Mit Biodiversität zu Stabilität

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VINSCHGER THEMA

„Wir können nur mit der Natur arbeiten“ Das Ziel: die Schwarzföhrenbestände in laubholzreichen Mischwald umzuwandeln. art zurückgegriffen habe, liegen an den extrem sonnenbestrahlten, erodierten Südhängen des „Sonnenberges“ zwischen Tartsch und Staben. Zum Thema Extremereignisse in jenen Jahren sei zu ergänzen, merkte Pircher an, dass fast zeitgleich mit den ersten Pflanzungen der Schwarzföhre auch die „kaiser- und königliche Wildbachverbauung“ gegründet worden ist. „Man hat mit den damaligen Erfahrungen und Kenntnissen genau das Richtige getan und einen raschen Erosions- und Hochwasserschutz erreicht“, stellte der Direktor des Forstinspektorates Schlanders fest. „Man kannte den südeuropäisch-nordafrikanischen Baum durch – für damalige Verhältnisse - erfolgreiche Aufforstungsversuche bei Triest und in Istrien. Man wusste um die Anspruchslosigkeit der Schwarzföhre, was die Wasserversorgung betrifft. Man wusste, dass junge Bäume bis zu minus 30 Grad ohne Schäden überstehen und man schätzte die Holzqualität der gradstämmigen Baumart. Weil die Schwarzföhre sogar als Windschutz an den Küsten gepflanzt worden war, schien sie geradezu ideal zu sein für den windigen Vinschgau.“

Amtsdirektor Georg Pircher an einer „Biozelle“ mit Flaumeichen

20 Jahre alte Flaumeiche nach Verbiss

Monokulturen sind wehrlos Die Schwarzföhre blieb ein Jahrhundert lang der „Aufforstungsstar“ am Vinschgauer Sonnenberg. Ihre Vorteile schätzten auch einige „Mediziner“ im Tal. So entstanden der „Flora-Park“ in Mals und das „Doktor-Waldele“ in Schlanders. Auch den Forst-Beamten des „Regno d’Italia“ lagen zwischen 1920 und 1935 die Aufforstungen am Herzen. Es bildeten sich die „Leitenwaldelen“. Ein „generalstabsmäßig geplantes, großangelegtes Aufforstungsprogramm“ zwischen 1951 und 1965 führte dann zum heutigen Bestand von 940 ha. Die Aufforstungen waren nicht unumstritten; Bauern bangten um ihre Weideflächen. Was damals aber keine oder fast keine Rolle spielte, waren Begriffe wie Landschaftbild, Nachhaltigkeit, Naturschutz oder Biodiversität. Erst in neuerer Zeit – in den frühen 90er Jahren - wurden die Schwächen der Monokulturen an Schwarzföhrenbestände am Sonnenberg offensichtlich. Es gab kaum Jungwuchs; die Bestände waren in die Jahre gekommen und anfällig für Schädlinge. Ihre Nadelstreu am Boden drängte die so © Forstinspektorat Schlanders

VINSCHGAU - Sinngemäß meinte Forstinspektor Georg Pircher: „Der Klimawandel ist uns auf den Fersen. Er zwingt uns, schneller und intensiver daran zu arbeiten, den Schutzwald aus Schwarzföhrenbeständen in einen naturnahen, laubholzreichen Mischwald umzuwandeln.“ Gleichzeitig gab er zu bedenken, dass nur die Natur den Rhythmus vorgibt. Auf die Frage, was man unter naturnah in diesem Fall zu verstehen habe, meinte er: „Naturnah deshalb, weil vor der Übernutzung durch Weidetätigkeit mit Kleinvieh bis etwa 600 m über der Vinschger Talsohle ein natürlich gewachsener Mischwald bestanden hat.“ Um zu erklären, wie es zu den Schwarzföhrenbeständen gekommen war, musste Direktor Pircher auf mehr als ein Jahrhundert Aufforstungsversuche im Vinschgau zurückblicken. Es dürfte in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts vermehrt zu Schadensereignissen gekommen sein. Berichte über Murgänge und Überschwemmungen durch Starkregen häuften sich, berichtete Pircher. 1875 sei es dann zu den ersten Pflanzungen der Schwarzföhre gekommen. Die Gründe, dass man auf eine nicht heimische Baum-

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DER VINSCHGER 27/20

Pflanzen einer Flaumeiche in den Laaser Leiten


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