Verwandtschaften

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VERWANDTSCHAFTEN



Verwandtschaften Schon beim Kind wird mit Vergleichen vom Gesicht nach Verwandtschaften bei den Eltern gesucht. ‚Hat das Kind mehr von der Mutter oder vom Vater?’ ist oft die Diskussion, die je nach Belieben den Erzeugern zugeschrieben wird. Verwandtschaften können nah oder fern, flüchtig oder eng sein. So ergeben sich unglaubliche Möglichkeiten der Polarisierung im emotionalen wie im visuellen Bereich. Das Bildhafte der Verwandtschaften zu untersuchen, war die Aufgabe der Studierenden im 2. Semester, SoSe 2014. So legten die Studierenden in der Übung „Gebäudepaar – Nachbarn - Verwandte – Feldforschung“ Gebäudepaare nebeneinander, um zeichnerisch die Nähe der beiden zu erfassen und zu bewerten. Die Arbeit ging soweit, dass Befragungen der Bewohner und die Recherchen in der Bibliothek mit zur Bewertung einflossen. Dabei lag auch ein besonderes Augenmerk auf dem Zusammentreffen der Materialien und Strukturen in der Architektur aus den verschiedenen Zeitepochen. Im räumlich dreidimensionalen Gestalten lag der Fokus in der Umsetzung von Fotografie in die Materialien Gips und Ton. Die Studierenden hatten die Aufgabe, in der Stadt Cottbus auf einfache Formen wie Kreis oder Dreieck zurückzuführende Fotos von Objekten, wie z. B. Mülleimer, Räder und Fensteröffnungen zu machen, um daraus eine Collage herzustellen. Danach erfolgte eine möglichst genaue dem Inhalt entsprechende Umsetzung in Ton. Eine große Herausforderung bedeutete die nachfolgende Übung. Sie bestand darin, weitere Fotocollagen als Bildvorlage, negativ im Ton herzustellen, um sie später in Gips auszugießen. All diese plastischen Arbeiten erfuhren eine Zusammenfassung in der Erdarbeit, in der über ein dreistufiges Verfahren „Foto - Text - Model“ eigenwillige Architekturen entstanden. Die nähere Betrachtung der Abfolgen ergab, unseren Erwartungen entsprechend, immer eine zurückzuführende Verwandtschaft zu dem ursprünglichen Foto. Prof. Jo Achermann

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Verwandtschaften

Anteil Plastisches Gestalten - Sven Kalden / Prof. Jo Achermann

Foto - Collage - Ton Ausgehen von Fotografien die von den Studierenden in der Stadt Cottbus aufgenommen wurden, sind Fotocollagen und freie Kompositionen enstanden. Die Fotos wurden von Objekten gemachte, die sich auf einfache Grundformen wie Kreis, Quadrat, Rechteck oder Dreieck zurückführen lassen. Das konnten bspw. Räder, Raster, Mülleimer oder Fensteröffnungen sein. Durch die Freistellung und Inbezugsetzung mittels der Collage sind ürsprüngliche Sinnzusammenhänge der Bildausschnitte aufgehoben und räumlich neu verdichtet worden. In einem weiteren Schritt wurden dieselben Collagen als Vorlage für eine räumliche Interpretation verwendet. Die Studierende sollten mittels Ton die abgebildete Größenverhältnisse, Proportionen und mögliche Verzerrungen modellieren. Die Herrausforderungen der Übung lagen im Bereich der Verräumlichung eines zweidimensionalen Bildes, der genauen Beobachtung von Proportionen, perspektivischer Verzerrung und dem Umgang mit den Materialeigenschaften von Ton.

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11 Ein Ausschnitt der Collage wurde in Ton nachgebaut




Fotocollage - Form - Gips In dieser Übung diente eine weitere Fotocollage als Bildvorlage um Negativformen aus Ton herzustellen. In einem ersten Schritt wählten die Studierenden einen Ausschnitt aus ihrer Vorlage. Dieser wurde als Umriß auf eine Schablone übertragen. In eine etwa 20 x 20 x 3 cm großen Tonfläche wurden hiermit die Außenkanten der Reliefform festgelegt, die dann negativ aus dem Ton herausgearbeitet wurden. Um eine Vorder- und Rückseite zu erhalten mussten die Studierenden zusätzlich noch eine zweite, gespiegelte Version der Arbeit herstellen. Nach der Fertigstellung wurden die Tonformen mit Gips ausgegossen und so zusammengefügt, dass wieder eine gesamtes Volumen entstand.

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Versuchsanordnung: Mein Zimmer als Raumecke


Endarbeit - vom Foto zum Text und weiter zum Modell 1. Ein Foto machen: Das Motiv ist ein Ausschnitt (close up) aus einer räumlichen städtischen Situation. Die Studierenden achteten darauf, den Bildausschnitt so zu wählen, dass eine klare und einfache räumliche Konstellation fotografiert wird. Grundformen, wie Kreis, Würfel, Rechteck und Dreieck sollten bei der Motivwahl im Fokus stehen. Das Foto wurde dann an einen Kommilitonen/ eine Kommilitonin weitergegeben. 2. Einen Text schreiben: Das Foto wurde detailgenau beschrieben. Für die Beschreibung stand eine halbe Din A4 Seite zur Verfügung. Die Beschreibung der räumlichen Situation auf dem Foto sollte so verfasst werden, dass sie als sachliche Beschreibung gelesen werden konnte, d.h. es wurde nur beschrieben, was zu sehen war und nicht wie es empfunden wurde. Der fertige Text wurde dann an einen Kommilitonen/ eine Kommilitonin weitergegeben. 3. Ein Modell bauen: Ohne Kenntnis des ursprünglichen Fotos wurde nach der Beschreibung ein möglichst präzises Pappmodell gebaut. Das Modell sollte eine glaubhafte räumliche Interpretation des Textes sein. Wo es notwendig war, mussten Lücken in der Beschreibung räumlich logisch ergänzt werden. Die Modell waren nicht größer als 40 x 40 x 30 (B/T/H) und konnten farblich gefasst werden insofern Farbangaben vorhanden waren.

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1. Foto (Fasadendetail)

2. Text nach Foto, Kopie, Moritz Unger

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3. Modell nach Beschreibung

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2. Text nach Foto, Kopie, Franziska Gรถttsche

1. Foto (Fasadendetail)

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3. Modell nach Beschreibung


Studierende im Atelier Plastisches Gestalten




Verwandtschaften

Anteil Zeichnen und Malen - Megan Sullivan / Eva Maria Wilde

Verwandtschaften Verwandtschaft entsteht vielfältig, in Bezug auf Form, Nutzung, Ästhetik oder Familie. Manchmal absichtlich manchmal zufällig, bedeutet Verwandtschaft sowohl Bindung als auch Autonomie. Das Seminar untersucht mittels Zeichnung und plastischem Gestalten Verwandtschaftsbeziehungen, Verbindendes und Gegensätze, bezüglich der architektonischen Raumauffassungen und der kulturellen Belegung und Nutzung von benachbarten Gebäuden in Cottbus zu verschiedenen Zeiten. Feldforschung, eine empirische Forschungsmethode zur Erhebung von Daten mittels Beobachtung und Befragung im „natürlichen“ Kontext, wird insbesondere in der Anthropologie, Archäologie und Soziologie betrieben, sollte aber hier mit künstlerischen Mitteln kombiniert und auf die architektonischen Überformungen, die im Stadtbild von Cottbus sichtbar sind, angewendet werden. Unter Feldforschung wird die systematische Erforschung von Kulturen, Orten oder bestimmten Gruppen verstanden, indem man sich in den Lebensraum begibt und Situationen oder das Alltagsleben der Menschen zeitweise teilt. Durch gezieltes Fragestellen, teilnehmende Beobachtung, das Notieren von Beobachtungen, Gedanken, Gefühlen, Schreiben oder Zeichnen von Gedächtnisprotokollen sollten vielschichtige Informationen mit zeichnerischen Mitteln gesammelt werden und durch Fotografien und Texte ergänzt werden.

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Cottbus-Bauhausschule Das Stadtbild von Cottbus zeichnet sich durch Architekturen aus unterschiedlichen Zeiten, von beispielsweise alten Gerbergebäuden, über Gründerzeitgebäude, klassische Moderne, noch heute sichtbare kriegsbedingte Leerstellen und durch stadtpanerische Konzepte der zweiten Diktatur des letzen Jahrhunderts und die damit verbundene Überformung der Stadt auf der Basis der sozialistischen Stadtplanung, bis zu Shopping-Malls aus der Nachwendezeit, aus. Ein besonderes Beispiel ist die Bauhausschule, die neben einer Feuerwache, dem neuen Rathaus, dem Kaufhaus Schocken, einem Lehrerwohnhaus und zwei Kapellen auf dem jüdischen und dem Nordfriedhof, dem Lokomotivschuppen, der Katholischen Kirche St. Marien und dem Dieselkraftwerk, in den 20er/30er Jahren im Bauhausstil errichtet wurden. Cottbus besitzt damit eindrückliche Zeugnisse des Neuen Bauens der Zwichenkriegszeit.

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In der ersten Lehrveranstaltung sollte die Bauhausschule zeichnerisch untersucht werden. Die Beobachtung von Fassaden, Innenräumen, baulichen und gestalterischen Details und die Einbindung des Gebäudes in die Umgebung sollten in verschiedenen Skizzen notiert werden.

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Stillleben Aufgabe dieser Lehrveranstaltung war es, gemeinsam ein Stillleben zu bauen und zu zeichnen. Dabei sollten Binnenformen, Zwischenräume beobachtet werden und unter Fokussierung der Form und des Zwischenraumes, durch Beobachtung von Licht und Schatten und von Texturen das Stilleben zeichnerisch erfasst werden. In einer Zeichnung sollte nur die Außenform des Stillebens gezeichnet werden. Anschließend wurde ein gezoomtes Detail gezeichnet. Etwas zeichnen, heißt genau hinzuschauen, sich darauf einlassen, zu prüfen, zu revidieren und erneut Entscheidungen zu treffen. Besonderes Augenmerk lag bei dieser Aufgabe auch auf den Linienstärken und der Handhabung des Bleistiftes.

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Raumschleifen mit Ornament In dieser Übung wurden Papierstreifen mit Mustern und Pappkartonstreifen zusammengeklebt und zu Raumschleifen gewunden. Durch das genaue Beobachten der Zwischenräume, der Abstände, der Muster und der Punkte, an denen Überlagerungen entstehen, sowie von Licht und Schatten, sollte das Objekt gezeichnet werden. In einer weiteren Zeichnung wurden nur die Negativräume, die Zwischenräume erfasst.

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Gebäudepaar - Nachbarn - Verwandte - Feldforschung Jeder Student, jede Studentin bekam ein Cottbusser Gebäudepaar mittels eines Fotos und der genauen Adresse zugeteilt, welches während der folgenden Lehrveranstaltungen auf unterschiedliche Art und Weise untersucht werden sollte. Dabei wurden Zeichnungen der Gebäude, Fassaden, Treppenhäuser, Fenster, von Details, dekorativen Elementen, Ornamenten und von Fassadenwerbung u.v.m. angefertigt. Aufgabe war es auch, im Stadtarchiv die Geschichte der beiden Gebäude zu recherchieren und zu rekonstruieren. Historische Fotografien sollten zusammengetragen werden, eine kurze Beschreibung der eigenen Wahrnehmung des Gebäudes sowie eigene Beobachtungen in den Gebäuden wurden von jedem Studenten notiert. In Interviews mit einzelnen Bewohnern und Ladenbesitzern sollten persönliche Geschichten gesammelt werden und zum Beispiel die Einschätzung des subjektiven Empfindens der Lebensqualität der Bewohner in den Räumen erfragt werden. Diese Aufgaben wurden als Einführung in die Arbeitsmethode der Feldforschung in eigenständiger Arbeit vorgenommen.

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Detaills - Ornament Detaills der Fassaden, Ornamente, Materialien und Strukturen wurden beobachtet und gezeichnet. Insbesondere an den Stellen, wo die Gebäude aufeinander treffen, sollten HÜhenunterschiede, das Zusammentreffen verschiedener Texturen usw. fotografisch und zeichnerisch dokumentiert werden. Das Augenmerk lag dabei auf dem Nebeneinander von Architekturen aus verschiedenen Zeiten, mit unterschiedlichen RaumhÜhen, Dekorationsideen, Farbigkeiten und Materialien. Die Studenten sollten bauliche Besonderheiten zeichnen und sich mit Ornament, Struktur und auch den zum Teil kuriosen Ausformungen von Architektur befassen.

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IMPRESSUM Brandenburgische Technische Universität Cottbus - Senftenberg Fakultät II, Lehrstuhl Plastisches Gestalten Seminar: Verwandtschaften/ Zeichnen und Malen Grundstudium Architektur, Stadt- und Regionalplanung 2. Semester, SoSe 2014

Lehrstuhlleitung:

Prof. Jo Achermann

Künstlerische Mitarbeit:

Sven Kalden

Plastisches Gestalten

Eva Maria Wilde

Zeichnen und Malen

Megan Sullivan Zeichnen und Malen Bodo Rott Zeichnen und Malen Werkstattleiter:

Stephan Kaiser

Sekretariat:

Marleen Minde

Fotos: Lehrstuhl Plastisches Gestalten & Studierende www: http://www.b-tu.de/fg-gestalten/ E-Mail: fb-gestalten@b-tu.de

Weitere Publikationen des Lehrstuhls Plastisches Gestalten: Knall mit Lichtgeschwindigkeit, Hrsg. Lehrstuhl Plastisches Gestalten, 2014 Alles wird immer Zimmer / Zimmer Zone Zwischenraum, Hrsg. Lehrstuhl Plastisches Gestalten, 2014 Knittriges Leuchten, Bauhausfest, MA, Hrsg. Lehrstuhl Plastisches Gestalten, 2014 eins zu x, BA, Hrsg. Lehrstuhl Plastisches Gestalten, 2014 Gegenteile/ Kehrseite, BA, Hrsg. Lehrstuhl Plastisches Gestalten, 2014 eins plus eins gleich drei, BA, Hrsg. Lehrstuhl Plastisches Gestalten, 2013 Out of Balance, Der Berliner Platz, MA 2013, ISBN 978-3-9814236-5-5 Schattendasein/ Schattenwelten, BA, 2012, ISBN 978-3-981-4236-4-8 Best of Papa Jo‘s, Verlag Martin Wallimann, 2011, ISBN 3-905969-02-5 Akute Poesie, Yvonne Wahl, Hrsg. Lehrstuhl Plastisches Gestalten, 2009 Die Welt ist Schwarz/Weiss, Verlag Martin Wallimann, Alpnach 2006, ISBN 3-908713-60-9 Die Welt ist rund, Verlag Martin Wallimann, Alpnach 2004, IBSN 3-908713-33-1 Apfelorange, Lilahelden, Steinrot, Verlag Martin Wallimann, Alpnach 2003, IBSN 3-908713-32-3 Kaffeefahrt 3000, Verlag Donaukurier Ingolstadt 2000, ISBN 3-920253-47-7 ISBN 978-3-9814236-7-9 © 2015 LS Plastisches Gestalten an der BTU Cottbus - Senftenberg

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Beteiligte Studierende: Süleyman Akbulut, Firat Akdogan, Julia Akimova, Shanine Alpen Tabea Anklam, Luisa Vanessa Berßelis, Julian Beutling, Dina Chen, Luca Friedrich Dahl, Johannes E h r l i c h , Dana Faridani-Rad, Stephan Gonka, Jonas G r u n d , Franziska Göttsche, Anne-Katharina Günsche, Michael Heinrichs, Felix Hoffmann, Patrick Iglück, Marina Jakovlev, Jesko Daniel Janitschke, Martin Jürgens, Maja Kristin Kerber, Felix Kleinschmidt, Fabian Klett, Carolin Knebel, Josephin Koch, Nora Maria Kokert, Joy Koppatz, André Kraeplin, Suzana Kresovic, Felix Krex, Vanessa Nicola Luz, Tarek Mahra, Sophie Barbara Marthe, Jane Mentz, Lorenz Mollweide, Marek Nowak, Anna Nötzel, Bernadette Pella, Katharina Picker, Sandra Plache, Beatrice Quickenstedt, Sören Richly, Daria Elisabeth Rochholl, Jasmin Schadock, Lasse Richard Schmalfuß, Matthias Schmid, Klara Schmidt, Christine Schmitz, Stefan Schneider, Clara Schoder, Aline Schöne, Martin Seifert, Neele Seller, Ferdinand Sieber, Pia Spieckermann, Florian Stark, Martin Stenzel, Ailine Tenge, Toni Michael Thormann, Paul Trog, Moritz Unger, Kyra Wohlgemuth, Moritz Lukas Wunderlich, Friedrich Wurst, Kenneth Zepmeusel, Yan Tanevski, Pascal Gryger, Joga Bauer, Tim Dolbert, Julia Piro, Iga Monika Bauer, Lisa Bayer Botero, Nele Hauenschild, Anh Tuan Ho, Robert Hoffmann, Sandra Przewlocki, Mehmet Yolcu, Maria de Tomàs, Anna Schäfer, Robert Timm, Dariush Fard, Dionysia Paschov, Salambek Aliev


BTU Cottbus - Senftenberg

Lehrstuhl Plastisches Gestalten 2015


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