Tipi – Magazin für die Familie Winter/2015

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Leben und wir

Mag.a Jasmin Mandler ist Klinische und Gesundheitspsychologin sowie Kinder- und Jugendpsychologin in Wien und leitet gemeinsam mit Mag.a Maria Beham die psychologische Praxis „die Entwicklungshelferinnen“. Sonnbergplatz 7/19, 1190 Wien

Wie sag ich’s meinem Kind:

Christkind Schwierige Themen – kinderleicht erklärt. Oder so leicht wie möglich. Diesmal im Fokus: Das Christkind. Psychologin Mag. Jasmin Mandler erklärt, wie es um die Magie rund ums Weihnachtsfest bestellt ist. von luisa siller Mein Kind erfährt, dass es das Christkind nicht gibt. Führt das nicht automatisch zum Vertrauensbruch, weil ich es jahrelang in dem Glauben gelassen habe? Jasmin Mandler: Einem Kind den Glauben an das Christkind zu lassen, bedeutet nicht, es angelogen zu haben, sondern es in seiner Fantasie und kindlichen Welt zu begleiten. Kinder im Kleinkind- bis frühem Schulalter befinden sich in einer magischrealen Phase, in der es neben der realen Welt auch noch eine Fantasiewelt gibt, in der Kinder ihre Erlebnisse auf eine fantastische Art und Weise verarbeiten, was ihnen viel Freude und Kraft gibt. In der Regel wollen Kinder diese Fantasie-

welt erhalten und an „ihre“ Fabelwesen, Monster, Geister, Zwerge, Hexen und eben auch an das Christkind glauben. Geht diese Phase dem Ende zu, weicht die Fantasiewelt allmählich realeren Vorstellungen. Beginnt es zu fragen, ob es das Christkind tatsächlich gibt, kann man das Kind nach den eigenen Vorstellungen befragen: „Was meinst du, ob es das Christkind gibt?“, „Was glaubst du, wer die Geschenke bringt?“ Dabei lässt sich meist gut erkennen, ob Kinder noch an der Vorstellung eines Christkindes hängen. Erklärt man den Kindern dann Jahre später, dass es das Christkind nicht tatsächlich gibt, erleben das Kinder nicht als Vertrauensbruch, sondern können das

gut in ihr Glaubenssystem integrieren. Eltern können ihren Kindern zudem die Bedeutung des Weihnachtsfests und die damit verbundenen Werte in ihrer eigenen Familie und in anderen Religionen vermitteln. Besonders gut gelingt dies mit altersentsprechenden Büchern und Bildern. Ist es besser, zu warten, bis das Kind selbst danach fragt – etwa, weil es von jemand anderem davon gehört hat – oder soll man ab einem gewissen Alter selbst die Initiative ergreifen und „aufklären“? Eltern brauchen das Kind nicht aus seiner Traumwelt, aus seiner magischen Welt herauszuführen. Das Kind wird zu gegebener Zeit von selbst damit aufhören. Kinder wollen in der Regel ans Christkind glauben – auch wenn sie es realistisch sehen können und „wissen“, dass es das Christkind so nicht gibt. Kinder lieben es, Teil einer magischen Welt zu sein. Und wir Erwachsenen können gerne auch Kind sein und „mitspielen“. Das Kind in uns wird sich freuen über ein bisschen Zauber in der Weihnachtszeit. Kann man Kinder bitten, den Christkindschein für ihre kleineren Geschwister o.Ä. weiterhin zu wahren? Kinder entscheiden gerne selbst, ob und wie lange sie den Zauber und Glauben aufrechterhalten wollen. Wenn andere Kinder (Freunde, Geschwisterkinder) sie „aufklären“, dann erfinden sie in der Regel selbst wieder ihre eigene Zauberwelt. Eltern können die Kinder dabei begleiten, auch wenn die älteren Geschwister nicht mehr daran glauben. Der Zauber der Weihnachtszeit mit den Geschichten vom Christkind spricht uns alle an – und wir sollten es genießen. Gegebenenfalls kann man älteren Geschwistern in Erinnerung rufen, wie schön sie selbst die Vorstellung vom Christkind fanden und diese Vorstellung gemeinsam als Familie für das jüngere Geschwisterchen aufrechterhalten.

© Zeichnung von Julia Marschat – vielen herzlichen Dank!

Interview

© Privat

www.die-entwicklungshelferinnen.at

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