Freie Zeit
Zurück in die Wildnis!
© Keen (1), Schöffel (1)
Die Natur ist für Kinder der beste Spielplatz. Doch leider wird er immer seltener genutzt. Ein Plädoyer für die Natur von fiona-livia bachmann
Es plätschert das Wasser im Bach, Vögel zwitschern, Bienen summen, und Nico spielt in seiner selbst gebauten Hütte aus Ästen und Blättern. Er kriecht auf allen Vieren aus seinem Naturhaus, sieht vergnügt zum Apfelbaum hinauf und überlegt, wie er sich mutig dieser Herausforderung stellen kann: nach oben zu gelangen. Voller Urvertrauen und mit etwas Anstrengung zieht er sich Ast für Ast hoch – bis er sein Ziel erreicht hat und schließlich stolz von oben herabblicken kann. Wie viele Kinder können heute noch von solchen Erlebnissen berichten? In den letzten Jahrzehnten hat sich die Wahrnehmung und Beziehung der Kinder zur Natur grundsätzlich gewandelt. Die Emnid-Umfrage der deutschen Wildtierstif-
tung belegt, dass 49 Prozent der deutschen Kinder im Alter von 4 bis 12 Jahren noch nie selbstständig auf einen Baum geklettert sind. Vielen dieser Kinder ist nicht nur die Erfahrung des Baumkraxelns fremd, sondern auch das Beobachten von Wildtieren, das Bauen von Höhlen und kleinen Booten, die sich in Bächen ihren Weg ans Ufer bahnen, das Drachensteigen und Heuschrecken Jagen oder einfach nur das Herumstreifen in Wald und über Wiesen unter freiem Himmel. Die Polarität des Naturbezugs hat sich verschoben. Heute sind Kinder sich zwar globaler Umweltprobleme bewusst oder kennen viele Tiere aus Büchern, die angeborene Naturverbundenheit allerdings schwindet zunehmend.
Sind im Freien spielende Kinder vom Aussterben bedroht? Früher war die Natur keine Kulisse, die man als ferner Zuschauer beobachtet hat, sondern Aktionsfeld. Wenn man die Kinder von heute mehr der freien Wildbahn aussetzen würde, wäre ihre intuitive Handlungsweise sicherlich gleich. Wie simpel es auch erscheinen mag: Der Mensch benötigt die Natur nicht nur als Nahrungsquelle, sondern auch als Gegenüber! Umso nachdenklicher sollte es uns machen, dass sich der industrialisierte Mensch stetig von seinen natürlichen Wurzeln entfremdet. Während die Generation heutiger Eltern und Großeltern Naturerlebnisse noch mit allen Sinnen erfahren durfte 660_LAD_0415
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