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Vgora: Wein und Rauchfleisch

Wein und Rauchfleisch

Quelle: Ygora

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Die Bäume hinter dem Hof rauschten leise. Ein langzogenes Stöhnen schien über das Land zu gehen, erst ein dumpfer Laut, der langsam zu einem Brausen anschwoll. Er- wand, der Goswandsbauer. trat aus seinem Hof. seine schwielige Hand schob die Kappe hinter den Kopf und er kratzte sich den Nab- hen. Die dunfelen Schatten über den Hügeln im Süden schienen nicht näherzubommen. Unheimlich war ihm. Mitten am Tag war es halb finster. Knarrend scharrten die Äste der alten Eichen hinter seinem Stall aneinander. die beiden Kühe im Stall muhten kläglich. Vor vier Tagen hatte er seine Frau mit den Kindern auf seinen Wagen gepackt und mit dem Knecht gen Norden geschickt. Sein zweiter Knecht war vorige Woche schon verschwunden, mochten die Götter wissen wohin. Ein Luftzug knallte die Tür hinter ihm zu. Er ging die Stufen runter und stapfte mißmutig zum Stall, stemmte sich mühsam gegen den aufkommenden Nordsturm. Das alte Bauernhaus ächzte als würden die Balken uneins und wollten nicht mehr Zusammenhalten. Mochte einer aus dem Wetter schlau werden. Noch bevor er die Stalltür erreicht hatte wehte es ihn mitten im Hof um, seine Kappe flog lustig über den Hof. kaum daß er noch Luft holen konnte. Und dann brach der Sturm in seiner vollen Gewalt über ihn weg. er krallte sich zitternd am Boden ein und alles ging in Trümmer. Aber das merkte er kaum noch.

“Das war das Wirken unseres Gottes, des einzigen der würdig ist. daß wir ihn verehren. der Bäume und Sträucher erschaffen hat, seht die Welt,” der kleine Mann um klammerte mit einer Hand die halb abgebrochene Brüstung des Tanzbodens vor der Dorfkneipe und wieß mit weitausholender Geste über das zerstörte Dorf, "seht, selbst in der Stunde größter Gefahr hat er uns errei- tet.” Als der Erwand, der Gowandsbauer. mit wirren Haaren und zerschlissenem Kittel ins Dorf hinkte, lümmelten einige Knechte auf dem Dorfplatz herum, die Hände in den Hosentaschen, die Bauern standen abwartend herum und überlegten, was sie nun anfangen sollten, aber so recht wußte es auch keiner und da hörten sie lieber dem Fremden zu. Reden konnte der. wie nicht viele. Den Nachmittag über hatten sie aus den Trümmern gezogen, was das Unglück überlebt hatte, etliche Stück Vieh, die jetzt in einem schnell errichteten Gatter muhten und meckenen. das bißchen Hausrat, ein jeder hatte gerettet was noch zu retten war. Frauen und Kinder hatten sie genau wie Erwand nach Norden geschickt. Niemand wußte so recht wie es weitergehen sollte. Sollten sie hierbleiben, wiederaufbauen? Oder fortziehen, in den Norden? Einer der Bauern erkannte ihn. halb erstaunt, blickte abschätzend auf die frisch verkrustete Schramme an seiner Stirn: "Grüß Dich. Goswandsbauer. bist auch nicht ungeschoren davongekommen, w ie's scheint." Erwand nickte. Für die halbe Stunde Wegs, die sein Hof abseits des Dorfes lag halte er sich über eineinhalb Stunde durch wild her- umliegendes Gestrüpp geqüält. war über durcheinandergestürzte Baumstämme ge-

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felettert. hatte sich die Knie wund geschürft und den Wanas zerrissen. ”Grüß Dich, Kaferbauer, hat’s Dir auch alles zusammengeschlagen, häh?", prüfend wan- derte sein Blicfe über das halb weggerissene Dach vom Wirtshaus, die Sparren stachen nacfet in den Himmel das Stroh weggeblasen, die rüci^wärtige Mauer eingestürzt, der Tanzboden davor übersäht mit Steinen und zersplitterten Baifeen. Nur der mächtige Kamin stand noch und ragte aus den Trümmern hervor. "Demütig gedenfet dem Wirken des Drafeos, dem dies Land geweiht ist und opfert ihm als Danfe für die Hilfe." ferächzte es von vorne. ”denn er hat mit seinem Sturm die Wol- feen der Finsternis vertrieben, die das Land verwüsten sollten. Danbt der Rettung! Trotzdem ihr eurem angestammten Glauben abgefallen wäret, hat er geholfen!” Die Bauern schwiegen betreten. Da waren schon einige, die die Statue des Drabos im Stall verstecht hatten. Schließlich wußte ein jeder, daß die feartanischen Söldner, die noch vor feurzem die Gegend unsicher gemacht hatten, an einen Dämon, mit Namen Orkon glaubten, und in solchen Dingen keinen Spaß verstanden. ’Was ist nun das tür einer. Käfer?" unwillkürlich senkte er seine Stimme: in diesen unruhigen Zeiten konnte man ja nie wissen mit wem man es zu tun hatte und die Bauern waren von Haus aus mißtrauisch. "Der ist gestern hier aufgetaucht.", flüsterte der Käfer zurück, "scheint’s ein Priester." das Wort Pfaffe wollte ihm nicht über die Lippen kommen, "ja, und gesagt hat er gestern abend in der Wirtschaft, daß eine Rettung nah ist und man sich keine Sorgen machen soll, daß sein Gott schon alles richten wird und,". Erwand schnaufte verächtlich. hob trotzig den schweren Schädel und fixierte das Männlein genauer, "alles richten". sauber gerichtet hatten sie’s, alles zerschlagen und verwüstet, seine beiden Kühe vom Dach erschlagen, mehr, zwei mächtige alte Eichen lagen quer und verdreht über dem Stall, so ineinander verkeilt, daß gar nicht daran zu denken war, alleine durchzukommen. So war auch noch das Fleisch verdorben. "Grad so ist das Leben geworden; von einem Dreck in den nächsten." Erwand brummte zustimmend: "alles bloß wegen diesem Gesindel. So lange haben wir unsere Ruhe gehabt und kein Menssch hat sich drum gekümmert und auf einmal nichts als wie Ärger und Streit." "Und machen kannst gar nichts". "Der Blödsinn mit dem Glauben." "Als wenn’s meine verreckten Kühe intres- siern würd ob das nun der Orkon war oder ein anderer..." Zuletzt trat der Wirt neben den Pfaffen, eingefallen seine massige Gestalt. eine müde Handbewegung bat den Priester um Schweigen: "Jetzt hört mir zu, 's ist wohl noch eine Stunde hell oder auch zwei." Er seufzte, gar nichts war geblieben von seiner gewichtigen Ruhe mit der er die Knechte zur Ordnung gerufen hatte, wenn sie zu viel tranken, oder wenn er die Preise der Viehaufkäufer den Bauern auseinandersetzte. fast demütig bat er: "Leut, es hilft ja doch nichts, es is alles hin und jetzt müssen wir es wieder aufbauen, da hilft nichts, jetzt packts mit an, räumen wir erst einmal die Wirtschaft auf." Und ein jeder spürte, daß es ihn hart ankam: "Un^ danach geb ich einen aus." Die Bauern standen unschlüssig herum, ausgerechnet dem fettem Wirt sein Anwesen als erstes Herrichten, der einem jeden Humpen genau ausrechnete, und wo sie selber genug zu tun hatten und noch gar

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nicht wußten, ob sie nun bleiben sollten oder das Dorf verlassen sollten, das war ihnen gar nicht recht. Der Wirt spürte das wohl und setzte dazu: "Kommt’s. unter dem Boden von der Wirtschaft. da ist mein Keller, da bönnt ihr danach saufen und fressen was ihr wollt, is ja eh alles hin." Das Männchen, etwas zur Seite getreten und durchaus unscheinbar neben dem Wirt wollte wohl ansetzen die Predigt mit wohlgesetzten Worten zuende führen, aber die ersten Bauern gingen zögern auf den Boden zu, packten den ersten Balken, hieften ihn zur Seite und als einmal Schwung in die Arbeit gekommen war da halfen sie alle zusammen. Erwand griff nach dem verschobenen Bretterbündel. das einmal die Tür gewesen war, der Kaferbauer und ein Knecht standen keuchend nehen ihm. langsam hoben sie es an, zogen es unter dem Gewirr von Dachsparren heraus, warfen es neben dem Boden in den Dreck. "Aber alles schön aufschichten” schnaufte der Wirt, "und du", raunzte er zu dem kleinen Pfaffen, der. an den Rest der Brüstung gelehnt zuschaute, "du kannst ruhig mit anpacken, was zu Essen und Trinken gibts nur für die die arbeiten." Und in den verwirrten Blick hinein ergänzte der Kaferbauer hämisch; "Von Maulaffen ist noch keiner satt geworden", und hob schon den ersten Balken vom Dachsiuhl mit seinem Knecht an, daß der Dreck nur so herunterflog. da war plötzlich wieder Leben in ihnen, krachend fiel der Rest vom Dachstuhl herunter und als sich die Staubwolke verzogen hatte schleppte auch das Priester- lein Steine und Trümmer auf den Haufen, der langsam neben dem Tanzboden an- wuchs. "Siehst, Käfer, '* grinste Erwand, "wenn’s Angst haben daß sie nichts zu fressen kriegen. können sogar die Pfaffen arbeiten." "Ja. warts ab. kaum ist das hier vorbei, verlegt der sich schon wieder auf’s predigen", brummelte Harsud, der Dorfschmied und riß mit seinen Pranken die verkeilten Dachsparren auseinander, "ist doch alles bloß ein Schwindel". "Ja freilich, dir wärs wurscht ob Orkon oder Drakos," stichelte der Kaferbauer. "Du hast eh bloß eine schwarze Seele”. "So", richtete sich der auf. "und wer sagt Dir, daß es einen Gott gibt? Ich hab noch keinen gesehen, nichts wie Ärger hat man damit." Wütend räumte er den Schutt zur Seite. "Nein, so kannst Du das auch nicht sagen, daß es keinen Gott gibt. " gab ihm sein Knecht zurück, und packle das hintere Ende eines langenQuerbalkens. "das ist auch nicht recht.” Das Trum war zu schwer für ihn und der Schmied griff mit zu: "Dir kanns ja egal sein, du bist Knecht, du kriegst Deinen Lohn so und so und ob’s mir meinen Ofen zusammengeschlagen hat oder nicht braucht Dich nicht interessiem.'’ Neidisch schaute er auf den Kamin vom Wirt. Der hatte ja genug Gold um sich den besten Maurer kommen zu lassen. Stumm schufteten sie weiter. Vier der kräftigsten Bauern wuchteten den vom Ruß schwarzen Firstbalken des Daches zur Seite, der kleingewachsene Priester schwitzte mit seinen Steinen. "Ja. holla, was ist dann das?" Dem Harsud war eine kleine Statue vor die Füsse gekollert, mit vier Armen, ganz schwarz war sie. Der Priester sah sie und krächzte: ”Du Frevler! Wirf das weg! Das ist das Böse, das ist eine Statue des Orkon." Bleich vor Zorn wandte er sich zum Wirt: "Du verehrst also Orkon? Du beschörst den Zorn der Götter auf uns?" Der Wirt stand rotgesichtig da, die pralle Weste staubbedeckt, "nein, nein, das

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haben mir ein paar Kartaner dagelassen, die sind eingebehrt." verlegen wischte er sich den Drecfe von der Hose, ”das darfst nicht bös nehmen, das gehört gewissermaßen nicht so recht mir.” Aufrecht stand er da. wütend war das bleine Männlein: "Du ehrst den Urheber des Unglücks, den Götzen der Finsternis?” "Der Wirt, das ist schon ein Schlauer," flüsterte Erward. "Der hat nur einen Glauben, und zwar ans Geld." gab der Harsud zurücfe und warf die feleine Statue auf den Schutthaufen. Als sie nun den Keller des Wirtshauses freigelegt hatten und erschöpft von der vielen Arbeit auf den Brocken, die vom Mauerwerfe üriggeblieben waren saßen, die Dämm erung war schon da. baute sich das Priesterlein wichtig auf und sprach mit erhabener Stimme: "Nun lasst uns Danfe sagen, daß wir durch den Beistand unseres Gotts am Leben sind und die Schatten der Finsternis vertrieben wurden, trotzdem sich Ungläubige und Frevler hier befinden; die Zweifler haben den Beweis erhalten für die wahre Größe Drafeos, selbst den Sündern hat er vergeben und geholfen." Der Goswansbauer wischte sich den Schweiß von der Stirn, tranfe einen tiefen Schlucfe Wein und meinte wie beiläufig: "Geh. lass uns doch in Ruhe." Sein Freund, der Kaferbauer ergänzte hintersinnig: "Ja. das ist so ein Sach mit dem was man da glauben soll oder auch nicht." Und mit einem bösen Seitenblicfe auf den feleinen Pfaffen fügte er hinzu: "Das feleine Manderl da. das feann doch einen mächtigen Gott nicht stören.oder?" Und nahm seinem Freund den Weinschlauch weg und tranfe auch einen guten Zug. Der Priester fuhr unbeirrt fort: "Ihr habt gefrevelt. die Wolfeen der Finsternis sind vertrieben, welch Zeugnis unseres Gottes, dem auch ihr." und fasste die Bauern scharf ins Auge, "geopfert habt und weiter opfern werdet." "Siehst." flüsterte der Kaferbauer. "der feanns nicht lassen." Der Wirt brachte gerauchte Rinderhälften zum Vorschein, noch mehr Wein und die Runde wurde lustig, ein Feuer prassehe und der Schmied fand seine gute Laune wieder: "Das ist jetzt ganz egal, saufts und esst, lassts euch gutgehen und du. " wandte er sich zu dem Priester, "du hältst jetzt dein Maul oder.." er riß mit seinen bloßen Fingern einen Hinterschinfeen in zwei Hälften und langte eine seinem Knecht hin, "oder es wird dir noch ungemütlich hier." "Recht hat er, der Schmied," brummte so mancher der Bauern und sie aßen und tran- feen weiter, denn morgen würde ein schwerer Tag werden. So sind sie. die Bauern im Goswandstal, das prafetische Leben ist ihnen wichtiger und deutlicher ab das spinnisieren über die Götter.

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