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2 Die Situation von Studierenden in Österreich
from Frauen*gerechtes studentisches Wohnen Untersuchung von Wohnbedürfnissen der Wiener Studentinnen* und
by Pau P
2.1 Entwicklung der Studierendenanzahl
Während es noch vor 15 Jahren österreichweit rund 200.000 inskribierte Student*innen gab3 ,ist heuer eine vergleichbare Zahl allein an den Wiener Universitäten und Hochschulen immatrikuliert4, was 10 % der gesamten Bevölkerung der österreichischen Hauptstadt bildet und Wien somit zu der größten Studierendenstadt im deutschsprachigen Raum macht. Landesweit sind es knapp 376.000 Student*innen5. Wenn Doktorats- und Incoming-Mobilitätsstudierende, sowie Lehrgang-Studierende ausgeschlossen werden, gab es 2019 in Österreich nach wie vor rund 300.000 Student*innen, wovon über 75 % an öffentlichen Universitäten, circa 17 % an Fachhochschulen und bloß 3 % an Privatuniversitäten studierten6. Nur in Wien war die Verteilung zwischen verschiedenen Hochschultypen noch unproportionaler – 2018 waren mit 173.000 knapp 90 % aller Wiener Studierenden an mindestens einer der insgesamt neun öffentlichen Universitäten in der Hauptstadt inskribiert. An Fachhochschulen und privaten Universitäten waren es entsprechend 8 und 3 %.7
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Zwischen 2014 und 2017 ging die Anzahl von Maturanten demographisch-bedingt österreichweit leicht zurück, was im Effekt auch die Anzahl von Studienanfänger*innen in den letzten Jahren negativ beeinflusst hat. Mit knapp 42.000 wurde jedoch 2020 wieder die Anzahl von Maturant*innen von bevor dem Rückgang erreicht, nach der Hochschulprognose der Statistik Austria soll es innerhalb der kommenden 15 Jahren einen weiteren Zuwachs von 15 % bei den Matura-Abschlüssen geben.8 Auch bei der Anzahl der Studierenden wird ein weiterer Anstieg erwartet und bis zum Jahre 2035 die Studierendenzahl von rund 423.000 prognostiziert.
In Hinsicht auf den prozentuellen Anteil der Bildungsausländer*innen an der Gesamtstudierendenzahl liegt Österreich über dem europäischen Durschnitt. 2019 waren 22 % der Studierenden an allen österreichischen Hochschulen Bildungsausländer*innen, an den Privatuniversitäten betrug der Anteil sogar 40 %. Mit 9 % bilden Studierende aus Deutschland die größte Gruppe unter den Bildungsausländer*innen.9
2.2 Frauenanteil unter Studierenden
Im Wintersemester 1999/2000 waren erstmals in der Geschichte der österreichischen Universitäten und Hochschulen mehr Frauen* als Männer* als ordentliche Studierende an den öffentlichen
3 https://www.derstandard.at/story/671875/215911-heimische-studierende-im-jahr-2000 4 https://www.wien.gv.at/statistik/pdf/wieninzahlen-2018.pdf 5 http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung/hochschulen/studierende_belegte_studien/021634.html 6 http://www.sozialerhebung.at/images/Berichte/Studierenden-Sozialerhebung_2019_Kernbericht.pdf 7 https://www.wien.gv.at/statistik/pdf/wieninzahlen-2018.pdf 8 Prognose der Schülerinnen- und Schülerzahl nach Bundesländern und Prognosejahren; http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung/schulen/schulbesuch/index.html 9 Studierenden-Sozialerhebung 2019; Kapitel 5: Bildungsausländer*innen
Universitäten inskribiert, damals mit einem Unterschied von weniger, als 1 %.10 Aktuell übersteigt die Anzahl von Frauen* an allen Hochschultypen in Österreich diese von Männern*. Je nach Hochschulart schwenkt der prozentuale Anteil von Studentinnen* zwischen knapp über 50 % im Falle von Fachhochschulen und sogar 75 % an den pädagogischen Hochschulen. Insgesamt, unabhängig vom Sektor oder Studiengang, machen 205.972 Studentinnen* 54 % aller Studierenden aus.11
Der bis 2020 weiterhin anhaltende Frauenanteil von 54 % wurde zum ersten Mal 2005 erreicht.12 Auch zukünftig wird ein konstanter Unterschied von circa 32.000 mehr studierenden Frauen* als Männern* jährlich erwartet.13
2.3 Alter von Studierenden
Im Durchschnitt sind Student*innen in Österreich 26,9 Jahre alt, wobei Doktoratsstudierende nicht berücksichtigt werden. 13 % aller Studierenden gehören mit weniger als 21 Jahren zu der jüngsten Gruppe, während 17 % älter, als 30 sind. Die größte Altersgruppe unter den Studierenden bilden mit knapp 50 % die 21- bis 25-Jährigen. Das durchschnittliche Alter unterscheidet sich abhängig von der Hochschulart und Studienrichtung, aber auch je nach Geschlecht – im Schnitt sind Studentinnen* jünger als ihre männlichen Studienkollegen. Dies lässt sich auf zwei Hauptgründe zurückführen: Zum einen beginnen Frauen* öfter direkt nach dem Schulabschluss zu studieren, während Männer* häufiger die Tendenz haben, später im Leben ein Studium anzufangen – 18 % aller Studentinnen* und 26 % aller Studenten* fangen das Studium mit einer mindestens zwei Jahre langen Verzögerung an, zum anderen studieren Männer* im Durchschnitt etwas länger.14
2.4 Sozialer Hintergrund der Studierenden
Der soziale Hintergrund einer Person wird in erster Reihe anhand des Bildungsniveaus ihrer Eltern, sowie deren beruflichen Tätigkeit bezeichnet und bildet aus vielfacher Sicht einen bedeutenden Faktor in der Gesamtsituation von Studierenden. Junge Menschen, deren Eltern über einen Maturaabschluss verfügen, weisen eine höhere Chance auf, ein Studium aufzunehmen, und tun dies auch vergleichsweise früher nach dem eigenen Schulabschluss, als ihre Kolleg*innen, die aus Familien mit Eltern mit einem niedrigeren Bildungsniveau stammen. Darüber hinaus hat die soziale Herkunft eines oder einer Studierenden einen direkten Einfluss auf seine oder ihre finanzielle Situation, allgemein gilt nämlich: Je höher die Gesellschaftsschicht, aus der Studierende kommen, und dadurch auch je besser die Vermögenssituation deren Familie, desto größer die finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten
10 Ordentliche Studierende an öffentlichen Universitäten 1955 – 2019; http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung/hochschulen/studierende_belegte_studien/021634.html 11 http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung/hochschulen/studierende_belegte_studien/021634.html 12 Ordentliche Studierende an öffentlichen Universitäten 1955 – 2019; Statistik Austria 13 Prognose der Schülerinnen- und Schülerzahl nach Bundesländern und Prognosejahren; http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung/schulen/schulbesuch/index.html 14 https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/4238/1/100329_2.pdf
seitens der Eltern oder Verwandten. Dies beeinflusst weiterhin nicht nur die Höhe des studentischen Gesamtbudgets, sondern auch die potenzielle Notwendigkeit, früh im Studium erwerbstätig zu werden.
In Österreich werden in jeglichen Statistiken in Hinsicht auf den sozialen Hintergrund ausschließlich Bildungsinländer*innen berücksichtigt. Dies bedeutet mit knapp 275.000 Personen circa 73 % aller Studierenden. Darunter gelten rund zwei Drittel als sogenannte Student*innen der ersten Generation, da keiner der Elternteile über einen Studienabschluss verfügt. Die größte Gruppe an den österreichischen Hochschulen bilden mit 34 % die aus der gehobenen Gesellschaftsschicht stammenden Studierenden, weiter folgen mit entsprechend 29 % und 20 % Student*innen aus der mittleren und aus der hohen Schicht. 16 % und somit die kleinste Gruppe von Studierenden in Bezug auf ihre soziale Schicht stellen die aus der niedrigen Schicht dar. In den letzten Jahren lässt sich aufgrund der tendenziellen Erhöhung des Bildungsniveaus in der Elterngeneration eine leichte Änderung der sozialen Zusammensetzung unter österreichischen Studierenden beobachten.15 Interessanterweise zeigen sich auch je nach Geschlecht Unterschiede. Österreichische Studentinnen* stammen nämlich etwas häufiger als ihre Studienkollegen aus den niedrigeren und mittleren sozialen Schichten und dementsprechend auch seltener aus der hohen Schicht, auch wenn die Abweichung jeweils nicht mehr als zwei Prozentpunkte beträgt.16
2.5 Finanzielle Situation der Studierenden
Die finanzielle Realität von Studierenden in Österreich variiert stark abhängig von anderen Aspekten ihrer Lebenssituation. Im Jahre 2019 verfügten Student*innen im Schnitt über €1.216, die Höhe des durchschnittlichen Gesamtbudgets bezeichnet jedoch nur bedingt die tatsächliche finanzielle Situation von Studierenden, die je nach Altersgruppe, Familienstand und Wohnsituation unterschiedliche Bedürfnisse und monatliche Ausgaben aufweisen. Während eine bestimmte Summe von Geldeinnahmen für jene Studierenden, die kurz nach dem Schulabschluss stehen und während des Studiums in ihrem Elternhaus wohnen, vollkommen ausreichend sein kann, darf ein gleich hohes Budget bei älteren Studierenden, die womöglich für ihre eigene Familie finanziell zuständig sind, eine prekäre ökonomische Lage bedeuten. Was daher die wirtschaftliche Situation der Student*innen deutlich besser begreifen lässt, ist ihre Betroffenheit von finanziellen Schwierigkeiten. 2019 bezeichnete etwas mehr als ein Fünftel aller Studierenden in Österreich ihre wirtschaftliche Situation als schwer oder sehr schwer. Dies betrifft bestimme Gruppen von Studierenden im unterschiedlichen Ausmaß und steht in einem engen Zusammenhang mit ihrem sozialen Hintergrund, Familienstand, Alter, ihrer Herkunft und dem gesundheitlichen Befinden. Dementsprechend sind die aus niedrigeren sozialen Schichten stammenden Studierenden, insbesondere über 24-Jährige, Alleinerziehende Student*innen, darunter hauptsächlich Frauen*, Studierende mit gesundheitlichen Beschwerden, Bildungsausländer*innen aus Ländern außerhalb des deutschsprachigen Raums, sowie, gruppen- und schichtenübergreifend, über 30-Jährige Studierende besonders stark für finanzielle Schwierigkeiten
15 Studierenden-Sozialerhebung 2019 Kernbericht; Kapitel 8 16 http://www.sozialerhebung.at/images/Berichte/Studierenden-Sozialerhebung_2015_Zusatzbericht_Situation_von_Studentinnen.pdf
anfällig. Auch ein weiterer Aspekt, das Geschlecht der Studierenden, beeinflusst das Risiko einer prekären finanziellen Situation. Den Studentinnen* steht im Durchschnitt ein niedrigeres Gesamtbudget zur Verfügung, sie bezeichnen die eigene wirtschaftliche Situation häufiger als schwer und sind auch öfter als ihre Studienkollegen finanziell depriviert. Diese Umstände sind weitgehend auf den Höhenunterschied der Erwerbseinkommen von Studentinnen* und Studenten* zurückzuführen, was in dem nächsten Unterkapitel “Erwerbstätigkeit der Studierenden” ausführlicher beschrieben und erklärt wird.
Neben dem Erwerbseinkommen aus eigener Erwerbstätigkeit, welches den Großteil des durchschnittlichen Gesamtbudgets bildet, gelten Geldeinnahmen von den Eltern oder anderen Familienmitgliedern, sowie Familienbeihilfe und Studienbeihilfe als die wichtigsten Finanzierungsquellen der Studierenden. Im Falle von Student*innen vor dem 23. Lebensjahr stellt die Unterstützung seitens der Familie die Haupteinnahmequelle dar.17
Zwischen 2015 und 2019 erhöhte sich das durchschnittliche Gesamtbudget der Studierenden um 7,4 %, was unter Berücksichtigung der Inflation einen realen Anstieg von 1,1 % bedeutet. Gleichzeitig sind die monatlichen Gesamtkosten in derselben Zeitspanne um 10 % gestiegen und betrugen 2019 im Schnitt €1.016, was, um die Inflation bereinigt, einen realen Zuwachs von 3 % ergibt. Die Lebensunterhaltskosten von Studierenden sind demnach beinahe dreimal so stark wie ihre Geldeinnahmen gestiegen.
2.6 Erwerbstätigkeit der Studierenden
2019 waren 65 % aller Studierenden in Österreich in unterschiedlichem Ausmaß erwerbstätig, mehr als ein Drittel bezeichnete jene Erwerbstätigkeit als studienadäquat. Es ließ sich kein wesentlicher Unterschied zwischen den Arbeitstätigkeitsquoten von Studentinnen* und Studenten* beobachten, die Abweichung betrug lediglich 2 Prozentpunkte. Diese kann darauf zurückgeführt werden, dass jüngere Studentinnen* etwas häufiger als gleichaltrige Studenten* aus niedriger oder mittlerer sozialer Schicht stammen und daher öfter erwerbstätig werden.
2.6.1 Gründe für Erwerbstätigkeit während des Studiums
Für 21 % der Studierenden in Österreich gilt das eigene Erwerbseinkommen als die wichtigste Geldeinnahmequelle, weiterhin geben 69 % der Erwerbstätigen, beziehungsweise 45 % aller Studierenden an, neben anderen Gründen auch infolge finanzieller Notwendigkeit zu arbeiten. Für rund einen Fünftel sei es der einzige Grund. Dies betrifft vor allem jene Studierenden, die keine finanzielle Unterstützung von der Familie erhalten und Studenten*, die durchschnittlich älter als ihre Studienkolleginnen sind und aufgrund ihres Alters keinen Anspruch mehr auf staatliche Stipendien
17 Studierenden-Sozialerhebung 20019; Kapitel 18: Finanzen
haben. In den letzten Jahren ist allerdings auch der Anteil von erwerbstätigen Student*innen gestiegen, die keine finanzielle Notwendigkeit aufweisen, sich aber “mehr leisten” wollen.18
2.6.2 Einkommen
Da das studentische Erwerbsausmaß von nur wenigen Stunden pro Woche bis zu Vollzeit-Beschäftigung reicht, erzielen erwerbstätige Studierende äußerst unterschiedliches Einkommen, welches im Schnitt €857 pro Monat beträgt. Im Gegensatz zu der Erwerbstätigkeitsquote und dem Erwerbsausmaß zeigt sich bezüglich der Einkommenshöhe eine wesentliche Diskrepanz in Hinsicht auf Geschlecht. Durchschnittlich verdienen arbeitstätige Studentinnen* €753 pro Monat, während Studenten* ein monatliches Einkommen von €985 erlangen, das Median-Einkommen liegt bei €500 im Falle von Studentinnen* und €700 von Studenten. Weiterhin sind in der obersten Einkommensgruppe von €2000 oder mehr pro Monat lediglich 4 % aller erwerbstätigen Studentinnen* und dreimal so viele Studenten* vertreten.19 Während das Lohngefälle bei Studierenden aus der jüngsten Altersgruppe noch minimal ist, wird es bei älteren Student*innen, insbesondere ab einem Alter von 28, auffallend hoch – bei unter 28-Jährigen beträgt die durchschnittliche Abweichung circa €50, bei über 33-Jährigen hingegen schon €400.20
Nicht zuletzt gibt es markante geschlechtsspezifische Unterschiede in Hinblick auf Bezahlung während eines Praktikums. Studentinnen* absolvieren nämlich um 20 Prozentpunkte häufiger als Studenten* unbezahlte Praktika und geben auch im Falle eines bezahlten Praktikums deutlich seltener an, eine angemessene Bezahlung erhalten zu haben.21
2.7 Studierende mit Kindern
7,5 % der Bachelor- und Masterstudierenden in Österreich haben Kinder unter 25 Jahren, was in Bezug auf die Gesamtstudierendenanzahl rund 22,500 Personen ergibt. 74 % der Kinder sind jünger, als 15 Jahre. Knapp 1,5 % aller Studentinnen* sind alleinerziehende Mütter, während alleinerziehende Väter circa 0,2 % aller Studenten* ausmachen.
Neben der Anfälligkeit für finanzielle Schwierigkeiten stellt auch die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Studium, beziehungsweise Erwerbstätigkeit ein Problem von Student*innen mit Kindern dar. Generell betreiben studierende Eltern, insbesondere von Kleinkindern, ihr Studium mit geringerer Intensität, als Studierende ohne Kinder. Studierende Väter widmen mehr Zeit ihrer Erwerbstätigkeit, während studierende Mütter ihre Zeitressourcen vermehrt für Kinderbetreuung aufwenden. Für 61 % der Studentinnen* mit Kindern bedeutet dies Schwierigkeiten bei Betreibung ihres Studiums.22
18 Studierenden-Sozialerhebung 2019; Kapitel 14: Erwerbstätigkeit 19 Studierenden-Sozialerhebung 2019; Kapitel 14: Erwerbstätigkeit 20 http://www.sozialerhebung.at/images/Berichte/Studierenden-Sozialerhebung_2015_Zusatzbericht_Situation_von_Studentinnen.pdf 21http://www.sozialerhebung.at/images/Berichte/Studierenden-Sozialerhebung_2015_Zusatzbericht_Situation_von_Studentinnen.pdf 22 Studierenden-Sozialerhebung 2019; Kapitel 11: Studierende mit Kindern
2.8 Wohnsituation von Studierenden
Die Wohnsituation der Studierenden bildet einen äußerst wichtigen Aspekt ihrer allgemeinen Lebenssituation und beeinflusst auch ihre Studienerfahrung. Nach allgemeiner Auffassung gibt es nämlich einen Zusammenhang zwischen den Wohnbedingungen der Student*innen und ihrer Studienleistung. Nicht nur Wohnkosten oder Entfernung von der Hochschule gelten als wesentliche Aspekte einer studentischen Wohnform, auch Größe und Belegung des Wohnraums, Ausmaß der darin bestehenden Privatsphäre, Sicherheitsgefühl oder, nicht zuletzt, die in der Wohnform herrschenden sanitären Aspekte sind von immenser Bedeutung und können Stress verursachen. Insbesondere Studierende mit finanziellen Schwierigkeiten, Bildungsausländer*innen und alleinerziehende Student*innen sind für den mit ihrer Wohnsituation verbundenen Stress anfällig.
2.8.1 Wohnformen
In Österreich können vier studentische Hauptwohnformen genannt werden. 44 % aller Studierenden gaben 2019 an, in einem eigenständigen Haushalt zu wohnen, darunter 16 % alleine und 28 % mit Partner*in. Als die zweithäufigste Wohnform galt mit 25 % die Wohngemeinschaft, 20 % wohnten bei ihren Eltern oder anderen Verwandten und weitere 11 % in einem Studentenheim. Die prozentuelle Verteilung bei Studierenden in Wien unterscheidet sich nur leicht von der in ganz Österreich. Jeweils um einen Prozentpunkt weniger Student*innen gaben in Wien an, bei ihrer Familie, in einem Studentenwohnheim, oder in einem Haushalt mit Partner*in zu wohnen, die Abweichung im Falle von Einzelhaushalten und Wohngemeinschaften betrug entsprechend +1 und +3 Prozentpunkte. Zwischen 2015 und 2019 stieg die Anzahl von in Studentenheimen oder Wohngemeinschaften wohnenden Studierenden an, während die von alleine Wohnenden gesunken ist.
Je nach Geschlecht, Herkunft, Alter und sozialem Hintergrund der Studierenden zeigen sich verschieden starke Unterschiede in Bezug auf ihre Wohnsituation. Die Wohntendenzen von Studentinnen* und Studenten* unterscheiden sich nur leicht - während Studenten* etwas häufiger in Wohnheimen und Wohngemeinschaften leben, wohnen Studentinnen* öfter mit ihren Eltern oder ihrem/ihrer Partner*in. Diese geschlechtsspezifischen Abweichungen dürfen einerseits durch das im Schnitt jüngere Alter von Studentinnen* erklärt werden, andererseits durch die Tatsache, dass Studentinnen* öfter als Studenten* in einer Beziehung leben. Markante Unterschiede sind dagegen abhängig vom Alter der Studierenden zu beobachten. Während 41 % der unter 21-jährigen Student*innen in dem Elternhaus und 15 % in einem eigenständigen Haushalt wohnen, sind es bei den über 30-Jährigen entsprechend 5 % und 84 %. Im Falle von 21- bis 25-Jährigen bildet die Wohngemeinschaft die populärste Wohnform. Studierende, die aus niedrigeren sozialen Schichten kommen, wohnen vergleichsweise öfter in einem Einzelhaushalt oder gemeinsam mit Partnerin, die aus höheren Schichten stammenden Student*innen leben wiederum häufiger in Wohngemeinschaften und Studentenheimen. Dies ist allerdings hauptsächlich auf die unterschiedlichen Durchschnittsalter der beiden Gruppen zurückzuführen Studierende mit niedrigerer Bildungsherkunft nehmen das Studium im Schnitt etwas später auf. Zu guter Letzt weicht die Wohnsituation von Bildungsinländer*innen und Bildungsausländer*innen ab,
wobei es in der zweiten Gruppe zusätzlich Unterschiede zwischen Studierenden aus deutschsprachigen und nicht deutschsprachigen Ländern gibt. Bildungsausländer*innen aus Ländern mit deutscher Amtssprache wohnen zweimal häufiger als Bildungsinländer*innen in Wohngemeinschaften, während Studierende aus Ländern außerhalb des deutschsprachigen Raums fünfmal so oft wie Bildungsinländer*innen in Studentenwohnheimen leben.
2.8.2 Zufriedenheit
Die allgemeine Zufriedenheitsrate der Studierenden in Österreich angesichts ihrer Wohnsituation betrug 2015 88 %, in Wien waren 87 % aller Studierende in gewissem Maße zufrieden. Unzufrieden dagegen waren die Student*innen in erster Linie mit ihren Wohnkosten, sowohl landesweit als auch in der Hauptstadt galt dies für jeweils 21 % der Studierenden. Weiterhin bezeichneten 14 % der Studierenden in ganz Österreich und 15 % in Wien die Größe ihrer Wohnunterkunft als unzufriedenstellend, gefolgt von deren Zustand und Lage, mit jeweils 10 %. Unter allen studentischen Wohnformen zeichneten sich Wohnheime durch die größte Unzufriedenheit aus, sogar 27 % aller Wohnheimbewohner*innen gaben an, mit ihrer Wohnsituation generell unzufrieden zu sein, jeweils knapp ein Drittel fand die Größe ihres Zimmers und die Kosten unbefriedigend, was durch den in den letzten Jahren überdurchschnittlich starken Anstieg von Wohnkosten in Studentenheimen erklärt werden könnte. Wohnheimbewohner*innen waren darüber hinaus häufiger als alle Studierenden mit dem Zustand ihrer Wohnunterkunft unzufrieden.23
2.9 Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte des Kapitels 2
Die Anzahl von Studierenden in Österreich nimmt seit Jahren ständig zu und wird nach Prognosen auch in der Zukunft jene Entwicklung aufzeigen. Gab es 2019 376,000 Studierende landesweit, werden es 2035 423,000 sein, in überwiegender Mehrheit an den öffentlichen Universitäten. Der Frauenanteil an österreichischen Hochschulen betrug 2020 54 % und soll auch künftig konstant bleiben. Im Schnitt sind Studierende in Österreich knapp 27 Jahre alt, wobei Studentinnen* durchschnittlich jünger sind als ihre männlichen Kommilitonen. Der soziale Hintergrund von Studierenden hat einen direkten Einfluss auf ihre finanzielle Situation und dadurch auch ihre Erwerbstätigkeit und Wohnsituation. Ein Drittel der österreichischen Student*innen stammt aus den gehobenen Gesellschaftsschichten und bildet somit die größte Gruppe von Studierenden in Hinsicht auf ihren sozialen Hintergrund. Die kleinste Gruppe bilden mit 16 % studierende aus den niedrigeren sozialen Schichten, es lässt sich allerdings ein leichter Unterschied zwischen den Geschlechtern beobachten – Studentinnen* kommen nämlich etwas häufiger als Studenten* aus den niedrigen und mittleren Gesellschaftsschichten. In Hinblick auf ihre finanzielle Situation beschreibt das durchschnittliche Gesamtbudget von Studierenden nur bedingt ihre tatsächliche Lage, denn je nach Alter, Familienstand und Wohnsituation variieren auch die Ausgaben und Bedürfnisse der Student*innen. Auch das Geschlecht beeinflusst die finanzielle Situation von
23 Studierenden-Sozialerhebung 2015; Kapitel 3: Wohnsituation
Studierenden – Studentinnen* bezeichnen ihre wirtschaftliche Lage häufiger als schwer im Vergleich zu Studenten*. Dies ist unter anderem auf das Lohngefälle zwischen den zwei Geschlechtern zurückführbar. Trotz gleicher Erwerbstätigkeitsquote und sehr ähnlichen Erwerbsausmaß verdienen Studentinnen* im Schnitt rund €230 weniger als Studenten*. Zwei Drittel aller Studierenden waren 2019 erwerbstätig, rund ein Fünftel ausschließlich aus finanzieller Notwendigkeit. Dies ist nicht selten für Studierende mit Kindern der Fall, die 7,5 % aller Student*innen in Österreich ausmachen. All diese Aspekte bilden entscheidende Faktoren, die die Wohnsituationen von Studierenden prägen. Bei weitem am häufigsten wohnen die Student*innen in eigenständigen Haushalten mit Partner*in oder alleine, gefolgt von einem Viertel in Wohngemeinschaften, einem Fünftel in ihrem Elternhaus und 11 % in Studentenheimen. In den letzten Jahren ließ sich vor allem ein Zuwachs von Wohngemeinschaftsund Heimbewohner*innen, sowie gleichzeitig ein Rückgang von Alleinwohnenden beobachten. Während es nach Geschlecht keine markanten Unterschiede in Bezug auf die von Studierenden gewählten Wohnformen gibt, spielen das Alter und die Nationalität der Student*innen eine große Rolle. Unabhängig von der Form ihrer Unterkunft geben 88 % der Studierenden an, mit ihrer Wohnsituation zufrieden zu sein. Die niedrigsten Zufriedenheitsraten in allen Bereichen (Größe, Kosten, Zustand) weisen Wohnheimbewohner*innen auf, was auf eine problematische Lage der österreichischen Studentenheime hindeuten kann. Bemerkenswert ist ferner die Tatsache, dass die studentischen Wohnkosten in der Zeitspanne 2015-2019 dreimal so stark wie das Gesamtbudget von Studierenden gestiegen sind.