster ein kleines Tischgespräch. pierreyovanovitch.com

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Stil Interview

PY: Leider sehen wir Viollet-le-Ducs Führungs-

turm von Notre-Dame nicht mehr am Horizont.

Welche Bücher liegen auf Ihrem Nachttisch? IM: Ganze Stapel. Ich soll eins herausgreifen?

„Rhizom“ von Gilles Deleuze. Und dann schaue ich sehr oft in Le Corbusiers Farbenbücher. immer weniger. Freiheit in jeder Gestalt. PY: Bei mir sind es Korrespondenzen, LiebesPY: Mit Musik und Kunst, aber auch damit, end- briefe. Albert Camus und Maria Casarès, Franlich Front gegen die Gleichmacherei der sozialen çois Mitterrand und Anne Pingeot. „Fragmente einer Sprache der Liebe“ von Roland Barthes. Von diesen Leuten zu lesen, die sich über 20, 30 Jahre lang jeden Tag geschrieben haben, das kommt mir manchmal so vor, als wäre es eine andere Art Mensch. Diese Kultur, die Sprache, der Gedankenreichtum. Das bewegt mich sehr. India Mahdavi IM: Pierre ist ein großer Romantiker, wie süß!

Fotos: Jérôme Galland (3); Stephen Kent Johnson; Jean-François Jaussaud/Luxproductions (3)

Womit beschäftigen Sie sich gerade? IM: Mit der Idee der Freiheit! Das haben wir ja

„Pierre hat Strenge, aber auch eine wunderbare Sanftheit. Das bringt diese Poesie in alle seine Räume.“

Arbeit und Leben, ist das eins für Sie? IM: Ja! Denn es geht mir im Wesentlichen um

Netzwerke zu machen. Alle folgen derselben Person, interessieren sich für dasselbe, sind in derselben Gruppe, denken dasselbe. Daraus kann nur eins entstehen: aufgeschäumtes Mittelmaß. IM: Du bist doch sehr gut dabei, auf Instagram … PY: Aber mehr und mehr ärgert mich das System. Das, was die Jüngeren unter Nähe und Beziehungen verstehen. Dieses gegenseitige Hochpushen – viel Lärm um fast nichts. Man muss Risiken eingehen, selbst denken, als Gestalter sowieso, sich in Gruppenmeinungen zu suhlen ist falsch.

Intensität, um Begegnungen mit Menschen … PY: … und von jedem dieser Menschen, von artisans, Künstlern, Kunden, lerne ich fürs Leben. Geben Sie sich manchmal Tagträumen hin? IM: Ich träume mein Leben. Und, ja, ich habe ei-

nen Traum für 2020: Ich möchte mein Haus in Arles einrichten und endlich einmal ohne alle Verpflichtungen, die ich als Unternehmerin habe, zeichnen und meinen Gedanken nachhängen. PY: Das wäre wirklich ein Traum, nur noch kreativ sein zu können – hélas! (beide lachen) ‹

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Stil Interview

Ein Händchen für Technik: Bei allen Varianten der puristischen Serie „Mito“ lassen sich Helligkeit, Farbwert und Richtung des Lichts intuitiv mit Gesten steuern, hier Occhios Pendelleuchte „Mito sospeso“ (ab 2280 Euro), oben die Stehleuchte „Mito terra 3d“ mit abendlichem Stimmungslicht (ab 2960 Euro).

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„Das hat System!“ Axel Meise brennt für Licht – und denkt es immer wieder neu. Ein Gespräch über 20 Jahre Occhio und Leuchten mit Lagerfeuer-Feeling. Interview: Lilian Ingenkamp / Fotos: Bohman + Sjöstrand

G

anzheitlichkeit, das ist und war Axel Meises Ansporn. Vor 20 Jahren gründete der Münchner die Leuchtenfirma Occhio, die mit stringentem Design auf verschiedenste räumliche Anforderungen eingeht. Wir erreichen Axel Meise telefonisch in seinem eigenen Licht-Idyll, dem Haus in Starnberg.

dern darum, es gezielt einzusetzen. Deshalb arbeitet Occhio – italienisch für Auge – mit Linsen, die das Licht lenken. Wie gestaltet man sein Licht im eigenen Zuhause am besten?

Mit dem richtigen Spiel aus Hell und Dunkel. Eben bloß nicht zu hell und nicht zu

viel! Das klingt zunächst vielleicht etwas seltsam, wenn man eigentlich Leuchten verkaufen möchte, aber tatsächlich schaffen eher wenige hochwertige Produkte den größeren Effekt, wenn man sie gezielt einsetzt. Das Schlimmste ist leider noch immer in vielen Wohnungen der Normalfall:

Herr Meise, erst wollten Sie das OcchioJubiläum gar nicht feiern. Wieso?

Ach, ich sehe zwar mit großem Stolz zurück, viel wichtiger ist es mir jedoch, nach vorne zu blicken. In meinem Job als Designer und Unternehmer muss ich der Zeit voraus sein. Erst als ich den Dreh mit den first 20 years hatte, war ich bereit, unser Jubiläum zu begehen. Ein 20-jähriges Jubiläum interessiert niemanden, aber der Ansatz, dass es die ersten zwei Dekaden sind und alles jetzt erst richtig losgeht, gefällt mir. Wo hat denn Ihre Liebe zum Licht begonnen? Bereits im Elternhaus?

Die Leuchten bei meinen Eltern waren typisch für die Sechziger- und Siebzigerjahre: gruselig! Ich habe mir relativ früh eine eigene kleine Wohnung eingerichtet. Dort konnte ich mich austoben und den Raum selbst gestalten. Mit Spots habe ich eine Installation im Wohnzimmer gebaut, die den Tisch in Szene setzte. Da habe ich plötzlich gemerkt: Atmosphäre lässt sich mit wenigen Mitteln erzeugen, und – wow! – mit Licht kann ich Räume gestalten.

Porträt: © Occhio

Bei Occhio geht es Ihnen immer noch darum, Licht gezielt einzusetzen.

Genau, das Auge folgt dem Licht. Wenn ich alles hell mache, habe ich eine einzige Lichtsauce, und die Atmosphäre ist weg. Es geht nicht um möglichst viel Licht, son-

Im Spotlight: Für Axel Meise (o.), Gründer, CEO und Designer von Occhio, geht es bei Leuchten um die zur Situation passende Dosis Licht. Um Atmosphäre.

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Stil Interview oben nach unten dirigieren – von solchen Sachen habe ich immer geträumt. Licht und Technik vereinen: Was kommt noch in den nächsten 20 Jahren?

Als Deckenleuchte präsentiert sich „Mito alto“ schnurgerade (in diversen Größen und Farben, ab 720 Euro). U. re. zeigen die Bogenleuchte „Mito largo“ (ab 5480 Euro) und zwei Pendelleuchten „Mito sospeso“, wie sensibel sie die Lichtstimmung im Raum zu steuern verstehen.

Wir haben jetzt ganz neue Möglichkeiten, mit Leuchten zu interagieren. Bei Occhio kann man sie über eine App steuern, auch die Lichtfarbe lässt sich ändern, bei der gesamten „Mito“-Serie. Ich glaube, es kommt ein ganz neues Bewusstsein für Licht. Wir sind auf dem Weg in eine neue Lichtwelt. … in der auch Sprachsteuerung eine Rolle spielen wird?

Das ist sicher das Nächste, aber wir wollen nicht sofort auf diesen Zug aufspringen. Es wäre kein Problem zu sagen: „Licht an, Licht aus“, aber was habe ich davon? Wir müssen daran arbeiten, dass die Technik noch viel mehr versteht. Stellen Sie sich vor, Sie besitzen eine Leuchte, die beherrscht Ihre Sprache, aber das Modell, das Sie von einem anderen Hersteller haben, versteht wieder nur eine andere. Ist das Ihr Ansporn weiterzumachen?

Wir sind jetzt so weit, dass wir ganzheitlich arbeiten können. LED bietet einen niedrigen Energieverbrauch, eine hohe Lebensdauer und im Gegensatz zu Halogen eine geringe Wärmeentwicklung. Das ermöglicht es uns, nicht nur Wohnhäuser auszustatten, sondern fast alle Bereiche, von Büros bis zu Hotels und Restaurants. Es gibt also noch viele Orte zu erobern. Wir wollen Occhio international etablieren. Ich halte es da ganz mit James Bond: The world is not enough. ‹ ein zentraler Deckenauslass in der Mitte des Raumes. Das kann nur schiefgehen. Was raten Sie noch?

Licht muss veränderbar sein. Wenn man etwa unsere Bogenleuchte „Mito largo“ abends anschaltet, hat man das Gefühl, am Lagerfeuer zu sitzen. Sie kann aber auch nach oben leuchten, dann hat man es festlicher. Licht muss sich den Bedürfnissen, der Situation, ja der Stimmung anpassen. Einige Ihrer Leuchten lassen sich über Gesten steuern. Betätigt man nicht aus Gewohnheit eher den Lichtschalter?

Überhaupt nicht! Denken Sie nur an das iPhone – nach wenigen Minuten kommen Sie gar nicht mehr auf die Idee zu sagen: „Ach, wie nett war es doch, als ich Tasten hatte.“ Die Gestensteuerung ist so intuitiv, dass man es sich kaum noch anders vorstellen kann. Sie können das Licht von

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„Occhio hat mit sehr wenigen Produkten eine große Vielfalt erreicht. Das war immer mein Ziel.“ Axel Meise


EINMAL WASCHEN UND FÖHNEN, BITTE. GEBERIT AQUACLEAN. DAS DUSCH-WC.

Mit Geberit AquaClean erleben Sie ein völlig neues Gefühl von Frische und Sauberkeit: Das WC mit Duschfunktion reinigt den Po auf Knopfdruck mit einem warmen Wasserstrahl. Weitere Infos zu den vielfältigen Dusch-WC Modellen auf www.geberit-aquaclean.de.


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Was jetzt zählt!

Das Leben liegt wie unter einer Glasglocke, darunter reifen aber Pläne und Träume. Wir haben Designer und Sammlerinnen, Künstler und Unternehmerinnen gefragt, was sie gerade bewegt.

Julia Stoschek hat eine der weltweit wichtigsten Sammlungen zeitbasierter Kunst. Seit ihre Räume in Düsseldorf und Berlin geschlossen sind, zeigt sie Videoarbeiten online auf jsc.ar t

„Wir erleben eine Revolution des Wohnens, in der Design aus Italien eine Hauptrolle spielt: das Haus als neuer Ort des Geborgenseins.“ Giulia Molteni führt mit ihrer Familie das gleichnamige Möbelunternehmen. molteni.it

„Ich würde gern ein Krankenhaus gestalten, weil ich glaube, dass ein gutes Interior zur Steigerung des Wohlbefindens beitragen kann.“ Laura Gonzalez ist eine der renommiertesten Designerinnen Frankreichs (o. ihr Beitrag zu AD Intérieurs 2019). Jüngst erneuerte sie das „Lapérouse“ in Paris. lauragonzalez.fr

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etzt ist der Moment, um über Korrekturen nachzudenken, auch wenn ich die Antworten auf viele Fragen noch nicht kenne. Schon durch das Infragestellen kommen wir auf neue Erkenntnisse: Wie kann es sein, dass lebensnotwendige Medikamente und Masken kaum mehr in Europa oder Deutschland produziert werden? Haben wir zu viel Globalisierung? Bei Betrachtung der Dinge wird immer klarer, wie verletzlich unsere feinnervig-hochentwickelte Zivilisation doch ist. Und ganz konkret denke ich darüber nach, mein kleines Biobeet im Garten wieder anzulegen, damit mein Sohn auch diesen Sommer Himbeeren pflücken kann. Ein kleiner Beitrag zu mehr autonomem Handeln.“

Fotos: Molteni & C; Jérôme Galland; Andrew Montgomery; Pierre Even; Porträts: Peter Rigaud; Silvia Rivoltella; Perrier-Jouët

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„Ich sehe mich eher als Bildhauer denn als Erfinder. Trotzdem ist mir bewusst, dass wir unser Leben neu denken müssen.“ Christophe Delcourt zählt zu den einflussreichsten Designern Frankreichs. christophedelcour t.com

„Ich kümmere mich mit gleicher Hingabe um die Menschen, mit denen ich arbeite, wie um die Orte, die ich gestalte. Das ist Fürsorge.“ Luciano Giubbilei vereint formale Strenge und unbändiges Grün: Gerade hat er im Val d’Orcia (o.) den ersten Garten in seiner Heimat Italien gestaltet. lucianogiubbilei.com

„Unser aller Zuhause bewährt sich gerade als ein Nest, in dem wir all die Dinge versammeln, die ein Teil unseres Lebens geworden sind.“

„Es ist klar, dass der unersättliche Massenkonsum keine Zukunft hat. Aber Menschen haben das tiefe Bedürfnis, neue Dinge zu schaffen. Ganze Kulturen bauen auf dieser Grundlage auf.“ Bethan Laura Wood hat im letzten Jahr eine „Epidemic Jukebox“ entworfen, die ausschließlich Lieder mit Bezug zu Epidemien spielt – von HIV bis Ebola. bethanlaurawood.com

Dimore Studio laden mit märchenhaften Interiors zum Träumen ein: etwa im jüngst wiedereröffneten „Grand Hotel et de Milan“, das von Emiliano Salci (re.) und Britt Moran neu eingekleidet wurde. dimorestudio.eu

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Ozone Etienne Gounot und Eric Jähnke entwerfen nicht nur schlicht-schöne Leuchten, sondern wahre Lichtkörper. ozonelight.com

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ir sind immer auf der Suche nach dem Moment, in dem das Licht alles verändert. Die Atmosphäre eines Raums, aber vor allem die Stimmung der Menschen. Das hat etwas sehr Poetisches und trägt uns durch den Alltag, in dem zwischenmenschliche Begegnungen so kostbar geworden sind. Das Licht verbindet uns alle. Paradoxerweise ist es in diesem Früh­ ling besonders herrlich, ein großer Trost – auch durch die Scheibe. Zu sehen, wie ein Sonnenstrahl einen blühenden Baum oder Strauch auf­ glühen lässt, ist ein Fest. Die Welt än­ dert sich, wir behalten unseren Pio­ niergeist. Abends, wenn die Sonne untergeht, erinnert uns das leere Pa­ ris an ein Filmset nach dem Dreh. Bereiten wir die nächste Folge vor!“

Hervé Van der Straeten zählt zu den Granden des französischen Designs. Seine Entwürfe (o. Leuchten und u. Konsole der neuen Kollektion „Fun Ride“) sind Kunststücke. vanderstraeten.com

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ntschuldigung, ich war gerade in meinem Garten und habe dort völlig die Zeit vergessen …! Ja, die Zeit. Da­ rüber denken wir jetzt wohl alle nach. Diese Periode hat uns alle möglichen Ängste gebracht, Verunsicherung, tie­ fe Traurigkeit. Aber auch viele Tage, um nachzudenken. Da diese Krise uns alle betrifft, sollten wir uns welt­ weit neu darauf konzentrieren, was wir wirklich brauchen, um als Men­ schen – und nicht als Automaten – eine Zukunft zu haben. Persönlich nehme ich es als eine Zeit der Prü­ fung, die wir ja alle regelmäßig durch­ machen. Ich habe Vergnügen an mei­ ner Arbeit. Dass ich dieses Glück mit anderen Menschen, vor allem mit meinem Atelierteam, teilen darf, ist mir jetzt noch wichtiger als zuvor.“

„Es ist nicht die richtige Zeit, ohne Grenzen zu handeln, immer Neues zu kreieren. Wir müssen unser Konsumverhalten und den Umgang mit Ressourcen überdenken.“ Sebastian Herkner sieht beim Blick aus dem Fenster, wie Eichhörnchen den Kirschbaum hoch- und runterjagen. Auf die Natur achtet der Offenbacher aber auch mit seinen langlebigen Designs. sebastianherkner.com

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AD Attitude

„In diesen Zeiten kann Luxus nichts Definiertes mehr sein. Für mich ist es das Entwerfen von Orten voller Bedeutung – und mit Dankbarkeit.“ David Flack weiß, wie man aus einem Haus ein Zuhause macht. Der australische Interiordesigner sorgt mit warmen Farben und Materialien für Cozyness. flackstudio.com.au

Alicja Kwade würde ihre Skulpturen und Installationen gerade eigentlich in der Langen Foundation in Neuss zeigen, die für diesen Frühsommer geplante große Ausstellung in der Berlinischen Galerie wurde auf 2021 verschoben. alicjakwade.com

Fotos: Cécil Mathieu; Courtesy Ozone; Derek Swalwell; Jean-François Jaussaud/Luxproductions; Porträts: Cécil Mathieu; Evelyn Dragan; Antoine Rozès; Oliver Mark

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as mich bewegt? Die Macht der Masse, ihre Manipulierbarkeit, die Verletzlichkeit des Menschen als globaler Mechanismus von 7,8 Milliarden Individuen. Die Möglichkeiten, die wir in der Gruppe haben, Dinge zu verändern, und der Einfluss auf den Planeten durch unser Handeln. Es ist ja alles möglich, wenn man sich dafür entscheidet. Leider ist Angst oft die stärkste Antriebskraft. Und eine Krankheit, die jeden treffen könnte, ist wohl die direkteste Bedrohung und somit der wirksamste Motor; dabei bringen wir uns seit Jahrzehnten und Jahrhunderten langsam um. Ich denke nach über die Strukturen der Wirtschaft, die Arroganz, die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer, über unseren Begriff von Luxus, über Reichtum und Armut, die Demokratie und den unberechenbaren Einfluss von Emotionen auf die Märkte.“

Stéphane Parmentier wird für seine elegant-pariserischen Interieurs und Möbelkollektionen, seine Designs für Giobagnara und Dragonfly geliebt. stephaneparmentier.com

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on meiner Wohnung schaue ich direkt auf Notre-Dame. Das erinnert mich jeden Tag daran, dass Schönheit zerbrechlich ist. Aber ich sehe auch auf die Seine. Ich liebe es, die Reflexe und Spiegelungen auf dem Wasser zu beobachten. Nirgendwo sonst kann ich meine Gedanken so frei ziehen lassen; sie sind hier, im wahrsten Sinn des Wortes, im Fluss. Von meinem Fenster aus bin ich auf Höhe der Baumkronen, das gibt mir das Gefühl zu fliegen. So geht es mir auch, wenn ich Menschen begegne, die mich berühren. Die Welt wird schön, wenn ich mit ihnen zusammen bin. Alles verändert sich dadurch. Schon seit einigen Jahren gehe ich auf diese Menschen zu und lasse das Band zu ihnen nicht mehr abreißen. Ja, ich nehme mir viel mehr Zeit für Menschen, die mir etwas bedeuten. Auch ganz spontan. Der größte Wert liegt für mich in diesen kleinen Gesten und Liebesbeweisen. Kindness, das ist Schönheit!“

„Ich hatte das Glück, in eine italienische, menschzentrierte Welt hineingeboren zu werden. Jeden Tag will ich ihr nun selbst Qualität zurückschenken.“ Marta Sala stellte sich als Kind vor, Päpstin zu werden. Heute sorgt die Milanesin lieber mit ihren geradlinigen Designs für Grandezza außerhalb des Vatikans. mar tasalaeditions.it

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„Ein neuer Stuhl ist nicht das Wichtigste“ … sondern Empathie, findet Christian Haas. Der Designer ist ein leiser Star: raffiniert und akkurat, allgegenwärtig, aber nie aufdringlich.

Haasgemacht: Eine Werkschau des Desi­ gners war Ende 2019 in Berlin zu sehen. Andreas Murkudis zeigte bereits realisier­ te Entwürfe wie das Sofa „Elephant“ für Karimoku New Standard, den signalroten Hocker „Amie“ für Schönbuch oder das Regalsystem „CH/AM“, aber auch Proto­ typen wie die kunstvoll erblindeten Spiegel.

Fotos: Ana Santl; Luís Espinheira

Interview: Sally Fuls / Porträt: Markus Jans


Stil Interview Und was, wenn dort Ikea steht?

Tischkultur bereitet mir großen Spaß, und ich bin immer auf der Suche nach der emotionalen Verbindung zu einem Produkt, am besten über Jahrzehnte hinweg. Die finde ich bei Ikea leider nicht. Aber das muss jeder für sich selbst wissen – jeder kann, darf und sollte seine eigenen kleinen Freuden im Alltag finden. Dabei sind Sie der industriellen Fertigung ja nicht grundsätzlich abgeneigt.

Seine Gefäßserie „Cru“ aus eingefärbter Feinkeramik (li.) entwarf Haas für Mèzë. Die Schalen (15 bis 60 Euro) sind außen poliert, innen transparent glasiert. U. steht der Wahlportugiese neben „Guard“, einem schulterhohen Barschrank aus MDF in Neonkoralle für Schönbuch, ab 2500 Euro.

Nein, für Villeroy & Boch durfte ich schon wunderbare Reihen gestalten. Und es ist ein wirklich tolles Gefühl, ein Geschirr zu lancieren, das dann auf 100 000 Tischen landet, weil es so ein demokratisches Produkt wird. Eins, das im Zweifelsfall viel gleichmäßiger gefärbt, gemustert, gemacht ist, als Kleinstserien es je sein könnten. Auf der anderen Seite arbeite ich auch mit einem Keramiker zusammen, der nur mit schwarzem Ton töpfert, per Hand. Da ist der Arbeitsprozess natürlich viel greifbarer. Sie entwerfen auch für den japanischen Möbelhersteller Karimoku New Standard, bei dem manuelle und industrielle Fertigung ineinander übergehen.

Ja, wenn die Maschine es besser kann, macht es die Maschine; wo die Hände es können, übernehmen die. Die Maschinen bei Karimoku muss man sich übrigens vorstellen wie in einem Björk-Video, das ist

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er Kalender sagt: 6. April. Christian Haas sitzt im Lockdown zu Hause in Porto. In einer Hand das Telefon, in der anderen einen frischen Kaffee. Wir sitzen uns nicht gegenüber, können nur telefonieren. Das macht aber nichts, denn zu sehen waren er und seine Entwürfe gerade überall. Der Designer hat ein spannendes Jahr hinter sich, über das wir sprechen wollen. Und über den Alltag nach Corona.

Herr Haas, drehen Sie im Restaurant auch immer die Teller um?

Ich fürchte, ja. Das ist einer meiner Spleens.

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Welche Seite überwiegt, wenn Sie sich Ihre Projekte ansehen?

Ich hatte letztes Jahr das große Glück, meine jüngeren Entwürfe gebündelt in einer Ausstellung bei Andreas Murkudis zeigen zu können. Was eine wirklich schöne Bestätigung war, weil auch ich selber erstmals die Bandbreite richtig wahrgenommen und entdeckt habe: Die teuren Dinge funktionieren auch mit den alltäglichen. So konzentriert habe ich das bis dahin nicht mal bei mir zu Hause gesehen. Apropos: Wie arbeiten Sie in Porto?

Sozusagen immer im Homeoffice. Ich lebe und arbeite auf den verschiedenen Etagen eines Townhouse im Zentrum. In einer Straße, die ursprünglich mal bekannt war für ihre Fachgeschäfte. Vom Textilkabel bis zur Gummidichtung gibt's noch immer alles, nur findet man zwischen den Läden jetzt eine schicke Käserei oder einen Wein-

händler. Seit Mitte März ist nun alles zu. Wie sind Sie in der Firma mit den Kontakteinschränkungen umgegangen?

Für Mitte März hatte ich Design-Meetings in Deutschland geplant. Mir wurde schnell klar, dass wir die canceln mussten. Dass wir alles canceln müssen! Also dachte ich: Du sitzt jetzt hier und bleibst auch hier. Das hatte etwas wahnsinnig Beruhigendes – einfach mal nicht effektiv sein zu müssen. Das heißt, Sie haben die Arbeit komplett ruhen lassen?

Nicht direkt. Aber in meinem Team arbeiten zwei Leute, und denen musste und wollte ich nicht auf einmal zu Tagesbeginn und -ende Kontrollmeetings aufzwingen. Ich habe gesagt, wir arbeiten alle entspannt an unseren Projekten weiter, aber vielleicht ist jetzt auch einmal die Zeit, nicht auf Knopfdruck Leistung abliefern zu müssen. Sondern mal wieder tief greifender zu recherchieren. Zumal man sich als Designer momentan ohnehin permanent die Sinnfrage stellt. Das, was die Welt gerade braucht, ist sicher kein neuer Stuhl und auch kein neuer Tisch. Was braucht sie Ihrer Ansicht nach stattdessen?

Empathie. Ein bisschen mehr Verständnis und Mitgefühl. Aber das ist ja das Schöne im Moment: Die Leute finden Gemeinsamkeit in der Einsamkeit, kleine Initiativen werden gegründet, Hilfe wird angeboten. Trotzdem soll es ja weitergehen …

Ja, deswegen werde ich jetzt auch zum ersten Mal seit drei Wochen in einen richtigen Arbeitstag starten, in mein Büro gehen und dort kleine Schaumstoffmodelle bauen. Eine Arbeit, die ich hasse. Aber meine Kollegin Sónia ist natürlich nicht da. Also werde ich mich zusammenreißen, die Dinger

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Tischgesellschaft: „Metro Chic“ (o. li.) ist ein vergoldetes Besteck für Villeroy & Boch. Die Kerzenleuchter u. li. (je 185 Euro) werden aus recyceltem Aluminium von Origin hergestellt. Bei Schönbuchs „Juste“ (o., ab 930 Euro) setzt Haas Le Corbusier-Fliesen in ein Holzgestell, bei Tectas Barwagen „K6“ (u., 1490 Euro) Holztabletts in Stahlrohr.

nicht gefrustet in die Ecke zu feuern. Aber das wird schon, an sich ruhe ich in mir. Besonders jetzt, wo man umso dankbarer ist für alles, was man hat. ‹

Fotos: Luís Espinheira (2); © Schönbuch 2020; Hans-Georg Esch; Studio Christian Haas

Industrieballett! Für mich ist das die ideale Kombination, wir wollen uns ja nicht 200 Jahre zurückbeamen und so tun, als hätte es die Industrialisierung nie gegeben.


Stil Interview

„Es geht ja nicht darum, uns 200 Jahre zurückzubeamen und so zu tun, als hätte es die Industrialisierung nie gegeben!“ Christian Haas

Monochrom: Seine „Matéria“Tische (je 2490 Euro) lässt Christian Haas aus Travertin und Birke fertigen. Entscheidend für ein gutes Produkt, sagt der Entwerfer, sind „Emotionalität und Klarheit. Ein überfrachteter Entwurf wirkt kostümiert oder überschminkt – dann wird’s schnell modisch.“

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Das innere Gut

Aus Steinen und Staub hat Umberto Pasti in Marokko einen Garten gebaut, in dem Rosen, Lilien wachsen – und etwas ganz Seltenes: Glück. Interview: Simone Herrmann / Fotos: Ngoc Minh Ngo

Lilien, Steppenkerzen und Tagetes blühen in Rohuna, dem Garten des Schriftstellers Umberto Pasti (li., in einer Wiese mit Gladiolen). Sein Geheimnis? „Vor dem Sommer mulchen wir die Erde mit zerkleinerten Adlerfarnblättern“, verrät Pasti. „Das hält die Feuchtigkeit im Boden, und Mikrofauna lüftet ihn.“

W

as passiert gerade in Ihrem Garten, Signor Pasti?

Die orangefarbenen Clivien, Gelbe Trompetenblumen und rubin­ rote Malven blühen. Verschiedene Jasminarten und chinesische Kletterrosen verströmen einen wunderbaren Duft. Und dann gibt es noch Mohn, die zarten Fritillarien, Blauen Natternkopf, Milch­ sterne, wilde Gladiolen … Ach, es ist ein Fest aus Farben und Duft! Sie sind Italiener, Schriftsteller und Botaniker. Wie sind Sie eigentlich hierher, in den Norden Marokkos, gekommen?


Architektur Garten

Den Ort habe ich vor 21 Jahren entdeckt. Nach einem Spaziergang in praller Hitze bin ich unter einem Feigenbaum eingeschlafen. Der Boden war unfruchtbar, es wuchsen dort nur fünf alte Bäume. Aber der Blick auf das Tal und den Ozean war so eindrucksvoll, die Stimmung so feierlich wie bei der Erscheinung eines Gottes. Ich träumte, ich sei selbst ein Garten, und als ich aufwachte, begann ich zu pflanzen, obwohl es keine Zugänge, kein elektrisches Licht, kein Wasser gab. Heute wachsen hier Zehntausende von Pflanzen. Das klingt sehr romantisch. Aber in Marokko ein Stück Land zu kaufen und zum Blühen zu bringen ist nicht gerade einfach, oder? Es handelt sich ja schließlich um ein ganzes Tal …

Ich musste mit 20 Eigentümern verhandeln, es gab große bürokra-

tische Schwierigkeiten, bis ich das Land kaufen konnte. Ich wollte Ginster, Zistrosen, Erdbeerbäume, Viburnum, Rosmarin, Heiligenkraut, Mastixbäume und Wolfsmilch pflanzen, da war steiniger, drainierter Boden ideal. Viele der Steine landeten in den Mauern, die die guten Böden begrenzen, und in den Häusern, in denen wir leben. Auf dem Rücken von Maultieren haben wir Tonnen Pflanzenerde hergeschafft und kilometerlange Trockenmauern gebaut, um Erosionen zu verhindern. Mit einer Sonde gelang es uns schließlich, in 120 Meter Tiefe Wasser zu finden: ein Wunder! Wie sind Sie aufgewachsen, woher kommt diese Naturliebe?

Ich hatte Glück. Meine Eltern haben mich in Mailand mit viel Verständnis für Kunst und Natur erzogen. Und ich habe immer viel

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„Mit einer Sonde haben wir in 120 Meter Tiefe reichlich Wasser gefunden: ein Wunder!“ Umberto Pasti

Blumenbehänge aus Mohn, Malve und pur­ purner Echinacea wu­ chern aus den Ritzen der kilometerlangen Trockenmauern. „Die haben wir aus all den Steinen gebaut, die es hier gab“, erzählt Pasti. „Das verhinder­ te Erosionen, denn auf die Böden mussten wir Tonnen von Pflan­ zenerde aufbringen.“

Wenn die Iris aus den Lichtungen (re. Seite, v. oben links) blinzelt, ist der Mai gekom­ men! Im Oleanderdi­ ckicht steht eine Bank aus marokkanischen Kacheln. Abends ver­ strömen die alten Oli­ venbäume eine fast biblische Stimmung, Narzissen blühen, und um das Sommerhaus wuchert der Mohn.


Architektur Garten

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Architektur Garten

„Der Duft einer Damaszener Rose berührt mich. Das ist so, als würde man über den Kopf eines Adlers streicheln.“ Umberto Pasti

grandiflora, weiße Feeniris, wachsen dort, typische Blumen aus den Bauerngärten der Gegend. Sie sind so tröstlich schön, deshalb haben wir das Terrain „Giardino della Consolazione“ genannt. Weit mehr als bloß ein botanischer Garten ist es aber, wie gesagt, der Versuch, eine Landschaft wiedererstehen zu lassen. Dann gibt es noch einige besondere Themengärten …

Ich habe einigen Ecken einen Namen gegeben, weil Erzählungen die Menschen hier begeistern. Mein Obergärtner heißt Rachid. Er war 15 und kam an meinem ersten Tag zu mir. Heute arbeiten sechs Jungen in Rohuna. Sie lieben es, Teil einer Geschichte zu sein. Es gibt einen Englischen Garten, und der Italienische wird so genannt, weil dort die Pflanzen meiner Jugendzeit wachsen: Olivenbäume, Myrten, Agapanthus, Akanthus. Im Ägyptischen Garten erinnern mich die großen Palmen an Luxor. Bandos Garten erzählt von einem der Bauern und seiner uralten Familiendynastie. Und Ihrem Partner haben Sie auch einen Ort gewidmet.

Ja, Stephans Terrasse. Der Blick von dort in die Landschaft ist wie der Hintergrund eines Gemäldes von Piero della Francesca. Wo die Natur so kristallin und metaphysisch wird. Was heißt es für Sie, im Einklang mit der Natur zu leben?

Zeit auf dem Land verbracht. Vor 35 Jahren bin ich Gärtner in Tan­ ger geworden, weil ich die Flora und biologische Vielfalt Marok­ kos schützen wollte, die schon damals bedroht war.

Dass man versucht, zumindest das zu geben, was man nimmt. Nicht mehr Platz einnehmen, als man braucht. Die Natur genießen heißt für mich zu lernen, keine Angst mehr zu haben.

Die Leute hier erzählen sogar, dass Sie Bäume von Baggerschaufeln und vor Planierwalzen gerettet haben. Was treibt Sie bei dieser Herkulesarbeit an?

Sie sagten einmal, dass Ihre Arbeit wie Gottesdienst sei.

In Marokko wird viel gebaut, viel zu viel von diesem wunderbaren Land zubetoniert. Ich begreife, dass es Fortschritt, Industrie und Touristik, Arbeit für die Menschen geben muss. Aber ich liebe die Landschaft in Nordmarokko sehr, vor allem jene, der der Mensch keinen Schaden zugefügt hat. Dieses Stück Land zu bepflanzen und zu pflegen bedeutet für mich, es mit seinen Wäldern aus Kork­ eichen, Steineichen und Mastixbäumen und seinen blühenden Lichtungen wiedererstehen zu lassen, so, wie es einmal war, wild und schön, und es gesund zu erhalten. Für die Zukunft der Kinder. Deshalb möchte ich, dass nach meinem Tod eine Stiftung unsere Arbeit hier in Rohuna zum Schutz der Biodiversität weiterführt.

Gibt es Pflanzen, die Ihnen ans Herz gewachsen sind?

Ich liebe Schwertlilien. Eigentlich bin ich nur in den Norden Ma­ rokkos gezogen, weil die Felder zwischen Januar und März mit Iris tingitana bedeckt waren. Heute sind die Felder bewirtschaftet, aber in Rohuna haben wir Millionen von Blumenzwiebeln geret­ tet. Alle marokkanischen Irisarten blühen in unserem Tal! Iris fi­ lifolia, Iris planifolia, Iris serotina, Iris juncea, Iris pseudacorus. Wir züchten auch Iris germanica, Iris pallida, Iris orientalis, Iris bucharica, Iris florentina, Iris lutescens. Es ist ein großes Glück!

Was bedeutet eigentlich das Wort „Rohuna“?

Was war Ihr heutiges Glückserlebnis im Garten?

Rohuna ist ein Name, wie Umberto. Wahrscheinlich war es, wie so oft in der marokkanischen Toponymie, der Name eines Stammes der Jebala. Das sind die Berber in diesem Teil von Marokko.

Heute Morgen hörte ich ein Rascheln unter den Erdbeerbäumen und sah dann eine Stachelschweinmutter, die ihre drei Jungen säugte. Was für ein Anblick! Im Garten leben auch verschiedene Froscharten, Kröten, Laubfrösche, Schlangen, auch die sehr seltene Stülpnasenotter, Hasen, Kaninchen, viele Landschildkröten, und einige Wasserschildkröten paddeln in unserem Bach. Meine Lieb­ lingsvögel hier sind die Bülbüls, die bereits in Tausendundeiner Nacht erwähnt wurden. Sie sind gesellig und lustig und haben keine Angst vor Menschen. Allerdings lieben auch Bülbüls die ‹ Blüten der Gelben Schwertlilien … Ich bin damit nicht allein!

Bitte beschreiben Sie uns die Struktur des Gartens.

Zwischen den beiden Häusern, dem Sommerhaus und dem Win­ terhaus, liegt der „Garten des Trostes“. Das sind etwa 20 Terrassen und Grünflächen, die mit mediterranen und subtropischen Arten aus aller Welt bepflanzt sind. Aber das Herzstück ist den Pflanzen Marokkos gewidmet: ein von jungem Wald bedeckter Hügel und ein Tal voller Zwiebelpflanzen. Auch Madonnenlilien und Dietes

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Ich bin Agnostiker (lacht), aber mir gefällt das Motto der alten Benediktinerklöster: Ora et labora, bete und arbeite. Mich bei der Arbeit auf die Erde zu knien, sie zum Blühen zu bringen, das ist eine Vereinigung, ein Verschmelzen – wie im Gebet.


„Die chinesischen Kletterrosen (linke Seite) überschütten uns im Frühjahr mit ihrem Duft“, schwärmt Pasti, der ein passionierter Iris-Züchter ist. „Dass heute ein Dutzend Schwertlilienarten auf den Wiesen gedeihen, ist ein Glück, das ich mir vor 21 Jahren so schön nicht hätte ausmalen können.“

Einfach dasitzen und unter Farnen und lasziven Kakteen (u.) in den Himmel träumen! Bevor Pasti in Rohuna Bäume pflanzte – einige hat er von Baustellen gerettet –, „gab es hier nur einen halb vertrockneten Orangenbaum, zwei Feigenund Eukalyptusbäume, sonst war alles von Ziegen abgeweidet“.


Bad—2020

Bad-Neuheiten

Großes Kino: Das trompetenförmige Waschbassin „Kalos“ (ab 1920 Euro) wird durch einen kreisrunden Spiegel mit integrierten Auslässen für die Armatur komplettiert (1815 Euro). Hollywood-Eleganz im Badezimmer! devon-devon.com

Von Grandezza bis Miniatur: Moderne Bäder glänzen in allen Formen und Größen. Und sind vor allem: individuell! Te x t— M o n a B e r g e r s , K a r i n J a e g e r u n d Friederike Weißbach

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Fotos: Devon & Devon; THG Paris; Santi Caleca (2); Zazzeri; Hansgrohe (2); Alex Wilson Photography; Fir Italia

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Schönheit zum Aufdrehen Armaturen zeigen Statur und Struktur – in Kupfer, Messing, Chrom, Rosé oder Ma weiß.

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Retro: Einhandmischer „JK21“ aus dunklem Stahl in drei Größen, ab 680 Euro zaz zeri.it 2 Klassiker, neu umhüllt: „AF / 21“ (um 1145 Euro) aus Edelstahl in mattem „Gun Metal“-, Kupfer- und Goldfinish f ant ini.it 3 Schwanenhals: „Nihal“ mit facettierten Porzellangriffen, 4260 Euro thg paris.com 4 + 5 Kubismus: „Axor Edge“ als Hahn in „Polished Black Chrome“ (2500 Euro) und als Griff in geriffelter „Polished Gold“-Optik axor - de sign. de 6 Arne Jacobsens bewährtes Design „590H“, jetzt neu in Weiß (1040 Euro) vola.de 7 Extra seidig: Fir Italia hat eine Palette besonderer Finishes entwickelt, hier „Silky Rose“ auf der Armatur „Cora 35“, 830 Euro f ir italia.it 8 Facettenreich! „Venezia“ mit Chromgriffen (1035 Euro) fantini.it 1

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Nasse Pracht Wasser tanzt, strömt aus der Decke und flirtet mit Licht und Klang – in den neuen Duschen. 1 Bodengleich:

Die Duschrinne „Cerafloor Individual“ passt sich an dallmer.com 2 Deckengleich: Regendusche „Ghost Combi“, 1710 Euro antoniolupi.it 3 Mehr als Wasser: „Rain Tunes“ (hier mit Kopf-, Schulter und Handbrause) schafft Szenarien für alle Sinne hansgr ohe.de 4 Technik unter Putz: „Smart Control“ steuert den Strahl über eine flache Wandrosette grohe.de 5 Art! „Nouveau“-Abtrennung aus Pastellglas, 2359 Euro ex- t .com 6 „Aquamoon Delight Edition“ mit Lichtshow und intuitiver Steuerung im Glasmosaik dornbracht . com 7 Superflach + rutschhemmend = barrierefrei! Duschflächen „Cayonoplan Multispace“ (805 Euro) kaldewei.com

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Fotos: Dallmer; Antoniolupi; Hansgrohe; Grohe; Ex.t; Markus Jans/Dornbracht; Kaldewei; Bette

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Bad in den Bäumen: Was sich hier so dezent vors Fenster schmiegt, ist ein stilles Multitalent: Das Redesign des Bette-Klassikers „Form“ aus Titanstahl gibt es in zwölf Maßen und mehr als 400 Glasuren, von cleanem Weiß bis zu dunklem „Midnight“. my-bette.com

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Wannenwonnen Relaxt übers Wasser schauen oder einfach mal abtauchen? Geht hier beides, und das erfrischend elegant! 3

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Der Name ist Programm: frei stehende Wanne der Linie „The New Classic“ (5761 Euro) von Marcel Wanders laufen.com 2 Schick ummantelt: Acrylwanne (auch mit Whirlsystem, ab 3264 Euro) und Waschtisch der Serie „Happy D.2 Plus“ duravit.com 3 Eigenständig: Wannenbatterie „Atrio“ im PVD-Finish „Hard Graphite gebürstet“, mit Handbrause 4599 Euro grohe.com 4 Dreamteam: Bei „Hug“ umarmen sich Marmor und Eukalyptusholz kreoo.com 5 Wanne (um 12 500 Euro), Armatur und Fliesen aus Waterworks’ Programm „The New Modern“, über material - kon zep t .de 6 Klein, aber fein: „Tubby Too“ aus emailliertem Mineralguss (2431 Pfund) trägt Farrow & Balls Bleu „De Nimes“ albionbathco.c om 7 Rundum schick: „Nouveau“ aus lachsfarbenem Mineralguss, 10 675 Euro ex- t .com 1

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Fotos: Oliver Helbig; Duravit; Grohe; Kreoo; Albion Bath Co; David Malosh, Courtesy Material & Konzept; Ex.t

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Steinchen zählen … oder Kreise und Konfetti! Strukturen und Intarsien schmücken Wand und Boden.

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Variantenreich: handglasierte Serie „Hanley“, ab 3,98 Pfund pro Quadrat balineum.co.uk 2 Fingerspitzengefühl: matt glasierte Relieffliesen (auf Anfrage in Wunschfarbe) h p l u s o.d e s i g n 3 Nur zwei Farben, aber elf Texturen kombiniert „Chymia“. Je 30 x 30 cm, 136 Euro/m2 m u t i n a . i t 4 Marmor satt: Kollektion „Opus“, in vielen Farbstellungen, Preis auf Anfrage l i t h o s d e s i g n .c o m 5 Fugenfrei: Gussterrazzo aus mineralisch gebundenem Steinsplitt, um 80 Euro/m2 v i a p l a t t e n .d e 6 + 7 Wolkig: Feinsteinzeug „Urbex Style“ (ab 43 Euro pro Platte) und „Roc de Bourgogne“ (Preis aus Anfrage) r e fin - flie sen. de bzw. granitifiandr e.de 8 „Mystone Limestone“ hüllt das Bad in zartes Blattwerk. Die Fliesen sind bis 1,20 Meter lang, Preis auf Anfrage maraz zi.de 7

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Fotos: Balineum; H + O; Mutina; Lillie Thompson; Via (3); Ceramiche Refin; Fiandre Architectural Surfaces; Marazzi

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Echokammer der Ele­ mente: Für das itali­ enische Unternehmen Salvatori haben die Designer von Yabu Pushelberg die Serie „Anima“ entworfen. Becken, Unterschrank, Spiegel, Wanne und Wand – alles schwingt im gleichen Stein (hier Gris du Marais), nur der Rhythmus variiert.

Foto: Salvatori

salvatori.it

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Illustration: Jean-Philippe Delhomme

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Wo der Tag in die Nacht übergeht – und die Nacht in den Tag, ist Raum für neues Denken, für außergewöhnliche Einrichtungskonzepte und für Ihre Träume.

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Frei stehend oder wandmontiert, kantig oder rund: Diese Bassins verbinden Nutzwert mit Allure! 6

Honigtöne: Unterschrank „Binario 12“ mit Holzfront und zwei Standbecken „Albume“, neu mit Metallic-Sockeln antonio lupi.it 3 Schale „Miena“ aus dünnem Stahlemail in mattem Anthrazit, ab 585 Euro kaldewei.c om 4 Gessis „Total Look“ synchronisiert das Finish von Stahlbecken und Armatur g e s s i.c o m 5 Waschtrog de luxe: Marcante Testas kariertes Becken „Frieze One High“, 1634 Euro ex- t .com 6 Filigran und praktisch: Waschtisch „Filo“ mit Glasplatte c e r a m i c a f l a m i n i a . i t 7 Elegant auf Linie: Waschstele „Tao“ aus Marmor mit Metallbändern, 8090 Euro kreoo.com 1+2

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Fotos: Antonio Lupi (3); Reinhard Hunger / Kaldewei; Gessi; Ex.t; Ceramica Flaminia; Kreoo; Keuco; Constantin Meyer /Burgbad; Laufen; Inbani; © Alape

Besondere Becken


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Klein & fein Neue Platzsparer und Raumwunder.

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nur für Gäste: Waschtisch „X-Line“ mit Spiegelablage und Stauraum, 2700 Euro keuco.com 2 Extraklein: Mini aus Stefan Diez’ bunter Glas-Kollektion „rgb“ burgbad.de 3 XS-Becken mit integrierter Ablage und Handtuchhalter aus der „Val“-Serie von

Konstantin Grcic, 640 Euro l au f e n .c o m 4 Schick im Schlafzimmer: Set aus Spiegel, Konsole und schmalem Bassin der Serie „Facett“ von inbani.com 5 Waschplätzchen: „Piccolo Novo“ mit Becken und Ablage aus emailliertem Stahl, 1005 Euro alap e.com

Duschrinnen von Dallmer überzeugen durch prämiertes Design und hohe Reinigungsfreundlichkeit

CeraFloor Individual, abgebildet in matt anthrazit. Dallmer verbindet Ästhetik, Funktion und Qualität „Made in Germany“. Entdecken Sie jetzt auf dallmer.com die Vielfalt an Formen, Materialien und Farben.


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Stau im Bad? So gibt es Raum … dank fescher Ablagen und Accessoires. Neben transluzent sind die Spiegel von Kartell by Laufen nun auch opak gerahmt kar te llbylau f e n.c om 2 + 3 Verdecktes Nischenregal und Waschtisch des schlauen Komplettsystems „One“ g eb erit .de 4 Gepflegt abhängen: Ablage aus Alublech, 215 Euro keuco.com 5 Buchenleiter „Italic“, in zwei Höhen, ab 149 Euro te am7.de 6 Upgrade für fade Bäder: Ablagen in frischen Farben und Messingbeschläge (ab 14 Euro) von Note Design Studio haven.se 7 Schmeichelndes Schimmern: Appliken „Bide“ aus Alabaster, ab 774 Euro b e r t fr ank.c o.uk 8 Neuer Shaker-Stil: Waschtisch in Eiche aus der Bad- und Stauserie „Mya“ von Altherr Désile Park bur gbad.de 9 Geheimnishüter: modulare Aufbewahrung „Lift“ mit Türen in Carrara ag ap e de sign.it 10 An einer Eschenleiste wärmt Piero Lissonis Heizkörper „Waffle“ (ab 1852 Euro) jetzt auch Handtücher antrax.it

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Fotos: Torvioll Jashari; Geberit (2); Keuco; Team 7; Haven; 7am; Salva López/Burgbad; Agape; Antrax IT

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EDITION 90

DESIGN UND QUALITÄT MADE IN GERMANY

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Der Klang des Wassers Interview—Karin Jaeger Po r t r ä t s — A x e l B a u r, Nathalie Mohadjer

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ie beide haben Moodboards für uns kreiert. Welche Ideen stecken darin?

Gesa Hansen: Ein dunkles Bad ist unty-

pisch für Skandinavier wie mich. Aber die Isolation zu Hause fördert gerade so eine Kokon-Stimmung. Ich merke, dass ich nicht viel brauche und auch keine Lust auf Konsum habe. Deshalb führt mein Moodboard zurück zum Wesentlichen: zu dem, was dem Körper guttut, und zu den Elementen Feuer und Wasser. Im Spa geht es ja immer um den Wechsel zwischen heiß und kalt. Kälteschocks sind das ursprünglichste Schönheitsritual, für die Haut gibt es nichts Besseres – es wäre genial, wenn ich es endlich schaffen würde, kalt zu duschen! Deshalb kontrastiere ich warme und kalte Materialien, etwa Kupfer, das übrigens Viren tötet, und verkohltes Yakisugi-Holz. Erst durch den Wechsel entstehen ein Gleichgewicht und eine Stimmung.

Wie man ein zeitgemäßes Home-Spa gestaltet – wer wüsste das besser als Gesa Hansen und Otto Braun? Ein Gespräch mit zwei Bad-Koryphäen. Otto Braun: Kontraste spielen auch bei

meinem Moodboard eine Rolle. Das angedeutete Industrial Design der Armatur schafft etwa in der Verbindung mit Travertin eine elegante, moderne Spannung. Denn reiner Minimalismus ist nicht nur meinen Kunden inzwischen zu kühl. Zum Glück gibt es viele neue Oberflächen aus Naturstein oder Feinsteinzeug, die ihn aufbrechen: Varianz in der Struktur und Haptik, Farbschattierungen, nicht mehr alles plan und künstlich. Oder auch Spiegelfliesen mit angelaufener Oberfläche; die bringen noch mal ein ganz anderes Finish rein. GH: Mit solchen Mercury-Spiegeln arbeite ich auch gern – da fühlt man sich nicht so unter der Lupe! Gerade in Deutschland mag man es ja oft klinisch sauber, dazu beleuchtete Spiegel, in denen man sich ganz genau sieht. Diesen Perfektionismus finde ich ein bisschen anstrengend. Deswegen ist mir der Wabi Sabi-Gedanke so wichtig: An Orten wie dem Bad, wo man oft nackt ist, wirkt es beruhigend, Materialien zu haben, die Patina ansetzen – so wie wir. Also grauen Stein, Kork, Holz statt shiny Hightech-Materialien – das strahlt eine Naturverbundenheit aus, die an sich schon entspannend und heilend ist. Im „Shibui Spa“ des „Greenwich Hotel“ in Tribeca fühle ich mich jedenfalls weitaus wohler als in Philippe Starcks weißem Spiegel-Spa im „Royal Monceau“ in Paris. Welche Rolle spielt Technik in Ihren Traum-Spas? GH: Ein Dusch-WC scheint mir ökologisch

Otto Braun Seit 2005 entwickelt der Gründer des Studios Braun Fehrentz in der Berliner Friedrichstraße individuelle Bad- und Spa-Konzepte. Er schätzt besonders die innovative Eleganz italienischen Bad-Designs.

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sinnvoll, zumal man das schwer umkämpfte Toilettenpapier spart. Ansonsten kann ich auf industrialisierte Gimmicks gut verzichten. Eine schlichte Massageliege kann ich mir hingegen gut vorstellen. Als ich in der Therme in Vals war, hat jemand einfach einen Eimer über mich gegossen; das fühlte sich toll an! Oder der Klang von Wasser – es gibt nichts Schöneres als leises Plätschern. Das braucht man nicht mit künstlichem Sound zu überdecken – außer

Gesa Hansen Die Möbel- und Interiordesignerin stammt aus einer deutsch-dänischen Familie und lebt in Paris. Sie arbeitet unter anderem als Art Director für Villeroy & Boch und entwickelt gerade eine Sauna für Klafs.

man singt in der Dusche. Und Kerzenschein ist tausendmal besser, als alles in blaues LED-Licht zu tauchen. OB: Wobei, so wahnsinnig technisch sind Home-Spas heute ohnehin selten, zumindest optisch. Natürlich sieht eine Dusche mit Licht-Effekten etwas anders aus als eine einfache Regendusche, aber die technische Komponente muss gar nicht offensichtlich sein. Und eine Dusche mit Sitzbank kann auf Knopfdruck einfach in ein Dampfbad verwandelt werden, ohne dass man eine separate Dampfbadbox hinstellen muss. In so einer Dusche lassen sich sogar die gleichen Materialien verwenden wie im restlichen Bad – also Marmor, Mosaik oder was auch immer man aussucht. Sie sehen also keinen Widerspruch zwischen Hightech und Spa-Atmosphäre? OB: Spa-Atmosphäre entsteht vor allem

dadurch, dass ich einen Ort schaffe, wo ich mich nach dem Duschen oder der Sauna hinlegen und ausruhen kann, wo ich mich also gern etwas länger aufhalte. Wenn man sowieso Wert darauf legt, mit schönen Ma-


www.thg-paris.com

© THG Paris

Robinetterie | Collection “O”, design by Studio Putman - Finition | PVD blush


Italien in Berlin Otto Brauns Wahl: dunkle Becken- und Duscharmaturen „Fontane Bianche“ und Regenbrause „Aquafit“ von Fantini, Effegibis Sauna „Yoku“ aus Thermoholz, Wandfliesen und Blätter-Tapete (für die Liegezone) von 41zero42, Falpers Wanne „Homey“ vor Travertin „Blue Etruscan“ (über Vaselli), „Vanity“-Spiegel von Decor Walther.

terialien zu arbeiten, gibt es dabei eigentlich auch keinen so großen Unterschied zum normalen Bad. Außer dass ein Spa unter Umständen etwas mehr Raum benötigt. Was braucht denn ein Badezimmer, damit man sich dort gern aufhält? OB: Sowohl ein Bad als auch ein Wellness-

bereich sollten immer auch als Wohnraum zählen. Deshalb arbeiten wir dort gern mit Naturstein, aber auch mit Holzböden, mit Tapeten, mineralischen Farben – und angenehmer Beleuchtung. Nicht unbedingt mit Kerzen, aber mit Leuchten, die man dimmen kann, um Atmosphäre zu schaffen. Auf jeden Fall, da würde ich Gesa völlig recht geben, stehen die Materialien im Vor-

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dergrund und nicht die Effektivität oder irgendwelche Gimmicks. Sie plädieren also beide dafür, nicht nur das Home-Spa, sondern auch das normale Bad als Interior ernst zu nehmen? GH: Ja, unbedingt! Das Bad ist mein abso-

luter Lieblingsplatz. Dort kann man ganz bei sich sein – und sich mal zurückziehen von der Familie. Eigentlich sollte man jedes Bad als so einen intimen Ort behandeln und nicht nur als Waschstation. Selbst wenn man wenig Platz hat. OB: Man sollte sich dabei nur nicht zu sehr an öffentlichen Spas orientieren! Deshalb verwende ich in Privatsaunen dunkle Hölzer und nicht das typische helle Saunaholz.

Oder die Armaturen: Aus großen Spas kennt man diese Touchpanels, die in die Wand eingelassen sind. Davon rate ich meistens ab – ich finde, ein Privatbad darf ruhig Hebel haben! Das sieht weniger technoid aus, und es schafft mehr Bezug zu dem, was passiert. Wenn ich einen Hebel greife und mehr oder weniger Wasser aufdrehe, mache ich eine körperliche Erfahrung, es entsteht eine Verbindung. Das ist vielleicht etwas altmodisch gedacht, aber ich finde die Idee des Zusammenspiels von Mechanik und Genuss sehr spannend im Wellnessbereich. Zudem kommen schöne Oberflächen wie Kupfer erst auf Kreuzoder Radgriffen richtig zur Geltung.

Fotos: Walter Zerla; Kasia Gatkowska; Effe; 41zero42; Santi Caleca; Vaselli Marmi; Casarini Gian Luca; Falper; Decor Walther

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Fotos: Sebastian Cox; Lapuan Kankurit; Alterlyset; Zwarthout; Villeroy & Boch; Neve Rubinetterie; Hideki Onishi; Manufactum; Claybrook Studio

Bad—2020

Japan in Paris Gesa Hansens Wahl: schwarzer Schrank „Shake“ (über thenewcraf t smen. com ), Leinentuch von Lapuan Kankurit, Kirchenkerzen von Alterlyset, Zwarthouts karbonisiertes Holz „Nakatado“, Claybrook-Fliesen „Chateau Villandry“, Kupferwanne von Manufactum, Villeroy & Bochs Dusch-WC „Viclean-I 100“, Hinoki-Eimer von Ippinka, Outdoor-Hähne „Fly“ von Neve.

Gerade die Entwicklung der PVD-Beschichtung hat ja bei den Oberflächen viele neue Möglichkeiten eröffnet. GH: Für uns Interiordesigner hat das eine

riesige Erweiterung des Werkzeugkastens bedeutet. Man kann dadurch Materialien sehr gut aufeinander abstimmen. OB: Ja, neue feine Metallnuancen wie Gunmetal oder British Gold harmonieren toll mit den verschiedensten Materialien. Das helle Gold etwa passt zu Marmor mit Creme- oder Weißanteil, aber auch fantastisch zu Travertin. Der würde mit Messing wesentlich rustikaler und schwerer wirken. Abgesehen davon sind PVD-Beschichtungen die härtesten Oberflächen, die es gibt.

Also auch für Kunden geeignet, die ein Problem haben mit Kalk. Falls ein neues Home-Spa gerade nicht infrage kommt: Verraten Sie uns Tricks, um trotzdem Atmosphäre zu schaf fen? OB: Ich würde als Erstes gucken, wo lässt

sich Farbe reinbringen? Kann ich Wände tapezieren oder Fliesen überstreichen? GH: In der Wohnung meines Bruders habe ich kürzlich die Wandfarbe geändert von Weiß zu Dunkelgrün, dadurch sah der Granit auf einmal viel natürlicher aus. Und alle Armaturen wurden schwarz – ich habe sie einfach pulverbeschichten lassen. Aber auch Textilien sind ein extrem wichtiges Element! In welches Handtuch man sich

hüllt – und ob es vorgewärmt ist –, das trägt extrem viel zum Wohlgefühl bei. OB: Vielleicht schaut man sich auch mal beim Trödler um. Als ich mein eigenes Bad neu gestaltet habe, habe ich mir einen verwitterten alten Melkschemel besorgt, als gemütlichen Gegenpart zu rotem Marmor und schwarzen gebrochenen Zellige-Fliesen. Auch meinen Kunden empfehle ich gern: Wenn Sie irgendwo ein Lieblingsstück sehen, egal ob Sie in Paris sind oder New York – einfach mitnehmen und hinstellen! Man muss nicht alles genau aufeinander abstimmen. Das, was da ist, ein bisschen aufzubrechen ist immer schön – in einem älteren wie in einem neuen Bad. ‹ 67


Der Duft der Frauen Te x t — S i m o n e H e r r m a n n

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hamps-Elysées, Nummer 68. Der Stammsitz von Guerlain. Ein Kristalllüster klingelt leise, während der Doorman die Tür schließt. Wie fernes Rauschen dringt der Verkehr herein und verebbt vor dieser Kulisse: prachtvolle Marmorinkrustationen, vergoldete Boiserien, Spiegel – Paris um 1913. Eine Welt wie aus französischen Filmen. Die Dame dort, die blonde mit der dunklen Sonnenbrille, eben ist sie die Treppe hinaufgegangen, kurz blitzen noch ihre

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rot lackierten Nägel auf dem Treppengeländer – ist das nicht …? Catherine Deneuve? Nein, sie ist es nicht, aber der Duft, der die schöne Unbekannte umgab und der sich nun ausbreitet, kühl und flirrend-sinnlich, ist der Duft der Deneuve. „Chamade“, der 1969 wie ein olfaktorischer Molotowcocktail, „wie das Lächeln der Deneuve“, in die Pariser Gesellschaft platzt. Oder „Nahema“, ein schwerer Rosenduft aus dem Jahr 1979. Keiner hat die Aura des Stars, das Geheimnis ihrer Persönlichkeit, so kongenial eingefangen wie Jean-Paul Guerlain. Marmorkühle und darunter dieses schwelende Feuer. Damit führt Guerlain eine Tradition

fort: die Hommage an eine Frau. Denn schon 1853 widmet Pierre-François-Pascal Guerlain sein „Eau de Cologne Impériale“ Kaiserin Eugénie. Die erfrischenden Zitrusnoten bringen der Gattin von Napoleon III Linderung ihrer Kopfschmerzen – und Guerlain den Titel „Offizieller Parfumeur Ihrer Majestät“. Dass er den Duft in einem vergoldeten Bienenwabenflakon präsentiert, den er von den Goldschmieden Pochet du Courval entwerfen ließ, wissen die Majestäten zu schätzen, schließlich ist die Biene das Wappentier der napoleonischen Dynastie. Ein erster Höhepunkt in der Zusammenarbeit mit Künstlern und Desi-

Fotos: Pol Baril; Guerlain Archives (2); Keystone-France/Gamma-Keystone via Getty Images

In Frankreich zählt Guerlain zum nationalen Kulturerbe. Wegen der legendären Düfte. Aber vor allem, weil das Haus die Schönheit feiert.


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Sind Sie ihr Typ? Das fragte seit den 1920ern die Guerlain-Werbung (o. New Yorker „Shalimar“-Plakat und HarrodsAnzeige für „Vega“). Dass es nun die Frauen waren, die sich die Männer aussuchten, nicht umgekehrt, war neu. Wen Catherine Deneuve (rechts) da wohl in Augenschein nahm? Jean-Paul Guerlain widmete der Muse der Nouvelle Vague 1979 seinen betörenden Rosenduft „Nahema“. guerlain.com

gnern, die bis heute die Geschichte des Baker mit dem quirligen „Sous le Vent“ und Hauses prägt. Auch wenn die berühmte die Pilotin Hélène Boucher mit dem UnisexImpressionistensammlung („Rettet zuerst duft „Vol de Nuit“. 1913 zieht er an die den Monet, wenn es brennt!“, schärfte Jean- Champs-Elysées. Er ahnt, dass der BoulePaul Guerlain seinem Team ein) längst im vard zur Schlagader des Pariser Chic werMusée d'Orsay hängt – bis heute entwer- den wird. Das neue Haus, ein Haussfen Designer wie Hervé van der Straeten, mann-Bau mit Art nouveau-Motiven am Ora Ïto oder Mathieu Lehanneur die Fla- Erker aus Schmiedeeisen und Porträtköpkons, Lippenstifthülsen, Puderdosen und fen über den Granitbögen, zählt heute zu Cremetiegel des Hauses. den monuments historiques von Paris. Und Alles beginnt im Kramladen eines Ker- Guerlain selbst zum nationalen Kulturerbe. zensieders in der Picardie. Dort wächst „Montez à l'étage“, sagt der Doorman auf Pierre-François-Pascal auf, den sein Vater, die Frage nach dem Spa. Auch das ist eine ein hellsichtiger Mann, zum Chemiestu- Institution. 1939 gegründet, eines der ersdium nach England schickt. Er soll Par- ten und sicherlich das mondänste Schönfumeur werden – und sein Haus wird heitsinstitut der Welt. 2013 hat Peter Maridas berühmteste der schönheitstrunkenen no die Etagen über der Boutique neu Belle Époque. Widmete Aimé, der Sohn des gestaltet. Der Verkehrslärm, die AutolawiGründers, sein Parfum „Jicky“ noch einer ne draußen – hier löst sich der Alltag in Geliebten, so feiert Jacques, der „Mitsouko“ Ruhe, in bien-être, in Schönheit und Duft. und „Shalimar“ erfand, bereits die neue Ge- „Unsere Kunden sollen bei uns völlige Entneration emanzipierter Frauen, die Heldin- spannung finden“, sagt Véronique Jacquet, nen der 20er- und 30er-Jahre: Josephine die Direktorin des Institut de Beauté, und

„Sich gut riechen können. Darin liegt die wahre Magie von Duft. In der Beziehung zu einem anderen Menschen – und zu sich selbst. Ein gutes Parfum ist eines, in dem wir unseren Träumen wiederbegegnen.“ Thierry Wasser

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„Als Junge war ich klein und dick, voller Komplexe. Mein Idol trug ‚Habit Rouge‘ von Guerlain. Mit dem Duft fühlte ich mich groß, so wie er.“ Thierry Wasser

„Typisch Guerlain? Zitrus- und orientalische Noten, Rosen!“, sagt Chefparfumeur Thierry Wasser. „Das Wichtigste an einer Essenz ist es, dass sie Gefühle, Erinnerungen weckt.“ 2009 hat Jean-Paul Guerlain dem Schweizer das Rezepturenbuch von Guerlain anvertraut. Auch die Formeln für die berühmten Colognes im Bienenwabenflakon (links).

68, Champs-Elysées! Thierry Wasser hat der legendären Guerlain-Adresse einen Duft gewidmet, floral und woody, der ebenso elegant ist wie die Art nouveau-Fassade.

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spricht dann über die 300 Massagetech­ niken des Hauses, die jeden Muskel beglü­ cken. „Wir arbeiten nicht nach Protokoll, sondern nur für den einzelnen Menschen, jeder ist anders, einzigartig, das allein ist unsere Maßgabe.“ Den Rahmen dazu hat Peter Marino gesetzt: weiße Fauteuils, Ap­ pliken von Diego Giacometti blitzen auf grauweiß geflammten Marmorwänden, ein leiser Luftzug bauscht die Gazevorhänge … Es ist, als schwämme man in lauem Wasser. Und in den Kabinen glimmen Marmor, hel­ les Holz, blütenweiße Liegen. Die Interi­ eurs erinnern an die Hände der Kosmetike­ rinnen. Engelhafte Sanftheit, eine Welt der Düfte, in der die Gedanken ziehen können, in der flüchtige Bilder und Erinnerungen emporsteigen. „Das Parfum“, sagte Jean­ Paul Guerlain einmal, der sich 2009 aus

dem Unternehmen zurückzieht und sein Wissen an seinen Nachfolger, Chefpar­ fumeur Thierry Wasser, weitergibt, „das Parfum ist die intensivste Form der Erin­ nerung.“ Wasser nickt. Nach der Parfum­ schule Givaudan geht der Schweizer 1993 nach New York zu Firmenich, kreiert Düfte für Dior und Lancôme, bevor er 2009 die Nachfolge von Jean­Paul Guerlain antritt und Parfums wie „Guerlain Homme“ oder die Reihe der „Aqua Allegoria“­Düfte lanciert. „Duft heißt Kommunikation für mich“, sagt der Mann, der die seltene Gabe besitzt, Gerüche verbalisieren zu können. Alles liege im Austausch mit seiner Equi­ pe, aber auch mit den Produzenten in aller Welt – den Blumenzüchtern aus Bulgarien, dem Iran, aus Grasse, dem Pomeranzen­Bau­ ern auf Sizilien … Duft sei aber auch Selbst­ vergewisserung, sagt er dann. „Habit Rouge“ von Guerlain habe ihn das gelehrt. „Ein Freund meiner Eltern, ein richtiger Typ, ein Klassemann trug es. Für mich, ein dickli­ cher kleiner Junge, der sich sehnlichst Bart­ wuchs wünschte, war er der Inbegriff all dessen, was ich nicht war. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, allein unter Frauen. Ich brauchte dringend Bestätigung“, lächelt er. „Eines Tages habe ich mir das Parfum heimlich gekauft. Plötzlich roch ich wie er, nach Holz, Leder, nach diesen orientali­ schen Gewürzen, das gab mir Mut.“ Thierry Wasser trägt einen eleganten Anzug. Aber man kann ihn sich gut zu Pferd vorstellen. In der roten Reiterjacke. ‹


Porträt: Ralph Mecke; Fotos: Pol Baril (4); Maison Guerlain

Vom spiegelnden Entree o. – mit Kristalllüster und kunstvollen Inkrustationen aus 17 Marmor­ sorten – führt die Treppe in die Verkaufsräume der ersten und zum Spa in der zweiten Etage. 2013 hat Peter Marino das 1939 gegründete Insti­ tut de Beauté in einen Kokon aus hellen Hölzern, geflammtem Marmor und Onyx verwandelt.

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Im Zentrum das Auto: Moderne Städte sind in ihren Abmessungen stark auf dessen Platzbedarf und Geschwindigkeiten ausgerichtet. Das ist ungerecht, findet der Stadtforscher Jan Gehl (rechte Seite), der die Straße Fußgängern und Radfahrern zurückgeben will. 2007 untersuchte er im Auftrag der Stadt New York den Verkehrsfluss am Times Square.


Architektur Interview

Das Maß aller Dinge Wohin geht das Leben in unseren Städten? Fragen an Dänemarks Stadtplaner­Legende Jan Gehl. Interview: Andreas Kühnlein

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an Gehl hat sein Leben in den Dienst humanerer Städte gestellt. Der dänische Architekt legte den Grundstein für den Umbau Kopenhagens in einen der lebens­ wertesten Orte der Welt; als Sozialforscher und Berater arbeitete er in Moskau, Sydney und New York. Wir treffen ihn virtuell zu einem Gespräch über Autos, Hygiene und den menschlichen Maßstab. Wir durchleben gerade seltsame Tage – wie geht es Ihnen, Herr Gehl?

Ich sitze zu Hause – in meinem Alter gehö­ re ich ja zur Hochrisikogruppe. Aber meine Frau und ich machen jeden Tag einen lan­ gen Spaziergang in ein anderes Viertel von Kopenhagen, wo wir uns die Architektur ansehen. Wohnprojekte, die Flaggschiffe der Siebziger, Achtziger und Neunziger. Da schauen wir, wie gut die unterschiedlichen Herangehensweisen heute funktionieren. Und ehrlich gesagt: Gerade die letzten zehn Jahre begeistern mich nicht gerade.

Stück für Stück wieder geöffnet, aber ich werde wohl den Rest des Jahres hier sitzen (lacht). In der Stadt hat das seine Vorzüge, es ist auf einmal so ruhig, man hört wieder die Vögel. Wer hätte gedacht, dass man die Welt so effizient stillstellen kann? Hier waren die Autowerkstätten weiter geöffnet, Fahrradläden dagegen mussten erst einmal schließen. Das bringt das Problem auf den Punkt, oder?

Das ist hier anders! In Kopenhagen arbeite­ ten die Fahrradwerkstätten die ganze Zeit, alle fahren weiter mit dem Rad. Das sind tatsächlich unterschiedliche Kulturen. In Kopenhagen begann das bereits 1962, als man erste Straßen für den Autoverkehr sperrte. Aber es gibt auch hier Spannungen, der Wohlstand wächst, und die Leute kau­ fen wieder mehr Autos. Darüber müssen wir uns ernsthaft Gedanken machen. Wie geht man damit um? Sobald man in Deutschland ein paar Parkplätze

streicht, hagelt es gleich heftige Beschwerden aufgebrachter Bürger …

Es gibt eine ganze Reihe von Methoden, den Stadtverkehr zu verringern. Man kann das Benzin zehnmal so teuer machen. Oder die Hälfte der Parkplätze wegnehmen. Man kann Parkgebühren erhöhen, Straßen schmaler machen oder ganz sperren. Das ist die Klaviatur, derer man sich bedienen kann – nur machen das die wenigsten, um die Wähler nicht zu verschrecken. Aber man kann Straßen durchaus schöner und sicherer gestalten, ohne dabei Verkehrska­ pazität einzubüßen. Kleine Schritte, die nicht sehr wehtun, die Lebensqualität aber entscheidend verbessern können. Welche Rolle spielt dabei Technologie?

Ach, es heißt viel zu schnell, dass autonome Autos oder die Smart City all unsere Pro­ bleme lösen werden – wozu sich also über­ haupt die Mühe machen? Aber das allein reicht nicht, wir brauchen immer noch po­

Foto: New York City Department of Transportation; Porträt: Ashley Bristowe

Warum nicht?

Ich denke, das liegt vor allem an dem Wan­ del weg vom sozialen Wohnungsbau, des­ sen Ziel es war, guten Wohnraum zu schaf­ fen für ein ganzes Leben. Heute haben private Entwickler das Ruder übernom­ men, die sich über das Leben an einem Ort nicht mehr viele Gedanken machen, sondern Apartments bauen zum Drin­ schlafen und Rausgucken. Ihr Ziel ist der Profit, und die Architekten spielen das Spiel nur zu gern mit. Gibt uns die aktuelle Lage, der Mix aus social distancing und dem Bedürfnis nach Gemeinschaft, einen neuen Blick?

Ich denke schon, ja. Hier in Dänemark werden gerade Schulen und Kindergärten

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„Gute Möbel“, mahnt Jan Gehl: „Unterschätzen Sie nicht den Wert guter Möbel!“ Das gelte auch im öffentlichen Raum – wie hier auf dem Times Square während der Intervention. Die Umgestaltung bereiteten Gehl Architects zwischen 2007 und 2009 in mehreren Pilotprojekten vor, 2017 machte Snøhetta daraus ein dauerhaftes Design.


Architektur Interview litische Entscheidungen über den Raum, in dem wir leben wollen. Den sollten wir selbst bestimmen, und nicht irgendein neues Gadget. Nun hatte Kopenhagen dafür 60 Jahre. Haben wir angesichts des Klimawandels noch die Zeit für kleine Schritte?

Schauen Sie sich Sydney an, dort hat man in zehn Jahren einen sehr effektiven Wandel vollzogen. In Moskau dauerte es nur sechs Jahre, und dort gab es überhaupt kein öffentliches Leben mehr in den Straßen. Die haben eine sehr … effiziente Form von Demokratie, und sie lieben Männer jenseits der 60; deshalb war ich da so gefragt (lacht). Was immer wir in Moskau vorschlugen, wurde vom Fleck weg umgesetzt. Warum, wurde mir erst später klar: Die FußballWM stand vor der Tür.

„Wo immer ich gearbeitet habe, stets ist mir der Homo sapiens begegnet – Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen.“

Fotos: New York City Department of Transportation; Island Press (2); Danish Arch. Press; Arkitektens Forlag (2); Jovis

Mut und eine gewisse Dringlichkeit helfen also …

Ich glaube fest an gute Beispiele. Man muss zeigen, was andere Städte geschafft haben. Die meisten Leute erkennen sich darin sofort wieder: „Das da könnte ich sein, das meine Großmutter beim Überqueren der Straße, das meine Kinder auf dem Weg zur Schule.“ Meist geht es um ganz grundlegende menschliche Bedürfnisse. Die Sie über Jahre hinweg studierten …

Ich sehe mich selbst als Forscher. 40 Jahre habe ich an der Universität geforscht, dann begannen mehr und mehr Städte zu fragen, wie sich die Ergebnisse anwenden ließen. Da erst starteten Helle Søholt und ich unsere Firma, Gehl Architects, und ich wurde Vollzeitberater. Aber an erster Stelle stand die Forschung, wie die physische Umgebung das menschliche Leben beeinflusst. Mitte der Sechziger gab es dazu keinerlei systematisches Wissen. Als wir später darangingen, das praktisch umzusetzen, führte das zu ein paar für mich wirklich beeindruckenden Richtungswechseln. Zum Beispiel in Ihrer Heimatstadt.

Ja, an der School of Architecture haben wir die theoretischen Grundlagen gelegt, die die Stadt dann umsetzte. Das war eine wirklich effektive Symbiose. Als Kopenhagen kürzlich den 850. Jahrestag der Stadtgründung feierte, wurden zehn Menschen benannt, die die Stadt zu der gemacht haben, die sie heute ist. Nummer zehn in dieser Reihe von Königen und Bischöfen war ich – was für eine Ehre!

len oft abweisend und kalt. Ich habe in arabischen Ländern gearbeitet, in Grönland und China, aber stets ist mir der Homo sapiens begegnet, Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen. Es geht um die Relation zu unserem Körper, der Art und Geschwindigkeit, in der wir uns bewegen, um unsere Sinne und die Wahrnehmung. Das ist der Kern: das menschliche Maß. Das man modernen Städten oft nicht mehr so recht ansieht …

Und genau darin liegt das Problem: Die Modernisten haben den Maßstab zum Fenster rausgeworfen. Und dabei angefangen, nur noch Objekte anstelle des Raums dazwischen zu gestalten. Alles, was nicht bebaut war, galt plötzlich als überflüssiger Rest. Eine Stadt wie Rom besteht komplett aus solchen Zwischenräumen, Dubai dagegen nur noch aus Gebäuden. Eine Maschine zum Leben, so nannten das die Modernisten denn auch. Und dabei kam ihnen das menschliche Maß abhanden. Wie haben Sie es wiedergefunden?

Es hat alles damit angefangen, dass meine Was sind die wichtigsten Elemente Frau und ich nicht glauben konnten, was einer lebenswerten Stadt? in den Sechzigern in den Vorstädten pasGute Städte brauchen Straßen, Plätze und sierte. Plattenbauten, endlose EinfamilienParks. Aber das ist nicht alles. In meinem häuser, mehr und mehr Autos – das sollte Hauptwerk „Städte für Menschen“ habe ich die Zukunft sein? Also suchten wir nach ein Kapitel den menschlichen Sinnen ge- Alternativen. In „Des Kaisers neue Kleider“ widmet. Darum geht es: den Maßstab. Je gibt es das Kind, das nicht fassen kann, näher wir uns kommen, desto persönlicher warum keiner die Wahrheit sehen will. So und intimer werden unsere Beziehungen; kam ich mir damals vor in meinem Kampf deshalb erscheinen uns kleinräumige Städ- gegen all die Ismen, die scheinbaren Gete warm und vertraut und große Metropo- wissheiten, die unerhörte Arroganz mei-

Das Leben dazwischen

L i fe B e t we e n Bui l d i n gs (1 97 1 ) Der Klassiker: Jan Gehls Plädoyer für die Bedeutung öffentlichen Raums für das städtische Leben. I s la n d Pres s

Pu bli c Spaces, Pu bli c Li fe (1 9 96 ) Übersicht über 34 Jahre Stadtentwicklung in Kopenhagen – und Gehls Grundlagenforschung. Dani sh Arc h. Press

New Cit y Spaces ( 2 000) 39 Fallbeispiele aus neun Städten auf der ganzen Welt, von Freiburg bis Melbourne. Ar k itek ten s For lag

New Cit y Life ( 2006 ) Ein Handbuch für das öffentliche Leben im 21. Jahrhundert am Beispiel Kopenhagens. Ar kite kten s For lag

St äd te fü r Me nsch e n ( 2 01 0) Das Hauptwerk: 40 Jahre Forschung über lebenswerte Städte und das menschliche Maß. Jov i s

How to St ud y Pu b l i c L i fe ( 201 3) Praktische Anleitung für Stadtforscher – und alle, die die Stadt mit anderen Augen sehen wollen. I slan d Pre ss

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Architektur Interview

2004 begann Jan Gehl gemeinsam mit dem Amman Committee, einem Gremium aus Architekten und Wissenschaftlern, im Auftrag des jordanischen Königs mit der Erarbeitung eines Maßnahmenkatalogs für die Hauptstadt Amman. Aus einer wenig ansehnlichen Kreuzung im Viertel Ashrafieh …

Also konzentrierten Sie sich darauf, erst einmal genau hinzuschauen …

… und viel Geduld zu haben. Ich saß einfach jahrelang herum und beobachtete, was die Leute um mich herum taten. Und dabei zählte ich mit: Wie viele Menschen sind hier, wie viele dort? Und warum? Irgendwann ergibt sich daraus ein Muster. Sobald man Menschen beobachtet, richtet sich der Blick automatisch nicht mehr auf Gebäude, sondern den Raum dazwischen. Leute gehen an Orte, die sie mögen; jene, die sie nicht mögen, meiden sie. Unsere Aufgabe ist herauszufinden, warum. Daraus haben wir dann zwölf Kriterien erarbeitet für gute, Menschen – also Fußgängern – angemessene Räume. Mancherorts werden 13 davon missachtet, anderswo stimmen fast alle. Aber das kommt nicht sehr oft vor. Schnell wurde mir klar, dass die Kunst, angenehme Räume zu gestalten, in unserem Berufsstand eher schwach ausgeprägt ist. Was erneut mit den Interessen großer Immobilienentwickler zusammenhängt, die den Städtebau heute dominieren …

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Ja, wobei es auch andere Beispiele gibt. Ich Stadt, sondern des Luftraums. Dazu komarbeite mit norwegischen Entwicklern zu- men Fallwinde, die gerade hier im Norden sammen, die erkannt haben, dass gut ge- am Fuß eines Gebäudes alles andere als stalteter öffentlicher Raum langfristig ein angenehm sind. Ich habe auf der ganzen sinnvolles Investment ist. Die geben etwa Welt kaum ein Hochhausprojekt gesehen, die Erdgeschosse ihrer Projekte mietfrei das die Leute als Ort beschrieben, an dem an kleine Läden, deren Mischung wir vor- sie sich wohlfühlen. „Überwältigend“ ja, her festlegen. Das erhöht den Wert der Eta- „beeindruckend“, aber nie „angenehm“. Weil gen darüber – und bereichert das Leben man sich entkoppelt fühlt. Schauen Sie sich drum herum. Diesen Mechanismus haben Paris an oder Barcelona. Städte ohne Hochviele Entwickler noch nicht verstanden. häuser, und trotzdem ist die Einwohnerdichte sehr hoch. Solche Orte sind es, die „Die Stadt als Maschine statt als uns ansprechen und vertraut erscheinen.

biologischer Organismus – das ist das schwierige Erbe der Moderne.“

Dabei handelt es sich allerdings um Städte mit langer Geschichte. Inwieweit kann man das nachträglich planen?

Sind viele Architekten einfach zu faul geworden und bauen lieber, wie Shohei Shigematsu von OMA das nennt, die immer gleichen „Bento-Boxen“?

Wenn ich von Paris spreche, dann meine ich tatsächlich in erster Linie Haussmann; Häuser mit sechs Stockwerken, wunderbare Boulevards, Bäume … Aber gehen wir einen Moment nach Melbourne. Anfang der Neunziger war das Zentrum ein furchtbarer Ort ohne jedes Leben, heute gehört die Stadt zu den lebenswertesten der Welt. Das zeigt, was man mit breiteren Gehwegen, öffentlichen Plätzen und gutem Stadtmobiliar in weniger als drei Jahrzehnten bewirken kann. In Perth ist Ähnliches passiert,

Die einfachste Antwort auf Verdichtung ist immer ein Turm. Dabei kann man dieselbe Dichte auch in niedrigeren Gebäuden erzielen, aber man muss mehr dafür tun – etwa um Tageslicht ins Innere zu holen. Wenn einem das gelingt, ist die Lebensqualität fast immer höher. Ab dem fünften Stock fühlt man sich nicht mehr als Teil der

Foto: Gehl

ner Profession. „Wir allein wissen, was gut und richtig ist.“ Das hat mich immer misstrauisch gemacht.


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Architektur Interview

… wurde dabei ein für den Verkehr gesperrter Platz mit einer Moschee und einem der größten Krankenhäuser der Stadt, vor allem aber ein dringend benötigtes Stück öffentlichen Raums für die Anwohner. Der Anteil palästinensischer Flüchtlinge an der Bevölkerung ist hier besonders hoch, der Umbau auch eine politische Maßnahme.

Die ja eigentlich angetreten war, das Leben vieler besser zu machen …

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vidualverkehr, überall große Abstände, da­ mit sich die Leute bloß nicht zu nahe kom­ men. Das Gute ist aber: Das ist nicht die Natur des Homo sapiens, und die wird am Ende stärker sein. Wir sollten da in der Ar­ chitektur nicht überreagieren, denke ich. Am Ende sind wir soziale Tiere. Wer sollte für den öffentlichen Raum denn überhaupt zuständig sein?

Womit wir wieder bei der aktuellen Lage sind. Architektur hat nämlich in der Tat auch mit der Reaktion auf Infektionen zu tun. Die Moderne war auch eine Hygiene­ bewegung, man hatte erkannt, dass frische Luft, Licht, sanitäre Anlagen entscheidend dazu beitragen, Krankheiten einzudämmen. Was sich dann in den leeren Boxen der Mo­ derne widerspiegelt. Dabei hatte kurz zu­ vor das Penicillin das Bakterienproblem gelöst; an seine Stelle traten neue Proble­ me – Stress, Entfremdung, Vereinzelung, Verkehr. Auch darauf hat die Architektur Antworten gesucht, trotzdem baute man weitere 40 Jahre lang, als ob unser größtes Problem immer noch die Tuberkulose wäre.

Von Amerika ausgehend gibt es da die Idee des placemaking, die in den Mittelpunkt stellt, was die Bürger selbst wollen für ihre Nachbarschaft, bottom-up also. Ich habe da­ gegen immer eher top-down gearbeitet. Ich glaube, wir müssen den Bürgern erst ein­ mal vor Augen führen, was möglich wäre, sonst sagen alle immer nur, wir wollen mehr Bäume und Schaukeln für die Kinder. Ich glaube, wir können viel mehr erreichen. Bevor wir also fragen, müssen wir für ein Fundament an Wissen sorgen, sonst kön­ nen wir uns die Antwort gleich selbst ge­ ben. Was nicht heißt, dass man die Leute in solche Prozesse nicht einbeziehen sollte.

Was die Ausbreitung des Coronavirus allerdings auch nicht aufhalten konnte …

Haben Architekten also auch eine politische Verantwortung?

Nein, und was nun kommen wird, stimmt mich alles andere als glücklich: mehr Indi­

Absolut! Wir können nicht so tun, als hätte es keine Auswirkungen, für wen wir arbei­

ten und für wen nicht. Zu viele arbeiten für jeden, der das nötige Geld mitbringt. Wir brauchen echte Werte. Deshalb sind meine Bücher für mich mein wichtigster Beitrag, mehr als die Städte, in denen ich gearbeitet habe. Wissen, das in 40 Sprachen verfügbar ist – was wir daraus machen, ist eine ande­ re Frage. Es gibt zweifellos starke Gegen­ kräfte. Aber es gibt auch Idealisten, denen das Wohl der Gesellschaft wichtiger ist als schneller Profit. Das gibt mir Hoffnung. Hört sich nach einem Kampf gegen die Grundfesten des Kapitalismus an …

Unbedingt! Es ist kein Zufall, dass meine Forschung in einem Wohlfahrtsstaat ent­ standen ist, der derart von sozialdemo­ kratischen Werten dominiert ist. Das hat in Dänemark eine starke Tradition, bis hin zum rechten Flügel. Mein Held war immer der britisch­schwedische Architekt Ralph Erskine. Er hat mir gezeigt, welch fantastische Dinge Architekten für die Menschen tun können; sie, die den Rah­ men gestalten, in dem andere ihr Leben leben. Erskine wurde mal gefragt, was man brauche, um ein guter Architekt zu werden. „Ganz einfach“, sagte er: „Man muss nur die Menschen lieben.“ ‹

Foto: Gehl

gerade zieht Sydney nach. Dass wir uns in historischen Städten häufig wohlfühlen, liegt einfach daran, dass wir hier auf jenen Maßstab treffen, der uns entspricht. Mit diesem Kontinuum, das mit den allerersten Städten beginnt, brach erst die Moderne.



Panorama Kunst

20 Jahre über ihren Tod hinaus sollte das Werk verschlossen bleiben, das verfügte Hilma af Klint, die das Foto auf der re. Seite wohl Mitte der 1890er-Jahre in ihrem Atelier zeigt. Bis die Menschheit bereit war für ihre monumentalen Abstraktionen wie o. „The Ten Largest, No. 9, Old Age“ von 1907 hat es aber fast ein Dreivierteljahrhundert gebraucht. Ab 2013 tourte eine Ausstellung durch Europa, von Amerika wurde ihre Kunst 2018 entdeckt, und im September nun erscheint der Kinofilm „Jenseits des Sichtbaren“ auf DVD.

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Zwischen den Zeiten

Weil ihre Zeitgenossen noch nicht bereit waren, vermachte Hilma af Klint ihr Werk der Zukunft. Und tatsächlich: Erst jetzt sind wir in der Lage, ihre Kunst zu schätzen. Text: Julia Voss

Fotos: Albin Dahlström/Moderna Museet, Stockholm, © Stiftelsen Hilma af Klints Verk

A

m Abend, als die große Ausstellung über die schwedische Malerin Hilma af Klint im Guggenheim Museum in New York eröffnete, stellte sich für einen kurzen Moment Panik ein. Wo um Himmels willen blieben die Besucher? Warum war kein Betrieb an der Bar? Am Tresen, der bei Vernissagen in der Halle aufgebaut wird, unterhielten sich die Kellner, statt den Wein auszuschenken, so wenige Gäste hatten sich eingefunden. Nur ein verloren wirkendes Grüppchen hielt Gläser in den Händen, und niemand konnte sich erinnern, die Museumsrotunde derart verwaist gesehen zu haben. Die Mitarbeiter tauschten entsetzte Blicke. Dann aber hob jemand den Kopf und schaute hinauf zu den Ausstellungsflächen, die sich entlang der spiralförmigen Rampe Stockwerk für Stockwerk Richtung Himmel schrauben. Dort waren sie gelandet! Die Eröffnungsgäste drängelten sich vor den Gemälden, den Begrüßungswein hatten sie übersprungen und waren direkt zu den Bildern gestürmt. Mit den Werken von Hilma af Klint waren die Vernissage-Rituale zweitrangig geworden. Alle Augen richteten sich auf die Kunst. Die Schau „Hilma af Klint: Paintings for the Future“ brach sämtliche Rekorde. Mehr als 600 000 Besucher machten sie zur erfolgreichsten Ausstellung in der Geschichte des Museums, der Katalog wurde ein Bestseller. Zu den erstaunlichen Phänomenen in Hilma af Klints Leben gehört, dass sie den verspäteten Zuspruch, der erst lange nach ihrem Tod im Jahr 1944 einsetzen sollte,

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Stets war es Kandinsky, dem man dafür applaudierte, 1911 die Abstraktion erfunden zu haben. Doch Hilma af Klint begann schon 1906 mit solchen Arbeiten. Einen Überblick über ihr Werk zeigt – nach der Corona-Pause – das Moderna Museet Malmö mit der Schau „Künstlerin, Forscherin, Medium“ (der Katalog erschien bei Hatje Cantz, 272 Seiten, 48 Euro), zu sehen sind dort auch das riesige „The Ten Largest, No. 7, Adulthood“ von 1907 (u.) und „The Swan, No. 17“ von 1915 (rechte Seite).

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Panorama Kunst

Fotos: Albin Dahlström/Moderna Museet, Stockholm, © Stiftelsen Hilma af Klints Verk

vorausgesehen hat. Die Künstlerin war 70 Jahre alt, als sie 1932 verfügte, ihre Werke sollten die ersten beiden Jahrzehnte nach ihrem Ableben unter Verschluss bleiben. +x lautete die Zeichenkombination, mit der sie fast sämtliche Notizbücher versah und deren Bedeutung sie wie folgt festlegte: „Alle Arbeiten, die 20 Jahre nach meinem Tod geöffnet werden sollen, tragen das oben stehende Zeichen.“ Hinter der Malerin lagen zu diesem Zeitpunkt bereits viele Versuche, ihre Bil-

der einer größeren Öffentlichkeit zu zeigen. Im Jahr 1913 hatte sie zum ersten Mal mit einigen ihrer bahnbrechenden Gemälde an einer Gruppenschau in Stockholm teilgenommen, in den Zwanzigerjahren reiste sie in die Schweiz und nach Holland, um weitere Ausstellungsmöglichkeiten aufzutun, allerdings ohne Erfolg. Im Jahr 1928 schließlich zeigte sie ihre Bilder in London, im Rahmen einer mehrtägigen Konferenz, die von der englischen Anthroposophischen Gesellschaft organisiert worden war.

Ihre Beteiligung wurde zum Kraftakt, da die Veranstalter nur unter der Bedingung zugestimmt hatten, dass die Malerin selbst für Kosten und Transport aufkäme. Af Klint willigte ein und machte sich zusammen mit ihren Leinwänden auf den Weg nach England, zuerst mit dem Dampfschiff, dann ging es weiter mit dem Auto. Am Eröffnungstag hielt sie eine Rede vor ihren Werken. Doch wieder blieben Reaktionen aus, die Rezensenten übergingen sie, und af Klint entschied, das Gegen-

„Die Bilder sind direkt durch mich hindurch gemalt worden, ohne Vorzeichnung, mit großer Kraft.“ Hilma af Klint 87


Panorama Kunst

Knalliges Orange, dazu Pink – eine Farbexplosion, wie sie Jahrzehnte später die Pop-Art berühmt machte, kombinierte Hilma af Klint schon in ihrer bahnbrechenden Serie „The Ten Largest“ (oben „No. 4, Youth“ von 1907). Erst in der famosen Schau des New Yorker Guggenheim 2018 fanden die zehn Bilder in einer tempelgleichen Rotunde zusammen – genau so, wie Hilma af Klint es geplant hatte.

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Fotos: Albin Dahlström/Moderna Museet, Stockholm, © Stiftelsen Hilma af Klints Verk

Muss man die Kunstgeschichte umschreiben? Wahrscheinlich manifestiert die Wertschätzung, die Hilma af Klint erst heute erfährt, nur wieder aufs Neue, dass Geschichte stets hinterfragt und neu interpretiert werden muss. Vieles schien die Schwedin jedenfalls vorweggenommen zu haben: Abstraktion, Pop-Art, Minimal Art, sie verbindet Forscherdrang und Mystik. U. „The Eros Series, No. 2“, 1907.

warts-Kapitel zu schließen. Der Zukunft schuf Arbeiten, die keinem bekannten Stil würde sie ihr Werk vermachen, den nach- folgten. Unsere Sehgewohnheiten sind in folgenden Generationen. Mit Eifer wende- den vergangenen Jahrzehnten kräftig te sie sich nun einem neuen Projekt zu: Für durchgeschüttelt worden, und diese Erfahihre Gemälde entwarf sie einen Tempel, rung kommt den ungewöhnlichen Bildern den die Besucher spiralförmig durchlaufen der Malerin entgegen. In ihrer Serie der sollten, von Bild zu Bild, von Serie zu Serie, „Zehn Größten“ von 1907 erinnern das knalbis hinein in die Spitze, zur Kuppel, die, so lige Orange und Pink an die Pop-Art, die der Plan, den Blick in die Sterne freigab – streng geometrischen Arbeiten aus der Segenau wie beim erst 1959 fertiggestellten rie „Die Taube“ von 1915 könnten der Minimal Art entsprungen sein. Aber auch alte Guggenheim Museum. Woher kommt die gegenwärtige Faszi- Bildtraditionen werden aufgegriffen, etwa nation für die ehemals Verkannte? Was se- die mystischen Symbole eines Jakob Böhhen wir im Werk der Malerin, das damals me um 1600. Zwischen den Zeiten konnte den Betrachterinnen und Betrachtern ver- die Künstlerin, so scheint es, frei hin und schlossen blieb? Hilma af Klints Werk her reisen, in die Vergangenheit und Zuzeichnet vor allem eine Eigenschaft aus: kunft der Malerei. „Framåt“ heißt ein Es ist ein Bau mit vielen Eingängen. Die Aquarell von 1916: Es zeigt einen SchriftMalerin war 44 Jahre alt, als sie 1906 ihr zug vor einem leuchtend roten Quadrat. Leben auf den Kopf stellte und abstrakt Das Wort bedeutet übersetzt „vorwärts“ zu malen begann, lange bevor Kandinsky, und gemeint ist die Bewegung der Kraft, Mondrian oder Malewitsch die ungegen- die, wie die Künstlerin schrieb, dazu führt, ständliche Kunst zu ihrer Erfindung er- dass sie „vorwärts muss“. klärten. Sie brach mit der naturalistischen In ihrer ausgeprägten Gabe, in AnfänMalerei, in der sie als Studentin der König- gen zu denken, liegt die Kraft ihrer Werke. lichen Akademie der freien Künste in Ihr Schaffen, daran glaubte sie fest, sollte Stockholm ausgebildet worden war, und uns dabei helfen, alles, was die Welt unnö-

tig klein macht, hinter uns zu lassen. Eingefahrene Denkmuster und starre Ordnungssysteme gehörten für af Klint ebenso dazu wie die Kategorien von Geschlecht und Klasse, Materialismus und Kapitalismus, die Vorstellung von einem Morgenund Abendland und die Trennung von Kunst und Leben. Auf ihren Leinwänden geraten die Formen in Bewegung, und die Gegensätze vereinigen sich. Widersprüche brachte af Klint auch selbst zusammen: Sie, die bis ins hohe Alter in einfachsten Verhältnissen lebte und arbeitete, schätzte den Fortschritt, ging ins Kino, las Jack London und liebte Frauen. Gleichzeitig vertiefte sie sich in die alten Schriften von Mystikern und hörte ihr Leben lang Stimmen, die aus anderen Dimensionen zu ihr sprachen. Mit ihrer Kunst, so verstand die Malerin ihre Rolle, gab sie die Geschenke weiter, die sie selbst erhalten hatte. Die Freude daran, die Welt größer zu machen. Und die Lust, neu anzufangen. ‹ Bis voraussichtlich 27.9. zeigt das Moderna Museet Malmö „Artist, Researcher, Medium“. Von Julia Voss erschien „Hilma af Klint – ‚Die Menschheit in Erstaunen zu versetzen‘“, S. Fischer, 600 Seiten, 25 Euro.

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Panorama Bücher

TA N J A P I R S I G M A R S H A L L MARIO ANDREAS VON LÜTTICHAU C ATA L O G U E R A I S O N N É

ulrich johannes schneider TA N J A P I R S I G M A R S H A L L MARIO ANDREAS VON LÜTTICHAU C ATA L O G U E R A I S O N N É

Der Finger im Buch

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Die unterbrochene Lektüre im Bild

ZEICHNUNGE

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Leseprobe Redaktion: Oliver Jahn und Uta Seeburg

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Raumschauen

Fingerzeig

Guter Burgunder

Eine eigene Welt

Erst kürzlich war Axel Vervoordt in aller Munde, hat er doch auf absolut spektakuläre und unerwartete Weise das Kardashian-West'sche Heim neu eingerichtet. Aber natürlich umfasst die Arbeit des umtriebigen belgischen Gestalters noch so viel mehr: Der Prachtband führt durch 18 seiner schönen Welten.

Der kleine Moment einer gedankenverlorenen Pause – man unterbricht seine Lektüre und legt den Finger zwischen die Seiten – wurde immer wieder von Künstlern eingefangen, darunter Größen wie Tizian oder Raffael. Dieser Finger ist hier Au änger, um selbigen auf größere Fragen zu legen wie: Was ist Lesen? Warum lesen?

Bart Van Loo, erfolgreicher Gleich zwei Bände versammeln die Arbeiten O o MuelPopulärwissenscha ler im lers, Mitglied der Brücke und besten Sinne, legt hier einen der Neuen Secession. Der Exneuen großen Wurf hin: die pressionist strebte eher nach Geschichte Burgunds, eine mitreißend geschriebene Hisharmonischer Einfachheit denn torie in „1111 Jahren und eileidenscha lichem Ausdruck, seine Bilder zeigen Seen, Wienem Tag“. Die dem geneigten sen, grazile Mädchen (ganz o. Leser, beim genaueren Hinsehen, schon so manches Vorzei- „Badende“, 1913). Jetzt im aufwändigen Werkverzeichnis. chen auf die Gegenwart liefert.

Axel Vervoordt: Interieurs im Portrait. Jacoby & Stuart, 320 Seiten, 75 Euro.

Der Finger im Buch. Piet Meyer, 184 Seiten, 28,40 Euro.

Burgund: Das verschwundene Reich. C. H. Beck, 656 Seiten, 32 Euro.

Otto Mueller: Catalogue Raisonné. E. A. Seemann, 616 Seiten, 198 Euro.

Fotos: © LWL-Museum für Kunst und Kultur, Westfälisches Landesmuseum, Münster, Foto: Sabine Ahlbrand-Dornseif; Jacoby & Stuart; Piet Meyer; C. H. Beck; E. A. Seemann (2)

GEMÄLDE / PAINTINGS



Panorama Reise

Barfuß und entspannt

Die Reisebranche stellt derzeit viele Fragen an die Zukunft. Ein Hotel auf Kreta hat bereits ein paar Antworten parat. Interview: Uta Seeburg

in Gespräch mit drei Innovatorinnen: Schon lange vor der Krise plädierten die Schwestern Agapi und Costantza Sbokou für einen nachhaltigen, mediterran-entspannten Stil des Reisens. Sie betreiben das „Cretan Malia Park“, das zum Familienunternehmen Phaea Resorts gehört, seit 2019 leiten die beiden die Hotelgruppe. Nach aufwändiger Renovierung, bei der die Architektin Vana Pernari federführend war, eröffnete das Hotel vergangenes Jahr neu.

Fotos: Cretan Malia Park

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Die Schwestern Costantza und Agapi Sbokou (li. Seite) stehen mit dem „Cretan Malia Park“ für einen nachhaltigen Stil des Reisens. Der Hotelbau (li. S. o.) wurde ursprünglich in den 80er-Jahren vom Architekten Antonis Stylianides erbaut, einem ehemaligen Gropius-Schüler.

Wie geht es Ihnen? Wie haben Sie die letzten Wochen erlebt? Agapi Sbokou: In Tagen wie diesen sind

unsere Mitarbeiter unsere absolute Priori­ tät. Da dies vor allem für sie eine Zeit der Unsicherheit ist, haben wir als Allererstes versucht, ihnen eine Stimme der Verant­ wortung und der Ruhe zu sein. Wir rich­ teten eine Plattform für unsere Leute mit

Hort der philoxenia: Die 204 Zimmer des Resorts verteilen sich auf das Hauptgebäude und einige Bungalows – locker verteilt in urwüchsiger kretischer Natur. Zum Areal gehört auch der Privatstrand. Die Zimmer (u. li.) prägt ein heller Mix aus Eleganz und Boho-Nonchalance.

Informationen über die von unserem Un­ ternehmen ergriffenen Maßnahmen ein, mit praktischen Informationen über Hygie­ ne, Einblicke in unsere interne Kommuni­ kation sowie mit Updates über neue Geset­ ze und Maßnahmen der Regierung. Vana Pernari: Zunächst überwältigte mich das Gefühl, dass sich die Welt verändert. Dann beschloss ich zu handeln, die Situati­

„Dies ist ein Wendepunkt für alle: dafür, wie wir reisen werden, wie oft, wohin und wie lange wir dort bleiben wollen.“ Costantza Sbokou 93


Der Biogarten ist das Herz des Resorts, von der Architektin Vana Pernari (rechts) aufwändig neu gestaltet: „Wir wollten verschiedene Stile einbeziehen und gleichzeitig eine starke kretische Identität beibehalten.“ O. eines der drei Restaurants, u. der grafisch-monolithische Empfang.

„Vielleicht ist es an der Zeit, statt über Isolation über Koexistenz nachzudenken.“ Vana Pernari

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Panorama Reise on zu akzeptieren und darüber nachzudenken, wie ich diese Zeit nutzen könnte, um gestärkt daraus hervorzugehen. Es ist ein völlig neuer Zustand, dieses totale Runterfahren meines geschäftigen Lebens. Viele Menschen sehen die Krise als einen wichtigen Wendepunkt. Glauben Sie, dass sich für unsere Art des Reisens etwas grundlegend ändern wird? Costantza Sbokou: Es liegt nahe, dass die-

ser unfreiwillige Stillstand viele Menschen darüber nachdenken lässt, was sie glücklich macht, was in ihrem Leben wichtig und sinnvoll ist. Im „Cretan Malia Park“ sprechen wir schon seit einiger Zeit über diese Dinge. Wir propagieren einen mediterranen Lebensrhythmus. Die Idee dieses Lebensstils besteht darin, sich in die einfachen Dinge zu verlieben. Mal seine Pläne zu vergessen; nicht nur organisch zu essen, weil es ein Trend ist; mit unseren Mitarbeitern zu sprechen und ihren Geschichten wirklich zuzuhören; geistig präsent zu sein, um jede Erfahrung in vollen Zügen zu genießen. Wir sind definitiv der Meinung, dass dies ein Wendepunkt für alle ist. Dafür, wie wir reisen, wie oft, wohin und wie lange wir dort bleiben. VP: Es gab eine allgemeine Erschöpfung, hervorgerufen durch die ständigen Geschäftsreisen, Messen und Veranstaltungen. Es ist Zeit, sich neu zu strukturieren. Und vielleicht ist es der Moment, statt über Isolation über Koexistenz nachzudenken, darüber, wie wir miteinander leben.

Fotos: Cretan Malia Park; Porträt: Vana Pernari Architecture Studio

Und wird sich speziell für Ihr eigenes Hotel etwas ändern? AS: Wir werden unser Programm für ver-

antwortungsbewussten Tourismus konsequenter denn je fortsetzen. Wir haben gerade viele neue Initiativen gestartet. Das Phaea Farmers Program etwa: Viele unserer Mitarbeiter sind auch Landwirte, die sich für biologische Anbaumethoden und nachhaltige Landnutzung einsetzen. Wir unterstützen sie, indem wir ihre Produkte für unser Hotel kaufen und ihnen neue Anbaumethoden ermöglichen. Wir dehnen diese Aktivitäten mittlerweile auch auf ein ganzes Netzwerk von nachhaltig wirtschaftenden Bauern in der Region aus, um den Gästen mehr Qualitätsprodukte anzubieten und die lokalen Gemeinden zu unterstützen. Zudem werden wir bald ein bienenfreundliches Hotel werden. Diese Dinge und viele andere geschehen still und leise hinter den Kulissen, aber wir hoffen,

unsere Gäste zu inspirieren und sie an dieser Entwicklung teilhaben zu lassen.

ist an der Zeit, diese Freundlichkeit allen zu zeigen, Gästen und Mitarbeitern.

Erzählen Sie uns mehr über die Gestal-

Was ist Ihr Lieblingsplatz im Resort?

tung des „Cretan Malia Park“! VP: Unser Leitgedanke war, helle Räume

AS: Ich liebe den Biogarten. Er bedeutet so

in einer entspannten Boho-Stimmung zu schaffen, die gleichzeitig elegant sind. Zudem wollten wir die Farben und die Lebendigkeit unserer üppigen Gärten, die Teil der wilden Flora Kretas sind, wie auch die Farben der Wandmalereien in den minoischen Palästen Kretas ins Interior holen. CS: Dieses Hotel ist für uns ein Werk der Liebe. Wir haben es nicht bloß renoviert. Es ist unser Herz und unsere Seele. Wir

viel für diesen Ort. Er befindet sich am Eingang des Areals, ist aber in Wirklichkeit sein Herz. So viel von dem, was in unseren Restaurants zubereitet wird, kommt aus diesem Garten. Ich liebe es, mit unserem Chefkoch und Gärtner dorthin zu gehen und beim Pflücken zu helfen. Danach bleibe ich auf dem Weg zum Strand vielleicht an einer Bank stehen und nehme mir ein Buch, das ein Gast dort für weitere Leser zurückgelassen hat. Die Dinge sind hier

Weites Land: Wer mal nicht am Privatstrand verweilen möchte, der kann sich auch in eine der beiden Poolanlagen (oben) begeben, die zwischen den alten Bäumen des „Cretan Malia Park“ liegen. DZ ab 106 Euro. cretanmaliapark.gr

sind auf Kreta aufgewachsen und haben dazu bestimmt, geteilt zu werden. Wenn wunderbare Erinnerungen an die Sommer, ich es ausgelesen habe, lege ich es zurück. die wir in den wunderschönen Gärten und VP: Mein Lieblingsplatz ist das Cute Spa, am Strand verbracht haben. Wir setzen hier ein überdachter Bereich im Innenhof des auf unser kretisches Erbe, auf Design und Resorts, den wir zu einem kleinen Gym lokale Handwerkskunst, um bereichernde und Spa umgebaut haben. Wir haben hier Reiseerlebnisse zu schaffen und Gleichge- einen hölzernen Unterstand in Harmonie sinnte zusammenzubringen. mit der Landschaft geschaffen, der geAS: In einer Welt, in der die Dinge dazu schützt zwischen den berühmten örtlichen neigen, allzu homogen zu werden, und in Bananenbäumen liegt. der Erfahrungen inszeniert zu sein schei- CS: Meiner ist die Strandhütte. Dort gibt es nen, sind wir sehr stolz darauf, mit unse- tagsüber Salate, Joghurt und Smoothies, rem Hotel einen Ort geschaffen zu haben, abends Drinks und Musik. Es ist der beste der sich sogar für die Einheimischen echt Ort, um den Sonnenuntergang zu sehen. anfühlt. Als Griechen haben wir philoxenia, „Entspannt und barfuß“, das sind die Abendie Gastfreundschaft, in unserer DNA. Es de, von denen ich jetzt träume. ‹

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DIE JUNI-AUSGABE AB 19. MAI IM HANDEL UND ÜBER AMAZON ERHÄLTLICH.


Leben

in Los Angeles, Paris, Treviglio, Altadena und Bayonne

Foto: Silvia Rivoltella/Photofoyer

Manche Tauchgänge sind rekordverdächtig. Little Greenes „Harley Green“ geht zurück auf Lord Harleys Bibliothek in Cambridgeshire. 300 Jahre später hüllt es die lombardische Wohnung von Daniele Daminelli in submarines Dunkel. Der perfekte Fond für Kazuhide Takahamas korallrote Anrichte.

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Los Angeles

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L.A. Melange Studio KO verwandelten das Anwesen von Richard Christiansen, einst Schauplatz von Sexfilmen, in eine marokkanische Fantasie. Und das inmitten eines Gartens Eden. Text: Kathryn Romeyn / Fotos: Gaëlle Le Boulicaut

Hunderte türkiser Keramikfliesen aus Marokko lassen die Außenhaut des neu errichteten Bürotrakts bei prallem Sonnenlicht erglühen und zaubern bei Sonnenuntergang eine flirrende Lichtstimmung. Die Sessel entwarf der Brasilianer Percival Lafer als Sofamodule. Auf der linken Seite sitzt Hausherr Richard Christiansen im Treppenaufgang seines neuen Hauses.


Flamingo Estate nennt der neue Hausherr seinen Besitz – nach der pinken Fassade des Haupthauses (oben rechts). David Hockney-Zeichnungen umgeben das von Studio KO entworfene Bett im Masterbedroom oben. Der Terrazzo in der Küche (rechts) ist von einem Hotel in Rom inspiriert, dessen Boden Richard Christiansen vor Jahren fotografiert hatte. Im San Fernando Valley fanden Studio KO einen italienischen Handwerker, der den Belag exakt replizieren konnte.

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Die minimalistische Badekathedrale aus Sichtbeton richteten Studio KO nach Osten aus; durch die beweglichen Fensterflügel wirft die Morgensonne blaue Schatten an die Wand. Täglich zelebriert der Hausherr sein Bad mit Blick in den verwunschenen Garten. Hier stehen Agaven zwischen Palmen neben Bambus und Eukalyptusbäumen.

„Der Garten ist der eindrucksvollste Raum – er ist unglaublich. Die Kreativität von Mutter Natur ist einfach besser als jedes Pinterest-Board!“ Richard Christiansen

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75 Stufen aus gemauertem Backstein führen vom terrassierten Garten direkt hinauf zum Haupthaus. Das Leopardenmuster im TV Room auf der rechten Seite ist eine Reminiszenz an den exzentrischen Vorbesitzer. Die tiefblaue Farbe kauften Studio KO und Richard Christiansen kofferweise im Shop des Majorelle-Gartens in Marrakesch. Print: „Jane Fonda“ von Andy Warhol.


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Kapelle oder Badehaus? Ein Ort der stillen Kontemplation ist das kleine, abseits liegende Gebäude allemal. Die großzügige Gussbeton-Wanne scheint mit dem Boden zu verschmelzen. Liegt man einmal darin, lenkt neben dem dreibeinigen Stuhl nur ein in die Rückwand eingelassener Kamin den Blick vom Farbspiel der hohen Fenster und der Aussicht in den weitläufigen Garten ab.

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Gegenüber dem Bett im einstigen main performance room und heutigen Schlafzimmer (li.) steht ein organisch geschwungener Schreibtisch mit einer Kaktusleuchte. Der von marokkanischen Fliesen gerahmte Brunnen mit Wasserspiel im Garten (unten links) bildet eine Sichtachse zum Badehaus. Sechs Meter über den ledernen Sofamodulen von Percival Lafer wölbt sich die Tonnendecke der Büro-Lounge (u).


K

ein Immobilienmakler, nein, Bienen führten Richard Christiansen zu seinem Traumhaus in Eagle Rock, einem Stadtteil von Los Angeles. Dazu muss man wissen: Der Gründer und Kopf der Marken- und Mediaagentur Chandelier Creative ist auch Imker. Den langjährigen Vorbesitzer des Anwesens, das er heute Flamingo Estate nennt, traf er, weil der über 90-Jährige selbst Bienen züchten wollte. Ein Freund, der auf der anderen Straßenseite wohnte, erzählte Christiansen vom Interesse seines exzentrischen Nachbarn. Neugierig geworden, ließ sich Christiansen, der damals in New York lebte, bei seinem nächsten Besuch vom Bienenfreund im roten Seidenbademantel und Leoparden-G-String über das verwunschene Grundstück führen. „Es war ein echter Abrisskandidat, aber sobald ich es sah, wusste ich: Dieses Haus kaufe ich“, erinnert sich Christiansen. Über mehrere Jahre hinweg pflegte er eine lockere Freundschaft mit dem alten Herrn, bis dieser ihm das pinkfarbene 40er Jahre-Refugium schließlich zu einem angemessenen Preis anbot – bei unbesehenem Interieur. Was Christiansen vorfand, als er das

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„Dieses Haus ist ein großes pinkes Etwas, und ich dachte mir: Was ist stolz und rosa? Es steht da oben auf dem Hügel wie ein Flamingo.“ Richard Christiansen

Haus endlich betreten konnte? Überall sta- Fast noch wichtiger als das Haus selbst war pelten sich Filmdosen mit nicht jugend- es Christiansen, den fast drei Hektar grofreiem Material, es gab ein Heimkino mit ßen Garten neu zu beleben. Mit gartenbeansteigenden Sitzreihen, und dort, wo jetzt geisterten Eltern auf einem Bauernhof im die Küche ist, hing eine Schaukel. „Ich den- ländlichen Australien aufgewachsen, hatte ke“, sagt Christiansen, „er hat mich gese- er in New York ein typisches Schuhkartonhen und sich gesagt: ‚Okay, du sollst es be- Apartment bewohnt und sich immer nach kommen – du wirst nicht gleich schockiert Natur gesehnt. Deshalb entwickelte er mit sein.‘ War ich auch nicht. Dieses Haus hat Arnaud Casaus, dem Landschaftsarchitekeine unglaubliche Energie.“ ten von Studio KO, einen Masterplan, noch Zur gleichen Zeit arbeitete Chandelier bevor die eigentlichen Bauarbeiten am Creative an einem Projekt mit André Ba- Haus begannen. „Es dauert ja eine ganze lazs, dem Besitzer des „Chateau Marmont“. Weile, bis alles anfängt, so auszusehen, als Karl Fournier und Olivier Marty, die beiden ob es hierhergehört.“ Sie fuhren ins mexikanische Baja CaliDesigner vom Pariser Studio KO, unterzogen die Hotel-Institution gerade einem Up- fornia und zu Baumschulen in Ojai, kaufdate – und fragten an, ob sie nicht auch das ten Kakteen, Obstbäume, Kräuter und soRedesign von Christiansens Haus leiten gar typisch australische Pflanzen, die sie könnten. Voll Begeisterung stürzte der sich zwischen die vorhandenen Palmen setzten. in „ein Abenteuer, das mein Leben kom- Heute mischen sich leuchtend lilafarbener plett veränderte, eine dieser wundersamen Salbei, japanische Pflaumenbäume und MaFügungen, wie es sie nur in L. A. gibt“. Mit cadamia mit Rhododendren, Agaven, KameFournier und Marty besuchte er Antik- lien und Mohn. Wegen seiner Obsession für märkte in Paris und reiste nach Marokko – Frangipani hatte Christiansen jahrelang das erste Mal für den Kreativdirektor, der recherchiert, bis er einige Bäume fand, die jahrelang Skizzenbücher mit Designinspi- mit dem Kran auf das Grundstück gehoben rationen aus dem Land gesammelt hatte. wurden. Insgesamt, schätzt er, pflanzten sie 1000 Bäume, allein 400 im Obstgarten. „Die Kreativität von Mutter Natur ist viel besser als jedes Pinterest-Board.“ Mittlerweile baut er praktisch sein gesamtes Essen selbst an, hält Hühner und natürlich Bienen. Bei Dinnerpartys kosten die Gäste von der Vielfalt des Anwesens: Mais, Saubohnen bis hin zu Avocados. Dank des Vollzeitgärtners Jeffrey Hutchison werden selbst Zigaretten aus hier angebautem Tabak gereicht. Auch Räucherpäckchen aus Salbei und Hautbalsam aus Kräutern und Bienenwachs stellt er her. Aus dem Mais will Christiansen irgendwann Whiskey brennen. Er plant, das Anwesen für Gartenbegeisterte und Schulklassen zu öffnen; kleine Seminare, Salons und Ernten bei Mondlicht sind bereits angedacht. Auch ein Programm für Künstler und Gärtner will er ins Leben rufen, das den Kreativen erlaubt, hier eine Zeit lang zu wohnen und zu arbeiten.


Weit weniger Freiheit wurde ihm beim Haus zugestanden. „Als Karl und Olivier an Bord kamen, sagten sie, ich dürfe keinen Teelöffel ins Haus bringen, den sie nicht für gut befunden hatten“, lacht Christiansen. Und die Vorgabe galt! Nachdem das Duo das Haus bis auf die Grundmauern abgeris­ sen und über zwei Jahre auf demselben Grundriss wieder aufgebaut hatte, wurden die Lager des Australiers mit all den Ob­ jekten, die er über Jahre gesammelt hatte, einer strengen Sichtung unterzogen. Ge­ meinsam kauften sie auf Pariser Märkten und bei Auktionen. Der Kreativchef hatte Fournier und Marty Tausende Fotos ge­ schickt und klar formuliert, was er wollte, die Designer „griffen meine Ideen auf und betankten sie mit Kerosin“, wie Christian­ sen es formuliert. Ein Prozess nicht ohne die eine oder andere Differenz. Ein „völlig verrückter“ Brunnen aus Kalkstein, den der Australier importiert hatte, sorgte für so viel Diskussion, dass er sich zum Running Gag entwickelte. „Wir haben ewig über ihn gestritten. Sie mein­ ten: ‚Bring das Ding zurück nach Frank­ reich, wo es herkommt!‘“ Am Ende gab er sich geschlagen: Der Brunnen wurde in seine Einzelteile zerlegt, die dann als Pflas­ tersteine im Garten Verwendung fanden. Sonst aber arbeitete der Hausherr so gut mit dem Duo zusammen, dass sie die Stra­ ße runter gemeinsam einen Buchladen und Kreativtreffpunkt, Owl Bureau, einrichte­ ten und eröffneten. Die kollektive Vision für das Haus war schnell klar. „Jemand hat es mal als ‚Epcot Center‘ bezeichnet, nach Walt Disneys Pro­ jekt einer Modellstadt. Wie passend, denn Disney ist mein Kindheitsidol“, erzählt Christiansen. „Da steht in Los Angeles nun also ein Haus, das zwei Franzosen für ei­ nen Australier gebaut haben. Die meisten Kacheln und die Terrakottatöpfe stammen aus Marokko, ein Großteil der Möbel aus Italien und Japan und die Leuchten aus Paris. Es ist die ultimative Metapher für L. A. – ein Patchwork an Gegenständen, die sich hier perfekt zusammenfügen.“ ‹

Grün und gelb gestreifte Wandpaneele wie in Yves Saint Laurents Villa in Marrakesch rhythmisieren die Wände im Wohnzimmer. Zu den Einbauten von Studio KO zählt auch die Bar (oben) mit verspiegelter Decke und einem Teppich von Codimat Collection, Paris. Der nierenförmige Pool (li. Seite) verbindet den neu gebauten Bürotrakt mit dem Haupthaus.


Luis Laplace, hier zwischen Wohn- und Esszimmer, steht für einen recht entspannten Umgang mit großer Kunst. „Es gibt ja einen Grund, warum Menschen bestimmte Werke kaufen.“ Deshalb, findet er, sollten sie sich zu Hause auch damit umgeben. Für das dunkle Kabinett auf der re. Seite entwarf er die Stühle und den Barschrank aus Wurzelholz. An der Wand: Roni Horns Fotografie „Untitled, No. 4“.

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Paris


Der große Unsichtbare Für Luis Laplace müssen Häuser den Charakter ihrer Bewohner spiegeln. Wenn er in seiner Atelierwohnung Gäste empfängt, erleben sie den Stardesigner in seinem Element: zwischen Dingen, die Diskussionen auslösen, kleine Unfälle verzeihen und Geschichten erzählen.

Interview: Gesine Borcherdt / Fotos: Ambroise Tézenas


Über Carlo Scarpas Sofa „Cornaro“ von 1973 hängt ein Bild des Turner-Preisträgers Keith Tyson – dem das Lalanne-Schaf keinerlei Beachtung schenkt. Stattdessen starrt es auf den Forties-Spieltisch samt Stühlen aus Palisander. Über allem schweben die flachen Augen des Metall-Lüsters von BBPR aus dem Jahr 1960.

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„Ich habe ein stilles Ego. Ich will mich bei einem Projekt nicht ins Zentrum rücken. Das würde mich auch intellektuell unterfordern.“ Luis Laplace

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„Der Marmortisch im Esszimmer“, sagt Luis Laplace, „vergibt jedes Missgeschick.“ Er ist ebenso ein Eigenentwurf des Pariser Decorators wie die mit Pierre Frey-Samt bezogenen Stühle und das Bett im Gästezimmer (li. Seite). Bei dem chinoisen Tischchen mit Tablett-Aufsatz handelt es sich um ein Sixties-Vintage.


Vor allem wegen der Terrasse (re. S. o. li.) verbringen Luis Laplace und sein Partner mehr Zeit im Erdgeschoss als in ihrer Wohnung im dritten Stock. Rechts daneben ein Vintage-Glastisch mit Holzbasis aus den USA im Wohnzimmer, darunter der kleine Salon mit einem Gemälde von Lee Lozano, 1962. Ebenfalls aus den Sechzigern stammt der Sessel von Georges Mulhauser und Maurice Villency. Coffeetable aus Corian von Luis Laplace. U. li. die Küche aus expressivem Gris Ganimede-Marmor. Fifties-Tischchen von Jacques Adnet.

M

o nsieur Laplace, wir befinden uns in einem wunderschönen

Appartement, das im selben Haus im 9. Arrondissement liegt wie Ihr Studio und Ihre Privatwohnung. Sie empfangen hier Kunden und Mitarbeiter – doch inzwischen ist es auch so etwas wie Ihr zweites Zuhause. Wie kam es dazu? Luis Laplace: Wir haben die Wohnung letztes Jahr renoviert, es

dauerte fast ein Jahr. Hätten wir alles herausgerissen, wäre es schneller gegangen. Aber sie hat so viel Charakter, das wäre sehr schade gewesen. Ich arbeite lieber heraus, was vorher da war, statt alles zu erneuern. Damit würde ich ja die Geschichte negieren. Es geht hier nicht um mich. Ich bin kein Architekt, der sich mit einer Wohnung promoten will. Mein Ansatz ist zurückhaltender. Allein dass wir eine Treppe entdeckt haben, die nun alle drei Stockwerke verbindet, zeigt, wie viel Historie in diesem Gebäude steckt. Sie ordnen sich dem historischen Charme unter, um das Ganze persönlicher zu machen?

Ja, ich möchte eine Wohnung, die das Gegenteil ist von einem Ho­ telzimmer. Ob Sie es glauben oder nicht: Viele Leute wollen heute so leben wie im Hotel. Sie haben sich irgendwo besonders wohl­ gefühlt und wollen dann für zu Hause dasselbe. Aber Hotels sind kommerziell! Also muss ich vorsichtig ihre Denkrichtung ändern. Hotels sind auch anonym. Dieser Wohnung merkt man an, dass jemand seine Vorlieben auslebt.

Eine Wohnung ist etwas sehr Persönliches, vor allem mit Kunst darin. Sie sollte den eigenen Charakter spiegeln. Ich versuche da­ her, die innere Gestimmtheit meiner Kunden zu ergründen und zu verstehen, wer sie sind. Menschen etwas aufzuoktroyieren, sodass sie vorgeben können, jemand anderes zu sein, das funktioniert nicht. Der Galerist Iwan Wirth, mit dem ich viel zusammenarbei­ te, nennt mich den „unsichtbaren Architekten“. Das gefällt mir. Ich habe so etwas wie ein stilles Ego. Ich will mich bei einem Projekt nicht ins Zentrum rücken. Das würde mich auch intellektuell un­ terfordern. Neue Sichtweisen zu entdecken ist viel spannender. Wie konnten Sie diese Haltung hier umsetzen?

Die Wohnung hat etwas Spielerisches. Mein Partner Christophe Comoy und ich essen und arbeiten hier, machen Meetings, geben Empfänge und Partys – wir sind fast öfter hier als in unserer Pri­ vatwohnung. Allein schon wegen der Terrasse. Ich respektiere die Natur eines Gebäudes, ordne mich ihr formal und strukturell un­ ter. Bei den Möbeln bin ich lockerer, eklektischer, emotionaler. Ich vermische gerne Dinge aus verschiedenen Zeiten und Ländern. Meist arbeite ich mit Stücken aus Europa, einfach weil ich hier lebe. Besonders in Osteuropa kann man noch vieles entdecken. Was sind Ihre Lieblingsstücke hier?

Der schwarz lackierte Metallkronleuchter ist etwas ganz Besonde­ res. Er stammt von der italienischen Architektengruppe BBPR, aus dem Jahr 1960. Wenn Architekten etwas entwerfen, steht zu­

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nächst die Funktion im Vordergrund, das kenne ich von mir selbst. Schönheit entwickelt sich immer natürlich aus dem Objekt heraus. Allerdings haben Architekten auch den Hang zum Minimalismus – ihre Entwürfe sind oft rigide, kalt und clean, fast banal. Für mich ist Minimalismus reine Dekoration, bloße Ästhetik. Er entspricht auch nicht unserer Lebensweise. Menschen häufen Dinge an, ob es Kunst ist oder etwas anderes. Der Gedanke, in ein leeres Zuhau­ se zu kommen, widerstrebt mir völlig. Wir Menschen sind Indivi­ duen, keine Minimalisten. Schon gar nicht heute, wo wir uns aus so vielen Reiseeindrücken, Erfahrungen und Wissen zusammen­ setzen. Das muss sich in unseren Häusern spiegeln. Unsere Wohnung steht für alle Facetten unseres Ichs?

Ja, nehmen Sie beispielsweise den Esstisch mit der Marmorplatte und dem Fuß aus Nussbaum. Er vergibt jedes Missgeschick. Auf dem Marmor sieht man nicht, wenn jemand dort einmal Wein ver­ schüttet hat. Mit dieser entspannten Haltung lebe ich. Was hat man von Häusern, in denen Menschen hysterisch werden, wenn jemand etwas Kostbares berührt oder über die teuren Teppiche läuft? Dinge sind zum Leben da. Wenn das nicht geht, ist es das falsche Material. Menschen sollten ihre Gewohnheiten nicht än­ dern müssen. Natürlich achtet man darauf, was man tut. Aber wenn ich eine Party gebe, gebe ich eine Party. Und auf jeder Party gibt es einen Unfall. Ich akzeptiere das und drehe nicht durch. Welche Rolle spielen die Kunstwerke hier?

Oh, ich habe zu allen Künstlern eine sehr enge Beziehung, verbrin­ ge Zeit mit ihnen und ihren Familien: Paul McCarthy (für mich ist er der Größte), Keith Tyson, Guillermo Kuitca, Roni Horn … Sie werden alle von der Galerie Hauser & Wirth vertreten, mit der ich viel zusammenarbeite – momentan entwerfe ich ihre neuen Ga­ lerieräume auf Mallorca. Wenn ich ihre Arbeiten hier zeige, se­ hen unsere Gäste, wie man mit Kunst leben kann. Viele ernsthafte Sammler haben Hemmungen, ihre Werke in den Wohnraum zu integrieren – selbst Arbeiten, die sie schon lange besitzen. In den letzten 20 Jahren ist Kunst so hochpreisig geworden, dass sie ein­ schüchternd wirken kann. Auch bei provokanter Kunst ist das so. In dieser Wohnung sehen die Gäste, wie auch schwierige Kunst ins Leben integriert werden kann. Und es gibt ja einen Grund, warum Menschen bestimmte Kunstwerke kaufen – also sollten sie auch in ihrem Leben sein. Ich versuche, sie dort möglichst selbstver­ ständlich und nicht gezwungen aussehen zu lassen. Öffnet Kunst den Dialog mit Ihren Kunden?

Absolut. Wenn ich mit einem Kunden spreche, der Sammler ist, dann sprechen wir zuerst über seine Kunst. So verstehe ich, wie er tickt. Das ist wahnsinnig faszinierend – und zugleich ein sehr naheliegendes Gespräch. Welche Person steckt dahinter? Wie ha­ ben die Werke zueinandergefunden? Selbst in Sammlungen mit einem sehr intellektuellen Ansatz geht es immer um viel Gefühl. Für mich ist es großartig, die Verbindungen und Gründe zu begrei­ fen, weshalb jemand etwas sammelt. Beim Kunstkauf geht es um reine Emotionen, um Ängste und Zweifel. Mit all dem zu leben, was einen Menschen auszeichnet, ist nur natürlich. ‹


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Eintauchen, bitte! Hinter einem Treppenhaus mit Zacken und Kanten landen wir unverhofft in der submarinen Wohnwelt des Daniele Daminelli. Text: Larissa Beham / Fotos: Silvia Rivoltella

Treviglio


Fotos: Silvia Rivoltella/Photofoyer

Auf der Schwelle zu einer modernen Romantik: Rot-weiße Wände, marmorne Geometrie und Bodenmosaik in Grisailletönen prägen das Treppenhaus (auch li. S.) der DreiParteien-Villa, in die Daniele Daminelli und seine Partnerin Giulia Crippa (o.) mit ihren beiden Kindern zogen. Erbaut wurde das Haus in den 1930ern von Elio Frisia.

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Der Lieblingsraum des Hausherrn ist das Wohnzimmer mit einer Regalwand aus Palisander. Zu Gio Ponti-Sesseln und Kazuhide Takahamas „Mantilla“-Sofa (samt namensgebendem Überwurf) gesellen sich anonyme Sidetables aus Schweden. Art déco-Teppich von Nichols Chinese Rug Company.

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Aus einer Mailänder Patriziervilla stammt die Anrichte mit Weinlese-Relief im Essbereich; vor ihrer Spiegelrückwand lehnt eine gerahmte Aktzeichnung aus den 1920ern. Die Stühle schuf Jordan Mozer 1980 für den „Cypress Club“ in San Francisco. Marmortische: Daniele Daminelli und Studio 2046.


„Ein guter Decorator beherrscht die Kunst, für ein Zuhause ein neues Kleid maßzuschneidern – wie ein Couturier des Raums.“ Daniele Daminelli

Das Homeoffice im Masterbedroom: Klassiker des italie­ nischen Designs sind der Schreibtisch von Osvaldo Borsani und das Bedhead von Gio Ponti oben. Daneben verwandelt sich eine Vintage­Vitrine in einen transpa­ renten Kleiderschrank. Der wolkige Wandton ist das Resultat von Little Greenes Finish „Intelligent Eggshell“.

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Der Startschuss für die grüne Tonalität des Apartments fällt gleich im Entree (u.) – mit Braqueniés Tapete „Le Paravent Chinois“. John Derian übertrug das Rokoko-Dessin von einem Wandschirm aus dem 18. Jahrhundert. Der Großvater der Hausherrin malte die Blumenstillleben an der rechten Wand; ein Schildkrötenpanzer weist den Weg ins Badezimmer.

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S

ich im Gemischtwarenladen der Stile, Moden und De­ kaden zu bedienen ist unter Designern ein probates Mittel. Und je heterogener die Objekte und Memora­ bilien sind, die man in einem Interieur miteinander zu verknüpfen versteht, desto virtuoser wirken die so geschaffenen Mash­ups und Wunderkammern; umso vielschichtiger und anspielungsreicher erscheint das, was solche Inszenierungen erzählen. Daniele Daminel­ li ist eine Ausnahme: Auch er angelt im Ozean der Zeit, aber subtiler. Alles hier schwimmt nämlich in einem Urmeergrün und seinen diversen Nuancen. „Ich mag dunkle Farben, weil sie helfen, behagliche Räume zu schaffen“, sagt der Designer, der von 2010

bis 2017 in Diensten von Dimore Studio stand. Im ver­ gangenen Jahr kaufte er ein 180 Quadratmeter großes Apartment an der baumbestandenen historischen Pro­ menade des lombardischen Städtchens Treviglio. „Es war Liebe auf den ersten Blick: Licht durchflutet die Räume, alles war in fabelhaftem Zustand, selbst die originalen Fenster und das Parkett.“ Elio Frisia, ein In­ genieur und Architekt, der mit den größten Mailänder Eyecatcher in der Baumeistern des 20. Jahrhunderts zusammengearbei­ Küche o. (Einbau­ tet hat, entwarf die Drei­Parteien­Villa in den 1930er­ ten: Studio 2046) Jahren. „Frisia“, hebt der neue Besitzer hervor, „folgte ist das lackrote mustergültig dem damaligen Trend des Rationalismus Buffet „Bramante“, das Kazuhide Ta­ in der Architektur. Man sieht es an den rigiden Formen, kahama Mitte der an den großen Fensterrechtecken und der hochwerti­ 70er entwarf, heute gen Ausarbeitung aller Details.“ bei Cassina. Wand­ Mit Unterstützung seines Teams Studio 2046 mo­ farbe: Little Greenes delte Daminelli die drei Schlafzimmer um, das Ess­ „Harley Green“.

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Nordlicht in der Lombardei: Die Leuchten u. stammen von Peter Celsing für Falkenbergs Belysning, 1966 (im Bad), und Hans-Agne Jakobsson, 1950. Bodenbelag aus dunkelgrünem Kunstharz.

und Wohnzimmer, dazu Küche und Bad. Dabei wurden auch die vier Meter hohen Zimmerdecken wieder frei­ gelegt – bei früheren Eingriffen hatte man niedrige­ re eingezogen. „Unser erklärtes Ziel war, Frisias Werk weitestgehend zu respektieren. Bei jedem unserer Pro­ jekte versuchen wir, die gegebene Aufteilung der Räu­ me und damit ihre Seele so unangetastet wie möglich zu lassen. Und wir verfolgen immer einen Ansatz, bei dem wir verschiedene Stile und Materialien kombinie­ ren, um so letztlich eine Balance zu erreichen.“ Eine Handreichung besonderer Art war für ihn in diesem Fall das Buch „The Private World of Yves Saint Laurent & Pierre Bergé“: „Die Fotos vom Pariser Zu­ hause der beiden haben mich schlichtweg gefesselt: die Eingangssituation mit ihrer überreich dekorierten Tapete, die von Reisen und Erkundungen rund um den Globus mitgebrachten Fundstücke, die Kontraste von Materialien und Farben … Das Buch offenbart einen ganz ähnlichen Blick auf die Dinge wie meinen eige­ nen. Oder den von Studio 2046.“ Nach fünf Monaten Umgestaltung zog Daminelli mit seiner Lebensgefährtin Giulia Crippa, den gemein­ samen Kindern Camilla und Giacomo und den Katzen

Pino und Gina ins neue Heim. „Verglichen mit frü­ heren Wohnungen sind die Räume äußerst großzügig und gönnen jedem von uns die Privatsphäre, die wir alle hin und wieder brauchen.“ Der hereinfallende Sonnenschein fächert den grü­ nen Grundton im Laufe eines Tages noch zusätzlich auf; strahlende Elemente dazwischen – wie weißer Marmor – erzeugen eine unaufdringliche und zeitge­ nössische Spielart des Chiaroscuro, für das der barocke Maler Caravaggio berühmt ist. Dieses Helldunkel ist auch zu einer Art Markenzeichen von Daminelli ge­ worden. „Alle Farben in dieser Wohnung leiten sich übrigens von der Tapete im Flur ab“, erklärt der 36­Jäh­ rige. Gleich hinter der Eingangstür ranken sich üppige Blütenpflanzen die Wände hoch, biegen sich dabei so anmutig wie ihre entfernten Unterwasser­Verwandten in der Strömung. Und ihre Saat treibt in allen anderen Räumen aus, geht auf: Die leisen Rottöne ihrer Blüten und Knospen finden sich etwa grell gesteigert beim markanten Küchenschrank „Bramante“ wieder und, ge­ dämpft, bei den weinroten Bezügen der Stühle im Wohn­ und Esszimmer. Nur ein paar monumentale Möbel wie eine Regal­ wand aus Palisander scheinen aus dem fast alles ver­ schluckenden Grün auszubrechen. In Wirklichkeit fü­ gen auch sie sich darin so selbstverständlich ein wie die Wracks historischer Schiffe in ein submarines Szenario. Eines davon ist – „vielleicht“, wie Daminelli vorsichtig hinzufügt – sein Lieblingsstück: Die Forties­ Anrichte im Essbereich ist für ihn „ein einzigartiges Beispiel für ausgezeichnete Handwerkskunst mit per­ fekten Proportionen“. Ein Schnitzrelief mit einer Ern­ teszene schmückt ihre Front; die weit auskragende Spiegelrückwand wirft viel Licht in den Raum zurück. „Ich glaube, dass gut durchdachte Objekte für immer schön bleiben“, betont Daminelli. Seine Gäste staunen oft über das neue Zuhause der Familie, „weil es schon seit langer Zeit zu existie­ ren scheint“. Die Meeresmetapher funktioniert hier nicht nur in Hinblick auf das Farbkonzept – aufmerk­ samen Augen öffnen sich noch mehr versunkene Wel­ ten: Die zumeist italienischen Möbel, die schwedi­ schen Lampen, sie sind kurz vor oder kurz nach der Mitte des 20. Jahrhunderts entworfen worden. Auf den ersten Blick wirkt das Interieur darum so ziemlich wie aus einem Guss. Doch die Rokokoblüten am „Tor“ zur Wohnung sind ein Fanal der Fantasie, das einen in noch viel entlegenere Zeiten fliegt: Der bestickte Wandbehang ein paar Meter weiter trägt seinen Be­ trachter in die Epoche der Einhörner, zwei Wandlam­ pen im Bad bringen einen zu den goldenen Tellern in Dornröschens Märchenzeit und die überall aufgestell­ ten amphorenartigen Vasen in die Antike. Nein, Da­ minelli schafft keine lauthalsen Widersprüche und Kontraste. Lieber hält er eine Kamera für eine Blitz­ lichtsekunde lang ins Dunkel der Geschichte – und fängt eine zeitfremde und leise Anmutung ein. ‹


Wie aus einer Feder: Im Kinderzimmer ergänzen zwei neoklassizistische Midcentury-Betten eine Regalwand von Osvaldo Borsani, entworfen 1950 für seine Firma Tecno. Das Fischgratparkett aus den Dreißigern hat sich auch hier original erhalten.


Ornament und Vergnügen

Wie schenkt man einem kantigen Midcentury-Bungalow feminine Wärme? Mit einem fröhlichen Aufstand an leuchtenden Farben, Stoffen und zitrusfrischen Tapeten.

Text: Mayer Rus / Porträt: Ye Rin Mok / Fotos: Laure Joliet

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Altadena

Bei allem Übermut an Far­ ben und Formen: Interior­ designerin Frances Merrill setzte bei der Verwand­ lung dieses eher strengen Bungalows alles in einen harmonisierenden beeren­ farbenen Rahmen, wie man von der Terrasse (linke S.) aus gut erkennen kann. Die Orangentapete von Jenni­ fer Shorto im Esszimmer ist nicht nur appetit­, sondern auch fantasieanregend.

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„Ohne Frances wäre mein Haus nur ein Sammelsurium schöner Dinge. Sie hat in unser leidenschaftliches Chaos einen Sinn gebracht.“ Katie Jordan

Allein die Holzpaneele erinnern ans Midcentury – und der mit Leder bespannte Vintage-Schaukelstuhl (re. S.). Er ist eines der wenigen Stücke, die auf die Entstehungsepoche des Hauses verweisen. Merrill entschied sich bewusst gegen ein geschichtsgetreues Interior. Dafür schenkte sie selbst dem Schwimmbad cozy corners mit der extratiefen, maßgefertigten Eckbank oben, die sie mit einem Streifenstoff von Mulberry beziehen ließ. Verschiedenste Stoffe verleihen auch dem Schlafzimmer der Hausherrin (g. o.) wohlige Wärme.

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Pure Farbenfreude: Die Küche setzt auf tiefe Töne und grafi­ sche Muster – wie et­ wa beim Stoff „Mod Plaid“ von Knoll Tex­ tiles (hier in der Vari­ ante „Groovy“), mit dem die maßgefertigte Bank bezogen ist. Der Küchenschrank ist in „Lafayette Green“ von Benjamin Moore ge­ taucht. Shaker Chairs von S. Timberlake.

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Splash! Die ozean­ blauen Fliesen bran­ den fröhlich an knall­ rote Armaturen aus dem Hause Vola. Der Duschvorhang trägt das Muster „Garden Party“, das Gert Voor­ jans für Jim Thompson entwarf. Fun Fact: Sel­ biger thailändische Sei­ denbaron war Frances Merrills Urgroßonkel.


Ein Vorhang in allen Farben des Regenbogens (u.) zieht sich durch mehrere Räume. Die großen Gesteinsbrocken auf dem Grundstück (rechts) sind die unverrückbaren Fixpunkte des Gartenkonzepts.

Die mit einem floralen Dessin bezogene Liege unten könnte laut Merrill auch im Wohnzimmer einer Großmutter stehen. Die wäre dann recht abenteuerlustig: Zur wild geblümten Tischdecke gesellen sich tropische Pflanzenmuster auf dem Sofa (Nickey Kehoe).

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E

Traumlandschaften: Auf der Tapete „Mini Cities“ (o.) von Jennifer Shorto wachsen kleine Städte aus Orangen. Weitere Zutaten fürs Esszimmer: ikonischer „Fledermaus“-Stuhl von Josef Hoffmann, Bezug der Bank: Osborne&Little.

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s ist ja nicht so, als wären Frances Merrill noch nie Farbtöne oder Muster begegnet, die ihr nicht gefallen hätten. Wirklich nicht. „Es muss eben die richtige Farbe sein, das richtige Muster“, sagt die vor Ideen nur so sprühende Interiordesignerin aus Los Angeles. Und ein gutes Beispiel für den richtigen Tonalitäten-Chor ist der Midcentury-Bungalow in Altadena, einem Vorort von L. A., den Merrill mit ihrem Interiorstudio Reath Design gerade für Katie Jordan, eine Mitgründerin der Jugendhilfeorganisation Foster A Dream, von Grund auf neu gestaltet hat. Aber wer vermutet, das Haus sei nun eine wilde Revolte von Tapeten, Stoffen und Farben, der liegt falsch. Trotz der kaleidoskopartigen Vielfalt leuchtender Töne und fantasievoller Muster ist die Wirkung warm, einladend und vergnügt. „Ich hatte das große Glück, in Katie eine Gleichgesinnte zu finden. Sie ist wirklich abenteuerlustig, wenn es um Farben und Dessins geht. Man sieht das an den tollen Vintage-Kleidern, die sie gern trägt, aber auch daran, wie sie leben möchte“, sagt Merrill. Und mit einer Anspielung auf Adolf Loos fügt sie lachend hinzu: „Wenn Ornament ein Verbrechen ist, ist Katie meine Komplizin.“ Die erwidert das Kompliment: „Ohne Frances wäre mein Haus einfach nur ein Sammelsurium schöner Dinge ohne einen gemeinsamen Nenner. Denn mich begeistern so viele verschiedene Stoffe und Farben, und mein Sohn Hank ist genauso. Die Farben für sein Zimmer hat er selbst ausgesucht. Frances hat in unser ganzes Chaos einen Sinn gebracht.“ In den anfänglichen Gesprächen zwischen Merrill und

ihrer Kundin ging es darum, wie man die strengen Linien und harten Winkel der vorgegebenen Architektur sanfter gestalten könne. „Wir haben viel darüber geredet, dass ich mir das Haus femininer wünschte. Die großen Fensterflächen und die Verbindung zur Natur sagten mir zwar zu, doch mir gefiel nicht, wie maskulin sich das Ganze anfühlte. Ehrlich gesagt war ich mir nicht sicher, ob es möglich sei, das Haus behaglich zu machen“, erinnert sich Jordan. Merrill antwortete auf solche Bedenken, indem sie gegen alle Regeln verstieß. Sie widerstand dem allzu verbreiteten Impuls, ein Midcentury-Haus ausschließlich mit Einrichtungsgegenständen und Dekor aus der entsprechenden Epoche auszustatten. „Als ich ein Kind war“, erzählt Merrill, „hatte meine Familie einen Bekannten, der ein Marcel Breuer-Haus in Princeton besaß – eingerichtet mit Perserteppichen und alten Familienerbstücken. Die Spannung zwischen der kantigen Architektur und den traditionellen Möbeln war faszinierend. Diesen Geist wollte ich hierher übertragen. Die mit einem floral gemusterten Stoff von Rose Cumming gepolsterte Chaiselongue, die wir für das Wohnzimmer aussuchten, würde bestens auch ins Haus einer Großmutter passen.“ Allerdings würden sich vielleicht nicht viele Großmütter dafür entscheiden, alle Stützbalken und Säulen des Hauses in einem beerenroten Farbton zu streichen, der an Japanischen Ahorn erinnert. Oder für das Esszimmer eine Tapete wählen, deren bizarres Muster Orangen zeigt, aus denen kleine Stadtsilhouetten


sprießen. Oder gar einen Regenbogenvorhang aufhän­ zulegen“, sagt David Godshall, Mitbegründer von gen, der aus acht separaten farbigen Abschnitten be­ Terremoto, einem aufstrebenden Landschaftsarchitek­ steht und sich von den Glasfronten des Masterbed­ turbüro mit Sitz in L. A. und San Francisco. Unter an­ rooms bis zur Lounge neben dem Pool erstreckt. derem ersetzte man einen überalterten Acrylzaun Am außergewöhnlichsten ist vielleicht, wie allum­ durch Hartglasplatten, und anstelle des „Rice Krispies­ fassend die Vision der Designerin ist. Merrills Orches­ Betonpflasters“, wie Godshall es nennt, kam, so passt trierung beschränkt sich nicht einfach auf die zentra­ es eher zur Epoche des Baus, mit Holzleisten umrahm­ len Begegnungsräume des Hauses – auf die großzügige ter Waschbeton zum Einsatz. „Die riesigen Felsblöcke Küche zum Beispiel, wo die Fronten der grasgrünen auf dem Gelände waren der Ausgangspunkt für unsere Einbauschränke von abstrahierten Scherenschnitt­ Arbeit. Der ursprüngliche Garten nahm sowohl subtil Blumenmustern durchbrochen und schlichte Shaker­ als auch offen Bezug auf japanisches Landschafts­ Stühle überraschend mit einem rot­schwarzen Lei­ design, und wir haben diese Affinität noch betont, in­ nengeflecht veredelt sind. Nein, die Farben­ und dem wir beispielsweise Wege aus eingegrabenen Fels­ Musterfreude reicht bis in ein blau gekacheltes Bade­ blöcken angelegt haben, kombiniert mit quadratischen zimmer, in dem kirschrote Armaturen und ein lebhaf­ und rechteckigen Betonpflastern. In gartenbaulicher ter Duschvorhang mit rot­blauem Blumenmuster – Hinsicht ist der Garten teils japanisch, teils kalifor­ Design: Gert Voorjans für Jim Thompson – die nisch – und teils ein Dschungel.“ Eine der Pflanzungen, die Godshall vornahm – ein Akzente setzen. (Apropos: Jim Thompson, der thailän­ dische Seidenbaron, der 1967 unter mysteriösen Um­ roter Abessinischer Bananenbaum, dessen Beerenrot ständen in Malaysia verschwand, war Merrills Ur­ sich durch die Blätter zieht und den Stamm färbt –, großonkel.) Im Outdoor­Bereich begegnet man einer diente Merrill bei der Farbwahl für den architektoni­ Regenbogenkoalition von Stühlen in leuchtenden Far­ schen Rahmen als Inspirationsquelle; eine Palette, die ben und dazu Kissen im kühnen Color­Blocking auf buchstäblich wie auch im übertragenen Sinne im ge­ den Poolliegen; ein riesiges Sofa in Ultramarin bildet samten Haus den Ton angibt. Auf die Frage, ob sie einen Kontrast zu den efeubewachsenen Hängen, die nicht Tipps für Menschen habe, die ihr auf diesem farb­ das Haus lieblich einbetten. verrückten Weg folgen möchten, antwortet Merrill: „Es gab Überreste eines großartigen Midcentury­ „Ich glaube nicht. Das ist nichts, was man entschlüsseln Gartens, der im Laufe der Jahre entkernt worden war. oder vermitteln kann. Es kommt alles intuitiv.“ Sie Unser Job war es, das Vorhandene neu aufzubauen und überlegt kurz. „Andererseits ist es ja keine Raketen­ bei einigen Materialien und Details eine Schippe nach­ wissenschaft. Obwohl, irgendwie vielleicht doch.“ ‹

Roter Faden: Auch beim Poolhaus (o.) sind alle Pfeiler in Benjamin Moores „Bordéaux Red“ gestrichen – eine Idee, die sich durch das ganze Haus zieht. Sämtliche Farben des Regenbogens schimmern in den Vorhängen und den Rattansesseln.

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Bayonne


Der Schamane Fünf Fenster auf die Stadt. Und immer ein anderer Blick. In seinem Haus in der Altstadt von Bayonne beschwört Christian Astuguevieille die Ausgeburten seiner Fantasie.

Text: Simone Herrmann / Fotos: Alexis Armanet

Zeichen an der Wand: Ein Glasdach (li. S.) schützt die „imaginären Schriften“ von Christian Astuguevieille (li., im Erdgeschoss) vor der Witterung. Mit chinesischer Tusche auf Paneele gemalt, verwandeln sie den Lichthof des Treppenhauses aus dem 17. Jahrhundert in einen surrealen Schlot. O.: Blicke aus dem Fenster, afrikanische Kunst, Souvenirs – alles fließt in die Skizzen des Künstlers.

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„Der Tastsinn ist wesentlich in meiner Arbeit. Wie sich Holz anfühlt, Stroh oder abgeschnittene Schnur, das teilt sich in diesem Haus auch dem Auge mit.“ Christian Astuguevieille 138


Wie im Innern eines Baums: Rohe Bretter aus Kastanienholz bilden den Fond für das Kammerspiel, das Astuguevieilles „Bois & Forêts“Möbel, sein „Bric & Broc“-Canapé, eine Baoulé-Skulptur (hinten) mit seinen Malereien mythischer Tänzer (rechts) aufführen. Auf seiner Hanfseil-Kommode unten rechts residieren ein Elfenbeinfräulein, eine Tonschale und der Stich eines Kriegers aus Neuguinea.

N

atürlich habe ich mir Geheimsprachen und fantastische Schriften ausgedacht, als ich klein war. Wie jedes Kind, das noch nicht schreiben kann, aber so tut als ob“, sagt Christian Astuguevieille fast ein bisschen unwirsch. Denn darum gehe es bei seinen écri­ tures imaginaires nicht, den „imaginären Schriften“, die hier, in seinem Haus in Bayonne, die Wände bedecken. Sie sind, wie alle Werke des Pariser Designers und Künstlers, Ausgeburten des Unterbewussten. Es ist die „Ursuppe“ seiner Fantasie, der er eine Gestalt gibt. Gestische Malerei, Rhythmen, die wie Duft sind. Für Rei Kawakubo entwickelt er seit Anfang der 90er-Jahre die legendären Comme des Garçons-Düfte, Essenzen, die nach Zahnpasta und Ylang-Ylang, nach Maiglöckchenblättern oder, und das durchaus wundervoll, nach verbranntem Gummi riechen. Auch seine Malerei sprengt die Konventionen. Fantasien, so verrückt und frei, dass sie den Betrachter wieder zum Kind machen. Astuguevieille hebt eine Augenbraue, als wolle er sagen: „Ach, wirklich? Na dann!“ Er hat für Molinard, Rochas, Nina Ricci gearbeitet, aber eigentlich ist er Kunstpädagoge. Da komme vieles her, sagt er, „von dieser anarchischen Experimentierlust der 70er-Jahre“. In jener Zeit habe er gelernt, das Undenkbare zu denken. Frei zu sein. Einmal hat er den Kindern die Aufgabe gestellt, sich nur nach Gerüchen einen Garten vorzustellen. Düfte malen. Oder sie sollten eine neue Sprache erfinden, das Alphabet durch Farben ersetzen. „Im Urwald von Borneo gibt es einen Stamm“, erzählt er, und seine runden Brillengläser blitzen, „Menschen, die durch Blütenblätter kommunizieren. Einer legt ein Blatt hin, und sein Gesprächspartner antwortet mit einem anderen.“ So etwas begeistert ihn. In seiner Kunst finden sich viele dieser Reminiszenzen, aus Borneo oder Neuguinea, Afrika, von den Aborigines. Er selbst ist Baske, nicht weit von Bayonne aufgewachsen. Dass er hierher zu-

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Auch die Fensterläden sind „beschrieben“. Den Esstisch mit Marmorplatte umringen „Bois & Forêts“-Stühle mit Strohlehnen (o.). Im Schlafzimmer (re.) hat eine in weißes Tuch gewickelte Muschelgottheit das Bett und den in Schnur gekleideten Nachttisch im Blick. Zurzeit unter der Leselampe: „Der Clan der Otori“ von Lian Hearn.

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Vom Treppenhaus aus dem 17. Jahrhundert (u.), das ganz mit seinen Tuschemalereien ausgestaltet ist, geht es auf der vierten Etage ins Schlafzimmer, wo eine mit Hanfschnur gefesselte rokokobauchige Kommode die Fundstücke und Studien des Künstlers birgt. Ob er in die Schwünge seiner Malerei auch das Unkraut, das hier im Haus eines Getreidehändlers einst wucherte, mit hineinschrieb?

rückgekommen ist, um seine écritures imaginaires an die Wände zu malen, habe nichts mit verklärten Kindheitserinnerungen zu tun. Astuguevieille schnaubt kurz. Streng, konventionell und traurig sei es gewesen, damals. Sein Haus am alten Marktplatz von Ba­ yonne, wo die Luft nach Atlantik riecht und die Häuser hoch und schmalbrüstig sind, sei ein Lebensort. Punkt. Wie Paris, wo er in der Galerie Vivienne seine Werke ausstellt: die Möbel der neuen „Bois & Forêts“­Kollektion, die filigranen Holzstühle mit den aus Stroh geflochtenen Lehnen, seine Gefäße und Skulpturen, die in der eleganten Atmosphäre der Pariser Art nouveau­Kolonnaden wie Außerirdische, Menschtierwesen, Vogel­ gottheiten, Totems wirken. Hochgewachsen und immer in Comme des Garçons­Schwarz, steht Astuguevieille dort unter ihnen. Als halte er alles in magischem Bann. Sein Hund Pif jedenfalls, ein Lakeland Terrier, gleicht aufs Haar seinen Hanfseil­Skulpturen, ein Astuguevieille'sches Totem, wenn er dort in einer dieser Posen döst und mit den Ohren zuckt, als träumte er. In Bayonne, meint Astuguevieille, sei der Hund weniger prätentiös. Er selbst auch. „Alles ist hier viel kleiner als in Paris und dadurch auch freier, menschlicher. Ich habe hier viel mehr Fühlung zum täglichen Le­ ben.“ Das Haus habe er durch Zufall gefunden, sagt er. Aber was sei schon Zufall im Leben. Eines dieser geheimnisvollen, schmalen Häuser an der Place du Marché in der historischen Altstadt, wo die beiden Flüsse, der Adour und die Nive, als Rinnsale zusammen­ fließen. Ein traditioneller Bau mit einer Fachwerkfassade, in einem dunklen Grünton gestrichen. Schmal von außen, ein Schlauch, der um ein Treppenhaus aus dem 17. Jahrhundert herumgebaut wurde und nach einem Lichtschacht in ein Rückgebäude übergeht. Einst gehörte es einem Getreidehändler, dann verfiel es, und überall wu­ cherte Unkraut in den Zimmern, wilder Hafer, Baumschösslinge. „Das Haus war baufällig, wir mussten es völlig entkernen“, er­ klärt der Künstler, der mit Partner und Pif zwischen Paris und Bayonne pendelt. „Nur das originale Treppenhaus und die Holz­ fenster, die auf den Lichtschacht hinausgehen, wollten wir erhal­ ten. Den Rest haben wir neu gebaut, mit Respekt für die Volumi­ na, die Dimensionen der Räume, für die traditionellen baskischen Materialien und die originale Konstruktion des Hauses.“ Vier Eta­ gen. „Aus jedem der fünf Fenster habe ich einen anderen Blick auf die Stadt“, erzählt er. „Es ist amüsant zu sehen, wie sie dadurch ihren Charakter ändert.“ Rot, sagt er, sei die Farbe von Bayonne, „das baskische Rot, ein sehr dunkler Ton“. Er fühlt sich zu Hause in dieser Farbe. Nirgends in seinem Haus taucht sie auf, und doch ist dieses Rot der imaginäre Fond zu all den Naturtönen im Innern: Elfenbein, Sand, Stroh, Holz. Gepaart mit seinen Malereien aus chinesischer Tusche. Blauschwarz glänzend auf Weiß. Vier Mona­

te lang hat er an den Schriften gearbeitet, und auch das Anbringen der Paneele, im Lichtschacht, im Treppenhaus, selbst auf den Fens­ terläden des Esszimmers, sei eine tiefgehende Erfahrung gewesen. Kontemplativ. Das Haus ist zum Gehäuse seiner Kunst geworden. 13 Kammern sind es, karg möbliert. Eigentlich habe er sie alle mit unterschiedlichen Hölzern einkleiden wollen. So wie im Salon, wo rohe, schrundige Bretter aus Kastanienholz den Raum mit den mächtigen Deckenbalken zu einer Art reliefierter Schatulle ma­ chen. Aber dann genügte ihm das Gegenüber der Tuschepaneele mit seinen Möbeln: pummelige Hocker, mit Hanfschnur umwi­ ckelt, die plötzlich zu Leibern frühgeschichtlicher Muttergotthei­ ten werden, Konsolen, bauchige Kommoden und Tischchen. Selt­ sam verzaubert wirken sie, so als habe er das Rokoko mit einem papuanischen Zauberbann belegt. Auch seine Skulpturen aus Holz, Metall, Gips, Schnur, eine Muschelgottheit, in Furoshiki­Technik mit Tuch umwunden, sind da. „Arme Materialien“, denen er eine ganz eigene Noblesse gibt. „Ich mag den Clash. Nur aus vermeint­ lich Unvereinbarem entsteht etwas.“ Sein Sessel „Moisart“, sagt er, beschreibe ihn selbst am besten: „Er ist streng wie ein Totem, sein Sitz ist mit einem Rock aus Raffia eingerahmt und erinnert an meine Beschäftigung mit einer imaginierten Zivilisation.“ Zeichen für seine Innenwelten zu finden, darum geht es ihm. „Gerade arbeite ich an einer neuen Schrift“, sagt er. An Schwüngen, Abständen, Proportionen. Was sich dann hinter den Bögen der Tu­ schemalereien öffnet? Überseeisches, Baskisches? Ein Mahlstrom an Erinnerungen, sicherlich. Schaut man eine Weile hinein, findet man seine eigenen darin. Ach ja? Der Schamane lächelt. ‹

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Los Angeles


Turm Herren

Mit Commune gaben die Designer dem California Cool ein Zuhause, nun sind Steven Johanknecht und Roman Alonso auch noch Nachbarn. Text: Mayer Rus / Produktion: Michael Reynolds / Fotos: Stephen Kent Johnson

Steven Johanknecht (o.) und Roman Alonso (re.) leiten zusammen das stilprägende Büro Commune. Inzwischen leben sie auch noch in benachbarten Wohntürmen am Griffith Park. Roman Alonso ließ im Wohnzimmer (li. S.) sein Daybed von einem Douglasien-Regal umarmen. Die Kissen sind von Adam Pogue und Commune, das Plaid von Gregory Parkinson. Daneben balanciert Isamu Noguchis ikonische Papierleuchte (Vitra). Wer genau hinsieht, entdeckt am Deckenschacht einen Fries von Louis Eisner. Sidetable: Hideki Takayama.

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A

ls die beiden Designer Roman Alonso und Steven Johanknecht nach Los Angeles kamen – 1998 der eine, 2002 der andere –, galt die Stadt noch immer als ein relativ verschlafener Wirtschaftsstandort. Das war, bevor zahlreiche bedeutende Kunstgalerien aus New York und Europa Dependancen in L. A. eröffneten; bevor die Spitzenlabels der Modeindustrie an der Westküste sensationelle Partys in Warehouses feierten; und bevor eine Kavalkade internationaler Stararchitekten wie Renzo Piano, Peter Zumthor und Herzog & de Meuron in die Stadt einfielen. In den vergangenen 20 Jahren hat sich L. A. zu einem Zentrum der Kulturszene entwickelt, unablässig lockt die Stadt Zuzügler aus der ganzen Welt an. Mit ihrer multidisziplinären Firma Commune Design sind Alonso und Johanknecht an dieser Metamorphose maßgeblich beteiligt: Sie gehören zu den Repräsentanten dieses neuen Los Angeles, sie fördern lokale Talente und geben der wirkmächtigen Botschaft des California Cool einen eigenen Stil. Von der Gestaltung einiger Hotels etwa von Ace und anderen Ketten über ihre vielfältigen Vorstöße ins Produkt- und Grafikdesign bis hin zu ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit anerkannten Stars oder jungen, wilden Künstlern und Designern – man denke an Alma Allen, Adam Silverman oder auch Stan Bitters – treten die Geschäftsführer von Commune nach wie vor für raffinierten, aber dabei sehr entspannten Bohemian Chic ein.

„Für großartige Dinge finden wir immer einen Platz. Wenn uns etwas begeistert, funktioniert es.“ Roman Alonso 144


Samtig und sakral: Für Alonsos Wohnzimmer gestaltete Adam Pogue Vorhänge, die an Buntglas erinnern. Mohair-Sofa von Commune für George Smith, Butterfly-Stuhl von Pierre Paulin. Tisch: Michael Boyd. In der Küche (li. S. u.) säumen VintagePoster die Wände. Print mittig: Corita Kent.

Ihre Arbeit beschwört Bilder von reizenden Stränden und Bunga- „Im Grunde genommen lebe ich in einem Apartmenthaus mit Porlows herauf, daher mag es überraschen, dass sich Alonso und tier inmitten eines Parks“, beschreibt Alonso die Vorzüge seiner Johanknecht ausgerechnet für das Leben in zwei benachbarten, knapp 80 Quadratmeter großen Wohnung. „Ich kann jeden Tag in 1966 errichteten Wohnblöcken in Los Feliz entschieden haben, die Natur schauen und in den Park gehen. Aber ich brauche mich ganz nah am Griffith Park, jenem verzweigten Wunderland voll nicht darum zu kümmern. Ich bin zu faul, um ein ganzes Haus zu verschlungener hügeliger Pfade, Büsche und glorreicher Sehens- bewirtschaften.“ Johanknecht sieht die Sache ähnlich. „Ich habe würdigkeiten wie dem Griffith-Observatorium im Art déco-Stil, Dutzende Jahre in einem behaglichen Tudor-Cottage gelebt, doch dem Greek Theatre und dem Hollywood-Schriftzug. dann wollte ich etwas anderes. Mir gefällt die Zweckmäßigkeit

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In Alonsos Esszimmer (o.) trifft Eckiges auf Rundes: Einen Tisch von Michael Boyd umrunden blau gepolsterte Holzstühle, die Boyd für Commune entwarf. Vogelskulptur von Lívia Gorka. Re. Seite: Vor dem Graublau der Wände („Dior Gray“ von Benjamin Moore) kommen die zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotografien ideal zur Geltung. Applike von Serge Mouille, Nachttisch: Doug McCollough.

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Im Masterbedroom von Steven Johanknecht leuchtet Farrow & Balls Wandfarbe „Pelt“ mit der sonnengelben Pierre Frey-Decke um die Wette. Neben dem Bett aus Kirschholz stehen Nachttische von George Nelson. Kissen von Commune, Sidetable von Eero Saarinen für Knoll.

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Durchdacht sollte die Wohnung von Steven Johanknecht werden – aber bloß nicht durchgestylt. In seiner recht monochromen Küche li. gesellt sich zum Teller von Fornasetti eine Schiffsfotografie von Victoria Sambunaris.

einer Wohnung, und ich mag es, so hoch oben zu sein – man bekommt ein ganz anderes Verhältnis zur Umgebung“, erklärt er und beschreibt die herrliche Aussicht auf die San Gabriel Mountains und die Skyline des Zentrums von L. A., die sich vom Balkon seiner gut 100 Quadratmeter großen Wohnung aus bietet. Gerne würde man sich das Leben wie eine Szene aus der Fifties-Sitcom „I Love Lucy“ vorstellen: Die beiden Designer rufen sich wie Lucy und Ethel etwas von ihren Wohnungen oben in den Zwillingstürmen über den Hof hinweg zu, während sie nebenbei noch die Wäsche aufhängen. Die Realität ist natürlich eine andere: Privat und beruflich hatten die zwei Kompagnons im Laufe der letzten Jahrzehnte auf verschlungene Weise immer wieder miteinander zu tun seit ihrer ersten Begegnung bei Barneys New York, wo sie während der erfolgreichsten Ära des Luxuskaufhauses arbeiteten, Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre. Ihre Wohnungen erzählen von ihrer bemerkenswert fruchtbaren Beziehung: mit Möbeln und Objekten von vergangenen und aktuellen Projekten, mit den feinen Details, die dem Vokabular von Commune entstammen, mit diversen Kunstwerken und Kuriositäten. Alonsos kaleidoskopartige Einrichtung umfasst eine ans Midcentury erinnernde Essgruppe, entworfen von FOC Michael Boyd (FOC steht für Friend of Commune); Tische und Skulpturen von Alma Allen; indische Teppiche aus dem Nachlass des legendären Künstlers und Decorators Tony Duquette; ein Sofa aus Communes Kollektion für George Smith und Leuchten aus ihrer Serie für Remains; den Prototyp einer Stehlampe für das „Ace Hotel & Swim Club“ in Palm Springs; eine Unmenge an Schwarz-Weiß-Fotos; dazu kubanische Kunst (Alonsos Eltern waren Kubaner, er selbst wuchs in Caracas, Venezuela auf) und herrliche Vorhänge von Adam Pogue, dessen Textilarbeiten Commune vertreibt. „Dies war Adams erster Auftrag von uns. Ich gab ihm Vintage-Stoffe, die ich

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über viele Jahre hinweg gekauft hatte, und bat ihn, daraus etwas Neues zu komponieren, das wie Buntglas wirkt. Was er daraus machte, war unglaublich“, schwärmt Alonso. Die Welt von Johanknecht ruft vieles vom Zuhause seines Mitstreiters wach – ein farbenfrohes Schlafzimmer, das Faible für unbekanntere Entwürfe großer Designer, dazu Arbeiten von Allen, Silverman, Pogue und anderen Commune-Partnern. Das goldgerahmte Gemälde eines Schiffbruchs vor Long Island im Wohnzimmer ist ein Geschenk von Johanknechts Großmutter. „Es stört die Gesamtbalance ein wenig, und genau das gefällt mir“, sagt der Designer. „Dieser Ort ist meine Version eines modernistischen Apartments – Bauhaus trifft auf Midcentury, getaucht in Licht und die Farben der Landschaft von L. A. Ich wollte, dass die Wohnung durchdacht wirkt, aber nicht überladen oder allzu designt.“ Natürlich wirkt in den Apartments von Steven Johanknecht und Roman Alonso alles durchdacht – ihr gesamtes Berufsleben besteht aus wohldurchdachten Entscheidungen. Wenn man sie fragt, nach welchen Kriterien sie Materialien, Farben, Kunst oder Möbel auswählen, dann gibt es für Alonso nur eine Antwort: Leidenschaft! „Für großartige Dinge finden wir immer einen Platz. Denn wenn uns etwas begeistert, dann funktioniert es.“ ‹

„Dieser Ort ist meine Version eines modernen Apartments. Bauhaus trifft Midcentury, getaucht in das Licht und die Farben von L. A.“ Steven Johanknecht


Fast wie im Baumhaus: In Johanknechts Wohnzimmer (o.) blickt man von Mies van der Rohes Lounge Chair (Knoll) und Communes Samtsofa (für George Smith) ins Grüne. Alle Cocktailtische sind von JF Chen. Das goldgerahmte Gemälde u., ebenfalls im Wohnzimmer, war ein Geschenk von Johanknechts Großmutter: „Es stört die Balance ein wenig, das gefällt mir.“ „Snoopy“-Leuchte von Flos.


AD Summaries Los Angeles (p. 98)

Treviglio (p. 116)

Bayonne (p. 136)

Studio KO turn a teardown in Eagle Rock

Daniele Daminelli designs a refined home

A traditional Basque townhouse gains

into a paradise with Moroccan cues.

in rich hues for himself and his family.

a new lease of life thanks to the endless

After bonding with the then owner over a shared interest in bees and cultivating a casual friendship, Richard Christiansen eventually got the chance to buy the nona­ genarian’s pink 1940s hideaway. It was a teardown really, says the branding agency boss but, despite the eccentric interiors, the house had “an amazing energy". Its overhaul was led by Karl Fournier and Olivier Marty of Studio KO, who, after stripping it back to the studs and rebuild­ ing within the same footprint, conducted a tight edit of the Australian's stored posses­ sions, adding new acquisitions from mar­ kets and auctions – such as Moroccan tiles, furniture from Italy and Japan, and lighting from Paris. The most impressive space of all, though, is the vast garden, redeveloped with the aid of landscape designer Arnaud Casaus. Here, fruit trees, herbs, and frangi­ pani were planted amidst the palms; corn and avocados grow alongside tobacco; and the keen apiarist now has chickens to go with his bees.

For this young homeowner, it was a case creativity of Christian Astuguevieille. of love at first sight. “Light filled the “It was a wreck,” recalls the designer and art­ rooms; everything was in great condition, ist, whose output includes everything from even the original parquet floors and win­ fragrances to furniture and sculpture. “We dows,” says Daniele Daminelli of his 1930s had to gut it completely.” In fact, the 17th­ apartment, part of an Elio Frisia­built vil­ century staircase and a few wooden win­ la in the north Italian town of Treviglio. dows were all he and his partner retained; After buying the place last year, the de­ the rest they rebuilt from scratch, taking signer, who worked for Dimore Studio for into account the original volumes, dimen­ seven years before founding his own prac­ sions, and materials. tice, set about remodeling its three bed­ Situated on the market square in old rooms and living/dining area, ensuring Bayonne, Christian Astuguevieille's nar­ Frisia’s work was preserved or restored row, four­story house is arranged around wherever possible (the original four­meter a central lightwell, now decorated with ceilings were thus reinstated). panels of his écritures imaginaires, a system The walls were painted a dark sea green, of dark, ink­drawn characters that form from which voluminous pieces such as a an imagined script. More such “writing” 1940s sideboard and a hanging rosewood adorns internal walls and window shut­ unit emerge as from the murky deep. Pale ters, contrasting strikingly with the pale details such as white marble create a subtle backdrops and the spartan, own­design chiaroscuro effect, while pops of red pro­ appointments, which include rope­clad vide further contrasts. The colors, Daminelli stools, chests of drawers, and nightstands, explains, flowed from the hall's floral wall­ plus art objects made with similarly hum­ paper, a John Derian print reproduced from ble materials. an 18th­century panel.

Paris (p. 108) Luis Laplace’s new atelier is a showcase for his subtle, thoughtful approach – and a lesson in how to live with your art.

“The renovation took almost a year,” ad­ mits architect Luis Laplace. “It would have been quicker if we’d ripped everything out, but I prefer to emphasize what’s al­ ready there than to start afresh.” In the process, the architect, who uses this 9th arrondissement apartment to receive cli­ ents, host meetings, and entertain guests, even uncovered an old staircase that links the three floors (his home and studio are located in the same building). “I respect the nature of a property, I follow its form and structure.” With the furniture, he took a freer, more eclectic approach, combining Laplace de­ signs such as a long marble and walnut din­ ing table with vintage 20th­century pieces from France, Italy, and beyond. Contempor­ ary art, too, plays a key role, with works by the likes of Paul McCarthy, Keith Tyson, and Roni Horn on prominent display. Col­ lectors, he says, are often afraid to show their art in their living spaces. “Here, my guests can see how even difficult art can be integrated into the home.”

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By Iain Reynolds

Altadena (p. 126) Frances Merrill transforms a classic bungalow via glorious color and pattern.

Invited to revamp a mid­century home on the outskirts of L. A., decorator Frances Merrill resisted the common impulse to create period­appropriate decors. Instead, she took her cue from the Marcel Breuer house a family friend had filled with heir­ loom pieces and Persian rugs, echoing its tension between the modern and the trad­ itional. The living room's floral chaise, for instance, could easily work in someone's grandmother’s lounge, she says. Few grannies, however, would opt to paint every wooden beam and column in a soft burgundy hue, or to paper their din­ ing room in a trippy print on which tiny cityscapes erupt from oranges. More re­ markable still, though, is the completeness of Merrill’s vision, with joyous color en­ livening not only the reception rooms but also the open kitchen, the blue­tiled bath­ room (accented with cherry­red fixtures), and even the outdoor spaces, where a rain­ bow coalition of chairs features alongside color­block lounger cushions and a mas­ sive sofa in ultramarine.

Los Angeles (p. 142)

The Commune directors bring bohemian chic to their own sixties apartments.

Their work calls to mind images of allur­ ing beaches and bungalows, so you per­ haps wouldn't expect Roman Alonso and Steven Johanknecht, principals of Califor­ nian design practice Commune, to live in twin 1960s towers. For Alonso, the appeal lies in being able to enjoy nature every day without having to look after it (the blocks are right by L. A.’s sprawling Griffith Park), while his confrère likes the feel for the landscape you get from being up high. The two apartments tell the story of the pair’s fertile creative relationship via pieces from past and current projects, design de­ tails from the Commune lexicon, and an array of artworks and curios. In Alonso’s, tables and sculptures by Alma Allen min­ gle with a mohair Commune sofa, Cuban art, and fabulous Adam Pogue curtains reminiscent of stained glass. Johanknecht’s, meanwhile, features similarly kaleidoscopic colors alongside work by Allen, Pogue, and other Commune collaborators, with a gilt­ framed painting of a shipwreck, a gift from his grandmother, providing the one deliber­ ately incongruent note. ‹


Adressen

73278 Schlierbach

Die Kunst, das Leben zu genießen.

53489 Sinzig-Westum

Natur. Ästhetik. Design.

gartenlandschaft.com www.fischer-moebel.de 87746 Erkheim

22309 Hamburg

Wohngesunde Designhäuser

Nachhaltig Effizient Schadstoffgeprüft www.baufritz-ad.de


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Urheber- und Reproduktionsrechte

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© VG Bild-Kunst, Bonn 2020 S. 39: Pierre Jeanneret, Stühle S. 39: Stéphane Parmentier, Interieur

S. 138: Christian Astuguevieille, Kissen, Möbel, Gemälde S. 139: Christian Astuguevieille, Kommode S. 140: Christian Astuguevieille, Fassadengestaltung, Möbel

S. 110: Keith Tyson, Gemälde S. 110: François-Xavier Lalanne, Skulptur

S. 141: Christian Astuguevieille, Fassadengestaltung S. 147: Serge Mouille, Wandleuchte

S. 115: Jacques Edouard Jules Adnet,

S. 151: Ludwig Mies van der Rohe, Stuhl

Beistelltisch S. 136: Christian Astuguevieille,

© 2020 The Andy Warhol Foundation

Fassadengestaltung S. 137: Christian Astuguevieille, Gemälde, Skizzen

for the Visual Arts, Inc. / Licensed by Artists Rights Society (ARS), New York S. 103: Andy Warhol, „Jane Fonda“

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Fotos: Jules Villbrandt

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DIESE MENSCHEN INSPIRIEREN UNS IN DER CORONA-KRISE

GENTLEMEN’S QUARTERLY


AD Genie & Spleen

Text: Mona Bergers / Illustration: Emiliano Ponzi

Spielplatz der Künste

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Sie ist uns immer voraus. Miuccia Prada ist die Prophetin unter den Modeschöpfern, wegen ihres Kunstgespürs auch von Kuratoren genau beobachtet, scheint sie selten den nahelie­ genden Weg zu gehen. Auch in ihrem futuristischen Büro im dritten Stock der Schaltzentra­ le ihres Modeimperiums in der Via Fogazzaro im Zentrum von Mailand. Dort nämlich ragt ein überdimensionales Metallrohr aus dem Boden und lockt – ein bisschen wie bei „Alice im Wunderland“ – zum Sprung ins Ungewisse. Die wendige Rutschbahn ist eine perma­ nente Installation von Carsten Höller, derer sie sich bedient, um ungesehen in den Hof, genauer zu ihrem Auto in die Tiefgarage, zu sausen. Die Juli/August-Ausgabe erscheint am 17. Juni 2020


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— K Ö L N —

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