Tipi – Magazin für die Familie Winter/2017

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Leben und wir

Interview

Uschi Reim-Hofer

einfach mal einen Rat braucht, dann kann man ganz einfach telefonisch mit uns in Kontakt treten oder ein E-Mail schicken. Vollkommen unkompliziert.

Frau Reim-Hofer, was darf man sich unter YoungMum konkret vorstellen? REIM-HOFER: YoungMum ist ein Kompetenzzentrum für ganzheitliche und individuelle Begleitung während der Schwangerschaft, der Geburt und der Wochenbettzeit bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Säuglings. Die Zielgruppe sind Teenagerschwangere bis 20 Jahren. Unsere sehr vielfältigen Angebote sind absolut kostenlos und ziehen sich durch die unterschiedlichsten Fachgruppen. In unserem Team befinden sich Hebammen, Gynäkologen, Rechtsund Sozialberater, Ernährungsberater, Psychotherapeuten sowie sexualmedizinische Experten. Man kann bei uns Geburtsvorbereitungskurse besuchen oder in speziellen Kochworkshops lernen, wie man für sich als Schwangere oder stillende Mutter sowie für sein Kind preiswert, schnell und vor allem gesund kocht. Außerdem kann man bei uns Babymassagetechniken lernen oder sich einfach in unserem YoungMum-Café mit anderen Müttern austauschen. Weshalb haben Sie YoungMum 2002 ins Leben gerufen? YoungMum habe ich deshalb konzipiert, weil sich in der Schule meiner damals noch ganz jungen Tochter – sie war erst 14 Jahre alt – ein Mädchen das Leben genommen hat, da sie schwanger war. Als mir meine Tochter das erzählt hat, hat mich das so unfassbar erschüttert, dass ein junger Mensch nur deshalb aus dem Leben tritt, weil er nicht gewusst hat, wem er sich wie anvertrauen kann. Da musste ich handeln. Mit welchen Gefühlen werden Sie während Ihrer Arbeit konfrontiert? Und was

gibt Ihnen Ansporn weiterzumachen? Ich habe immer wieder mit sehr jungen werdenden Müttern zu tun, die beinahe hilflos vor mir sitzen. Ihnen fehlt häufig die Bildungsressource, der wirtschaftliche Hintergrund. Und dann kommen sie vielleicht auch noch aus einer Ursprungsfamilie, in der keiner was von ihnen und dem ungeborenen Kind wissen will. Wenn so ein Mädchen vor mir sitzt und während des Gesprächs die ganze Zeit ihren Bauch streichelt und doch eigentlich so ganz wenig Chancen hat, mit ihrem Kind ein Leben zu führen, dann tut mir das weh. Aber genau dann macht meine Arbeit besonders viel Sinn. Wie kann man sich eine typische Jungmama, die Ihren Rat und Ihre Unterstützung sucht, vorstellen? Nun, Teenagerschwangere gibt es in allen sozialen Schichten, egal ob reich oder arm, hochgebildet oder niederer Bildungsgrad, mit Migrationshintergrund oder eben nicht. Es betrifft Paare wie auch alleinstehende Teenager. Ebenso sind die Gründe für die Schwangerschaft ganz verschieden. Oft ist es die Unwissenheit über Verhütungsmaßnahmen, aber es gibt auch absolute „Hoppalas“, und manchmal sind es die Sehnsucht nach Zugehörigkeit oder die Hoffnung auf eine glückliche Beziehung mit dem Partner. Wie werden die jungen Mütter auf YoungMum aufmerksam? Wir haben viele Kooperationspartner wie Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Ärzte oder Vereine, die uns junge Mütter vermitteln. Oft ist es aber die Mundpropaganda, die uns bekannt macht oder unsere Informationsbroschüren und Flyer. Wenn man unsere Hilfe möchte oder

Wie läuft ein Erstgespräch bei YoungMum ab? Die Teenager können alleine zu uns kommen, gerne aber auch mit dem Partner, der Freundin, mit Eltern oder einer Sozialarbeiterin. Im Erstgespräch geht es in erster Linie um den Abbau von Ängsten und darüber, wie man sich die Zukunft mit dem Kind vorstellen will oder kann. Wir zeigen den jungen Müttern ihre Zukunftsperspektiven auf, weiters ist das Thema Mutter-Kind-Pass-Vorsorge ein sehr wichtiges. Zudem vermitteln wir intern an die unterschiedlichen Fachpersonen weiter. Außerdem geben wir Infos über verschiedene Netzwerkpartner, um Fragen rund um die Themen Versicherungsmöglichkeiten, Job, Ausbildungsplätze, Karenzzeit, Unterhalt, Drogenmissbrauch oder Ähnliches zu klären. Finanzielle Unterstützung können wir leider keine bieten. Mädchen ohne Unterkunft werden an die MA 11 weiterempfohlen, dort werden sie beraten und versorgt. Was wünschen Sie sich für die Zukunft in Bezug auf Teenager-Schwangere? Auf sozialpolitischer Ebene würde ich mir erhoffen, dass den betroffenen Teenagern auf Augenhöhe begegnet und mit ihnen respektvoll umgegangen wird. An dieser Stelle muss ich einmal deutlich machen, dass wir die meisten unserer Teenager als sehr bemüht erleben. Sie halten die Vorsorge ein und erscheinen zu den Terminen. Themen wie ungesunder Lebensstil können wir durch unsere spezielle Ernährungsberatung gut bearbeiten. Die meisten Mädchen zeigen sich sehr kooperativ und entwickeln im Laufe ihrer Schwangerschaft ein positives Bindungsverhältnis zu ihrem Baby. Teenagerschwangerschaften sind häufig ungewollte Schwangerschaften. Das heißt, es sollte mehr Unterstützung für die jüngsten Mütter unter den Müttern geben. Sie sollten bessere Bildungsmöglichkeiten erhalten. Zudem braucht es gute Aufklärungsmodelle an den Schulen, und vor allem die Jungs müssen stärker in die Themen Verhütung, Schwangerschaft und Vaterschaft einbezogen werden.

© Göttlicher Heiland KH/Alek Kawka (1)

hat 2002 das Kompetenzzentrum YoungMum gegründet. Rund 2.000 Babys von Teenager-Mamas haben seitdem das Licht der Welt erblickt. Reim-Hofer ist Hebamme mit rund vier Jahrzenten Berufserfahrung, Safe Mentorin sowie Autorin. Im Interview gibt sie einen Einblick in ihr Leben sowie das von sehr jungen Mamas. Kontakt: uschi.reimhofer@khgh.at

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