presstige #7 - Schmalspurstudium Bachelor

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Das neue System erzieht zur stärkeren Zielorientierung. Der Bachelor hat nicht die Zeit, mit seinem Magister-Kollegen in der Cafete über die nächste soziale Revolution zu diskutieren. Schließlich zählt jede Note für sein BA-Zeugnis. Einen eingebrachten Schein kann man nicht durch eine bessere, später vollbrachte Leistung ersetzen. Natürlich ist dies kritikwürdig. Doch ich sehe das positiv, denn es bereitet besser auf die Zeit nach dem Hochschulleben vor. Der Umgang mit Leistungs- und Zeitdruck kann nicht schnell genug erlernt werden. Nicht zuletzt hilft das anglo-amerikanische Schema – durch die nun gegebene internationale Vergleichbarkeit – sich im Beruf besser durchzusetzen. Nirgendwo sonst als im BA/MA-Studium trifft man mehr Entscheidungen, die auf einem klaren Kosten-NutzenDenken basieren. Hier wie in der Arbeitswelt zählt das Ergebnis.

Die Freiheit nehm’ ich mir Raum für einen individuellen Stundenplan bleibt auch. Wie man die geforderten Punkte in den jeweiligen Modulen erbringt, obliegt den eigenen Interessen. Die Freiheit in die Vorlesungen oder Seminare zu gehen, die einen ansprechen, ist gegeben. Nur eine Hand voll Veranstaltungen sind Pflicht. Bleibt die Frage, ob das neue System besser als das alte ist. Die Antwort bleibe ich schuldig. Beide Studienformen haben ihre Stärken und Schwächen. Die beiden gegenseitig aufzuwiegen scheitert ob der vielen Unterschiede. Letzten Endes ist es eine Frage der eigenen Philosophie und Erwartungen. Luftiger Rock versus starres Korsett. Humboldt gegen Bologna. Zeit zum Ausprobieren oder Funktionieren von Anfang an. Nichts davon ist optimal. Aber nur als Bachelor kann man sagen: „Willst du diese Rose ... ?“ |

kann sich selbst Schwerpunkte setzen, aber sich gleichzeitig auch anderswo einen Überblick verschaffen. Da sieht es im Bachelor mit seinen vorgefertigten Modulen und der ständigen Leistungsbewertung schon wesentlich strukturierter aus – aber auch eintöniger. Viele entstandene Module sind sicherlich gut und wichtig, doch einige muten etwas willkürlich zusammengestoppelt an. Häufiger tritt hier stärker die Bestrebung zu Tage, „Orchideenfächer“ vor dem Aus zu retten, als innovative und sinnvolle neue Studiengänge zu schaffen. Wie die Erfahrung aus anderen Unis lehrt, wird es zu Beginn von BA und MA noch manche Schwierigkeit und viel Chaos geben: Zwei Studiensysteme existieren nebeneinander her, die Prüfungsordnungen ist noch weitgehend unbekannt und so manches Konzept schlicht verfehlt.

BA arbeitslos? Ob der Wechsel zwischen den Hochschulen sich national und international wirklich vereinfacht, mag dahin gestellt sein. Jedoch sind manche MasterStudiengänge so spezifisch und auf den jeweiligen BA vor Ort aufbauend, dass schon der Wechsel von Augsburg nach Bayreuth quasi unmöglich wird. Auch ob alle Studiengänge die notwendige Akkreditierung erhalten ist fraglich – an einigen Hochschulen wurde der frischgebackene BA auch wieder eingestampft und es musste ein neuer konzipiert werden. Die Übergangszeit verspricht also Spannung für alle Beteiligten. Den Studienanfängern bleibt zu wünschen, dass sie bei alldem nicht auf der Strecke bleiben. Und was kommt nach der Uni? Wie wird die Akzeptanz für die ersten Bachelor und Master von Seiten der Wirtschaft sein? Was soll etwa mit der Masse an Studierenden geschehen, die zwar einen Bachelor haben, aber auf Grund eines hohen Numerus Clausus nicht zum Master-Studium gelangen – haben sie Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Böse Zungen verweisen darauf, dass die Abkürzung BA auch für die Bundesagentur für Arbeit stehe. Vielleicht wäre die Reform der bestehenden – und international durchaus angesehenen – Studiengänge Magister und Diplom die bessere Alternative zur europaweiten Gesamtumstellung gewesen. Ob und wann das frisch bepflanzte Feld mit Bachelor-Rosen blühen wird, bleibt abzuwarten. |

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