Magazin 2015 web

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nehin mittlerweile isoliert stünden und somit gar nichts mehr von einem zum nächsten überspringen könne. Wichtiger aber war dem widerspenstigen Schiffmeister wohl noch etwas anderes, das er gegen den Zwangsumbau seines Hauses ins Feld zu führen wusste: „ein kostbares Fresko wie am Hause des Nachbarn Kannermüller, von einem bedeutenden Künstler gemalt“. Dem Vernehmen nach von Joseph Bergler, Hofmaler zu Passau. Fünfhundert Gulden (rund 9.000 Euro nach heutiger Kaufkraft) hätte man schon für ein ähnliches Leinwandbild dieser Art geboten. Eine wertvolle Geldanlag´ also, die er da besitze. Und die der Schlagregen gänzlich ruinieren würde. Die Starrsinnigkeit jenes Schiffmeisters Stingl und einiger seiner Mitbürger hat sich jedenfalls ausgezahlt. Noch vielerorts sind in Obernzell die ursprünglichen Fassadenmalereien und Dachformen, die den Ort einst geprägt haben, erhalten geblieben. Womit sich hier eine architektonische Vielfalt entwickelt und zugleich bewahrt hat, wie sie heute kaum mehr zu finden ist. Ein denkmalgeschütztes WeltklasseEnsemble, das aufgrund seiner Einzigartigkeit in die Haager Liste aufgenommen wurde.

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Spannende Manöver ... ... und Stromgewinnung live erleben an Deutschlands gröSStem Flusskraftwerk in Jochenstein

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ort wo der zweitmächtigste Strom Europas auf seiner 2.857 Kilometer langen Reise die erste von zehn Grenzen passiert, befindet sich Deutschlands größtes Flusskraftwerk, das Donaukraftwerk Jochenstein. Eine architektonische Meisterleistung, die 1956 nach vier Jahren Bauzeit fertiggestellt wurde. Auf dem Fußgänger- und Radweg, der hier das bayerische mit dem österreichischen Ufer verbindet, kann man nicht nur bestaunen, welche gewaltigen Wassermassen die fünf großen Wehre durchströmen. Auch so manches interessante Manöver, wenn große Kreuzfahrtschiffe oder mächtige Schubverbände die nur 24 Meter breiten Schleusen passieren. Für Gruppen ab 20 Personen werden anderthalbstündige Kraftwerksführungen angeboten – ins Herz der Anlage mit ihren gigantischen Turbinen, wo Kraftwerksmitarbeiter die Technik der Stromerzeugung und Schleusen erklären.

Dunkle Dunkle Geheimnisse und letzte Abenteuer

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ls wir an der Alten Schiffspost ankommen, ist es schon finster. Dennoch kann man den stattlichen klassizistischen Bau nicht übersehen. Gekrönt von einer weithin sichtbaren Laterne als Turmaufsatz, scheint er in seiner Pracht dem benachbarten fürstbischöflichen Schloss Konkurrenz zu machen. Das Anwesen unseres Schiffmeisters Lüftenegger. Stolz bittet uns dieser um Aufmerksamkeit und weist auf das Hauszeichen hin. Einen Anker, Weinlaub und einen Adler können wir hier erkennen. Die Insignien, womit das Haus einst verbunden war. Also nicht

nur eine Schiffmeisterei, sondern zugleich Poststation und ein Weingastgeb, Gasthaus und Herberge für gehobene Kreise, wie man uns erklärt. Alles zusammen habe er mit dem Anwesen im Jahre 1800 übernommen – nach der Hochzeit mit Creszenz Stallmayr, der Erbin der Schiffspost. Und sogar noch den Fährbetrieb zu Obernzell – als Marktferg, wie man das seinerzeit genannt habe. Nicht die einzigen glücklichen Umstände für den Schiffmeister: 1803 hatte dieser die Gelegenheit und seine Beziehungen genutzt, um nach der Säkularisation etliche Gründe aus dem

alten bischöflichen Besitz zu ersteigern. Ob wir das seltsame Schachbrettmuster oben im Turm bemerkt hätten? Ein Fingerzeig für Eingeweihte, ein Symbol der Freimaurer, gibt Schiffmeister Lüftenegger zu erkennen, die in Passau zu fürstbischöflicher Zeit die Loge „Zu den vereinigten drei Wassern“ unterhalten hätten. Die Kontakte Lüfteneggers zum Hof und nach Passau waren offenbar so gut, dass er sogar den einstigen fürstbischöflichen Architekten des Schlosses Freudenhain, Johann Georg Hagenauer, gewinnen konnte, um die Schiffspost in ihrer heutigen noblen Gestalt umgestalten zu lassen, acht Jahre nachdem er sie übernommen hatte. Noch ein letztes dunkles Geheimnis gibt es für unseren Schiffmeister hier zu lüften. 29


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