Robert Bartsch und die Erforschung der Geschichte des "Räuberhauptmanns Grasel"

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Robert Bartsch und die Erforschung der Geschichte des „Räuberhauptmanns Grasel“ 367

Josef Pauser

Robert Bartsch und die Erforschung der Geschichte des „Räuberhauptmanns Grasel“ Mythos und Realität eines Räuberhauptmanns Der* „Räuberhauptmann Grasel“ ist eine besonders im Wald- und Weinviertel, aber auch in Südböhmen und -mähren allseits bekannte sagenhafte und mythenumwobene Figur, die gerne noch in der regionalen touristischen Vermarktung eingesetzt wird. Die legendäre Geschichte eines österreichischen „Robin Hood“, der den Reichen nahm und den Armen gab, stellt sich aber bei näherer Betrachtung rasch als eine sozialromantische Verklärung dar, die keinerlei Entsprechung in der Wirklichkeit findet. Der wahre Johann Georg Grasel (1790-1818)1 war dagegen ein im südmährischen Neuserowitz (Nové Syrovice) geborener Abdeckersohn, der schon in frühester Kindheit von den Eltern zu Bettelei und Diebstahl angehalten worden war. Die Familie entstammte dem Milieu der Wasenmeister und Gerichtsdiener, die als „unehrenhaft“ galten und der untersten sozialen Schicht zuzuordnen waren.2 Knapp über 200 Delikte soll Johann Georg Grasel mit einer Vielzahl an Komplizen – deshalb wohl auch die Verklärung als „Räuberhauptmann“ – nach den gerichtlichen Verhörprotokollen in der Zeit von 1806 bis 1815 begangen haben. Anfänglich waren es noch kleinere Straftaten (Diebstähle, Einbrüche), doch mit der Zeit wurde er immer gewalttätiger und es kamen auch schwerere Delikte hinzu wie Raub und Raubmord. Grasel dürfte der zunehmende Verfolgungsdruck der Obrigkeiten – immerhin waren zuletzt auf seinen Kopf 4000 Gulden ausgesetzt worden – zugesetzt haben. Der räuberische Totschlag an der Witwe Anna Maria Schindler, den er in der Nacht vom 18. auf den 19. Mai 1814 in Zwettl verübt hatte, sollte entscheidend für das spätere Todesurteil werden. In der Nacht vom 18. November 1815 wurde Grasel schließlich in einen Hinterhalt gelockt und konnte in einem Wirtshaus in Mörtersdorf bei Horn festgenommen werden. An dem listigen Plan war neben einem Polizeispitzel namens David Mayer auch der Justiziär und

* Prof. Friedel Moll herzlichst zum 70. Geburtstag gewidmet. – Für Auskünfte und Hinweise danke ich sehr herzlich: Stephan Ganglbauer, Murray G. Hall, Gerald Kohl, Robert Pfundner, Erich Rabl, Martin P. Schennach, Martin Scheutz und Michaela Terber. 1 Zentral noch immer: Robert Bartsch, Johann Georg Grasel und seine Kameraden (= Aus dem Archiv des Grauen Hauses. Eine Sammlung merkwürdiger Wiener Straffälle, Wien-Leipzig-München 1924). – In letzter Zeit vor allem: Harald Hitz, Johann Georg Grasel – Die Karriere eines Räubers. In: ders. (Hg.), Johann Georg Grasel. Räuber ohne Grenzen (= Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes 34, 3. Aufl. Waidhofen/Thaya 1999) S. 11-58 mit umfassenden Literaturhinweisen; aber auch die anderen Beiträge in diesem Sammelband, der immerhin schon in dritter Auflage erschienen ist, sind zu beachten; Harald Hitz, Johann Georg Grasel (1790-1818). Räuber und „Held“. In: Waldviertler Biographien, Bd. 1 (= Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes 42, Waidhofen/Thaya 2001) S. 121-132; vor allem aber jüngst die Aktenedition: Winfried Platzgummer/Christian Zolles, J. G. Grasel vor Gericht. Die Verhörsprotokolle des Wiener Kriminalgerichts und des Kriegsgerichts in Wien (= Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes 53, 2. Aufl., Waidhofen/Thaya 2013). 2 Allgemein zu diesen und dem Problem der „Unehrlichkeit“ am Beispiel von Zwettl: Josef Pauser, Der Zwettler Gerichtsdiener in der Frühen Neuzeit. Zur Rechts- und Sozialgeschichte eines subalternen städtischen Exekutiv- und Justizorgans (= Zwettler Zeitzeichen 8, Zwettl 2002).


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Kriminalgerichtsverwalter von Drosendorf, Franz Joseph Schopf (1787-1859)3, entscheidend beteiligt. Das (delegierte) Strafverfahren führte das Wiener Kriminalgericht durch, welches per Erlass die alleinige Kompetenz zur Untersuchung der Graselfälle überantwortet bekommen hatte. Allein der k.k. Hofkriegsrat behielt sich die Aburteilung von Militärpersonen vor. Als man im Zuge der Verhöre feststellte, dass Grasel im April 1815 dem Militär unter falschem Namen beigetreten war, um unerkannt abzutauchen, dort aber rasch wieder desertiert war, übergab man das Verfahren einem Militärgericht, welches ihn 1817 ausdrücklich unter Verweis auf den räuberischen Totschlag in Zwettl zu Tode verurteilte. Die Hinrichtung Johann Georg Grasels sowie seiner beiden Komplizen Jakob Fähding und Ignaz Stangl, die ebenfalls zum Tode verurteilt worden waren, fand am 31. Jänner 1818 in Wien auf dem Glacis vor dem Schottentor durch Erhängen statt. Soweit die historischen Fakten. Robert Bartsch besucht ein Begräbnis … und wird zum Grasel-Forscher Nicht ganz 100 Jahre später begab sich ein Wiener Jurist nach Gratzen (Nové Hrady) in Südböhmen. Es handelte sich um Dr. Robert Bartsch (1874-1955)4, damals Ministerialbeamter, der das Begräbnis eines Großonkels namens Wilhelm Schopf (1819-1913) – ein Bruder seiner Großmutter mütterlicherseits Amalie Wilhemine – besuchen wollte. Dieser war im Dezember 1913 94-jährig verstorben und ein Sohn des vorhin genannten Graseljägers Franz Joseph Schopf. Nach dem Begräbnis wurde beim Bezirksgericht sogleich die Verlassenschaftsabhandlung durchgeführt, der Robert Bartsch und eine Verwandte beiwohnten. In seinen unveröffent3

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Zu diesem und insbesondere seinen populär-juristischen Werken: Gerald Kohl, Franz Joseph Schopf – Leben und Werk eines Vergessenen. In: Unsere Heimat. Zeitschrift für Landeskunde von Niederösterreich 72 (2001) S. 100-119. Die Hauptquelle zu Robert Bartsch ist seine unveröffentlichte Autobiographie (ÖStA, HHStA, Sonderbestände, Nachlass Bartsch), deren Edition durch Gerald Kohl und Josef Pauser vorbereitet wird (Projekt „Robert Bartsch [1874-1955] – Erinnerungen“, Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien H-2491/2011). Zitate daraus sind mit „Bartsch, Erinnerungen“ gekennzeichnet. Die Rechtschreibung wurde beibehalten, die Interpunktion aber leicht an die heutige Schreibweise angepasst. Eine stark gekürzte Fassung eines Lebenslaufes aus seiner Feder wurde 1952 noch zu Lebzeiten publiziert: Robert Bartsch, [Selbstdarstellung]. In: Nikolaus Grass (Hg.), Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften der Gegenwart in Selbstdarstellungen (= Schlern-Schriften 97, Innsbruck 1952) S. 22-39. Der Nachlass wird erwähnt bei Thomas Just, Die Nachlässe und Privat- und Familienarchive im Haus-, Hof- und Staatsarchiv. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 56 (2011) S. 203-238, hier 209. Zu Bartsch auch: Hans Lentze, Nachruf Robert Bartsch. In: Die feierliche Inauguration des Rektors der Wiener Universität für das Studienjahr 1955/56 (Wien 1956) S. 49-50; Oliver Rathkolb, Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien zwischen Antisemitismus, Deutschnationalismus und Nationalsozialismus 1938, davor und danach. In: Gernot Heiß u.a. (Hg.), Willfährige Wissenschaft: die Universität Wien 1938 bis 1945 (Wien 1989) S. 212f.; Clemens Jabloner, Abschied eines Senatspräsidenten. In: Metin Akyürek u.a. (Hg.), Staat und Recht in europäischer Perspektive. Festschrift Heinz Schäffer (Wien 2006) S. 295-311, wiederabgedruckt in: ders., Methodenreinheit und Erkenntnisvielfalt. Aufsätze zu Rechtstheorie, Rechtsdogmatik und Rechtsgeschichte (= Schriftenreihe des Hans Kelsen-Instituts 35, Wien 2013) S. 263-280; Irmgard Schartner, Die Staatsrechtler der juridischen Fakultät der Universität Wien im Ansturm des Nationalsozialismus. Umbrüche mit Kontinuitäten (Frankfurt am Main u.a. 2011) S. 151-163; Ines Rössler, Die gefährliche „Neutralität“ der JuristInnen. In: juridikum 22 (2011) S. 137-139; Julia Mair, Das Zivilverfahrensrecht in den Jahren 1938 bis 1945. Unter besonderer Berücksichtigung der Schicksale der Zivilverfahrensrechtler der Universität Wien. In: Stefan Meissel/Thomas Olechowski/Ilse Reiter-Zatloukal/Stefan Schima (Hg), Vertriebenes Recht Vertreibendes Recht (= Juridicum Spotlight II, Wien 2012) S. 301-350, bes. 338-341; Thomas Olechowski/Tamara Ehs/Kamila Staudigl-Ciechowicz, Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918-1938 (= Schriften des Archivs der Universität Wien 20, Göttingen 2014) S. 303, 365-369; Stephan Riel, Robert Bartsch über die Entstehung der Insolvenzgesetze 1914. In: ZIK. Zeitschrift für Insolvenzrecht & Kreditschutz 21 (2015) S. 12-15.


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lichten „Erinnerungen“ bemerkte Bartsch dazu: „Ich nahm in Gratzen am Begräbnis teil und traf dabei Frau Toni Zitta, eine Nichte des Verstorbenen, die meine Mutter aus der Jugendzeit in St. Pölten kannte. Nach dem Begräbnis waren wir beide beim Bezirksrichter [Dr. Karl] Hirsch5 und nahmen die Abhandlung vor. Ich nahm mit, was sich an Dokumenten und Briefen vorfand, um alles in mein Familienarchiv zu legen. Ich konnte daraus eine Biographie von Wilhelm Schopf herstellen. Außerdem waren viele Briefe an seinen Vater aus den Jahren 1815-1816, die die Verfolgung des sagenberühmten Einbrechers Grasel betrafen.“6 Robert Bartsch hatte also aus dem Nachlass des Großonkels persönliche Dokumente des Franz Joseph Schopf erhalten, die Näheres zur Verfolgung und Ergreifung des Grasel berichteten. Insgesamt handelte es sich um 16 Briefe an Schopf.7 Bartsch dazu weiter: „Das brachte mich auf den Gedanken, dieser Sache nachzugehen.“8 Dies lag durchaus nahe, denn Robert Bartsch war nicht nur als Urenkel des Franz Joseph Schopf familienkundlich interessiert, sondern von seinem wissenschaftlichen Werdegang her geradezu prädestiniert, sich dem Phänomen „Grasel“ wissenschaftlich zu nähern. Wie sah sein Lebenslauf bis zu diesem Zeitpunkt aus? Robert Bartsch – Biographie sowie die Entwicklung zum Rechtshistoriker bis 1913 Robert Bartsch wurde am 23. Juli 1874 in Mödling geboren. Sein Vater Heinrich war Richter, zuletzt sogar Hofrat des Obersten Gerichtshofes, und anerkannter juristischer Autor insbesondere auf dem Gebiet des Grundbuchsrechts. Nach dem Besuch des Schottengymnasiums, wo sein Lieblingsfach Geschichte war, studierte er dem väterlichen Vorbild folgend ganz selbstverständlich Rechtswissenschaft an der Universität Wien (1892-1897) und promovierte dort 1898. Von 1897 bis 1901 befand er sich im Richterdienst.9 Nach rascher Ablegung der Richteramtsanwärterprüfung wurde er als Hilfsrichter am Bezirksgericht Wieden in der außerstrei5

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Dr. Karl Hirsch wird 1903 zum Bezirksrichter in Gratzen, 1909 zum Landesgerichtsrat und Bezirksgerichtsvorsteher ernannt. Siehe: Verordnungsblatt des k.k. Justizministeriums 19 (1903) S. 204 (Personalnachrichten vom 31. Juli 1903); 25 (1909) S. 321 (Personalnachrichten vom 16. Oktober 1909). Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) IV, S. 50. Bartsch, Grasel (wie Anm. 1) S. 275 (FN 71). Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) IV, S. 50. Gerald Kohl, Richter in der Habsburgermonarchie, in: ders. / Ilse Reiter-Zatloukal (Hg), RichterInnen in Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Auswahl, Ausbildung, Fortbildung und Berufslaufbahn (Wien 2014) S. 63-82, zu Bartsch S. 77ff.

Abb. 1: Universitätsprofessor Dr. Robert Bartsch (Zeichnung von Robert Fuchs, 1936). abgedruckt in: Neue Freie Presse, Abendausgabe, 31.01.1936, S. 3. In der Zeitung mit falscher Berufsangabe abgedruckt: Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes; richtig wäre: Senatspräsident des Bundesgerichtshofes.


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tigen Gerichtsbarkeit eingesetzt, wo er etwa mit dem Nachlass von Johann Strauß Sohn (1825-1899) beschäftigt war. Seine durchaus bestehenden wissenschaftlichen Interessen, die schon während des Studiums zu Tage traten, wurden durch die sich ihm 1901 eröffnende Chance, als Juristenpräfekt an die Theresianische Akademie zu wechseln, weiter befördert. Diese war ein für die Ausbildung der künftigen Verwaltungselite bestimmtes, von Maria Theresia begründetes Gymnasium. Ursprünglich ausschließlich für Adelige gedacht, wurde es ab 1848 auch für das Bürgertum geöffnet.10 Am Theresianum befand sich darüber hinaus um 1900 ein Internat für Jusstudierende, welches durch zwei Juristenpräfekten beaufsichtigt wurde. Neben den Aufsichts- und Lehrpflichten blieb in der Regel aber relativ viel freie Zeit für eigene wissenschaftliche Arbeit, ja diese Präfektenposten galten geradezu als eine Art „Habilitationsstipendium“. Bartsch war dies bewusst. Er verfolgte diesen Plan konsequent und verfasste eine als rechtsgeschichtliche Habilitationsschrift gedachte Arbeit über „Die Rechtsstellung der Frau als Gattin und Mutter“ (1903).11. Auf Anraten von Professor Ernst Freiherr von Schwind (1865-1932)12, den er wegen der Habilitation kontaktierte, verbrachte er ein Forschungssemester in München bei Prof. Karl von Amira13, wo er sich insbesondere in die altnordische Rechtsgeschichte vertiefte. Darüber hinaus schrieb er – wieder nach Empfehlung von Schwind – sogar noch ein zweite Arbeit über „Eheliches Güterrecht im Erzherzogtum Österreich im sechzehnten Jahrhundert“ (1904).14 Schließlich konnte er sich 1905 an der Universität Wien für Rechtsgeschichte („Deutsches Recht“) habilitieren. Nach der Habilitation holte ihn Justizminister Franz Klein (1854-1926)15 in das Justizministerium, wo er bis 1917 in den legislativen Abteilungen für Zivil- sowie Handels- und Konkursrecht eingesetzt war. 1911 wurde Robert Bartsch der Titel eines ao. Professors verliehen und die venia docendi im selben Jahr noch auf Österreichisches Bürgerliches Recht erweitert. Bartsch hatte bereits einiges zu zivilrechtlichen Fragen publiziert, auch war er Gutachter beim 30. Deutschen Juristentag in Danzig 1910 gewesen. Rechtshistorisch veröffentlichte er – neben den bereits genannten zur Habilitation eingereichten Frühwerken – einen Beitrag zu „Seelgerätstiftungen im XIV. Jahrhundert“ in der Festschrift für Karl von Amira 190816 sowie eine Studie über „Das 10

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Eugen Guglia, bearb. und erg. von Rudolf Taschner, Das Theresianum in Wien. Vergangenheit und Gegenwart (= Bibliotheca Theresiana 2, Wien u.a. 1996); Gernot Stimmer, Eliten in Österreich. 18481970, Band 1 (= Studien zu Politik und Verwaltung 57/1, Wien 1997) S. 96-98. Robert Bartsch, Die Rechtsstellung der Frau als Gattin und Mutter. Geschichtliche Entwicklung ihrer persönlichen Stellung im Privatrecht bis in das achtzehnte Jahrhundert (Leipzig 1903). Vgl. Gunter Wesener, Anfänge und Entwicklung der „Österreichischen Privatrechtsgeschichte“ im 19. und 20. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 28 (2006) S. 364-408, hier 390f. Fritz Schwind, Ernst Freiherr von Schwind. In: Wilhelm Brauneder (Hg.), Juristen in Österreich. 12001980 (Wien 1987) S. 263-267, 354f. Zu v. Amira: Peter Landau, Hermann Nehlsen, Mathias Schmoeckel (Hg.), Karl von Amira zum Gedächtnis (= Rechtshistorische Reihe 206, Frankfurt am Main u. a. 1999); Hermann Nehlsen, Karl von Amira (1848-1930). In: Katharina Weigand (Hg.), Münchner Historiker zwischen Politik und Wissenschaft (München 2010) S. 137-158; Mathias Schmoeckel, Amira, Karl von (1848-1930). In: HRG I (2. Aufl., Berlin 2008) Sp. 200-202. Robert Bartsch, Eheliches Güterrecht im Erzherzogtum Österreich im sechzehnten Jahrhundert (Leipzig 1905). Peter Böhm, Franz Klein (1854-1926). In: Wilhelm Brauneder (Hg.), Juristen in Österreich. 1200-1980 (Wien 1987) S. 234-235, 328. Robert Bartsch, Seelgerätstiftungen im XIV. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte des Testaments in Österreich. In: Festschrift für Karl von Amira. Zu seinem sechzigsten Geburtstage gewidmet von seinen Schülern (Berlin 1908) S. 1-58. Ein Seelgerät bezeichnet ein Vermächtnis an die Kirche (z.B. Stiftung einer Messe oder eines Betrages für karitative Zwecke).


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eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds von Wiener Neustadt“ (1912)17. Als der 31. Deutsche Juristentag 1912 in Wien Station machte, trug Bartsch mit einer Arbeit zu den „Wiener Gerichte[n] im Vormärz“ zur Festschrift zum 31. DJT (1912) bei, die von den Österreichern vorbereitet worden war.18 Diese Arbeit erschien auch separat als kleine Monographie. Zur Vorbereitung einer Festschrift, die zur Einhundertjahrfeier des Allgemeinem Bürgerlichen Gesetzbuches 1911 geplant war, dirigierte Bartsch ein Team von zwölf Richtern, welche die Praxis der obersten Justizstelle (des Vorläufers des Obersten Gerichtshofes) unter Aufarbeitung der Ratsprotokolle erforschen sollten.19 Graselstudien als neues Forschungsfeld ab 1914 In der „Selbstdarstellung“ bemerkte er zu diesen rechtshistorischen Studien, dass er ursprünglich „eine Geschichte des österreichischen Privatrechts vom Mittelalter bis zur Kodifikation“20 schreiben wollte, die Ausführung aber in Folge der Berufung in das Ministerium unterbleiben musste. Auf manche dieser Arbeiten konnte Bartsch aber beim Graselthema zurückgreifen, wie er später schrieb, als er sich ab 1914 mit den „Graselstudien ein neues Forschungsfeld“21 erschloss: „Ich hatte schon bei den Vorstudien zu meiner Arbeit über die Wiener Gerichte im Vormärz und bei der Bearbeitung der Praxis der Obersten Justizstelle zu Anfang des 19. Jhdts. manches über Grasel erfahren. Nun dehnte ich meine Nachforschungen auf das Archiv des Innenministeriums aus und fand dort in den Akten der Polizeihofstelle neben vielem anderem Material zwei Originalberichte über die Verhaftung des Grasel, darunter eines von der Hand meines Urgrossvaters Franz Schopf. Aus diesen Studien sind nachmals mein Graselbuch und meine Graselvorträge [dazu sogleich unten] entstanden.“22 Etwas ausführlicher und mit leicht veränderter Nuancierung berichtet er noch an anderer Stelle der „Erinnerungen“ über seinen Einstieg in die Graselforschung: „Weitere archivarische Studien beschäftigen sich mit dem berühmten Einbrecher Grasel. Den Anlass dazu gaben eine Anzahl von Briefen aus den Jahren 1815 und 1816, die ich im Nachlass des 1913 verstorbenen Grossonkels Wilhelm Schopf in Gratzen gefunden hatte. Sie liessen über den Anteil, den mein Urgrossvater Schopf an der Verhaftung Grasels hatte, nur vage Vermutungen zu, aber der Umstand, dass darunter Briefe des Polizeiministers Freiherr von Hager23 waren, veranlasste mich anfangs 1914 im Archiv des Ministeriums des Innern als des Nachfolgers der Polizeihofstelle nachzuforschen. Der Archivvorstand Prof. [Heinrich]

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Robert Bartsch, Das eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds von Wiener Neustadt (= Sitzungs­ berichte der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, phil.-hist. Klasse 168/7, Wien 1912). Robert Bartsch, Wiener Gerichte im Vormärz. In: Festschrift zum einunddreissigsten Deutschen Juristentag, 3. bis 6. September, Wien 1912 (Wien-Leipzig 1912) S. 105-147; ders., Wiener Gerichte im Vormärz. Mit zwei Abbildungen und einer Karte der Gerichtssprengel des heutigen Stadtgebiets i. J. 1847 (Wien-Leipzig 1912). Robert Bartsch, Das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch in der Praxis der obersten Justizstelle bis 1820 IV: Grundfragen des Schadenersatzrechtes. In: Festschrift zur Jahrhundertfeier des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches. 1. Juni 1911, Band 1 (Wien 1911) S. 579-585 [Einleitung], S. 655-676. Bartsch, Selbstdarstellung (wie Anm. 4) S. 27. So Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) V, S. 124. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) IV, S. 50. Franz Freiherr von Allentsteig (1750-1816): 1813 Präsident der Obersten Polizeihofstelle, ÖBL II (1959) S. 145.


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Kretschmayr24 kam mir sehr entgegen und ich fand dort im Gebäude auf dem Judenplatz dicke Faszikel aus den Jahren 1814-1816, die sich mit Grasel beschäftigten. Darin waren auch zwei Berichte von der Hand des Urgrossvaters über die Vorbereitung und die Ausführung der Verhaftung und ein zweiter Verhaftungsbericht der Hauptperson, des jüdischen Polizeikonfidenten [David] Mayer. Ich schrieb diese Schriftstücke ab und liess für meine Brüder einige Durchschläge durch [Jakob] Horinger [= Schreibkraft im Justizministerium] herstellen. Zu einer Veröffentlichung meiner Studienergebnisse kam es erst 1915.“25 Halten wir als Zwischenschritt fest: Ein anfängliches familiengeschichtliches Interesse an der Mithilfe des Urgroßvaters bei der Ergreifung des berüchtigten Räubers Grasel im Jahre 1815, die in der Familie zwar mündlich tradiert, aber jetzt erst durch überlieferte Briefe nachvollziehbar geworden war, initiierte umfangreichere Forschungen im Archiv des Innenministeriums. Zwei archivalisch überlieferte Berichte brachten volle Gewissheit über die Rolle des Urgroßvaters und enthüllten „eine Polizeilist …, wie sie phantastischer und spannender auch ein Romanschriftsteller kaum erfinden konnte“26. Bartsch transkribierte diese Berichte und ließ sie vorerst einmal für die Verwandtschaft vervielfältigen. Robert Bartsch als Grasel-Vortragender Doch damit nicht genug: Die sich bei seinen Recherchen ergebenden Erkenntnisse wollte Bartsch nicht nur im Familienkreis bekannt machen, sondern auch der Öffentlichkeit präsentieren. Immerhin war er ja für Rechtsgeschichte habilitiert und strebte auch eine Professur an. Ab 1906 hielt er Vorträge bei Volksbildungsvereinen, in den volkstümlichen Universitätskursen und auch in der Urania. Zudem war er Mitglied des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich und kannte deshalb die regelmäßig vor großer Besucherzahl am letzten Freitag der Monate Oktober bis April stattfindenden Vorträge des Vereines.27 Ein rundes Jubiläum – wie das der Verhaftung Grasels hundert Jahr zuvor – schien dabei wie geschaffen für ein Anknüpfen an die Grasel’sche Erinnerungskultur. Bartsch wurde also aktiv: „Im November 1915 waren genau 100 Jahre seit Grasels 24

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Heinrich Kretschmayr (1870-1939), 1904-1925 Direktor des Allgemeinen Archivs des Ministeriums des Innern, später Staatsarchiv des Inneren und der Justiz. Direktion und ein Großteil der Bestände waren im Innenministerium untergebracht, welches sich in der ehemaligen BöhmischÖsterreichischen Hofkanzlei am Judenplatz befand (heute Sitz des Verwaltungsgerichtshofes). Zu Kretschmayr: Lorenz, Kretschmayr, Heinrich. In: ÖBL IV (1969) S. 263f.; Lorenz Mikoletzky, Kretschmayr, Heinrich. In: NDB 13 (1982) S. 14f. Kretschmayr führte Bartsch auch in den „Deutschen Klub“, das Zentrum der Deutschnationalen, ein. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) VI, S. 6f. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) IV, S. 134. Oder ganz ähnlich Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) V, S. 128: „Meine Beschäftigung mit dem Räuber und Sagenhelden Grasel war ursprünglich nur von familiengeschichtlichem Interesse getragen. Ich wollte den Anteil meines Urgrossvaters Schopf an dessen Verhaftung, die in unserer Familie mündlich überliefert war, über die man aber nichts Genaueres wusste, feststellen. Dabei fand ich in den Akten der ehemaligen Polizeihofstelle im Archiv des Ministeriums des Inneren, das damals auf dem Judenplatz war, zwei Originalberichte über die Verhaftung, einen von der Hand des Urgrossvaters, die volle Aufklärung brachten, zugleich aber eine Polizeilist enthüllten, wie sie phantastischer und spannender auch ein Romanschriftsteller kaum erfinden konnte. Ich habe diese Berichte abschreiben und in ein paar Exemplaren vervielfältigen lassen. Das war anfangs 1914.“ Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) V, S. 128. Max Vancsa, Fünfzig Jahre Verein für Landeskunde von Niederösterreich 1864-1914 (Wien 1914) S. 36 (Vorträge) S. 83 (Mitgliedschaft). Der Beitritt ist im November 1908 angezeigt: Monatsblatt des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 4 (1908/1909) S. 175. Bartsch wird auch des Öfteren als Besucher eines Vortrags/einer Ausstellung namentlich genannt, etwa: Monatsblatt des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 15 (1916) S. 61, 99, 109, 174; 16 (1917) S. 267, 362; 17 (1918) S. 61.


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Verhaftung vergangen. Ich fragte beim Verein für Landeskunde von Niederösterreich an, ob ein Vortrag über die Verhaftung des Grasel erwünscht sei. Mein Anbot wurde angenommen und der rührige Sekretär des Vereins, Dr. [Max] Vancsa28, erbot sich, Lichtbilder dafür anfertigen zu lassen. Ich wählte dafür einige Porträts, darunter eines meines Urgrossvaters, und einige Landschaftsbilder aus dem Archiv des Vereines und zeichnete schliesslich eine Landkarte, auf der die Orte, an denen Grasel Einbrüche verübt hatte, mit dicken schwarzen Punkten gekennzeichnet waren. Die Grundlage dafür war eine Tabelle in den Polizeiakten, in der Grasels Taten verzeichnet waren.“29 – Der Verein, der seit 1907 als einer der ersten wissenschaftlichen Vereine Lichtbildervorträge veranstaltete, kündigte auch den Vortrag von Bartsch unter dem Titel: „Die Ergreifung des Räuberhauptmanns J.G. Grasel (mit Lichtbildern)“ an.30 Bartsch hat dann der Lichtbildersammlung des Niederösterreichischen Landesmuseums drei Bilder – wohl die aus seinem Privatbesitz angefertigten Lichtbilder – gespendet.31 – „Der Vortrag fand am 30. Oktober 1915 im Hörsaal des Anatomischen Instituts statt. Er war bis auf das letzte Plätzchen gefüllt. Kardinal [Friedrich Gustav] Piffl in einfachem schwarzem Rock, der Probst von Klosterneuburg und viele Persönlichkeiten, die der Vereinsbericht aufzählt, wie auch meine Angehörigen wohnten ihm bei. ,Die Zuhörerschaft, die mit grosser Spannung dem hochinteressanten Vortrag gefolgt war, nahm den Vortrag, für den der Vorsitzende Graf [Franz] Colloredo-Mannsfeld herzlich dankte, mit stürmischen Beifall auf‘, berichteten die Vereinsblätter. Das Publikum war nicht nur beifalls- sondern auch lachlustig. Gleich zu Anfang, als ich sagte, dass mich ein familiengeschichtliches Interesse zu Grasel führte, brach bei meiner Bemerkung, dass ich nicht mit Grasel verwandt sei, das Lachen los und es wiederholt sich überall, wo etwas komisch aufgefasst werden konnte. Das steckte mich an und ich machte manche humoristische Bemerkung, an die ich vorher gar nicht gedacht hatte.“32 Berichte zum Vortrag fanden sich in einigen Tageszeitungen.33 Bei der Hauptversammlung des Vereins am 12. Februar 1916 wurden die Vereinsvorträge überhaupt als „Lichtpunkte“ bezeichnet, „indem der Besuch sich noch glänzender gestaltete wie in Friedenszeiten“, was als „Beweis für das tiefe Bedürfnis einer angemessenen Ablenkung von dem Jammer des Alltags in den Intelligenzkreisen“ gewertet wurde.34 Bartsch war selbst über das Gelingen sehr angetan und wiederholte den Vortrag bald andernorts: „Der Erfolg dieses Abends veranlasste mich, den Vortrag anfangs

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Zu Vancsa: Karl Lechner, Max Vancsa † [1866-1947]. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N.F. 29 1944/1944, S. 1-14. Robert Bartsch blieb Vancsa weiter verbunden. So scheint er auch in der tabula gratulatoria der Festschrift zum 70. Geburtstag Max Vancas auf. Siehe: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N.F. 26 (1936) = Max Vancsa zum siebzigsten Geburtstag (Wien 1936). Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) V, S. 128. Etwa nur: Fremden-Blatt (Abend-Ausgabe), 30.10.1915, S. 6. Monatsblatt des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 15 (1916) S. 30. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) V, S. 128f. Der ausführlicher Vortragsbericht findet sich in: Monatsblatt des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 7 (1914/1915) S. 351-354. Eine Erinnerung an den Räuberhauptmann Johann Georg Grasel. Auch ein Gedenktag. In: Deutsches Volksblatt (Morgen-Ausgabe), 4.11.1915, S. 8; Die Gefangennahme des Räubers Grasel. Ein Vortrag im Verein für Landeskunde. In: Reichspost (Morgenblatt), 4.11.1915, S. 7f.; Eine Erinnerung an den Räuberhauptmann Johann Georg Grasel. Auch ein Gedenktag. In: Volksblatt für Stadt und Land, 7.11.2015, S. 10. Monatsblatt des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 8 (1916/1917) S. 21.


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Dezember in der Urania zu wiederholen, der wieder sehr gut besucht war.“35 Der Vortrag – wieder mit Lichtbildern – war unter dem Titel „Die Verhaftung des Räubers J.G. Grasel“ für den 10. Dezember 1915 im kleinen Vortragssaal der Urania angekündigt worden. Erneut berichtete die Presse danach positiv darüber.36 Die Nahebeziehung zur Urania sollte sich bald vertiefen. Bartsch übernahm ab 1917 dort die Leitung des Referats für Rechts-, Staats- und Gesellschaftswissenschaften.37 Der Text des Graselvortrags selbst wurde rasch in einer lokalen Zeitung publiziert. Bartsch dazu: „Der Bote aus dem Waldviertel, eine in Horn erscheinende Zeitschrift, brachte meinen Vortrag in mehreren Fortsetzungen ab Dezember 1915.“38 „Der Bote aus dem Waldviertel“ war eine zweiwöchentlich erscheinende, politische Zeitung mit deutschnationaler Ausrichtung.39 Dies war für Bartsch kein Problem, war er familiär doch national eingestellt und hatte sich schon zuvor im Deutschen Schulverein engagiert. Der Vortrag erschien nun in vier Teilen vom Dezember 1915 bis in den Februar 1916.40 Und Bartsch ging auch weiter auf Tour: „Der Verein für Landeskunde veranstaltete Graselvorträge auch ausserhalb Wiens und ich habe solche im Laufe der Jahre in Stockerau, Korneuburg, Tulln, Krems, Wiener Neustadt, St. Pölten usw. gehalten, an die sich mitunter ein geselliger Abend im Gasthaus und eine Übernachtung anschloss, so in Wiener Neustadt, St. Pölten und Krems.“41 Doch dazu noch später einige Details. Robert Bartsch und seine Monographie „Johann Georg Grasel und seine Kameraden“ (1924) Beruflich war Bartsch 1917 in das neue Ministerium für soziale Fürsorge (das spätere Ministerium für soziale Verwaltung) gewechselt. Als er dort die angestrebte Stellung eines Sektionschefs nicht erreichen konnte, ging er 1922 in die Verwaltungsgerichtsbarkeit und wurde 1922 als Hofrat des Verwaltungsgerichtshofes bestellt. 35 36

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Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) V, S. 129. Ankündigungen: Urania. Wochenschrift für Volksbildung 49 (1915) S. 579f.; Neue Freie Presse (Morgenblatt), 10.12.1915, S. 14; Neue Freie Presse (Abendblatt), 10.12.1915, S. 4; Bericht: Die Ergreifung des Räuberhauptmanns Grasel. Ein Vortrag des Universitätsprofessor Sektionsrath Dr. Bartsch. In: Neues Wiener Journal, 11.12.1915, S. 8. Wilhelm Petrasch, Die Wiener Urania. Von den Wurzeln der Erwachsenenbildung zum lebenslangen Lernen (Wien-Köln-Weimar 2007) S. 93, 131. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) V, S. 129. Johann Günther, Das Pressewesen im Waldviertel. In: Medien & Zeit 4/1992, S. 40-41. 1878 als Organ der Deutschen Verfassungstreuen Partei gegründet, lehnte sie sich dann eng an Georg Ritter von Schönerer an. Robert Bartsch, Die Verhaftung des Grasel (20. November 1815). In: Der Bote aus dem Waldviertel 38 (1915), Nr. 908 vom 15.12.1915, [S. 1-2]; ([1.] Fortsetzung), in: Der Bote aus dem Waldviertel 39 (1916), Nr. 909 vom 1.1.1916, [S. 1]; ([2.] Fortsetzung), in: Der Bote aus dem Waldviertel 39 (1916), Nr. 910 vom 15.1.1916, [S. 1-2]; ([3.] Fortsetzung und Schluß), in: Der Bote aus dem Waldviertel 39 (1916), Nr. 911 vom 1.2.1916, [S. 1-2]. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) V, S. 12. – Nicht alle Vorträge konnten nachgewiesen werden. Die Erinnerungen enthalten dazu keine genauen Angaben oder Auflistungen. In den Vereinspublikationen findet man immerhin die folgenden: „Die Ergreifung des Räuberhauptmannes Grasel im Jahre 1815“ (Zweigstelle Korneuburg, 30. Jänner 1923); „Ergreifung des Räuberhauptmannes Grasel“ (Zweigstelle St. Pölten, 9. November 1923), siehe: Monatsblatt des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 22 (1923) S. 16, 68. „Räuberhauptmann Grasel in der Volksvorstellung und in den amtlichen Akten“ (Zweigstelle Stockerau, 11. März 1924); „Der Räuerhauptmann Grasel im Lichte der Wahrheit“ (Zweigstelle Krems, 29. März 1924); „Der Räuberhauptmann Grasel in Geschichte und Sage“ (Zweigstelle Korneuburg, 12. März 1925) siehe: Monatsblatt des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 23 (1924) S. 30, 38; 24 (1925) S. 32.


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Bei der Beschäftigung mit Grasel zeigt sich nun eine inhaltliche Verbreiterung über die Verhaftung hinaus. Bartsch hatte nämlich auf Wunsch des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, Dr. Ludwig Altmann (18631939), begonnen, auch die Strafakten zum Fall, die ihm aus dem Archiv des Landesgerichtes zur Verfügung gestellt worden waren, zu bearbeiten. Präsident Altmann war (kriminalitäts-)historisch interessiert und hatte beim Rikola-Verlag eine Schriftenreihe – „Aus dem Archiv des Grauen Hauses. Eine Sammlung merkwürdiger Wiener Straffälle“ betitelt – veranlasst, in der unter seiner Herausgeberschaft „die wichtigsten Strafprozesse des Wiener Kriminalgerichts eine strenge aktenmäßige Darstellung finden sollten“.42 Bartsch sollte einen Band zum Grasel-Prozess verfassen. Er vermerkte dazu in seinen Erinnerungen: „Grasel. Eine wirkliche historische Arbeit war der Grasel. Anfang der Zwanzigerjahre veranstaltete der Präsident des Straflandesgerichts Wien Altmann eine Sammlung interessanter Kriminalfälle unter dem Titel: Aus dem Archiv des Grauen Hauses. Er selbst behandelt im 1. Band die Mordprozesse Jaroschinsky, in dem die Schauspielerin Theres[e] Krones eine Rolle spielt, und Ebergeny[i], einen Giftmord in München an einer Gräfin Chorinsky. Er lud mich ein, den Fall Grasel im 2. Band zu behandeln. Im 3. Band schrieb der ehemalige Staatsanwalt Habietinek über den Mädchenmörder Hugo Schenk.43 Grasel war mir nicht fremd […], doch kannte ich nur die Polizeiakten. Ich nahm Altmanns Einladung an und er schickte mir zwei grosse Aktenbündel, deren eines das Verhörsprotokoll enthielt und 568 Bogen (2272 Seiten) umfasst.44 Ich hatte die

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So der Herausgeber der Reihe in seinem Vorwort in: Ludwig Altmann, Der Raubmörder Severin Jaroszynski. Die Giftmörderin Ebergenyi (= Aus dem Archiv des Grauen Hauses. Eine Sammlung merkwürdiger Wiener Straffälle, Wien-Leipzig-München 1924) S. VII. Hier irrt Bartsch. Der Band war mit Hofrat Habietnik als Autor angekündigt worden – u.a. in Bartschs Graselbuch im Anhang/Verlagswerbung oder aber im Anzeiger für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel 65 (1924) Nr. 7, S. 79 –, erschien aber dann unter Altmanns Namen: Ludwig Altmann, Hugo Schenk und seine Genossen (= Aus dem Archiv des Grauen Hauses. Eine Sammlung merkwürdiger Wiener Straffälle, Wien-Leipzig-München 1925). Nunmehr ediert in: Platzgummer/Zolles, J.G. Grasel vor Gericht (wie Anm. 1) S. 3-694.

Abb. 2: Die Reihenanzeige im Anzeiger für den Buch-, Kunstund Musikalienhandel 65 (1924) Nr. 7, S. 79.


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Akten in meinem Amtszimmer im Verwaltungsgerichtshof.“45 Der Verwaltungsgerichtshof hatte ab 1922 seinen Sitz im Schillerhof, einem Amtsgebäude am Schillerplatz 2 (Anschrift: Nibelungengasse 4/Elisabethstraße 9).46 Bartsch saß im 4. Stock mit Fenster gegen den Schillerplatz, bis er Mitte 1925 in ein Eckzimmer im 3. Stock wechselte. „In den ersten Jahren […] brachte ich dort auch viele Nachmittage zu. Insbesondere habe ich dort die umfänglichen Graselakten studiert und exzerpiert.“47 „Es war eine grosse Arbeit, aus dem Wust eine geordnete zusammenhängende Geschichte zu machen. Ausserdem suchte ich nach sonstigen Mitteilungen über Grasel, wo ich sie auftreiben konnte. Dabei hat mir ein Beamter der Universitätsbibliothek, der aus Schaffa [= Šafov/Mähren] kommende Jude48 [Michael] Holtzmann,49 wertvolle Dienste geleistet. Auch den Roman: ,Die beiden Grasel‘50 und die sonstige Literatur habe ich sorgfältig studiert. […] Das Graselbuch erschien 1924, es fand grosses Interesse und viel Beifall, die Wiener Tageszeitungen brachten spaltenlange Besprechungen.“51 Der Titel der 310 Seiten starken Grasel-Monographie lautete: „Johann Georg Grasel und seine Kameraden“. Der Verkaufspreis lag inflationsbedingt bei 45 000 Kronen.52 Im Gegensatz zu den anderen beiden Bänden der Reihe „Aus dem Archiv des Grauen Hauses“ wies der Grasel-Band einen wissenschaftlichen Ap45 46

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Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) VI, S. 104f. Alfred Waldstätten, Staatliche Gerichte in Wien seit Maria Theresia. Beiträge zu ihrer Geschichte. Ein Handbuch (= Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 54, Innsbruck-Wien-Bozen 2011) 230. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) VI, S. 38. Ganz ähnlich Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) VI, S. 7. In den Erinnerungen, wiewohl nach dem Zweiten Weltkrieg redigiert, „markiert“ Bartsch des Öfteren jüdische Personen mit dem Zusatz „jüdisch“/„Jude“. – Zur „Markierung“: Bei einer 1936 von Carl Schmitt arrangierten Tagung „Das Judentum in der Rechtswissenschaft“ war unter den anwesenden Juristen beispielsweise beschlossen worden, jüdische Autoren ausschließlich mit der Beifügung „jüdisch“ oder gar nicht zu zitieren (Vgl. Carl Schmitt, Die deutsche Rechtswissenschaft im Kampf gegen den jüdischen Geist. In: Deutsche Juristen-Zeitung 41 (1936) S. 1193ff.; dazu: Horst Dreier, Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 60 (Berlin-New York 2001) S. 29-31]. Ob dies für Bartsch handlungsleitend war, kann nicht festgestellt werden. Wie vorhin schon kurz vermerkt, war Bartsch national eingestellt. In der Ersten Republik hat er nach eigenem Bekunden immer großdeutsch gewählt (Großdeutsche Volkspartei), ab den 30er Jahren sympathisierte er mit dem Nationalsozialismus, im Ständestaat agierte er opportunistisch. 1938 war Bartsch bei seiner Pensionierung als vehementer Verfechter nationalsozialistischen Rechtsdenkens aufgetreten. 1940 trat er der NSDAP bei. Seine „Erinnerungen“ enthalten nun keine direkten hetzerischen antisemitischen Ausbrüche, auch hatte er noch lange freundschaftliche Verbindungen in jüdische Kreise, dennoch verbleibt mit den Markierungen und so manchem Nebensatz ein Gefühl des latenten Antisemitismus. Dazu etwa Jabloner, Abschied (wie Anm. 4) S. 277ff. Zur antisemitischen Stimmung an der Universität Wien, wo Bartsch auch lehrte und prüfte: Klaus Taschwer, Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert (Wien 2015). Michael Holzmann (1860-1930), 1891-1922 an der UB Wien. Walter Pongratz, Geschichte der Universitätsbibliothek Wien, (Wien 1973), S. 113; Österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 2 (Graz-Köln 1959) S. 411; Sechster Bericht des amtsführenden Stadtrates für Kultur und Wissenschaft über die gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 erfolgte Übereignung von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Museen der Stadt Wien sowie der Wiener Stadt- und Landesbibliothek (Wien 2005) S. 20-38. Eduard Breier, Die beiden Grasel. Roman (Wien 1854), auch als Fortsetzungsroman abgedruckt in der Morgenpost, 30. Juli bis 30. Dezember 1854. Siehe dazu: Norbert Bachleitner, „Gift für die Massen“? Die Anfänge des Feuilletonromans in Österreich. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Buchforschung in Österreich (2009-1), S. 15-18. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) VI, S. 104f. Im WV 6 (1933) 176 erwähnt er: Neues Wiener Tagblatt, Wochenausgabe, 5. und 7. Juli 1924 (V. Bibl); Hermann Mailler, Räuberromantik und Wirklichkeit. Was die Gerichtsakten über Johann Georg Grasel erzählen. In: Reichspost, 1. Juni 1924, S. 8; Kurt Sonnenfeld, Der Räuberhauptmann Grasel. In: Neue Freie Presse, 13. Juli 1924, S. 27; Neues Wiener Journal, 8. Juli 1924; Deutschösterreichische Tageszeitung, 22. März 1925. So die Angabe in der Reichspost, 1. Juni 1924, S. 8.


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parat (Fußnoten, Personen-, Ortschaftsverzeichnis) auf. Bartsch legte als Rechtshistoriker trotz aller populärer Darstellung Wert auf eine Publikation, die auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügen sollte. So schrieb er: „Das Graselbuch habe ich durchaus nicht als Unterhaltungsschrift, sondern als wissenschaftliche Arbeit angesehen, ich habe es darum mit einem Anmerkungsapparat versehen, Mitteilungen über die Quellen gemacht und das Buch mit zwei alphabetischen Registern ausgestattet. Als Illustrationen fügte ich Graselporträts und Bilder von Gebäuden und Landschaften sowie eine Landkarte bei, die ich von einem Assistenten [Prof. Eugen] Oberhummers im geographischen Institut der Universität zeichnen liess.“53 Inhaltlich hatte er sich „darauf beschränkt, aus den Quellen herauszuholen, was sie enthalten, aber nichts in sie hineinzudichten.“54 Bartsch rückte damit jedenfalls erstmalig den Räuberhauptmann-Mythos zurecht und führte Grasel auf sein historisch belegbares Leben zurück. Mit der Verlagswahl hatte man kein großes Glück. Der umtriebige Bankier Richard Kola hatte sich mit einer Vielzahl an Beteiligungen ein beachtliches Imperium an Verlagen, Druckereien und Papierfabriken zusammengekauft und wollte mit der Gründung der „Rikola AG“ Ende 1920 zu den großen Unternehmen im deutschsprachigen Verlagsbereich aufsteigen.55 Die übergroßen Ansprüche wie die schlechte allgemeine wirtschaftliche Gesamtsituation (Inflation) führten bald zum Niedergang des Verlages, der schon 1924 deutlich spürbar war. Nach einem Eigentümerwechsel 1925 und dem Versuch einer Sanierung wurde die Aktiengesellschaft schließlich ab 1929 liquidiert. Bartsch dazu: „Leider ist der Verlag (Rikola) bald darauf eingegangen. Damit fiel zwar das Urheberrecht an mich zurück, ich nahm etwa 100 Exemplare, die ich nach und nach verschenkte, der Rest über 1000 Exemplare ist eingestampft worden.“56 53 54 55

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Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) VI, S. 105. Bartsch, Grasel (wie Anm. 1) S. XI. Dazu: Murray Hall, Österreichische Verlagsgeschichte 1918-1938, Band II (Graz-Wien-Köln 1985) S. 310-357. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) VI, S. 105.

Abb. 3: Cover des Buches: Robert Bartsch, Johann Georg Grasel und seine Kameraden (Wien 1924).


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Über die genaue Auflagenhöhe sind wir nicht informiert. Wenn man aber in Rechnung stellt, dass über 1000 Exemplare makuliert worden sind, Bartsch selbst noch 100 Exemplare übernommen hatte und das Buch etwa 4 bis 5 Jahre im Handel erhältlich war, so kann man wohl von einer Auflagenhöhe von mindestens 2000 Exemplaren ausgehen. Weitere Vorträge und kleinere Publikationen „Grasel hat mich auch sonst beschäftigt“, bekannte Bartsch. So begann er die nicht veröffentlichten Teile separat zu publizieren oder reagierte auf spezifische Zeitungsnachrichten: „Einige Jahre später in der Zeitschrift: Das deutsche Volkslied einen kleinen Artikel: Grasel im Liede57 und irrige Zeitungsnachrichten veranlassten mich zu berichtigenden Aufklärungen, so 1924 die Nachricht über einen von Grasel stammenden Schatzfund bei Basel und ein andersmal die Behauptung eines Mörders, dass er ein Nachkomme Grasels sei.“58 Auch die Grasel-Vorträge gingen – wie vorhin schon angedeutet – weiter. Bartsch erinnerte sich: „Dazu kommen populäre Vorträge über Grasel, teils über sein Leben, teils über die Graselsagen. Ich habe über Grasel als Sagenheld im Verein für Landeskunde einen Vortrag gehalten, der im Landhaus stattfand, 1926 einen in der Christlichen Bildungsstelle (Habsburgergasse), 1932 wieder in der Urania und später auch im Rundfunk. Auswärtige Vorträge fanden noch in Stockerau und in Tulln statt.“59 Der Vortrag in Wien für den Verein für Landeskunde von Niederösterreich ist immerhin gut dokumentiert. Am 9. Februar 1924 gab Bartsch seine neuesten, durch die Arbeit an der Monographie gewonnenen Forschungsergebnisse unter dem Titel „Der Räuberhauptmann Grasel in den amtlichen Berichten und in der volkstümlichen Überlieferung“ im Rittersaal des niederösterreichischen Landhauses zum Besten.60 Auch in der Urania trug er wieder vor: Am 25. August 1924 sprach er im Kursraum zu „Der Räuber Grasel in der Volkssage und in der Literatur“.61 Er nutzte dies gleich zu Werbung für das zuvor erschienene Buch; inhaltlich präsentierte er aber mit den Grasel-Sagen nicht im Buch enthaltene Teile. Acht Jahre später – am 10. Jänner 1932 – sprach er ebendort über „Der Räuber Grasel im Lichte der Geschichte“.62 Hier wurde in der Ankündigung schon darauf verwiesen, dass ein Teil der von Bartsch durchgesehen Akten „dem Brande des Justizpalastes [am 15. Juli 1927] zum Opfer gefallen“ wäre. Dies bezog sich wohl auf die Akten der Polizeihofstelle mit den Berichten zur Graselverhaftung.63 Beide Urania-Vorträge wa57

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Robert Bartsch, Grasel im Liede. In: Das deutsche Volkslied 30 (1928), Heft 1/2, S. 2-6. Über die GraselLieder dann auch in Robert Bartsch, Johann Georg Grasel und seine Kameraden. (14. Fortsetzung). In: Das Waldviertel 8 (1935) S. 33-42, hier S. 41f. und (Schluß), in: Das Waldviertel 8 (1935) S. 54-56. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) VI, S. 106. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) VI, S. 106. Monatsblatt des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 23 (1924) S. 20-22. Verlautbarungen des Volksbildungshauses Wiener Urania (1924), Nr. 27, S. 5. Mitteilungen des Volksbildungshauses Wiener Urania 23 (1932), Nr. 1, S. 3. Abschriften der beiden Berichte findet man bei Rudolf Hruschka, Der Räuber Grasel in Böhmen und Mähren. Mit Benützung des Dr. Robert Bartsch‘schen Buches „Johann Georg Grasel u. seine Kameraden“ (Budweis [1930?]). Er druckt in einem Anhang seines Werkes diese beiden Berichte ab: „Thatgeschichte, die in der Nacht vom 19. auf den 20. November 1815 zustandegebrachte gefängliche Einziehung des berüchtigten Raubmörders Johann Georg Grasel betreffend“ (Franz Joseph Schopf, Drosendorf, 21.11.1815; S. 91-109); Mayer’s Bericht über die Gefangennahme Grasels (David Mayer, Wien, 21.11.1815; S. 109-124).


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ren „Mit Lichtbildern“ angekündigt. Mit seinen Vorträgen – so schrieb er nicht ohne Stolz – war er „in weiteren Kreisen“ bekannt geworden.64 Ein 25-minütiger Rundfunkbeitrag zu „Der Räuber Grasel“ wurde am Abend des 19. Mai 1932 von 19:05 bis 19:30 Uhr sogar von der RAVAG gesendet.65 Die Programmzeitschrift „Radio Wien“ pries den Vortrag mit dem Hinweis, dass durch die Forschungen von Bartsch erstmals „Licht auf den Fall Grasel“ gefallen, und – ähnlich der Vortragsankündigung in der Urania kurz zuvor – „daß erst durch sie die Wahrheit aus den – zum Teil beim Brande des Wiener Justizpalastes vernichteten – Akten an den Tag“ gekommen wäre.66 Diese Sendung führte allerdings zu negativen Bewertungen in jüdischen Kreisen. Die „Union österreichischer Juden“, eine politische Organisation, die sich gegen den herrschenden Antisemitismus wandte, berichtete, dass eine Zuschrift ihr zugetragen hätte, dass Bartsch in Radio Wien bei dieser Sendung gesagt hätte: „Juden aus Schaffa waren es, die die geraubten Sachen der Räuberbande Grasl [sic!] übernahmen und aus der Beute Profit schlugen“.67 Und weiter: „Für diese generalisierende Behauptung, die Bartsch schon in seinem Buch über Grasl […] aufgestellt hat – er nennt dort einen ,Juden Fleischmann‘ – fehlt jeder Beweis. Im Gegenteil, der Hehler Fleischmann war ebenso wie Grasl ein römisch-katholischer Christ. Aber selbst wenn dieser Bursche Jude gewesen wäre, so berechtigt dies doch diesen Wiener Historiker nicht dazu, von ,Juden aus Schaffa‘ zu sprechen. Er wollte aber, dem Zeitgeist entsprechend, den Juden ein Klampfel anhängen und so über die einigermaßen peinliche Tatsache hinwegkommen, daß Grasls Beruf ansonsten judenrein ist und allen Anforderungen des Arierparagraphen entspricht.“ Auch die RAVAG wurde dafür kritisiert, dass sie glaube, mit derartigen Sendungen das österreichische Ansehen im Ausland zu heben. Zumindest bei der Benennung eines Juden Fleischmann irrte man. Im Graselbuch findet man einen jüdischen Hehler namens Wolff Kollmann aus Schaffa – höchstwahrscheinlich war dieser gemeint –, Fleischmann dagegen war der Mädchenname der Mutter Grasels. Der Vater war Schinderknecht und Bettler gewesen, ein gleichnamiger Verwandter wohnte in Schaffa.

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Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) V, S. 143. Wiener Zeitung, 19.05.1932, S. 7 (Radiospielplan). Radio Wien. Illustrierte Wochenschrift der österr. Radioverkehrs-A.G.8 (1932) Nr. 33 vom 13.05.1932, S. 43. Der Vortrag dürfte nicht aufgezeichnet worden sein. Zum Programm: AnneGret Koboltschnig, Radio zwischen den Zeiten. Das Wort-Programm der Ravag von 1924 bis 1933 (phil. Diss. Universität Wien 1993). Hallo, hallo, hier Radio Wien … In: Die Wahrheit. Jüdische Wochenschrift 48 (1932), 10. Juni 1932, S. 5f.

Abb. 4: Programmeintrag zur Graselsendung mit Robert Bartsch am 19. Mai 1932, in: Radio Wien. Illustrierte Wochenschrift der österr. Radioverkehrs-A.G.8 (1932) Nr. 33 vom 13.05.1932, S. 43.


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Robert Bartsch unterstützt die Grasel-Sammlung des Horner Höbarthmuseums Als das Horner Höbarthmuseum gegen Ende 1930 ein Ölgemälde erhielt, welches ein Porträt des Grasel zeigte, war dies der Anstoß für die Einrichtung einer eigenen musealen „Grasel-Ecke“, die sich bald zur Sammlung auswuchs.68 Die Graselmonographie von Bartsch wurde dem Museum Anfang März 1931 als Geschenk des örtlichen Buchhändlers überlassen. Der Horner Notar und Obmann des Museumsvereins, Dr. Max Bernhauer (1866-1946), wandte sich daraufhin brieflich an den Autor und bat um „irgendwelche Erinnerungen an die Graselzeit“ für das Museum. Bartsch entschloss sich relativ rasch, dem Museum zwölf Briefe, welche die Verfolgung des Grasel dokumentierten und an Franz Joseph Schopf adressiert waren – ein Teil der 16 Briefe, die er 1915 aus dem Nachlass seines Großonkels Wilhelm Schopf erhalten hatte – eigentümlich zu überlassen.69 Auch unterstütze er Bernhauer mit Hinweisen, an wen er sich in dieser Angelegenheit noch wenden könnte. Zwei der Briefe wurden möglicherweise 1932 an DDr. Hans Liebl (18771950) abgegeben, der für die Übergabe einiger Graseliana den einen oder anderen Brief aus der Graselsammlung für seine „Sammlung österreichischer Strafrechtsalterthümer“ – heute Teil des Niederösterreichischen Landesmuseums70 – eintauschen wollte. Der Ausschuss des Museumsvereins gab dazu jedenfalls seine Zustimmung. Die Grasel betreffenden Briefe wurden ab 1931 im Museum ausgestellt. Aktuell sind nur mehr Reproduktionen einiger Briefe in der Dauerausstellung im so genannten Graselturm platziert. Von den ursprünglich zwölf Briefen aus Bartsch-Provenienz befinden sich heute nur mehr vier Originale im Bestand des Höbarthmuseums.71

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Dazu und zum folgenden genauestens Erich Rabl, Die Grasel-Sammlung im Horner Höbarthmuseum und das Fortleben der Erinnerung an Grasel. In: Harald Hitz (Hg.), Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbunds 34, 3. Aufl., Horn-Waidhofen/Thaya 1999) S. 119-157, bes.124f., 127-129, der die Unterlagen des Horner Museums dazu (Höbarthmuseum, Grasel-Sammlung, Mappe Graselecke) eingesehen hatte und mir auch freundlicherweise einige Kopien überließ. Im Schriftverkehr mit dem Museum handelt es sich immer nur um zwölf Briefe. Eine Abschrift der zwölf Briefe (datiert zwischen 26.10. und 28.11.1815) lag auch dem ersten Bartschen Antwortbrief bei. Beim Übergabebrief (Robert Bartsch an Max Bernhauer, 13.03.1931) wie auch beim Dankesbrief des Museums (Max Bernhauer an Robert Bartsch, 26.03.1931) ist eindeutig von zwölf Briefen die Rede. Bartsch hatte eine bedingte Schenkung ausgesprochen. Sollten die Briefe „einer anderen Verwendung als zu Archiv- oder Musealzwecken“ zugeführt werden, wollte er – insbesondere bei Veräußerung – zu Lebzeiten um Zustimmung gebeten werden, was ihm auch zugesichert wurde. – Bartsch, Grasel (wie Anm. 1) S. 275 (FN 71) erwähnte 1924 16 Briefen aus der Zeit vom 26.10.1815 bis 12.02.1816, die sich in seinem Privatbesitz befanden. In der Zweitauflage des Werkes (Waldviertel, 1933, S. 134 FN 313) schrieb er diese 16 Briefe nun irrtümlich dem Höbarth-Museum zu. Dazu: [Werner Galler], Museum für Rechtsgeschichte Pöggstall (Wien, ca. 1988) S. 2; Edith BilekCzerny, Das Museum für Rechtsgeschichte in Greillenstein und Pöggstall. In: Wolfgang Krug (Hg.), Landesmuseum Niederösterreich (Wien 2012) S. 251-254. Es handelt sich um die Briefe Nr. 1, 7, 8 und 10 der zwölf Briefe enthaltenen vorhin genannten Abschrift: Brief des Kreishauptmanns von Stiebar an Justizrat Schopf (Krems, 26.10.1815); Brief des Polizeiministers Hager an Justiziär Schopf (Wien, 18.11.1815); Brief des Brünner Polizeidirektors von Okacz an Schopf (Brünn, 17.11.1815); Glückwunschbrief des Znaimer Kreishauptmanns an Schopf (Znaim, 23.11.1815). Diese Briefe finden sich auch in Kopie und Edition bei Margot Schindler, Das Räubertum im Kerngebiet der Österreichisch-ungarischen Monarchie im 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel des Räuberhauptmanns Johann Georg Grasel. Überlieferung und Wirklichkeit (geisteswiss. Diss. Wien 1979) S. 68-74.


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Die Zweitauflage von „Johann Georg Grasel und seine Kameraden“ als Fortsetzung (1932-1935) So sehr Bartsch das GraselBuch mit Stolz erfüllte, so sehr bedauerte er die Makulierung der Restauflage. Darüber hinaus hatte er im Vorfeld der Drucklegung schon beachtliche und schmerzhafte Eingriffe am Manuskript vornehmen müssen: „Als das Manuskript fertig war, fand es der Verlag zu gross, ich musste nicht nur erhebliche Kürzungen machen, sondern mich auch entschliessen, das ganze Schlusskapitel über Graselgerüchte und Graselsagen sowie über die Graselliteratur wegzulassen.72 Es ist erst später im ,Waldviertel‘ erschienen.“73 Die Kürzungen des Buchmanuskriptes hatten besonders den Fußnotenteil betroffen; auch mussten die beiden ursprünglich vorgesehenen Schlusskapitel, die sich den Sagen um und der Literatur zu Grasel widmeten, entfallen. Vor diesem Hintergrund dürfte es Bartsch nicht schwergefallen sein, das ursprüngliche, ungekürzte Manuskript einer neuerlichen Drucklegung zuzuführen. Dieses erschien nun ab Ende 1932 in der relativ jungen landeskundlichen Zeitschrift „Das Waldviertel. Blätter für Heimat- und Volkskunde des niederösterreichischen Waldviertels“ als Fortsetzung und enthielt sowohl den Fußnotenapparat in vollem Umfang wie auch die vorhin genannten, bislang ungedruckt gebliebenen zwei Schlusskapitel. Der Herausgeber und Verleger der Zeitschrift, Hans Haberl jun., freute sich über seinen Coup. Im letzten Heft des 5. Jahrganges pries er die positive Entwicklung der Zeitschrift, die von Jahr zu Jahr an Umfang zunahm, und seinen „erfolgreichen Werbezug bis zu dem einsamsten Einschichthof“: „Der äußere Anlaß zu dieser bedeutenden Erweiterung [= die angekündigte Umfangserweiterung um 8 Seiten/Heft] war die Erwerbung der Grasel-Akten-Bearbeitung von Hofrat Universitätsprofessor Dr. Robert Bartsch zur fortgesetzten Veröffentlichung. Diese 72

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Dazu im Vorwort, Bartsch, Grasel (wie Anm. 1) S. XII: „Die Knappheit des zur Verfügung stehenden Raumes hat nicht nur zu äußersten Kürze in der Darstellung gezwungen, sie brachte auch den Verzicht auf eine Darstellung der Graselsagen und Graselgerüchte mit sich, die bei der Üppigkeit der Sagenbildung und der Möglichkeit, sie auf ihren geschichtlichen Kern zu prüfen, viel Verlockendes für sich gehabt hätte.“ Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) VI, S. 105. – Diese Kapitel (Grasel als Held der Volkssage, Grasel im Schrifttum) wurde in der 13. bis 15. Fortsetzung abgedruckt, in: Das Waldviertel 8 (1935) S. 21-28; 33-42; 54-56.

Abb. 5: Die Postwurfsendung zur Bewerbung des Fortsetzungsabdrucks „Der Räuberhauptmann Johann Georg Grasel und seine Kameraden“ in der Zeitschrift „Das Waldviertel“ (1 Bl., Sammlung Pauser).


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einzige wahrheitsgetreue Darstellung Grasels Leben und Taten ist dazu berufen, den guten, aber falschen Glauben vom ,Helden‘ Grasel in unserem Heimatlande endlich einmal auszumerzen und an seine Stelle berechtige Abscheu vor diesem wohl eigenartigen oder ganz großen Verbrecher zu setzen. Ein weiteres Verdienst dieser Aktenarbeit ist, ein getreues Bild von den allgemeinen Lebensverhältnissen in unserer Heimat vor hundertzwanzig Jahren zu vermitteln, und so ist die Arbeit als ein vollwertiges Heimatbuch in der Zeitschrift an seinem richtigen Platz.“74 Und um den Verkauf der Zeitschrift anzukurbeln, legte Haberl sogleich eine Postwurfsendung75 mit dem Konterfei Grasels auf, worunter etwas marktschreierisch geschrieben stand: „Grasel, der Schrecken unserer Heimat vor 120 Jahren. Sein Leben, seine Schandtaten und sein gerechtes Ende. Die Wahrheit über Grasel können Sie in der Zeitschrift ,Das Waldviertel‘, Waidhofen an der Thaya, in 8 Fortsetzungen, jedes Heft 32 Seiten stark, lesen.“ Der Autor, Robert Bartsch, wurde erst im Kleingedruckten auf der Rückseite des Werbeblattes offenbart. Die acht angekündigten Fortsetzungen erfuhren in der Realität eine Verdopplung auf 16, weil des Öfteren nur wenige Seiten pro Heft zum Abdruck kamen. Der erste Teil erschien im letzten Heft des Jahrganges 1932, der letzte im vierten Heft des Jahrganges 1935.76 Bartsch vermerkt dazu: „Im gleichen Jahr war auch mein Graselbuch in 2. Auflage in der Zeitschrift ,Das Waldviertel‘ nach jahrelangen Lieferungen zu Ende erschienen.“77 Eingeleitet wurde der Abdruck jeweils mit einem Hinweis darauf, dass es sich um eine „Zweite, vermehrte Drucklegung“ handelte. Durch die Fortsetzung und die Werbemaßnahmen konnte die Auflage der Zeitschrift von anfänglich 2000-3000 auf bis zu 4000 Exemplare gesteigert werden.78 Bartsch hatte inhaltlich nur eine kleine Umstellung vorgenommen. Ein kurzes Quellenkapitel, welches ursprünglich als eine Art Anhang bzw. Vorspann zu den Fußnoten im Buch vorkam, wurde nun als Einleitung abgedruckt. Die Register mussten natürlich entfallen. Aber auch die Abbildungen fehlten nun. Der Bartsch-Text war jedenfalls der erste Beitrag in der Zeitschrift, der mit Fußnoten – nun 512 anstatt bloß 110 Endnoten der Erstauflage – versehen war und einen wissenschaftlichen Anspruch hatte.79 74 75

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„Das Waldviertel“ 1932. In: Das Waldviertel 5 (1932) S. 145. Postwurfsendung: Der Räuberhauptmann Johann Georg Grasel und seine Kameraden, 1 Bl. (Sammlung Pauser). Robert Bartsch, Johann Georg Grasel und seine Kameraden. In: Das Waldviertel 5 (1932) S. 154-172; (1. Fortsetzung). In: Das Waldviertel 6 (1933) S. 15-27; (2. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 6 (1933) S. 52-56; (3. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 6 (1933) S. 71-80; (4. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 6 (1933) S. 105-112; (5. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 6 (1933) S. 127-140; (6. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 6 (1933) S. 169-176; (7. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 6 (1933) S. 189-195; (8. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 7 (1934) S. 12-14; (9. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 7 (1934) S. 26-28; (10. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 7 (1934) S. 40-42; (11. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 7 (1934) S. 54-56; (12. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 7 (1934) S. 77-78; (13. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 8 (1935) S. 21-28; (14. Fortsetzung), in: Das Waldviertel 8 (1935) S. 33-42; (Schluß), in: Das Waldviertel 8 (1935) S. 54-56. – Schindler hat dies verkannt, als sie meinte, dass in „den Jahren 1932 bis 1934 … in zwölf Fortsetzungen ein gekürzter Abdruck der Arbeit von Bartsch“ erschienen war. Das XI. Kapitel „Grasel als Held der Volkssage“ aus 1935 wird dort überhaupt als eigener Aufsatz gewertet. Siehe: Schindler, Räubertum (wie Anm. 71) S. 141f. Bartsch, Erinnerungen (wie Anm. 4) VI, S. 226, allerdings mit dem irrigen Bezug auf 1933. Adolf Kainz, In memoriam Hans Haberl. In: Das Waldviertel 19 (1970) S. 235. Markus Holzweber/Bettina Weisskopf, Regionale Heimatforschung am Beispiel Waldviertler Heimatbund. In: Stefan Eminger/Ernst Langthaler/Oliver Kühschelm (Hg.), Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band 3: Kultur (Wien 2008) S. 343-362, hier S. 348: „Diese Artikelserie von 16 Aufsätzen entspricht zumindest formal heutigen wissenschaftlichen Kriterien, da erstmals in der Zeitschrift mit Fußnoten gearbeitet wurde, Behauptungen belegt und somit auch nachvollziehbar wurden.“


Robert Bartsch und die Erforschung der Geschichte des „Räuberhauptmanns Grasel“ 383

Schlussbemerkung Die Monografie von Robert Bartsch zu Johann Georg Grasel aus dem Jahre 1924 wird seit ihrer Publikation allerorts als die wesentliche Studie zum Thema angesehen. Sie wird stets herangezogen, vielfach zitiert und (schon immer) intensiv „ausgeschrieben“. Nur wenige geben das sogleich im Titel so offenherzig zu wie Rudolf Hruschka, der bei seinem Buch „Der Räuber Grasel in Böhmen und Mähren“ gleich am Titelblatt auf Bartsch verwies.80 Margot Schindler bewertet die Studie von Bartsch als „eine äußerst exakte Wiedergabe und richtige Interpretation der Tatsachen“, ja als „erste – und nach wie vor bedeutendste – Auseinandersetzung“ zum Thema.81 Für Harald Hitz ist es schlichtweg „das Standardwerk zur GraselForschung“.82 Winfried Platzgummer und Christian Zolles sind sogar überzeugt, dass Bartsch „den Akt wohl als einziger Forscher des 20. Jahrhunderts wirklich studiert hat“.83 Vor der Aktenedition kam die Bartsch-Monografie daher fast einer „Quelle“ gleich. Nunmehr belegt sie die äußerst exakte Arbeitsweise von Bartsch und bestätigt erneut die Qualität des Buches.84 Meist übersehen wird allerdings die Zweitauflage des Werks in der Zeitschrift „Das Waldviertel“ von 1932 bis 1935, die mit ihren zwei zusätzlichen Kapiteln und den wesentlich erweiterten Fußnoten eigentlich das umfangreichere Konzept darstellt und damit wissenschaftliche Relevanz hat. Bartschs Grasel-Monographie bleibt jedenfalls – auch nach der Aktenedition – der zentrale Referenzpunkt für alle künftigen Graselforschungen.

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Hruschka, Grasel (wie Anm. 63). „Das Verdienst nun, die Wahrheit über Grasel der Gegenwart übermittelt zu haben gebührt dem Wiener Universitätsprofessor Hofrat Dr. Robert Bartsch, der in dem im Rikola-Verlag 1924 erschienenen Buche, Johann Georg Grasel und seine Kameraden‘ eine aktengetreue Schilderung dieses Verbrechers und seiner Mitschuldigen bietet. Indem er nur aus den vorhandenen Quellen schöpft, ohne mit Kombinationen und Schlüssen zu operieren, wird uns nicht bloß ein interessantes Kulturbild jener Zeit, sondern auch ein Gemälde voll dramatischer Szenen und spannender Eizelheiten entrollt.“ (S. 7f.) Schindler, Räubertum (wie Anm. 71) S. 37 sowie dies., Johann Georg Grasel (1790-1818). Mythos versus Realität. In: Carinthia I 191 (2001) S. 521-530, hier S. 528. Hitz, Karriere (wie Anm. 1) S. 12 FN 1. So auch Martin Scheutz, „Galgenvögel , Randständige oder bewunderte Helden? Kleine Räuber im Niederösterreich des 18. Jahrhunderts. In: MIÖG 112 (2004) S. 316-346, hier 334, FN 79. Platzgummer/Zolles, J.G. Grasel vor Gericht (wie Anm. 1) S. XV. Allein zwei kleinere Berichtigungen konnte Hitz anbringen: Das Geburtsdatum Grasels ist der 4. und nicht der 20. April 1790 (erstmals bei Hruschka, Grasel [wie Anm. 63] S. 9); bei einem Einbruch aus dem Jahre 1814 in Kirchberg an der Wild handelt es sich richtigerweise um Kirchberg am Walde: Harald Hitz, Johann Georg Grasel – Ergänzungen und Nachlese. In: Harald Hitz (Hg.), Johann Georg Grasel. Räuber ohne Grenzen (= Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes 34, 2. Aufl. Waidhofen/Thaya 1994) S. 135-147, bes. S. 138 (Geburt), 142 (Kirchberg am Walde).


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64. Jahrgang – Heft 4/2015

Anhang Tabelle 1: (Nachgewiesene) Vorträge von Robert Bartsch zum Grasel-Thema

Vortragstitel

Ort

Datum

„Die Ergreifung des Räuberhauptmanns J.G. Grasel (mit Lichtbildern)“

VfLKNÖ, Wien

30.10.1915

„Die Verhaftung des Räubers J.G. Grasel (mit Lichtbildern)“

Urania, Wien

10.12.1915

„Die Ergreifung des Räuberhauptmannes Grasel im Jahre 1815“

VfLKNÖ, Zweigstelle Korneuburg

30.01.1923

„Ergreifung des Räuberhauptmannes Grasel“

VfLKNÖ, Zweigstelle St. Pölten

09.11.1923

„Der Räuber Grasel in der Volkssage und in der Literatur (mit Lichtbildern)“

Urania, Wien

25.08.1924

„Der Räuberhauptmann Grasel in den amtlichen Berichten und in der volkstümlichen Überlieferung“

VfLKNÖ, Wien

09.02.1924

„Räuberhauptmann Grasel in der Volksvorstellung und in den amtlichen Akten“

VfLKNÖ, Zweigstelle Stockerau

11.03.1924

„Der Räuberhauptmann Grasel im Lichte der Wahrheit“

VfLKNÖ, Zweigstelle Krems

29.03.1924

„Der Räuberhauptmann Grasel in Geschichte und Sage“

VfLKNÖ, Zweigstelle Korneuburg

12.03.1925

[„Der Räuber Grasel“]

Christliche Bildungsstelle, Wien

1926

„Der Räuber Grasel im Lichte der Geschichte (mit Lichtbildern)“

Urania, Wien

10.01.1932

„Der Räuber Grasel“ (19:05-19:30)

RAVAG, Wien

19.05.1932


Robert Bartsch und die Erforschung der Geschichte des „Räuberhauptmanns Grasel“ 385

1. Auflage: Johann Georg Grasel und seine Kameraden (1924)

2. Auflage: Johann Georg Grasel und seine Kameraden (1932-1935)

enthält folgende Kapitel und Teile

Seiten

enthält folgende Kapitel und Teile

Seiten

[Vorspann zu den Anmerkungen]

259-263

Vorbemerkung über die WV 5 (1932) 154Quellen der Geschichte Grasels 155

Vorrede

IX-XIII

Herkunft und Jugendzeit (1790 bis 1809)

1-14

I. Herkunft und Jugendzeit (1790 bis 1809)

WV 5 (1932) 155160

Die beiden Grasel (1809 bis Herbst 1812)

15-50

II. Die beiden Grasel (1809 bis Herbst 1812)

WV 5 (1932) 160172

Mit Stangl (Herbst 1812 – Frühling 1813)

51-71

III. Mit Stangl (Herbst 1812 – Frühling 1813)

WV 6 (1933) 15-23

Gefangen und wieder frei (April bis 72-84 Dezember 1813)

IV. Gefangen und wieder frei (April bis Dezember 1813)

WV 6 (1933) 23-27

Mit Fähding (1814)

85-123

V. Mit Fähding (1814)

WV 6 (1933) 52-56, 71-80

Niedergang (Dezember 1814 bis November 1815)

124-151

VI. Niedergang (Dezember 1814 WV 6 (1933) bis November 1815) 105-112, 127-130

Die Jagd nach dem Grasel (1815)

152-193

VII. Die Jagd nach dem Grasel (1815)

WV 6 (1933) 130-140, 169-173

Die Kriminaluntersuchung (November 1815 bis Oktober 1816)

194-230

VIII. Die Kriminaluntersuchung (November 1815 bis Oktober 1816)

WV 6 (1933) 173176, 189-195, 12-14

Das Militärgericht. Grasels Ende (Oktober 1816 bis Jänner 1818)

231-250

IX. Das Militärgericht. Grasels Ende (Oktober 1816 bis Jänner 1818)

WV 7 (1934) 26-28, 40-42, 54-56

Rückblick

251-258

X. Rückblick

WV 7 (1934) 56, 77-78

XI. Grasel als Held der Volkssage

WV 8 (1935) 21-28, 33-36

XII. Grasel im Schrifttum

WV 8 (1935) 37-42, 54-56

Anmerkungen

259-282

passim [außer: 259-263]

Personenverzeichnis

283-297

Ortschaftsverzeichnis

298-308 –

Verzeichnis der Beilagen

309

Inhalt

310

Tabelle 2: Johann Georg Grasel und seine Kameraden – Konkordanz 1. zur 2. Auflage


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