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natur & umwelt
from Passeirer Blatt
Teilnehmer der floristischen Exkursion bei der Andelsalm Fotos: Arnold Rinner
ÖkologiScHe vielfAlt
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Floristische Exkursion ins Gebiet der Andelsalm
Bei herrlichem Wetter und sommerlichen Temperaturen starteten am 12. Juli neun Personen des Arbeitskreises für Flora vom Naturmuseum Bozen, dem die Erforschung der Flora Südtirols am Herzen liegt, eine Exkursion von der Lazinser Alm über die Andelsalm bis zum Fuße der Hohen Weiße. Ziel war es, die aktuelle Pflanzenwelt des Hochtales punktgenau zu erfassen, zu dokumentieren und einige historische Angaben von Pflanzenarten, die um 1913 aufgezeichnet wurden, zu überprüfen. Leiter der Exkursion war Thomas Wilhalm, Konservator für Botanik am Naturmuseum in Bozen. Er gilt als einer der besten Kenner der Blütenpflanzen und Gräser im Alpenraum. Auf dem Wegstück von der Lazinser Alm zum „Zoager“ waren wilde Orchideen wie Gewöhnliches Weißzüngel (Pseudorchis albida), Grüne Hohlzunge (Coeloglossum viride) und das Schwarze Kohlröschen (Nigritella rhelicani) anzutreffen. Als beondere Art, die erstmals im Gebiet nachgewiesen wurde, gelang es im anschließenden Wegstück zur Andelsalm die in Südtirol seltene Aufrechte Bart- Glockenblume (Canpanula barbata subsp. strictopedunculata) zu entdecken. Auch der Keulenbärlapp (Lycopodium clavatum subsp. clavatum) eine besonderes Bärlappgewächs, ließ sich hier nachweisen. Im Umfeld der „Andelslacke“ beeindruckten Scheuchzers Wollgras, (Eriophorum Scheuchzeri) das Gemeine und das Dünnspornige Fettkraut (Pinguicula vulgaris und Pinquicula leptoceras) und die Zweifarbige Segge (Carex bicolor). Eine Augenweide war der mit dem seltenen Bachmoos, dem Sichel-Starknervmoos (Palustriella falcata) bewachsene Bachlauf, der vom Fuße der Hohen Weiße herunterplätschert. Unsere Aufmerksamkeit erregten hier auf den blühenden alpinen Rasen am Fuße der zwei Marmorberge, Lodner und Hohe Weiße unter anderem Kalk- liebende Arten wie Alpen Hahnenfuß (Ranunculus alpestris), Blaugrüner Steinbrech (Saxifraga caesia), das Alpen Hornkraut (Cerastium alpinum), Zarter Enzian (Comastoma tenellum), Hoppe-Felsenblümchen (Draba hoppeana), Alpen-Hahnenfuß (Ranunculus alpestris), Ährige Edelraute (Artemisia genipi) und viele andere Kalkzeigerarten. Insgesamt stehen in meinem Notizblock 137 Pflanzenarten aufgelistet, die bei der Wanderung entdeckt wurden. Die intensive Suche galt darüber hinaus zwei Pflanzen, die um 1913 im Gebiet vom Naturwissenschaftler Karl Wilhelm von Dalla Torre nachgewiesen, aber nie mehr bestätigt wurden. Es sind dies die Monte Baldo Anemone (Anemone baldensis) und der Mauerpfeffer-Steinbrech (Saxifraga sedoides). Trotz intensiver Suche gelang es nicht diese beiden historischen Funde zu bestätigen. Gegen 16 Uhr beendete der 9-köpfige Trupp die intensive Suche und stieg wieder ins Tal ab. Bei der Einkehr in der Lazinser Alm ließen die Pflanzenkenner den Tag noch einmal Revue passieren. Die Teilnehmer zeigten sich beeindruckt vom Zauber dieser Gebirgslandschaft, den vielfältigen Lebensräumen und der außergewöhnlichen Flora in diesem Hochtal. Die landschaftliche Schönheit und die ökologische Vielfalt im Gebiet rufen uns in die Pflicht, eine besondere Verantwortung für den Schutz und Erhalt dieser Lebensräume zu übernehmen um dieses Naturjuwel auch für künftige Generationen zu erhalten.
Erstmals gelang es für den Raum Passeier die Aufrechte Bart-Glockenblume nachzuweisen Die weißfilzige Ahrige Edelraute verströmt einen aromatischen Duft Arnold Rinner



Oft übersehen wird der nur wenige Zentimeter große Zarte Enzian
Der weiß blühende Alpen-Hahnenfuß wird bis zu 15 cm groß


Seltener Gast unter der „Gawinte“ (Rauhjoch): der Gänsegeier Foto: Peter Hofer
Seltene gäSte
Gänsegeier gesichtet
Jeder, der mit wachen Augen durch unsere Bergwelt wandert, kann mit etwas Glück einen imposanten Steinadler in majestätisch gleitendem Segelflug beobachten. Nicht alltäglich hingegen ist der Anblick des Bartgeiers, der eine beeindruckende Flügelspannweite von 2,80 m aufweist. Eine weitere Greifvogelart mit enormer Flügelspannweite, die man südtirolweit nur ausnahmsweise zu Gesicht bekommt, erspähte am 18. Juli 2022 Vogelkenner Alfred Gufler aus Moos in Passeier: „Beim Abstieg von der Liebenerspitze Richtung Biwakschachtel “, erzählt Alfred voll Begeisterung, „entdeckte ich fünf kreisende Greifvögel, die wegen ihres ungewohnten Aussehens meine Aufmerksamkeit erregten. Anhand des weißen Kopfes und Halses erkannte ich, dass es sich bei den Greifvögeln zu meiner großen Überraschung um Gänsegeier handelt. Mit dem Handy gelangen mir sogar ein paar Schnappschüsse der faszinierenden Vögel.“ Eine Woche später, am 25. Juli, sichtete Peter Hofer im Gebiet um das Rauhjoch mindestens 9 Vögel dieser imposanten Geierart. Auch im Zieltal konnten tags zuvor 5 Gänsegeier gesichtet werden. Die Körperlänge dieses Geiers beträgt etwa einen Meter. Mit einer Flügelspannweite von 2,65 m ist er deutlich größer als der Steinadler, aber etwas kleiner als der Bartgeier. Gänsegeier sind ausschließlich Aasfresser und bestens an das Ausnehmen von Tierkadavern angepasst: Der weiße Kopf und Hals sind nur leicht befiedert. Eine Halskrause schützt den restlichen Körper vor Verschmutzung. Gänsegeier, die zu den Altweltgeiern gehören, kommen in Südtirol als Brutvogel nicht vor. Die nächstgelegene Brutkolonie dieser Geierart mit etwa 200 Exemplaren gibt es in Forgaria im Friaul. In den Hohen Tauern übersommern etwa 60 bis 80 nicht brütende Gänsegeier aus der Kolonie von Friaul und dem Balkangebiet. Warum diese Greifvögel hier auftauchen, ist schwer zu sagen. Tatsache ist, dass es sich um Jungvögel handelt, denn Altvögel sind Standvögel, die nicht ihre angestammten Brutreviere verlassen. Jungvögel hingegen ziehen auf der Suche nach Futter weit umher und halten sich im Sommer gerne dort auf, wo das Nahrungsangebot günstig ist. Auf ihren systematischen Suchflügen verlieren sie Artgenossen, andere Greife oder Aasfresser wie Kolkraben, nie aus den Augen. So finden sie Kadaver auch in abgelegenen Gebieten in ungewöhnlich kurzer Zeit. Neben dem Gänsegeier gibt es in Europa noch drei weitere Geier: Mönchsgeier, Schmutzgeier und Bartgeier. Arnold Rinner
LoStage und BauernregeLn
Zum Nachdenken: Der Klimawandel und die Nachhaltigkeit sind in aller Munde und manch eine*r ist genervt von so „viel übertriebenem“ Umweltbewusstsein… allein beim diesjährigen Wassermangel (auch im Passeier), schieden sich deshalb die Geister: wieder einmal standen sich egoistische Prasser (wenn die Steinplatten im Garten um 15 Uhr abgespritzt werden müssen und das Kinderplanschbecken täglich neu gefüllt werden muss) und respektvolle Bürger*innen gegenüber und wieder einmal war ersichtlich, wem der „Nächste“ wenig interessiert. Dass wir mitten drinnen sind in diesem besagten Klimawandel ist aber längst schon, auch bei kleinen Dingen, ersichtlich. Es muss nicht die Marmolata runterkommen, es reicht, die Bauernregeln zu beobachten: Die Jahresdurchschnittstemperatur ist um ca. 1,4 Grad Celsius gestiegen, somit haben sich bestimmte Großwetterlagen verändert. Noch vor 50 Jahren war die Vegetationsperiode kürzer. Frühlingsboten, wie z.B. Schneeglöckchen oder auch die Apfelblüte beginnen inzwischen ca. drei Wochen früher als noch 1950, somit auch die Erntezeiten. Bauernregeln, welche oft schon im Mittelalter entstanden, sind finden deshalb oft keine/wenige Bezugspunkte mehr, besonders wenn diese mit fixen Kalendertagen und Heiligen verbunden sind. Richtig Verlass ist eigentlich meist nur mehr auf die Tiere, das Beobachten von Insekten, besonders in Momentsituationen, gibt guten Aufschluss über die aktuelle Wetterlage. Bienen und Wespen bleiben z.B. in der Nähe ihrer Stöcke und Nester, wenn Kaltwetterfronten und Regen im Anmarsch sind. Schwalben gibt es leider auch im Passeier immer weniger. Auch sie sind besonders glaubwürdige Wetterboten. In diesem Sinne, in dieser Ausgabe keine Bauernregeln rund um Maria Himmelfahrt und Mariä Geburt. Beobachten wir mehr unsere Natur: Schwalben tief im Fluge – Gewitter kommt zum Zuge. Bleiben die Schwalben lange, sei vor dem Winter nicht bange.
Elisabeth Larcher
Arnold Rinner: Auch viele Schwalben ziehen mittlerweile später in wärmere Gefilde. Rauchschwalben, deren Ankunft an der Forschungsstation Radolfzell seit den 80er Jahren regelmäßig aufgezeichnet wird, kommen mittlerweile einen Monat früher an.

Eschentriebsterben Borkenkäferbefall oberhalb Gomion

forStStAtion St. leonHArd
Eschen–Käfer–Frösche
Eschentriebsterben
Die Gemeine Esche ist im Passeiertal ein charakteristisches Landschaftselement. Früher wurde das Eschenlaub an das Vieh verfüttert. Noch heute sieht man viele so genannte Schnaitel-Eschen als alte Zeugen dieser ehemaligen Bewirtschaftung in der Umgebung von Höfen und an Wiesenrändern. Zudem leistet die Esche in Steillagen im Bodenschutz als Bodenbefestiger hervorragende Leistungen. Dem aufmerksamen Beobachter ist sicherlich nicht entgangen, dass in letzter Zeit viele Eschen kränkeln. Bei genauem Hinsehen sieht man oft, dass alte Triebe in den Kronen der Eschen abgestorben sind. Sie fallen nicht ab und stehen als tote, kahle Zweige aus der belaubten Krone heraus. Dieses Schadbild ist typisch für das Eschentriebsterben. Dieses wird durch einen Pilz aus Ost-Asien, dem weißen Stängelbecherchen (Hymenoscyphus fraxineus) ausgelöst. Es sterben nicht nur einzelne Zweige oder Äste, sondern auch ganze Kronenteile ab und innerhalb weniger Jahre kann dies zum Baumabsterben führen. Nicht alle Pflanzen werden im gleichen Ausmaß befallen. Es scheint resistente Pflanzen zu geben. Daher wird versucht, diese in den Forstgärten zu vermehren.
Borkenkäfer
Die starke Trockenheit der letzten Wochen setzt auch dem Wald stark zu. Bei Birken, Robinien und Linden, teilweise auch Kirschbäumen hat bereits das Verfärben bzw. Abwerfen der Blätter eingesetzt. Am auffälligsten ist der Wassermangel bzw. dessen Folgen wohl bei den Fichten. Ab etwa Mitte Juni traten die ersten größeren „Borkenkäfer-Nester“ im Tal auf und haben sich seitdem rasant ausgebreitet. Mitte Juli flogen schon die Jungkäfer der 2. Generation des heurigen Jahres aus, sodass die Verbreitung je nach Witterung noch weiter zunehmen wird. Jene Bäume, die erst im Herbst ab Ende September braun werden und absterben, sollen unbedingt bis spätestens im nächsten Mai aufgearbeitet und abtransportiert werden. Ein Grund für die geringe Widerstandsfähigkeit der Fichten ist sicher auch, dass viele Bestände überaltert sind.
Tote Frösche in Bergseen
In der Forststation sind Anfang/Mitte Juni mehrere Meldungen über tote Frösche bei mehreren Bergseen im Passeiertal eingegangen. Betroffen waren der Erensee, „Seabl“ im Formazonertal und der Große Schwarzsee. Bei den toten Tieren handelte es sich um Grasfrösche. Sie hatten großteils eine weißliche Farbe und waren teilweise aufgeplatzt. Ivan Plasinger vom Verein Herpeton, dem Südtiroler Herpetologen Verein, konnte das Rätsel aufklären. Demnach erhalte er pro Jahr etwa 5-6 solche Meldungen von Gebirgsseen. Entsprechende Untersuchungen wurden bereits mehrfach vorgenommen und kamen immer zum selben Auslöser: Blitz. Schlägt ein Blitz direkt in einen See, in einen Bach, der in den See fließt oder in Ufernähe ein, so breitet sich der Strom von der Einschlagstelle in alle Richtungen aus. Mit zunehmender Entfernung sinkt die Stromstärke. Fische schwimmen bei Gewittern eher in tiefere Bereiche, sodass sie eher seltener vom Phänomen betroffen sind. Je kleiner ein Tier ist, desto weniger Schaden richtet der Blitz an, weil er im kleinen Körper nicht so große Spannungen aufbauen kann. Daher waren die Kaulquappen auch nicht betroffen.
Andreas Hofer
Tote Frösche Foto: Ivan Plasinger
