[ michael miebach ]
wahrheiten seine „Heuschreckenkampagne“ betrieb. Geschickt reanimierte die SPD nun den Leitbegriff „soziale Gerechtigkeit“ – und setzte fortan diszipliniert auf den genialen Wahlkämpfer Schröder. In bester Oppositionsmanier diffamierte dieser den „Professor aus Heidelberg“, während Angela Merkel rational-regierungsverantwortlich argumentierte. Hier schien ein Rollentausch vorzuliegen. Gerechtigkeit gab den Ausschlag Aus wahltaktischen Gründen war diese Strategie notwendig, zumindest mobilisierte die SPD weit mehr Wähler, als die Demoskopen vorhergesagt hatten: Rund 24 Prozent der SPD-Wähler nannten als Hauptmotiv für die Wahl-
entscheidung die Person Gerhard Schröder. Und 45 Prozent von ihnen führten die Gerechtigkeitsfrage als einen ausschlaggebenden Faktor für ihre Wahlentscheidung an. So erfolgreich dieser Wahlkampf kurzfristig auch war, er vermittelte ein verschwommenes, ambivalentes Bild von der SPD und verunsicherte die sozialdemokratische Wählerschaft. So stimmten 42 Prozent der SPD-Wähler, aber nur 27 Prozent der Unionsanhänger dem Satz zu: „Die Wahlentscheidung ist diesmal so schwer wie nie.“ Zudem traf der durchschnittliche Wähler der SPD seine Wahlentscheidung deutlich später als der Unionswähler: Rund 51 Prozent aller SPD-Wähler, aber nur 40 Prozent der Unionswähler entschieden sich erst in den letzten Tagen und Wochen vor der Wahl für ihre Partei.
Wähleraustausch zur Bundestagswahl 2005
SPD
H
H
H
H
H
970.000 Linke.PDS
620.000 CDU/CSU
370.000 Nichtwähler
140.000 B90/Grüne
120.000 FDP
Quelle: infratest dimap Wahltagsbefragung
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heft 28 | dezember 2005