perspektive21 - Heft 42

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thema – 1989 – 2009

lichen Verhältnisse der DDR in das bundesdeutsche Rechtsgefüge einzupassen. Und zwar so, dass es möglichst wenig Schmerzen im Osten verursacht – aber auch eigene Veränderungen möglichst nicht notwendig macht. Anschluss war angesagt! Dieses Gefühl, nicht wirklich ernst genommen zu werden, hat später bei großen Teilen der DDR-Bevölkerung zu negativen Bewertungen des Einheitsprozesses geführt, woraus dann PDS bzw. LINKE maßgeblich profitierten. Im Nachhinein kann man zwar immer noch über jeweils konkrete Regelungen streiten. Dass damals Fehler gemacht wurden, wird heute von niemandem bestritten. Wieweit damals diskutierte Alternativen die Probleme aber wirklich besser gelöst hätten, wird auch heute noch vermutlich unterschiedlich bewertet. Keine neue Verfassung Ein wichtiges Beispiel dabei ist die Verfassungsfrage. Schon in der Verfassungskommission des Runden Tisches als auch in der Volkskammer gab es viel Streit. Umstritten war schon der Status des Verfassungsentwurfs des Runden Tisches, der von ihm nie beschlossen, sondern in der letzten Sitzung nur diskutiert wurde. Entgegen unseren Vorstellungen im Spätherbst 1989 war die Gestaltungsaufgabe der deutschen Einheit nach der Wahl im März 1990 so weit fortgeschritten, dass 48

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es der Mehrheit in der Volkskammer nicht mehr sinnvoll erschien, eine eigene DDR-Verfassung zu erarbeiten und zu verabschieden. Lothar de Maizière hat dann zwar noch den Versuch unternommen, die DDR-Verfassung von 1949 mit Änderungen einzubringen, das aber dann wieder fallen gelassen. So wurden wir uns dann schnell einig, dass es nur ein Verfassungsgrundsätzegesetz geben soll, um die Rechtslage der sich dynamisch entwickelnden politischen Entwicklung anzupassen. Aufbau ohne Beispiel Gemeinsames Ziel war jedoch, dass das geeinte Deutschland auf der Grundlage des Grundgesetzes sich eine neue Verfassung gibt. Die West-SPD unterstützte dies ausdrücklich. Im März 1990 habe ich in einem Spiegel-Gespräch mit Wolfgang Schäuble darauf hingewiesen, dass es uns nicht darum geht, viel am Grundgesetz zu ändern, sondern darum, dass alle Deutschen sich selbst eine Verfassung geben. Ich glaube noch heute, dass dies die Identifikation auch der Ostdeutschen mit dem geeinten Deutschland als ihrem Staat und Gemeinwesen verstärkt hätte. Aber auch das wurde abgelehnt. Übrig blieb dann die gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat von 1991 bis 1994 – mit dürrem Ergebnis, weil die CDU kaum zu Änderungen bereit war.


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