Broschüre - Masterthesis

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Neugestaltung des Mahnmals St. Nikolai und des Hopfenmarktes in Hamburg



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MASTERTHESIS | INHALT

Einführung zur Geschichte von St.Nikolai nach dem Großen Brand 1842

Bautechnik | Bauweise von St.Nikolai

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Von der Kriegszerstörung 1943 bis zum Mahnmal heute

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Der Städtebau

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Der Pfad des Mahnens | Entwurf

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Pläne


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Einführung zur Geschichte von St.Nikolai nach dem großen Brand 1842 Nach der Zerstörung der historischen Pfarrkirche St. Nikolai beim großen Hamburger Brand von 1842, reiste der Architekt Gottfried Semper an, um seiner Heimatstadt zu helfen. Seine Ideen für den Wiederaufbau der Kirche zielten auf einen schonenden Umgang mit der alten Stadtstruktur. Die Katastrophe sollte nicht ausgenutzt werden, um eine neue Stadtplanung ins Werk zu rufen. Das urbane Erbe sollte erhalten und behutsam modernisiert werden, um nicht den „ehrwürdigen Charakter des uralten Hamburg für die gehaltlose Modernität neuerer Städte zu vertauschen“ (Johann-Hinrich Claussen - www.mahnmal-st-nikolai.de). In diesem Sinne setzte Semper sich auch dafür ein, die Reste von St. Nikolai zu sichern, zu erhalten und beim Wiederaufbau zu berücksichtigen. Als einer der ersten Architekten wirkte Semper auch als Denkmalpfleger. Semper konnte sich allerdings nicht durchsetzen. Zu mächtig war der allgemeine Wille, eine neue Kirche zu bauen. Eine regelrechte Bürgerbewegung für St. Nikolai entstand. Sie veranstaltete eine ebenso innovative wie erfolgreiche Spendensammlung. Jede Person in Hamburg sollte einmal in der Woche, einen Schilling geben. Die Einzelhändler dienten dabei als Sammelstellen. In der Tat machten zwei Drittel aller Hamburger Haushalte mit. Der Staat versprach, für die Deckungslücke aufzukommen. So wurde die Ruine abgebrochen, geräumt und 1844 ein Wettbewerb für die neue Nikolai Kirche ausgeschrieben.

Wenn dieser Entwurf gebaut worden wäre, hätte Hamburg ein Gegenstück zur Dresdner Frauenkirche erhalten. Diese ist eine klug konzipierte Kirche, zeitgemäß und traditionsbewusst, groß und schlank, monumental, aber nicht protzig, in sich geschlossen und doch abwechslungsreich. Sempers Entwurf stach aus den 44 Einsendungen heraus. Es war nur folgerichtig, dass die Preisrichter ihm den ersten Platz zusprachen. Eigentlich hätten nun die Bauarbeiten beginnen können. Doch Semper und die Preisrichter hatten die Rechnung ohne die interessierte Öffentlichkeit gemacht und vor allem die Wirkung eines Bauprojekts im fernen Köln unterschätzt.


Am 4. September 1842, als in Hamburg immer noch einige letzte Reste des Großen Brandes rauchten, legten der Erzbischof und der preußische König in Köln den Grundstein für die Vollendung des Doms. Eine sogenannte Mittelalter-Begeisterung, welches das ganze Volk umfasste, hatte die seit dreihundert Jahren stillgelegte Baustelle endlich neues Leben eingehaucht. Diese Leidenschaft für alles Gotische strahlte weit aus – bis nach Hamburg. Auch hier wollte man jetzt eine gotische Kathedrale. Als bekannt wurde, dass Semper mit seinem so ganz und gar nicht mittelalterlichen Entwurf den Wettbewerb gewonnen hatte, entbrannte ein öffentlicher Streit. Politisch äußerte sich, in der Vorliebe für die Gotik, ein junger Nationalismus, der den Glauben propagierte, die Gotik sei ein germanischer Stil und der Spitzbogen sei „deutscher“ als Sempers Rundbogen. Damit verband sich eine kirchliche Erweckungsbewegung, die den Geist der alten Aufklärung aus der evangelischen Kirche vertreiben wollte. Für Sempers modernem Gedanken hatte sie kein Verständnis. Sie wünschten sich einen mittelalterlichen Dom, als feste Burg gegen alle Versuchungen der Moderne. Deshalb kämpften Erweckungsprediger ebenso wie politische Nationalisten für den konsequent neu-gotischen Entwurf des jungen, unbekannten Engländers George Gilbert Scott, der im Wettbewerb lediglich auf dem dritten Platz gelandet war. Auch wenn er wesentliche Vorgaben nicht erfüllte, erfüllte er doch ihre Sehnsucht nach einem Kölner Dom in Hamburg. Dem öffentlichen Druck konnte die Kirchenbaukommission nicht standhalten. Sie schloss sich deshalb dem Urteil der Preisrichter nicht an. Stattdessen bat sie einen externen Gutachter um ein Urteil. Eine Lösung war dies nicht, denn der Gutachter war als entschiedener Befürworter der Gotik bekannt. Es war Ernst Zwirner, der Dombaumeister aus Köln.

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Die gesammte Bauzeit von St. Nikolai betrug 36 Jahre. Nachdem Scott 1844 den Auftrag erhalten hatte, konnte zwei Jahre später der Grundstein gelegt werden. Innerstätischer Bereich (Wallring) Hamburg Schwarzplan mit Kirchenstandort


GSEducationalVersion


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Bautechnik und Bauweise von St.Nikolai Hamburg kam so zu einer gotischen Kathedrale, fast 400 Jahre nach der Reformation. Es war kein Haus für den protestantischen Gottesdienst und schon gar nicht gewachsen in der regionalen Tradition des Backsteins. Nicht der rote, sondern der gelbe Stein wurde für den Bau der Kirche gewählt. Dabei nutzte man den Osterwalder im Äußeren und den Postelwitzer (Postaer) Sandstein im Inneren. Diese waren ersichtlich an gehauenen Schmuckprofilen, an den Eckbetonungen und schließlich am hohen durchbrochenen Turmhelm. Dort, wo gespart werden musste, nahm man schlussendlich den roten Backstein, meist an den Bereichen, welche man nicht einsehen konnte und wo große Wandflächen Sparsamkeit erforderten.

Scott hatte hier ein Werk abgeliefert, welches ihn auf einen Schlag berühmt machte. So verband er bei diesem Bau, als auch bei seinen zahlreichen anderen Kirchenbauten, die französische Hochgotik mit dem britischem „Gothic Revival“, als dessen Vertreter er schon zu Lebzeiten galt. Allerdings konnte St.Nikolai im Vergleich mit den „klassischen“ Kathedralen wie z.B. in Köln, Straßburg oder Reims niemals sonst in Größe oder Ausstattung, außer mit dem Turm und seiner Höhe, mithalten. Die dreischiffige Basilika mit einer Mittelschiffhöhe von rund 29m wurde zwar oft und gern mit dem gleichzeitig im Bau befindlichem Kölner Dom verglichen, konnte aber natürlich weder in seiner Fläche (St.Nikolai 2.380m2, Köln 7.880m2) noch in der Höhe (Kölns Mittelschiff 45m) mit der fünfschiffigen Kölner Kathedrale konkurrieren.


Der mächtige Turm verstärkte zwar immer wieder die Illusion, aber die filigrane Schichtung und Auflösung der tragenden Wände, wie es das Westwerk des Straßburger Münsters zeigt oder auch die Vielfalt des plastischen Schmucks von Reims, konnte St.Nikolai nicht erreichen. Doch in den Zeitungen und den Veröffentlichungen der Kirchenbaukommission wurden diese Visionen immer wieder verstärkt. Faulwasser zitiert die Tagesblätter: “Einen Dom müßt ihr begründen, der noch in der fernsten Zeit von dem Geist des Volkes künden mög‘ in seiner Herrlichkeit!...“ (Faulwasser 1926, S78). Ausgehend vom Chorbereich ist auch heute an der Ruine ersichtlich, dass dieser flankiert war - von zwei Seitenkapitellen mit eigener Apsis. Der eigentliche Altarraum war beschränkt auf die Breite des Mittelschiffs und mit seitlichen geschlossenen Mauern abgetrennt. Diese Form des dreiapsidialen Chores tritt vornehmlich im deutschsprachigen Raum auf. Es handelt sich dabei um eine Übernahme einer romanischen Grundform; auch bei den zwei großen Hamburger Hauptkirchen St.Petri und St.Jacobi gibt es diesen Chorabschluss. Bei den meist mit umlaufendem Kapellenkranz ausgestatteten großen Kathedralen Frankreichs und Deutschlands ist dieser Abschluss selten und sogar in England kaum noch zu sehen. Die nördliche Kapelle war zudem gar keine im eigentlichen Sinne, sondern dort waren zweigeschossig im unteren Bereich die Sakristei und im Obergeschoss ein Kirchensaal untergebracht. An der Höhe der Fenster, im Vergleich zur Südkapelle, ist das noch heute nachzuvollziehen. Überhaupt entsprach der Chorraum nicht den „lutherischen“ Vorstellungen - keine Priester oder gar Mönchsgemeinschaft hat jemals dort gesessen. Auch das Langhaus, als Basilika gebaut mit erhöhtem und von oben belichtetem Mittelschiff mit zwei niedrigeren, durch die Pfeiler getrennten Seitenschiffen, entsprach nicht dem Ideal einer evangelischen Predigtkirche. Demnach bekam Scott auch viel Kritik.

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oben links: Vergleich Kölner Dom mit St.Nikolai - Grundriss oben rechts: Vergleich Kölner Dom mit St.Nikolai - Schnitt unten links: Perspektive - Blick zum Chor von St.Nikolai unten rechts: Grundriss St.Nikolai



Zudem klebte, wie bei fast allen mittelalterlichen Kirchen, die Kanzel, wie nachträglich angebracht, an einem Pfeiler. Sie ist sogar aus einem anderen Material als das Kirchengebäude gefertigt worden: weißer Carrara-Marmor, fein bearbeitet für Kanzel und (Hoch)Altar. Auch die Orgelempore war in diesem Material gefertigt. So hieß es allerdings auch in einem Gutachten von Zwirner über Scott: „Die streng organische Durchbildung und die freie konsequente Entwicklung des Spitzbogenstils in fein gefühlten Verhältnissen verleihen dem Ganzen ein Kunstwerk, der durch die geniale beinhaltete Zeichnung noch mehr gehoben wird.“ (Quelle: Archiv Hamburg) Die nach dem englischen Vorbild der Kapitelsäle neben den Turm gestellte, heute nicht mehr sichtbare, nach dem Krieg abgerissene Taufkapelle, hatte nie eine richtige Funktion. Es sei denn, die einer Kaschierung der statisch notwendigen Stützungsmaßnahmen. Die Aufteilung der Schiffe lässt sich gut in den teilweise noch überwölbt erhaltenen Schiffen des Kellergeschosses nachvollziehen. Der Scottsche Bau hatte erhebliche Mängel bei der Anlage der Schornsteine und die weitere Frage der zu nutzenden Technik blieb offen. Nach mehrfachem Wechsel und zusätzlichem Einbau von einem Heizungssystem (Heizungssystem war Wettbewerbsbedingung) wurde 1861 eine Warmwasserheizung durch die Baukommission beschafft. Nachdem 1885 die großen Öfen der Kirche durch ein weiteres Heizungssystem ersetzt worden waren, konnten die zur Kohlenlagerung genutzten Flächen für eine Zusatzfinanzierung frei gemacht und an mehrere alteingesessene hamburgische Weinhandlungen vermietet werden. 1926 pachtete die Firma C.C.F. Fischer-Wein die Räumlichkeiten und nutzte sie zur Fass- und Flaschenlagerung von Wein, aber auch Cognac, Sherry und Madeira. Durch eine ganzjährige Temperatur von 12 bis 14 Grad bei 75 Prozent Luftfeuchtigkeit erwiesen sich die Bedingungen für diesen Zweck als ideal. Bis zu 650.000 Flaschen sollen hier zeitweise auf einer Fläche von 13.000 Quadratmetern untergebracht gewesen sein. Eine weitere Besonderheit ist die Fundamentierung. Dort wurde extra für den Turm ein Platte mit den Maßen 30x30m mittels Beton eingelassen, in den schichtweise

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Bandeisen eingelagert wurden. Dieses Fundament ist mit einer Mastix-ZementIsolierschicht überzogen worden, welches den Kostenvoranschlag um mehr als 25% überschreiten ließ. Die Dauer des Rohbaus betrug insgesammt 10 Jahre, da es ebenfalls erhöhte Schwierigkeiten durch zum Beispiel dem nicht ausreichend entwickeltem Eisenbahntransport und den Umrechnungsschwierigkeiten von Geld- und Maßsystem gab. Zuzüglich erschwerte dem Baufortschritt ein häufiger Wechsel der verantwortlichen Baufirmen. Der geplante Dachstuhl aus Eisen, welcher eigentlich ausgeführt werden sollte, wurde 1857 aufgegeben und in der Zeit von 1858-1859 als Holz-Dachstuhl ausgefertigt. Das Dach wurde mit Schiefer gedeckt und Zierteile aus Zink gegossen. Die Turmkapelle wurde durch ein Bronzekreuz mit geschliffenen Glaseinsätzen bekrönt, welches allerdings nach einigen Schäden eingeschmolzen und durch ein ähnliches Kreuz aus getriebenen Kupfer um 1908 angebracht wurde. Eine große Rolle in der Wirkung des Kirchenbaus spielten die hohen großflächigen Fenster aus farbigem, ornamental gestaltetem Glas. George Scott konnte gegenüber der Hamburger Kirchenbaukommission die Beauftragung von englischen Künstlern durchsetzen, die ein damals neuartiges Verfahren des durchgefärbten Glases entwickelt hatten. So wurden die meisten Fenster von St. Nikolai von den Zeichnern John Richard Clayton und Alfred Bell gestaltet. Auffällig waren vor allem die Chorfenster in einer Öffnung von 19×1,70 Metern, mit denen das Leben Christi thematisiert wurde. Die Gesamtkosten mit dahin beschaffenem Schmuck und Inneneinrichtungen bis in das Jahr 1914 betrug insgesamt 5.281.000 Mark. Wenn man St.Nikolai mit anderen Kirchen in Hamburg, beispielsweise mit St.Jacobi vergleicht, macht diese wie ein „Schulbeispiel“ anschaulich, dass für die Backsteinarchitektur der norddeutschen Kirchen das Bauernhaus den Ausgangspunkt abgegeben hat. Es spiegelt ein echtes Produkt des heimischen Bodens und ein Sinnbild gut niedersächsischen Geistes wieder.


„Scotts Werk (St. Nikolai) erscheint dagegen als etwas Fremdes. Seine Gotik ist nichts als formale Konstruktion - nüchtern und kalt. Nicht ein Hauch vom geheimnisvollen Zauber mittelalterlicher Dome. Auch sie eine Art Schauspiel, daß äußerlich übernommene Stile nur totes Material schaffen, selbst keine Seele haben und die Seelen der Menschen nicht in Schwingung zu setzen vermögen.“ (Gustav Schiefler - Eine Hamburger Kulturgeschichte 1890-1920 S.417)

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oben links: Auferstehungsfenster im Chor unten links: linkes Chorseitenfenster rechts: Fensterteil aus ehemaliger Chorkapelle im Chor von St.Gertrud



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Von der Kiregszerstörung 1943 bis zum Mahnmal heute Es war der Turm von St. Nikolai, der den Untergang Hamburgs unfreiwillig einleitete und es war dieser Turm, der die Zerstörung seltsamer Weise überstand. Es ist paradox, dass dieses höchste Gebäude der Stadt – von einem Engländer gebaut – fast einhundert Jahre nach dem Großen Brand englischen Kriegsflugzeugen als Zielmarke diente. Als sie ihre nächtlichen Angriffe auf Hamburg flogen, wählten sie den Turm von St. Nikolai als Orientierungspunkt. Es sollte die bis dahin schlimmste Bombardierung einer deutschen Stadt werden. Es nahm, nach dem Volksmund „biblische Ausmaße“ an und erhielt folgerichtig den Namen „Operation Gomorrha“. Vom 24. bis zum 29. Juli 1943 flog die Royal Air Force in massiven Wellen fünf Nachtangriffe, die von zwei Angriffen am Tage durch die United States Air Forces abgewechselt wurden. Um die deutsche Radarabwehr auszuschalten, ließ sie zunächst Staniolstreifen (Täuschkörper) herabregnen. Es war den Hamburgern, als ob „Schwefel und Feuer“ vom Himmel fiele – wie damals in Sodom und Gomorrha. Danach warfen die alliierten Kampfflieger über dem Hafen, der Innenstadt und weiten Wohngebiete – vor allem den Arbeitergebieten östlich der Alster – insgesamt etwa 18.000 Tonnen Bombenmaterial ab. Es war aber nicht die bloße Menge, sondern die fatale Kombination aus Spreng- und Brandbomben, die zu nicht gekannten Verheerungen führte. Zunächst wurden „Blockbuster“ eingesetzt, welche die Häuser aufbrachen, anschließend entfachten Phosphorbomben einen Feuersturm, der zeitweilig eine Höhe von 6.000 Metern erreichte. Die ganze Stadt wurde zu einem einzigen Vulkan, einem Schlot, einem riesigen Kamin, in dem Orkanwinde die heiße Luft so nach oben trieben, dass am Boden ein Unterdruck entstand, der wiederum Sauerstoff ansaugte und so wie ein Brandbeschleuniger wirkte.

Etwa 34.000 Menschen wurden in diesem Feuersturm getötet, viele verbrannten oder erstickten innerhalb weniger Sekunden. Es wurden circa 40.000 Wohnhäuser mit 263.000 Wohnungen zerstört. Das heißt, dass etwa die Hälfte aller Hamburger Wohnungen vernichtet worden waren. Vor allem der Osten Hamburgs bestand nur noch aus weiten Todeszonen. Es ist immer noch kaum zu fassen, wie der hohe, schlanke Turm von St. Nikolai stehen bleiben konnte, obwohl weite Teile des Kirchenschiffs schwer beschädigt wurden.


Als man nach Kriegsende in Hamburg an den Wiederaufbau ging, stellte sich auch die Frage, was mit St. Nikolai geschehen sollte. Denkmalschützer hatten unter schwierigsten Bedingungen die Trümmer gesichert. Doch gegen einen Wiederaufbau dieser Kirche gab es erheblichen Widerstand. Eine um Authentizität bemühte Rekonstruktion vor allem des neugotischen Werksteinschmucks hielt man für unbezahlbar, aber auch ästhetisch und denkmalpflegerisch für unbefriedigend. Lange drückten sich die Verantwortlichen in Stadt und Kirche um eine Entscheidung herum. Der Kirchenvorstand schlug vor, die Ruine als ein Mahnmal zu nutzen. Man dachte daran, in den offenen Chorraum eine kleine Kapelle hineinzubauen. Die Stadt begann aber 1951 schon damit, Mauerreste wegzusprengen. „Nachsprengen“ nannte man dies. Eine verherende Entscheidung, da der Großteil der Kirche relativ gut erhalten war. In vielen Anläufen wurden der eigentlich gut erhaltene Chor bis zum Hauptgesims sowie die Querschiff- und Langhausmauern bis zur Fenstersohlbank abgerissen. Regelmäßig flammte die Diskussion wieder auf, doch eine historische oder zumindest eine modernisierende Rekonstruktion zu versuchen. Auch kam der Vorschlag auf, St. Nikolai, diese neugotische „Messkirche“, den Katholiken zu übergeben. Doch je mehr Zeit verstrich, umso deutlicher wurde, dass niemand ein echtes Interesse besaß, diese Kirche wieder aufzubauen und einer Gemeinde zur Nutzung zu übergeben. Diesmal blieb – anders als hundert Jahre zuvor – eine Bürgerbewegung zu Gunsten dieser Kirche aus. So wurde St. Nikolai als Kirchengebäude aufgegeben. In einem Briefwechsel zwischen Kirche und Senat fiel sogar das Wort von einer „Endlösung Nikolai“. Sie sah vor, dass Ruine und Turm als Mahnmal erhalten blieben. Inzwischen ist die Nikolai-Ruine aber ein zentraler Ort des Gedenkens für alle Hamburger geworden. Dies ist vor allem dem bürgerschaftlichen Engagement eines Förderkreises zu danken. In der Krypta ist eine Dauerausstellung eingerichtet, wechselnde Ausstellungen und friedenspolitische Veranstaltungen kommen hinzu. Es werden auch regelmäßig Gottesdienste und ökumenische Andachten gefeiert. So haben die Reste der Kirche eine neue, sinnvolle Nutzung gefunden. (Quelle: www.mahnmal-st-nikolai.de)

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oben links: nach dem großen Brand oben rechts: nach der Kriegszerstörung unten links: nach der Kriegszerstörung unten rechts: Situation heute



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Entwerferische Arbeit zur Neugestaltung des Mahnmals St. Nikolai und des Hopfenmarktes in Hamburg


Der Städtebau In Anlegung an die heutige vorherrschende städtebauliche Situation beschäftige ich mich mit der innerstädtischen Verknüpfung und Neugestaltung des Hopfenmarktes durch Integration des historischen Bestandes und Mahnmals St.Nikolai. Wie im Lageplan zu sehen, ist der Bereich des Hopfenmarktes stark durch die in den 60er Jahren gebaute Ost-West Straße, welche innerhalb des hamburger Wallringes die Innenstadt großräumig in zwei Teile trennt, geprägt. Dies hat zur Folge, dass der Hopfenmarkt mit der St.Nikolai Kirche eben von dieser Straße städtebaulich stark beeinflusst wird. Um dieser Problematik entgegen zu wirken und der Nikolai Kirche mehr „Luft zum Atmen“ zu geben, wurde in meinem Entwurf die Willy-BrandtStraße (Ost-West Straße) verkleinert beziehungsweise verkehrstechnische beruhigt. Da der heutige Hopfenmarkt eher kontraproduktiv als Parkplatz genutzt wird, nahm ich mir zur Aufgabe, diesen räumlich mehr zu fassen und den Bereich vor der Nikolai Kirche spannender, durch mehrere Raumfolgen, zu gestalten. Der eigentliche Vorplatz, den der Hopfenmarkt zur Kirche in der Vergangenheit einnahm, dieser allerdings in der heutigen Zeit nicht mehr ist, verlagere ich an den nördlichen Teil der Kirche. Der Grund ist einerseits, dass der Kirchturm nicht mehr als Haupteingang zum Mahnmal genutzt wird und eher den Übergang zum PanoramaFahrstuhl mit Ausblick über Hamburg dient. Andererseits übernimmt das nördliche Seitenportal die Aufgabe des Haupteinganges. Durch diesen wird der Besucher in den neuen Innenhof des Mahnmals geleitet und kann sich von der Präsenz einer für öffentliche Veranstaltungen zur Verfügung stehenden Theaterkulisse überzeugen lassen. Aber warum neuer Innenhof? - Dieser halb öffentliche Raum (nur durch das Seitenportal betretbar und somit nicht stadträumlich sofort erfassbar) entsteht durch eine strukturelle Umbauung des ehemaligen Kirchengrundrisses. Dieser Grundriss ist als Negativform oder auch Abdruck im Innenhof erfahrbar. Die gesamte städtebauliche Neuplanung umfasst eine Abfolge von Platzstrukturen, welche miteinander verbunden sind und von Bestands- sowie Neubauten umrahmt werden. Sie nehmen ebenfalls eine hierarische Anordnung an. So ist der nördliche Kirchenvorplatz ein rein harter Platz, der westliche Kirchturmplatz durch Vegetation und

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Lageplan mit städtebaulichen Entwurf



einem Granitblock von Ulrich Rückriem, der an seinem momentanen Standort stehen bleibt, geprägt und der westliche Platz, mitten auf dem Hopfenmarkt, durch den Vierländerin-Brunnen inszeniert. Dieser Brunnen wird von seinem momentanen Standort, unmittelbar vor dem Kirchturm, komplett restauriert, an seinen neuen Platz verlagert. Die gesamte städtebauliche Neuplanung folgt einer einheitlichen Backsteinmaterialität und weist im Bereich des ausgearbeiteten Hopfenmarktes Querverbindungen zur Innenraumstaffelung des Mahnmals auf. Diese Staffelung wird, anhand der Fassade der am Platz befindlichen Bauten, deutlich und wird anhand des Mahnmals, wie folgt, näher erläutert.

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Ansicht Süd-Nord - Mahnmal St.Nikolai und Bebauung am Hopfenmatkt



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Schnitt Ost-West - Mahnmal St.Nikolai und Nachbarbebauung



Der Pfad des Mahnens Das Hauptaugenmerk meines Entwurfes ist die neue Mahnmalsbebauung an dem St. Nikolaikirchturm. Dieser ist, wie vorangegangen angedeutet, durch eine strukturelle Umbauung des ehemaligen Kirchengrundrisses entstanden. Dieser Grundriss ist als Negativform oder auch Abdruck im Innenhof erfahrbar. So sind beispielsweise die ehemaligen Strebepfeilerpositionen in den Boden gefugt. Der erhöhte Altarbereich am Chor der Kirchenruine kann als „bühnenartiger“ Aufbau für jegliche Veranstaltungen genutzt werden. Die Sitzsteine untermauern diese Inszenierung der Theaterkulisse. Der Körper der Mahnmalsbebauung ist komplett aus grauem Backstein aufgebaut und setzt sich von außen bis in das Innere fort. Die Form des Steines ist dem Hamburger Backsteinformat nachempfunden (220 x 105 x 65 mm) und folgt keiner festen Verbandsart - ist somit ein wilder Verband. Die Wahl dieses Steines wurde so gewählt, dass der neue Aufbau die ruinösen Kirchenschiffreste wieder fasst und die unterschiedlich farbigen Mauerwerksreste einen schlichten Abschluss finden.

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Erdgeschoss - Mahnmal St.Nikolai



Der sogenannte Pfad des Mahnens beschreibt den Weg, den man durch den neuen Anbau durch das Mahnmal beschreitet. Der Besucher startet am nördlichen Bereich des ehemaligen Querhauses der Kirche, folgt der Umbauung um den Chor herum bis zum südlichen Teil des Anbaus und schreitet in das noch erhaltene Untergeschoss. Die gesamte Erschließung ist somit in der Struktur des ehemaligen Querhauses untergebracht. Das sinnbildliche Ende des Pfades wird durch den „Raum der Stille“ im Bereich der Krypta abgeschlossen, welcher zum Gedenken an die Kriegszerstörung Hamburgs genutzt werden kann. Der Besucher kann dann durch die nördliche Erschließung im Untergeschoss empor schreiten und schließt seinen Museumsbesuch dort ab, wo er begann. Die Besonderheit der Innenraumausarbeitung wird durch eine Staffelung des Backsteines erzielt. Das bedeutet; Der Stein staffelt sich hervor, bis zum Grad einer Bogenstruktur oder auch Gewölbe. Es gibt hierbei einen kurzen, sowie einen langen Bogen auf einer Ebene, welche durch den Wechsel dieser beiden Bögen perspektivisch zu mehreren Stichbögen erzeugt werden. Der Stichbogen ist ein Sinnbild der Gotik und nimmt somit Bezug zur gotischen St.Nikolai Kirche.

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rechts: Perspektive - Innenraum Mahnmal St.Nikolai links: Schema Pfadverlauf im Mahnmal



Da durch die Form des Gewölbes ebenfalls Bögen an der Innenfassade enstehen, werden diese zur Außenfassade verlängert und geben dem Anbau ein Gesicht. Die entstehenden Stichbögen bekommen zudem eine Trennschicht aus Glas, so dass innerhalb der Bögen einzelne Elemente frei stehen. Zum Einen führen sie natürliches Licht in den Innenraum und zum Anderen entstehen durch deren dünnen Querschnitt Erkerstrukturen, welche Platzmöglichkeiten für die musealen Austellungsstücken bietet. Die Gebäudehöhe richtet sich ebenfalls an das ehemalige Kirchenschiff - nämlich dem damaligen Seitenschiff und misst eine Höhe von 13,9 m.

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Untergeschoss - Mahnmal St.Nikolai



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Draufsicht - Mahnmal St.Nikolai



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Perspektive - Innenhof Mahnmal St.Nikolai



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Anschluss- und Fassadendetail - Mahnmal



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Modelfotos



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Modelfotos



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Modelfotos



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Erdgeschoss Bebauung am Hopfenmarkt



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Obergeschoss Bebauung am Hopfenmarkt



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Perspektive - Stadtraum Hopfenmarkt mit Blick auf St.Nikolai



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Fassadendetail - Bebauung am Hopfenmarkt



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Pr채sentationspl채ne je 118x180



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Booklet-Masterthesis Layout | Text | Pl채ne Patrick Eich FH Potsdam E-Mail patrick.eich@hotmail.de



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