Pro und Kontra
PRO
Von Tanja Werdan Sommerferien sind lang. Das ist freilich keine wirklich neue Erkenntnis. Versteht mich bitte nicht falsch – das soll jetzt kein Plädoyer für die Verkürzung der Sommerferien sein, darum geht es hier bestimmt nicht. Vielmehr geht es darum, dass die Zeit der Sommerferien auch genutzt werden sollte, um Lernstoff zu wiederholen, zu üben und zu festigen. Nach dieser langen Zeit der Ruhe ist nämlich etwas eingetreten, das es zu verhindern gilt: Die Kinder sind tendenziell dümmer geworden. Klar ist das jetzt eine Überspitzung, dennoch ist an dem alten Sprichwort „Wer rastet, der rostet“ etwas Wahres dran. Wir kennen das doch alle selber, wenn wir uns nach einer gefühlten Ewigkeit und körperlichen Unzufriedenheit doch wieder aufraffen, Sport zu machen und sich unser Körper wehklagend am Tag danach meldet. Genauso ist es mit dem „Muskel“ im Kopf. Unser Hirn braucht Anregungen und Input und das in möglichst verschiedenen Formen. Aber mal ehrlich: Funktioniert das wirklich, oder läuft alles bloß auf Kinderaufbewahrung und Ruhigstellung hinaus? Selbstverständlich gibt es die Möglichkeit, Kinder auf sogenannte Lerncamps zu schicken und so dem mentalen Abbau etwas entgegenzusetzen und auch ihrer sozialen Entwicklung etwas Gutes zu tun; aber dafür muss man mitunter tief in die Tasche greifen. Mein zukünftiger Mann, der als Volksschullehrer arbeitet, hat sich bis jetzt immer die Mühe gemacht, in tagelanger Arbeit eine Ferienmappe mit kleinen Wiederholungshäppchen für „seine Kinder“ zusammenzustellen. Sein Resümee nach etlichen dieser Arbeiten: Die Kinder, die Training besonders nötig hätten, machen es erst recht nicht, und für manche ist im September der alte Lernstoff wie die Entdeckung Amerikas. Für wirklich Neues ist der Kopf dann noch nicht bereit und muss bis November motiviert und trainiert werden. Somit komme ich zur eigentlichen Aussage dieser Zeilen. Verhaltet euch so, wie es von einem Elternteil erwartet wird. Nutzt die unpassendsten Situationen, um eurem Kind Fragen zu stellen. Lasst euer Kind lesen und es danach darüber erzählen. Unternehmt Ausflüge und lasst es ohne Smartphone die Welt erkunden. Nutzt die Situationen, in denen das Kind nicht entfliehen kann, wie lange Autofahrten, um beispielsweise Malreihen zu üben und abzufragen. Seid aber vor allem eines: interessiert an der Entwicklung eurer Kinder! In diesem Sinne: Schöne, erholsame Ferien!
© FSA
Lernen in den Ferien
KONTRA Von Peter Draxl
Also wirklich. Irgendwann ist dann auch mal gut. Was sollen die Zwerge denn noch alles? Nachdem das zweite Semester abgeschlossen wurde und „Nie mehr Schule“ durch die Gänge fetzt, muss bitte auch mal Ruhe einkehren. Die 50-Stunden-Wochen ab der Oberstufe sind fürwahr kein Lercherlschaaß, außerdem muss Kind dann noch zum Tanzen, Eislaufen, Klavierunterricht, Turmspringen und weiß der Teufel was noch alles. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass der Schulpsychologe der meistbeschäftigte Mensch in der gehobenen Bildungseinrichtung ist. Versuch dort mal einen Termin zu kriegen. Als Jungwüchsiger. Dann wird dir vieles klar. Getriebene Eltern, die selbst schon alle zwei Jahre am Tropf hängen, treiben ihre Kinder genauso an wie sich selbst – Schule, Lernen, Hobbys, Instrument, Sport und im Teenageralter noch eine Vielzahl an Partys und „Erfahrungen“ oben drauf, da macht das zarte, jungerwachsene Seelchen dann auch mal schlapp. Im Urlaub ist dann Ruhe! Kein Schulstress, kein Lernstress, keine Neigungsgruppe Speerwerfen, kein Violinunterricht – bitte Frieden. Vergönnt den kleinen Menschen so was wie Langeweile. Nichtstun. Fadesse. Nehmt ihnen das Handy auch noch weg phasenweise, damit sie auch wirklich am Zahnfleisch ihrer eigenen, jungen Existenz ankommen und sich mit sich selbst beschäftigen beginnen. „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“ Richard David Precht. Nützliches Buch. Der Mann lässt by the way auch nicht wirklich ein gutes Haar am deutschsprachigen Bildungssystem. Mich selbst wundert, dass die Kids heutzutage die selben Fächer reingehämmert bekommen wie ich damals. In den 80ern! Die Welt hat sich weiterentwickelt, die Schulen nicht. Aber das ist eine andere Geschichte. Im Urlaub wird dann nicht mehr gehämmert, und es darf auf jeden Fall das Leben den Lehrmeister spielen. Identitätsfindung abseits der Mühlen, Hobbys, die aus dem Innen kommen anstatt von Eislaufmüttern verordnet. Aktivitäten, die aus Langeweile entstehen, anstatt dem Drang des Vaters nach einem Eishockey-Legionär Folge leisten zu müssen. Interesse an Lektüre, die eben nicht vom Deutschprofessor verordnet wird – wer liest als 14-Jähriger schon gerne „Ein Sommernachtstraum“ und bekommt dafür auch noch ein Zeitkorsett von unfassbaren vier Tagen verpasst? Eben. Urlaub dient der Entwicklung, der Erholung, dem Spaß, der Freude, der Selbstfindung. Im Physikunterricht finden sie sich ohnehin schnell genug wieder. Die zwei Monate vergehen wie im Flug, gönnt ihnen die Zeit. Und nehmt euch selbst auch eine – Auszeit. Schöne Ferien!
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