Tipi – Magazin für die Familie Herbst/2016

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Leben und wir

Wie sag ich’s meinem Kind:

Interview

Schwierige Themen – kinderleicht gemacht. Oder so leicht wie möglich. Diesmal in der Tipi-Serie: Was tun, wenn das Kind gemobbt wird? Was Mobbing eigentlich ist und wie man sich aus der Opferrolle befreit, erklärt Mag.a Maria Beham Psychologin Mag.a Maria Beham. von luisa siller

© Privat

Mobbing

ist Klinische und Gesundheitspsychologin in Wien und leitet gemeinsam mit Mag.a Jasmin Mandler die psychologische Praxis „die Entwicklungshelferinnen“. Sonnbergplatz 7/19, 1190 Wien www.die-entwicklungshelferinnen.at

© Julia & Elias Marschat – vielen herzlichen Dank!

insofern gravierender, als Erwachsene die Verantwortung für die Gestaltung der Beziehung zu Kindern tragen und sich Kinder dadurch als noch hilfloser und schwächer erleben.

Was bezeichnet man als Mobbing? Maria Beham: Mobbing ist aggressives Verhalten mit dem Ziel, das Opfer zu verletzen und zu schädigen, und zwar durch anhaltende und wiederholte Unterdrückung einer Person, die als schwächer erlebt wird und sich nicht wehren kann. Man kann körperliches, verbales und indirektes Mobbing (Gerüchte verbreiten oder jemanden ausschließen) unterscheiden. Im Unterschied zu Scherzen oder harmlosen Streichen werden bei Mobbing die Opfer anhaltend, häufig und gezielt belästigt, ohne Pausen des Mitgefühls oder gar Entschuldigung durch die aggressive Person. Wie erkenne ich, ob mein Kind gemobbt wird? Die Auswirkungen von Mobbing können sehr unterschiedlich sein und hängen von der Art und Schwere sowie der Häufigkeit der Mobbing-Erlebnisse ab. Auch die Persönlichkeit und die aktuelle Lebenssituation spielen eine Rolle – Schulstress und Pubertät, die Zugehörigkeit zu einer

diskriminierten Minderheit oder wenig stabile Freundschaften machen Opfer leichter verletzbar. Mögliche Auswirkungen sind Nervosität, Leistungsabfall, Rückzug und Isolation, Angst vor der Schule, Verlust des Selbstwertgefühls oder noch schlimmer Schlafstörungen, Depressionen, psychosomatische Störungen oder selbstverletzendes Verhalten. Wie kann ich meinem Kind erklären, was da passiert? Die Gründe, warum jemand mobbt, können sehr unterschiedlich sein, oft geht es ums Anderssein und um die eigene Unsicherheit der aggressiven Person. Aber ganz egal, warum jemand mobbt, das Wichtigste ist, zu vermitteln, dass das Opfer nicht schuld ist. Keine Form der Gewalt ist gerechtfertigt! Es gibt nichts, wofür sich das Mobbing-Opfer schämen müsste. Gibt es Unterschiede, ob von Erwachsenen oder Kindern gemobbt wird? Mobbing durch Erwachsene ist für Kinder

Wie kommt man aus der Opferrolle wieder raus? Das Wichtigste für Mobbing-Opfer sind Selbstbewusstsein und -behauptung. Dafür ist es hilfreich, Sicherheit zu suchen und möglichst wenig allein zu sein sowie der aggressiven Person aus dem Weg zu gehen. Hilfreich ist, bestimmte Verhaltensweisen und Reaktionen einzuüben, zum Beispiel im Beisein der aggressiven Person gefasst und ruhig zu reagieren – und jedenfalls auf Gewalt nicht mit Gewalt zu reagieren. Wichtig ist auch, schnell Hilfe zu suchen. Alle, die in der Schule arbeiten – Lehrer/-innen, Direktor(inn)en –, sind verpflichtet, Kinder zu beschützen. Es gibt zudem Beratungsstellen, die vertraulich, anonym und kostenlos unterstützen. Ab wann sind weitreichendere Maßnahmen wie zum Beispiel ein Schulwechsel angebracht? Wenn es Anzeichen von Mobbing gibt, ist es wichtig, sofort etwas zu unternehmen: einerseits das Kind stärken und andererseits im System Schule Unterstützung durch Lehrer/-innen und Direktion einfordern. Wenn es nicht gelingt, trotz gezielter Maßnahmen das subjektive Gefühl der Sicherheit wiederherzustellen, ist es sinnvoll, Klasse oder Schule zu wechseln.

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