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Spider-Man: No Way Home
Das Böse aus allen Welten
„Spider-Man: No Way Home“ ist ein filmischer Brückenschlag der Spider-Men.
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Da sieht man sich ohnehin schon erwartungsvoll den Trailer zum neuesten MCU-Film an, und dann bleibt einem in einer Mischung aus Verwirrung und unbändiger Vorfreude der Mund dennoch weit offen stehen. Wie kann denn das sein? Alfred Molina (The Water Man) als Doctor Octopus aus Sam Raimis Spider-Man 2 (lang ist’s her) plötzlich Teil des Marvel Cinematic Universe? Und was ist das? Da kommt auch noch Jamie Foxx (Robin Hood) aus The Amazing SpiderMan 2: Rise of Electro um die Ecke geblitzt. Und ist das nicht der Green Goblin, dessen bösartiges – verdächtig nach Willem Dafoe (Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit) klingendes – Gekicher wir seit 2002 nicht mehr gehört haben, als die Mutter aller SpiderMan-Verfilmungen über die Leinwand flimmerte. Damals, als eine Comic-Verfilmung noch eine leicht revolutionärinnovative Aura verströmte und von einem Marvel Cinematic Universe noch überhaupt keine Rede war. Als uns dann auch noch J. Jonah Jameson in Form des herrlichen J.K. Simmons (Whiplash) entgegengrinst, ist es endgültig klar: Hier wird wohl ein riesiges Klassentreffen aller Spider-Man-Generationen abgehalten.
Und tatsächlich haben sich die kreativen Köpfe um Marvel Studios-Chef Kevin Feige und Regisseur Jon Watts (Clown) einen genialen Kniff überlegt, wie man die drei bis dato verfilmten Spider-ManReihen in ein Gesamtkunstwerk gießen kann. Dabei bedienen sie sich eines dramaturgischen Konzepts, das bereits in ähn-
IDENTITÄTS FRAGEN
licher Form in der vierten (zu Unrecht etwas übersehenen) Spidey-Adaption der jüngeren Vergangenheit angewandt wurde. Wie im Animations-Hit Spider-Man: A New Universe geht es in Spider-Man: No Way Home um den Brückenschlag zwischen unterschiedlichen Dimensionen.

SPIDEY UND STRANGE GEGEN ALLE Und wenn wir schon bei filmübergreifenden Konzepten sind: Wie könnte es anders sein – natürlich hat bei weltenverbindenden Portalen Doctor Strange (Benedict Cumberbatch, 1917) seine magischen Finger im Spiel. Beim missglückten Versuch, die Menschen vergessen zu lassen, dass sich Peter Parker (Tom Holland, Chaos Walking) unter der roten Spinnen-Maske verbirgt, wurden die Pforten zu anderen Realitäten geöffnet. Durch diese sind von SpiderMan eigentlich längst besiegte Schurken hindurchgeschritten, um es erneut mit der „freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft“ aufzunehmen. Peter, der sich, neben seinem eigenen Wohl, auch um die Sicherheit seiner Freunde sorgt – allen voran Michelle „MJ“ Jones (Zendaya, Dune) –, steht vor der größten Bedrohung seines bisherigen Lebens. Denn jeder der plötzlich aufgetauchten Antagonisten trachtet nach nichts Geringerem als dem Ende von Spider-Man.
Fans werden sich nun die berechtigte Frage stellen: Bekommt der Titelheld, neben Doctor Strange, auch noch Support von anderen Superhelden? Etwa sogar Unterstützung von anderen Spider-Men, wie sie Miles Morales in Spider-Man: A New Universe erfuhr? Wenn sich alle Bösewichte einfach so ins MCU reinteleportieren können, dann sollte das doch auch für Tobey Maguire, Andrew Garfield und Co. gelten. An dieser Stelle sei gesagt: Lassen wir uns überraschen. Fakt ist, dass es den Produzenten aus dem Hause Disney/Marvel gelungen ist, alle Fans der unterschiedlichen Spider-Man-Filmreihen von damals und heute anzusprechen – ja, vielleicht sogar Dinge geradezubiegen, die in der Vergangenheit nicht immer auf Verständnis gestoßen sind. Die gefühlt 80 Reboots haben nicht wenige Anhänger, insbesondere der Sam RaimiVerfilmungen, vor den Kopf gestoßen.



SONY ZUERST GEGEN, DANN MIT MARVEL Der Grund dafür lag – neben vereinzelten Unstimmigkeiten innerhalb der Drehteams – im langwierigen Rechtestreit zwischen Sony und Marvel, der alleine schon der Grund war, warum SpiderMan überhaupt erst so spät in den Marvel-Kino-Kosmos integriert wurde. Die Film- und Vertriebsrechte am Spinnenmann liegen bis heute eigentlich bei Sony. Dort konnte man mit den Eigenproduktionen im Vergleich zu anderen Studios zwar durchaus reüssieren – man erinnere an dieser Stelle an den Fox’schen Doppelfail Fantastic Four, bei dem sowohl Original als auch Reboot krachend scheiterten. Parallel dazu wuchs jedoch das MCU weiter und weiter, bis auch Sony die kreative und finanzielle Übermacht anerkennen musste. Überall wo das Marvel-Logo von den Plakaten prangte, rannten die Leute den Kinos die Türen ein. Und so kam unter dem doppeldeutigen Titel Spider-Man: Homecoming schließlich doch noch zusammen, was zusammengehört. Sony und Marvel schlossen einen Vertrag, der die kreative Hoheit Marvel zugestand und die Vertriebsrechte weiterhin bei Sony beließ. Die Kooperation sollte drei Filme umfassen, die kreative Kontrolle auch für den nun erscheinenden dritten Film bei Marvel verbleiben, wenn Teil zwei Spider-Man: Far From Home über eine Milliarde US-Dollar einspielen sollte. Obwohl diese Hürde übersprungen wurde, entzog Sony Marvel die Rechte doch kurzerhand und kündigte stattdessen zwei weitere eigenständige Fortsetzungen mit Tom Holland an. Im September einigten sich die beiden Studios dann doch noch, und es gab grünes Licht für Spider-Man: No Way Home. Auch wenn die Übereinkunft vorsieht, dass Tom Hollands Spider-Man noch einen weiteren MCU-Auftritt bekommt, so könnte das nun der letzte Film dieser Reihe sein. Aber einer, der das Beste aus allen Welten vereint. www.spidermannowayhome.de
Der Spinnen-Überblick
Nicht ganz so eingefleischte Fans und Marvel-Kenner könnten – angesichts der vielen filmischen Neuauflagen, die uns das Kino über den vielleicht beliebtesten Superhelden überhaupt beschert hat – den Überblick verloren haben. Schöner formuliert, hat auch Hollywood dem Credo Rechnung getragen, das zahlreiche Ableger des Spinnen-Multiversums prägt: Jeder kann Spider-Man sein. Es kommt nicht aufs Kostüm an, sondern auf den Menschen der


SPIDER-MAN: NO WAY HOME GEPLANTER KINOSTART 15.12., USA 2021, REGIE Jon Watts, MIT Tom Holland, Zendaya, Jacob Batalon, Benedict Cumberbatch, Benedict Wong, © Sony Pictures

drinsteckt. Doch welche Menschen steckten eigentlich im ikonischen rot-blauen Kostüm? Wir haben einige hervorgehoben, die die ComicGeschichte geprägt und manchmal auch verändert haben.
Peter Parker Der unangefochten Bekannteste unter all jenen, die Opfer des berühmten Spinnenbisses wurden (oder sich die entsprechenden Fähigkeiten anders angeeignet haben) sowie Protagonist der Original-Geschichte. Über ihn muss man nicht viele Worte verlieren oder aufwendige Bilder zeichnen, denn andere haben das schon in hohem Maße getan. So ist er auch der Titelheld der drei bisher größten Spider-Man-Produktionen, nämlich der Reihe von Sam Raimi (mit Tobey Maguire), Marc Webbs The Amazing Spider-Man (mit Andrew Garfield) und natürlich der hier besprochenen MCU-Trilogie. Peter Parker gibt es in den Comics in zahlreichen Varianten, u.a. als Westernheld Web-Slinger, als Vampir-Jäger Blood Spider, dem einer schwarz-weißen Realität entstammenden Spider Noir, aber auch als bösartiger Wolf Spider.
Miles Morales Der afroamerikanische Junge gilt als Nachfolger von Peter Parker und ist das Resultat einer Modernisierung des Comics. Auch er hatte schon einen von der Kritik hochgelobten Kinoauftritt, und zwar im Animationsfilm Spider-Man: A New Universe. Auch er kommt mittels Spinnenbiss zu den bekannten Superkräften.
Jessica Drew, Julia Carpenter, Mattie Franklin und Gwen Stacy Schon lange bevor so mancher für mehr Sichtbarkeit von Frauen im Superhelden-Genre warb, schlüpfte mit Jessica Drew eine Dame ins Spinnen-Kostüm (1977). Weitere folgten und erlangten ihre Kräfte auf unterschiedliche Art und Weise – mal durch Magie, mal durch die Einnahme von Chemikalien oder Ähnliches –, was sie zu SpiderWomen werden ließ. Zuletzt (2014) Gwen Stacy, die – eigentlich ja ein Love-Interest von Peter Parker – in einer alternativen Realität statt Peter von der Spinne gebissen wurde und fortan auch unter dem Namen Spider-Gwen für Recht und Ordnung sorgt.
Miguel O’Hara In einer dystopischen superheldenfreien Zukunft des Jahres 2099 lebt der junge aufstrebende Forscher Miguel. Durch ein von einem Kollegen sabotiertes Experiment an sich selbst erlangt er Spinnenkräfte, die sich vom Original-Spiderman in mancher Hinsicht unterscheiden. Dennoch eifert er seinem Vorbild nach und bringt seiner Zeit ein wenig Heldentum zurück.