Paraguas 12

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paraguas MAGAZIN FÜR JUNGE KUNST MIT BEITRÄGEN ZUM THEMA

KURZ VOR GESTERN

#12

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intro

HAPPY BIRTHDAY, PARAGUAS Wow, wie lange gibt es uns jetzt schon? Vier Jahre? Kaum zu glauben - die Zeit vergeht wie im Flug. Gestern noch haben wir uns einen Namen für dieses Magazin überlegt und nun erscheint bereits die zwölfte Paraguas-Ausgabe, wieder bis oben hin gefüllt mit Interviews und Berichten aus der Kulturwelt. Katharina Grube hat sich mit den Machern des Projekts “Schöne Welt” zu einem Lächelkurs getroffen. Denn die Jungs glauben, dass es uns viel besser geht, wenn wir lächelnd durchs Leben gehen. Darum verteilen sie auch Gutscheine dafür. Titelbild: Reno Ranger, Interview ab Seite 10

Diana Schormann berichtet von der klaffenden Lücke Berlins, dem Platz, an dem bald die Replik des Berliner Schlosses aufgebaut werden soll. Da stellt sich schon die Frage: Muss das sein, sind unsere jungen Architekten nicht kreativ genug, um ein modernes Gebäude zu konstruieren? Mit vier Jahren zeigt Paraguas noch lange keine Altersschwäche und war natürlich wieder unterwegs: Manuel Förderer stattete Tübingen einen Besuch ab und erzählt, warum sich das gelohnt hat. Viel Spaß beim Lesen und auf vier weitere Jahre!

Mark Heywinkel im Namen des Paraguas-Teams

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inha LITERATUR

Sebastian Brück Das Internet ist die Spielwiese der Kreativen. Aber welche Chancen haben Literaten, mithilfe des Virtuellen bekannt zu werden?

KUNST “Schöne Welt” Die Menschen sind viel zu pessimistisch, dachten sich zwei junge Künstler und verteilten Gutscheine fürs Lächeln.

FOTOGRAFIE Reno Ranger Warum er Modefotografie interessant findet, hat uns Fotograf Reno Ranger erklärt und gleich ein paar seiner Bilder mitgebracht.

ARCHITEKTUR Aus neu mach alt? Sind die jungen Architekten nicht kreativ genug oder warum wird das Berliner Schloss wieder aufgebaut? Ein Text gegen Repliken


alt FILM

INSPIRATIONSFUNDUS

Helden des Fanfilms Nur ganz wenige Videospiele schaffen es zum Kult oder sogar zur Legende. Und nur ganz wenige Spiele werden von Fans verfilmt ...

Was uns bewegt Filme, Musik und Bücher begleiten uns durch den Alltag. Aber nur wenige schaffen es, uns wirklich zu bewegen ...

LIEBESBRIEF

KÜNSTLERBEITRÄGE

Tübingen Den geschichtsträchtigen Gassen Tübingens widmet Manuel Förderer unseren Liebesbrief an eine Stadt.

Kurz vor Gestern Vier Jahre gibt es Paraguas bereits. Für die zwölfte Ausgabe reisten unsere Künstler durch Zeit und Raum.

RETROSPEKTIVE

IMPRESSUM

Charles Bukowski “Don´t try.” steht auf Bukowskis Grabstein. Paraguas unternimmt den Versuch, diese letzte Botschaft zu deuten.

MODE Shopping von der Couch Online-Shops werden immer populärer. Zwei Hamburger haben uns erklärt, was die Vorund Nachteile des Netzverkaufs sind.

Paraguas.de Verantwortlicher: Mark Heywinkel Team: Ulf Biallas, Manuel Förderer, Joel Krebs, Christina Krieglstein, Andreas Matt, Diana Schormann und Antonia Wille Mitarbeit: Katharina Grube Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht zwingend die Meinung des gesamten Teams wieder. Die Urheberrechte aller Beiträge verbleiben bei ihren jeweiligen Verfassern.

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literatur PARAGUAS TRIFFT: SEBASTIAN BRÜCK

SPRUNGBRETT INTERNET? Bands wie die Arctic Monkeys haben es mithilfe von YouTube und MySpace in die Öffentlichkeit geschafft. Aber was für Musiker gilt, muss nicht zwingend auch für Literaten gelten, erklärt uns Journalist und Autor Sebastian Brück. Mit Shortstories und Hörversionen ist er selbst im Web 2.0 unterwegs. Interview: Mark Heywinkel Foto: Michael Kersting


Sebastian, viele Künstler setzen auf das Internet, um es ins Rampenlicht zu schaffen. Sind die Hoffnungen in das Medium berechtigt? Für Musiker hat das Web 2.0 gute wie schlechte Seiten. Durch MySpace ist es ist leichter geworden, ohne Plattenvertrag überregionale Aufmerksamkeit zu erregen. Eine südafrikanische Indie-Band wie Dear Reader hätte es früher kaum geschafft, außerhalb der Landesgrenzen bekannt zu werden. Jetzt gehen sie in Europa auf Tour. Bei der Literatur hat das Netz deutlich weniger Einfluss. Zwar gab es einige viel gelesene Blogger, die von Verlagen entdeckt wurden. Aber mir ist niemand bekannt, der von jeher literarisch schreibt und über das Internet den Sprung ins Rampenlicht geschafft hat. Zumal die Späher der Verlage ihre Debütanten wohl eher in der Lesebühnenszene oder unter den Absolventen der Schreibschulen aus Leipzig und Hildesheim suchen werden. Aber das kann sich ja noch verschieben. Du wirst häufig als „Internet-Literat“ bezeichnet. Verstehst du dich selbst auch als solcher? Keiner käme auf die Idee, eine Band mit Myspace-Seite aber ohne Plattenvertrag als „Internet-Band“ zu bezeichnen. Daher gefällt mir die Bezeichnung „InternetLiterat“ nicht so gut. Dieser Stempel wurde mir aufgedrückt, weil man eine Schublade brauchte. Meine Texte entstehen völlig unabhängig vom Netz, nur nutze ich eben die Möglichkeiten von Web 2.0 und MySpace,

um zuvor in Magazinen oder Anthologien veröffentlichte Geschichten weiter zu verbreiten. Das hat sehr gut funktioniert. Über 15.000 Leute haben die Hör-Versionen meiner Erzählungen abgerufen, es gab mehr als ein Dutzend Berichte in Zeitschriften, Blogs und im Radio. Ich hoffe, dass mir diese kleinen Erfolge bei dem helfen werden, was ich bisher hinten angestellt habe: Gezielt Verlage zu kontaktieren. Derzeit arbeite ich nämlich an weiteren Erzählungen und an einem Romanmanuskript. In den Zukunftsromanen von Tonke Dragt gibt es keine Bücher mehr, nur noch Hörbücher. Ist das realistisch? Hörbücher sind eine tolle Sache, und ich sehe sie keineswegs als Konkurrenz zum Buch, vielmehr als Ergänzung. Zum Teil bringen sie sogar Leute zur Literatur, die sonst gar keine Zeit zum Lesen hätten und Hörbücher in der Bahn oder im Auto konsumieren. Ich glaube, dass der Hörbuchmarkt noch ein paar Jahre wachsen wird, aber wir werden ganz sicher auch in Zukunft Texte lesen – fragt sich nur, über welches Medium. Auch wenn es befremdlich auf mich wirkt: Vielleicht benutzen wir in zehn Jahren EBooks so selbstverständlich wie heute Mp3-Player. Dann wären im schlechtesten Fall herkömmliche Bücher genauso vom Aussterben bedroht wie das Vinyl oder die CD. Mehr Infos: www.sofia-aufdemsand.de

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kunst

PARAGUAS TRIFFT: FABIAN NEIDHARDT & NIKOLAI REICHELT

EINFACH LÄCHELN! „Alles wird gut.“ Mit diesen Worten pflegte eine Moderatorin ihre Boulevardsendung stets zu beenden. Doch mit optimistischen Worten allein ist die Welt noch nicht verbessert, fanden Nikolai Reichelt und Fabian Neidhardt, und riefen das Projekt „Schöne Welt“ ins Leben. Nun verbreiten sie auf ganz verblüffende, einfache Art und Weise Optimismus: Mit Gutscheinen fürs Lächeln. Interview: Katharina Grube Foto: Messenjah.de

Lust auf Lächel-Gutscheine? T-Shirts und Widgets fürs Netz gibt es auf www.messenjah.de


Nikolai, Fabian, Lachen ist gesund: Wie oft lacht und lächelt ihr zwei am Tag? Das ist unzählbar. Extrem oft. Wenn man die Welt aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet, kann sie sehr lustig sein. Es gibt viele faszinierende und schöne Sachen, die einen zum Lachen bringen. Über welche Situationen könnt ihr euch denn ausschütten vor Lachen? Oh, da gibt’s viele. Die meisten geschehen, wenn wir gemeinsam unterwegs sind. Zwei verrückte Köpfe und die Anziehungskraft für interessante Situationen ... Gab es einen bestimmten Entstehungsmoment für das Projekt „Schöne Welt“? Nicht, dass wir wüssten. Die Idee für das Projekt kam nach und nach. In vielen Gesprächen. Die ersten Gutscheine gab es aber schon vor dem Projekt. Erst mit der Resonanz auf die ersten 250 Karten kam dann die Idee, aus der “Schönen Sache” ein ganzes Projekt mit festen Hintergrundgedanken und Zielen zu machen. Wie seid ihr auf die Gutschein-Idee gekommen? Lachen ist doch eh kostenlos. Richtig. Aber trotzdem tun es die meisten Menschen doch viel zu selten. Und das ist das Gute daran, dass es kostenlos ist. Wir wollen den Leuten kein Geld aus der Tasche ziehen, sondern ihnen etwas geben, ohne

etwas zu verlangen. Immerhin wollen wir ja, dass sie ihre Muskeln anstrengen, die Mundwinkel nach oben ziehen und dass sich ihre Laune verbessert. Der kurze Moment bringt sie vielleicht dazu, den Rest des Tages mit einem Lächeln herumzulaufen und damit andere anzustecken. Insofern verlangen wir zwar viel von ihnen und das ist zwar kostenlos, aber nicht umsonst. (Beide lachen) Ihr habt mal einem Stadtstreicher aus Freiburg 1000 Gutscheine geschenkt, die er an Passanten verkauft hat. Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, euer Projekt zu einem sozial engagierten Projekt auszuweiten? Schwierig. Das mit Harry war eine schöne Sache und gerne verteilen wir noch mehr Gutscheine an Stadtstreicher. Aber daraus ein ganzes Projekt zu machen ist nicht ganz einfach. Wenn jetzt aber alle Stadtstreicher diese Gutscheine verteilen, werden die Passanten schnell gelangweilt sein und der Effekt der Gutscheine geht verloren. Gibt´s eine Zukunftsvision für das Projekt „Schöne Welt“? Wo soll die Reise hingehen? Darauf gibt’s nur eine Antwort: “Further”. Zum Beispiel gibt’s bald die Domain spreadthesmile.de. es wird auch weitere Shirts geben, mehr Farben, mehr Motive. Und natürlich soll’s auch noch weitere Phasen für das Projekt geben. Aber wie die aussehen werden, sagen wir noch nicht.

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fotografie PARAGUAS ZEIGT: RENO RANGER

SEHNSUCHT NACH DYNAMIK Werbe- und Modefotografie sind 채sthetisch, ja. Aber sie sind irgendwo auch falsch, gaukeln sie uns doch immer wieder vor, Menschen, Produkte und die Welt w체rden perfekt aussehen. Fotograf Reno Ranger hat uns erz채hlt, was ihn dennoch an diesem Genre reizt. Interview: Mark Heywinkel Mit einer Fotostrecke des K체nstlers


Reno, wie bist du zum Fotomachen gekommen, haben dir deine Eltern in frühen Tagen schon eine Einwegkamera in die Hand gedrückt? Das ist wohl der Klassiker in den meisten Biografien. Ich bin ohne Kamera aufgewachsen. Ich hatte aber einen gesunden Kontakt zur Fotografie. Wie die meisten Menschen, zu Familienfeiern und im Urlaub. Der Rest kam später. Es war irgendwann Ende Juli 2004. Ich saß abends mit meiner Freundin Andrea irgendwo im Nirgendwo zu Gast bei einer Familie in Neuseeland vor dem Fernseher. Im Fernsehen lief eine Realityshow, wie sie es heute zu Hauf gibt. Darin wurde dem Kandidaten innerhalb von 30 Tagen ein völlig neuer Beruf beigebracht. In dieser Sendung wollte man einen Röntgenassistenten aus London zu einem Mode-Fotografen machen. Ob das gelingt, sollte am Ende ein Wettbewerb zeigen, bei dem er gegen andere Fotografen mit jahrelanger Erfahrung antritt. Er war schüchtern, introvertiert und unsicher. Ein wenig habe ich mich wohl damals in ihm wiedergefunden. Sie haben ihm alles beigebracht, die Technik, Bildaufbau, Teamführung, Casting und Organisation eines Shootings. Für jedes Fach bekam er einen Spezialisten zur Seite. Auch in Rhetorik wurde er geschult, und wie sich so ein richtiger Mode-Fotograf benimmt, anzieht, bewegt. Sein beratender Fotograf hat zu ihm gesagt: “You know how to take pictures from the inside, now I teach you how to take pictures from the outside!” Darüber schmunzle ich noch heute.

Was soll ich sagen, der Kerl hat den Wettbewerb gewonnen. Und ich dachte mir, es dauert vielleicht etwas länger als 30 Tage, doch das kann ich auch. Es hat weitere 2 Jahre gebraucht, bis ich den Mut hatte, zu beginnen und aus den 30 Tagen sind bis heute fast 3 Jahre geworden. Der Wettbewerbsgewinner steht noch aus. Dafür habe ich keinen Fernseher mehr.

“Ich will immer etwas mehr Bewegung als Ruhe.” Du machst vornehmlich Mode- und Werbefotos. Was reizt dich an diesem Genre, warum machst du keine journalistischen Fotos für Zeitungen und Zeitschriften? Zur Mode und Werbung habe ich erst gefunden. Ich bin vielseitig interessiert und habe auch Journalismus probiert. Und alles hat seinen Reiz. Ein Fotojournalist bleibt unbeteiligter Beobachter während er fotografiert. Seine Grenzen zur Bildgestaltung sind sehr eng, er darf keinen Einfluss darauf nehmen, was vor seiner Kamera geschieht. Alles soll objektiv betrachte sein, so wie es stattgefunden hat. Ich betrachte mich heute auf der anderen Seite. Mich langweilt die Realität, zumindest vor der Kamera. Ich inszeniere und bestimme selbst, was ich sehen will. Ich beobachte nicht die Wirklichkeit so wie sie ist, ich schaffe meine eigene. Deshalb fühle ich mich in der Modefotografie zu Hause, der Freiheit wegen. Das ist mein Weg.

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In deinen Bildern gibt es viel Bewegung und dynamische Körperhaltungen. Hast du was gegen Ruhe und Stillleben?

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Nein, im Gegenteil. Ich liebe die Polarität. In allem. Auch im wahren Leben. Keine Freude ohne Leid. Die Kunst ist es freilich, immer etwas mehr Freude im Leben zu haben, als Leid. In jeder meiner Strecken sind auch ruhige Bilder. Der Wechsel erzeugt Spannung. Erst die Ruhe gibt der Dynamik ihre Kraft. Das eine existiert nicht ohne das andere. Woher sollten wir sonst beide zu unterscheiden wissen? Ganz ausgeglichen soll dieses Spiel nicht sein, ich will immer etwas mehr Bewegung als Ruhe. In meinen Fotos und in meinem Leben. Ist ein gutes Bild gleichzeitig ein inszeniertes Bild oder spielt Glück in der Fotografie auch eine Rolle? Ein gutes Bild bleibt mir auch noch dann im Sinn, wenn ich längst schon wieder woanders hinblicke. Ich betrachte all meine Bilder als inszeniert. Dennoch ist das Schönste im Leben oft das Unvorhersehbare. Und der Zufall ist ein willkommener Gast bei meinen Aufnahmen. Auch wenn er gut vorbereitet ist. Was motiviert dich kreativ zu sein? Wie kannst du am besten kreativ sein? Ich brauche den Wettbewerb und will besser sein als andere. Und den Druck, dass es um etwas geht. Ohne komme ich erst gar nicht aus dem Bett. Mehr Infos: www.reno-ranger.com


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architektur BAUSTELLE BERLIN

AUS NEU MACH ALT? Das Berliner Schloss gibt es seit langem nicht mehr. Nun ist auch der Palast der Republik aus der Hauptstadt verschwunden und ein neues altes Schloss soll her. Muss das sein, fragt sich Diana Schormann: Sind die Architekten nicht kreativ genug, um die L端cke mit modernen Bauten zu f端lllen? Text und Foto: Diana Schormann


Wird der Tourist gefragt, wo er die Mitte Berlins vermutet, ist er meist überfragt. Kann ein Fernsehturm den Mittelpunkt einer Hauptstadt darstellen? Ist es der Bundestag oder der Berliner Dom? Die Keimzelle Berlins - heute eine leere Fläche: Der Palast der Republik stand noch dort, wo einst das Berliner Schloss Jahrhunderte das Stadtbild prägte. Nun ist auch der DDR-Palast weg - was darf es nun sein? Ein Schloss soll wieder aufgebaut werden, obwohl dort niemand mehr residieren wird. Nach dem ersten Weltkrieg war mit dem Abdanken der meisten Monarchien die Zeit des Schlossbaus beendet! Um die kostbaren Bauten nicht verfallen zu lassen, musste eine neue Nutzung her. Meist zogen Museen oder Zentren der Kultur ein. Für die Denkmalpflege sehr kostspielig, aber gleichzeitig sind es auch wertvolle Zeugen vergangener Epochen.

Geist der Gegenwart gefüllt? Wie viel neue Stadt und wie viel Verschwinden des Alten können wir ertragen? Die Bevölkerung ist für den Wiederaufbau der Stadtschlossfassade, vielen kommt es auf das Bild der Oberfläche an, nicht auf ein Original. Aber will man nur ein schönes Bild, braucht man Altes nicht neu bauen. Es könnte mit modernen Mitteln auf eine einfache Wand projiziert werden. Glauben die Planer an die Zukunft oder wollen sie das Fliehende halten und das Verlorene retten? Alte Architektur und Stadträume nachzuahmen funktioniert nicht. Diese Methode funktioniert nicht. Sollte nicht funktionieren.

“Sollen wir in Zukunft Fälschungen bewundern?”

Der Ort ist aufgrund seiner Geschichte heilig. Wir haben aber offenbar nichts anzubieten, was glaubwürdig die Stelle des immer schon Vorhandenen einnehmen könnte. Sollen die Linden auf ein weiteres Museum zulaufen? Man sollte vielleicht das Geld in die ungenutzten Schlösser stecken und diese erhalten, anstatt ein Imitat aufzubauen. Es ist schade, dass das kulturelle Erbe in Berlin verloren ging, wir werden es mit einer Kopie nicht wiederbringen können. Müssen wir auch nicht.

Rekonstruktionen sind eigentlich fehl am Platz. Sollen wir zukünftig Fälschungen bewundern? Das Wiedererrichten läuft auf bloße Kopien hinaus, beinah die ganze Baugeschichte Europas ist heute eine Fälschung! In der Kunst ist dies undenkbar. Hier ist nichts zu reproduzieren. Der Unterschied ist, dass der Künstler seine Gedanken der Nachwelt nicht in Form von Plänen wiedergibt. Traut man den heutigen Architekten nichts mehr zu? Warum werden die Lücken nicht mit dem

“Warum werden die Lücken nicht mit dem Geist der Gegenwart gefüllt?”

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film PARAGUAS TRIFFT: DAVID BLANE

HELDEN DES FANFILMS Fans machen so einiges, um ihrem Lieblingsvideospiel zu huldigen. Einige schreiben Geschichten, andere zeichnen Bilder – und ein paar wenige verfilmen gleich das ganze Spiel. Paraguas hat mit dem Hauptdarsteller und CoProduzenten David Blane über dessen „Zelda“-Fanfilm „The Hero of Time“ gesprochen. Interview: Mark Heywinkel Fotos: Theherooftime.com


Im Moment arbeiten wir zu dritt, manchmal auch zu fünft an „Hero of Time“. Aber im Verlauf der gesamten Produktion haben uns so etwa 100 Leute unterstützt. Wie könnt ihr einen so aufwändigen Fanfilm überhaupt finanzieren? Das ist wirklich verdammt schwer. Für einen durchschnittlichen Filmmacher wäre das ein unrealistisches Unternehmen gewesen, aber wir haben uns angestrengt und Wege gefunden, große Kosten zu umgehen. Wir haben nie ein riesiges Set aufgebaut, die meisten Szenen sind an öffentlichen Orten oder bei Freunden gedreht worden. Nur manchmal haben wir uns Licht ausgeliehen und die meiste Zeit Equipment benutzt, an das wir ohne Probleme rankamen. Bei der Kamera haben wir aber nicht gespart: Da musste es schon die Panasonic DVX100 sein. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen Fanfilm zum Nintendo-Spiel „Zelda“ zu machen? Wie wohl jeder Fan haben wir das Spiel gespielt und uns in die Charaktere und natürlich in die Story verliebt. Wir fanden die Story von „Ocarina of Time“ gut genug, um daraus einen Film zu machen. In einem Coffee Shop haben wir dann beschlossen, es einfach durchzuziehen. Als wir damit an die Öffentlichkeit gingen, waren wir schon sehr

überrascht, wie viel Zuspruch und positive Reaktionen wir von Fans bekommen haben. So spektakulär die ersten Bilder auch aussehen – ihr macht es euch ja schon einfach. Immerhin braucht ihr euch nichts selbst ausdenken, ihr könnt auf den großen „Zelda“-Kosmos zurückgreifen. Das ist wahr. Aber dafür mussten wir etwas viel Schwereres leisten: Wir mussten das existierende „Zelda“-Universum realistisch darstellen. Link kann in den Spielen beispielsweise nicht sprechen – das konnten wir im Film natürlich nicht so beibehalten. Es war nicht immer leicht, sich an die Vorgaben der Fantasy-Welt zu halten.

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Wann und wo werden wir „Hero of Time“ sehen können? Auf jeden Fall kommt der Film ins Internet. Außerdem kümmern wir uns darum, in einigen Städten Spots einzurichten, an denen man sich den Film ansehen kann. Was ist „Zelda“? Die „Zelda“-Reihe zählt zu den bekanntesten und profitabelsten Videospielserien überhaupt. Inzwischen sind dreizehn Versionen für alle Nintendo-Konsolen und –Handhelds erschienen. Meist muss der Spieler als elfenohriger Held Link (rechts) die schöne Prinzessin Zelda aus den Klauen eines Bösewichts erretten. Der Fanfilm „Hero of Time“ greift die Story des beliebten Nintendo64-Teils „Ocarina of Time“ auf.

Illustration: Nintendo

David, euer „Zelda“-Fanfilm sieht schon sehr professionell aus. Wie viele Leute sind an dem Projekt beteiligt?


liebesbreif PARAGUAS SCHREIBT EINEN LIEBESBRIEF AN ...

TÜBINGEN, DEINE STRAßEN ... führen Geschichte, noch die verwinkelste Gasse (von denen es in deiner Altstadt genügende gibt) möchte erzählen, von sich und den Füßen, die auf ihr gewandelt sind. Die Straße, mein liebes Tübingen, ist ein Bild, ein Symbol, wie für dich geschaffen. Text: Manuel Förderer Foto: pixelio.de/Albrecht E. Arnold


Ein Sinnbild für beide Extreme, das Dahin und das Dorthin, das Ankommen und Weggehen, das Links und Rechts, kurz: das Sowohl-alsauch. Du bist nie „nur“, liebes Tübingen, du bist immer „sondern auch“. Tübingen, deine Straße führen, so möchte man sagen, alle hinunter zum Wasser, an den Neckar. Dort steht man dann, wirft dem Bettler an der Ecke etwas in den Pappbecher, wahrscheinlich betrachtet man von der Brücke aus das meistphotographierte Gebäude, den Hölderlinturm. Er, Hölderlin, war der einzige des intellektuellen Triumvirats Hegel-Hölderlin-Schelling, das gemeinsam im Evangelischen Stift religiös zurecht geschustert wurde, der zurück kam, um in der Neckarstadt zu sterben, angeblich geistig umnachtet und doch den meisten voraus. Man kann sich vorstellen wie die Schritte dieser Denker durch die engen Gässchen hallten, schmale Treppen hinauf, vorbei an den im Sommer mit Blumenkästen bewährten Häuserfassaden, Altbau, Fachwerk. Am Marktplatz bleibe ich noch heute gerne stehen und schaue zum Rathaus, diesem Prachtbau aus dem 14. Jahrhundert und hoffe manchmal insgeheim, mir würde der grüne Bürgermeister auf seinem Fahrrad begegnen ... Wenn ich dann über den Holzmarkt zurückgehe, blicke ich häufig verstohlen nach dem Schild, auf dem steht, dass hier ein H. Hesse gelernt und gearbeitet hätte (unweit von hier hängt ein anderes Schild, das verkündet, dass hier Goethe gekotzt habe). Sanft schwebt das Schwäbische durch die Luft. Tübingen, wen hast du schon alles gesehen. Aber, liebes Tübingen, auf deinen Straßen

klingen auch die Schritte der Burschenschaften, ihre Häuser heißen Germania, Alemania, Teutonica, alte Villen, von denen die Flaggen in den entsprechenden Farben grüßen und die wie ein Ausrufezeichen wirken, wo ein Fragezeichen stehen sollte. Trotzdem ist die größte politische Gruppierung links. Man fordert, der Universität den Namen Ernst Bloch zu verleihen. Die Kneipentoiletten sind mit „Capitalism kills“ Aufklebern tapeziert. Auf deinen Straßen, Tübingen, liegt das Alter vieler Jahrhunderte und trotzdem gibt es Tageszeiten, da die Menschen auf deinen Straßen im Schnitt nicht über 30 Jahre alt sind. Der Sommer ist leicht in dir, Tübingen, du Venedig der Schwaben, Venedig Deutschlands. Mit langen Stöcken stochern die Kähne („das heißt Stocherkahn, nicht Gondel“) über den Neckar, voll mit Touristen, die dir und deinen Straßen hoffentlich gut zuhören. Die in dir vielleicht erkennen, was Städte über das Leben wissen. So stehe ich in einem Zimmer der Burse, dem Philosophischen Seminar und blicke aus dem Fenster, schweige, während um mich herum das Denken lärmt und freue mich – dass deine Straßen die meinigen sind. Mehr Infos: www.tuebingen.de

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retrospektive PARAGUAS STELLT VOR: CHARLES BUKOWSKI

DIE LYRISCHE SCHNAPSDROSSEL Man könnte mit dem Ende beginnen. Und am Ende steht ein Grabstein. Unter dem Namen stehen zwei kleine Worte, die es schaffen, eine assoziative Spannbreite zu ziehen, die genügend Raum lässt, um dem hier Begrabenen würdig zu sein: „Don´t try.“ Text: Manuel Förderer Foto: Bukowski.net


Der Mann, dessen Grabstein diese Worte zieren, hat bis zu seinem Tod über 40 Bücher geschrieben, manche waren schlecht, manche fand er selbst schlecht, in einem Buch steht als Widmung: dedicated to bad writing. Geboren wurde er in Andernach, damals noch als Heinrich Karl Bukowski, nur zwei Jahre später sollte er mit der Familie nach Amerika ziehen und Deutschland nur noch einmal besuchen. Als Charles Bukowski dieses eine Mal seine Füße wieder auf den Boden seines Geburtslandes setzte, begrüßte er seine nun zahlreichen Fans in Hamburg mit den Worten: Hello, it´s good to be back. Bukowski war (und ist) der Anarchist in der Literatur schlechthin. Einer, dessen Aura beständig zwischen verkannten Genie und versoffenen Proleten oszillierte. Ein wandernder Widerspruch, der Tolstois Krieg und Frieden als unehrlich ablehnte und Gedichte mit Bierschiss verglich. Einer, der sämtliche Jobs annahm, um halbwegs über die Runden zu kommen, um sich, wie er selbst zugab, mal wieder drei Tage völlig zurückziehen zu können, zu trinken und von der Welt in ruhe gelassen zu werden. Irgendwann dazwischen schrieb er Bücher, Gedichte, Geschichten, Romane, ganze Nächte verbrachte er vor seiner Schreibmaschine, die Rotweinflasche in greifbarer Nähe. Einer, der den schlechten Geschmack zu kultivieren vermochte wie kein zweiter, ein Kühlschrank voller Bier auf der Lesebühne statt einer geschliffenen Karaffe mit Wasser. Ein Klischee, sicherlich, aber eines das sich selbst erfunden hat. In den unzähligen Werken, die Bukowski geschrieben hat (und die von Carl Weissner

fast kongenial ins Deutsche übersetzt wurden), erzählt er von dem anderen Amerika, jenem neben dem amerikanischen Traum, dem abseits der hell erleuchteten Stadtzentren, jenem Amerika, in dem nur von der prosperierender Wirtschaft gesprochen wird, höchstens gesprochen wird. Bukowski leiht diesen abgerissenen Figuren seine Stimme, er zerrt sie ins Licht der Kunst und lässt sie fluchen, lieben, leiden, trinken. Überspitzt und doch nur selten an der Wahrheit vorbei, satirisch, desillusionierend und dabei doch humorvoll, so füllt Bukowski seine Bücher und erntet massenhaft Kritik wegen seiner ausufernden Beschreibungen von Sex und Drogenexzessen. Seine Prosa ist direkt und ungeschminkt, seine Lyrik liest sich wie ein zerrissener Roman, Prosafetzen, die mit viel Gespür für den richtigen Umbruch gestaltet wurden. Es braucht nicht viel, um Bukowski zu lesen, aber es bedarf einer Menge, ihn nicht schlicht als konstant-pubertären Wüstling abzutun. Wie egal ihm alles wirklich wahr, lässt sich wohl nur erahnen, was ihm wirklich nahe gegangen ist auch, aber in seinen älteren Tagen schlich sich dann doch ein leicht melancholischer Ton ein. Und so kommen wir zurück zum Grabstein. Was sollen wir nicht versuchen? So viele Bücher zu schreiben? So ehrlich zu sein? Ein ihm ähnliches Leben führen? Ist es eine Drohung? Oder ist es eine Warnung? Oder schlicht: der letzte Streich einer der herbsten Literaten, die die USA und vielleicht dieser ganze Planet je hatten.

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mode PARAGUAS TRIFFT: STEFFEN & MALTE VON WEARE.DE

SHOPPING VON DER COUCH Online-Shops wachsen wie Sand am Meer im Internet. Immer mehr Menschen kaufen ihre Kleidung bequem vom Sofa aus. Ein Klick und wenige Tage später liegt das modische Trendteil schon in der Post. Doch ist Online-Shoppen wirklich das Einkaufen des 21.Jahrhunderts? Werden wir zukünftig nicht mehr durch die Stadt flanieren, die Schaufenster bestaunen, in Umkleidekabinen stehen und Verkäufer mit Fragen löchern? Die Hamburger Jungs von Weare.de haben versucht, uns auf diese Fragen zu antworten. Text: Antonia Wille Foto: Weare.de


Steffen, Malte, wer seid ihr? Erzählt was von euch! Ganz normale Jungs, die sich vor vielen Jahren beim Snowboarden und Skifahren in den Bergen kennengelernt haben und sich mit Weare.de nun ein ehrgeiziges Ziel gesetzt haben. Wir arbeiten viel - aber sehr gerne.

im Shop in der Umkleide anzuprobieren und sich danach durch die Blicke der coolen ShopMitarbeiter verunsichern lassen.

“Geheimtipps gibt es ungefährt so viele wie Geschmäcker”

Sind Online-Shops denn die Zukunft?

Und die Nachteile?

Online-Shops sind mit Sicherheit zukunftsträchtig, jedoch können und sollen sie nicht die Lokal Dealer ersetzen. Onlineshops und lokale Händler stehen daher viel seltener als gedacht in direkter Konkurrenz zueinander! Zur Zeit gibt es einfach unterschiedliche Käufer: einige finden es praktisch online zu bestellen, andere finden es grade bei Mode zu nervig wegen den Größen. Einen wichtigen Unterschied macht auf jeden Fall auch wo man lebt. In kleinen Städten gibt es häufig einfach nicht alle Marken in Real Life Shops zu kaufen. Das merken wir auch bei den Bestellungen, relativ viel geht in kleine Städte und Dörfer die wir vorher noch nie gehört haben …

Der vermeintlich größte Nachteil eines Online-Shops ist der Mangel an persönlichem Kontakt, sowohl für uns als Händler als auch für die Kunden. Wir haben daher versucht unserem Shop so viel Identität wie möglich zu geben. Über die Auswahl an Produkten, unsere Hotline, den neuen Blog und Events haben wir dem Shop inzwischen ein Gesicht gegeben. Ansonsten gibt es keine Nachteile: Ware wird meist innerhalb von 24h geliefert. Umtausch ist kein Problem. 24h am Tag geöffnet!

Was sind die Vorteile eines OnlineShops? In Großstädten gibt es meist eine Auswahl an Shops und Händlern. Im restlichen Teil des Landes sieht es dagegen schlechter aus mit der Shopdichte. Der Vorteil liegt daher auf der Hand. Und shoppen auf der Couch ist nun mal unschlagbar! Es gibt auch eine Menge Leute, die es unangenehm finden Klamotten

Habt ihr einen Mode-Geheimtipp für dieses Jahr? Geheimtipps gibt es ungefähr so viele wie Geschmäcker. Wir denken, dass es mal wieder Zeit wird für einen Boom der Pullis ohne Kapuze. Im Moment gibt es fast jedes schicke Teil nur mit Kapuze. Wir versuchen den ohne-Kapuzen-Trend zu pushen.

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inspirationsfundus Foto: Twilight-derfilm.de

IM KINO: TWILIGHT

Foto: Kommzu.de.vu

Eigentlich ist die Geschichte alt. Ein Mädchen verliebt sich in einen gut aussehenden Jungen. Doch es gibt ein Problem: Er ist ein Vampir. Als Bella von Phoenix nach Fork, Washington State, zu ihrem Vater zieht, erwartet sie das langweiligste Schuljahr ihres Lebens. Raus aus der Sonne in das regenreichste Örtchen Nordamerikas. Doch der Umzug wird ihr ganzes Leben verändern. Ihre ersten Tage an der High-School sind alles andere als langweilig. Edward Cullen, der gutaussehende Junge, der im Biologie-Unterricht neben ihr sitzt, fasziniert sie. Ohne, dass Bella weiß, warum. Irgendetwas scheint anders an ihm – als an ihren Mitschülern. Die toughe Bella will hinter die Fassade des kalten Schönlings blicken. Doch, was sie entdecken muss, ist alles andere als normal. Edward Cullen ist ein Vampir. Seit 70 Jahren lebt er mit seiner Familie als Blutsauger. Das


WAS UNS BEWEGT - GESTERN UND HEUTE: FILME, BÜCHER, MUSIK

Besondere an den Cullens: Sie leben als Vegetarier. Sie trinken kein menschliches Blut. Bella ist alles egal. Längst ist sie Edward Cullen mit Haut und Haaren verfallen. Auch Edward findet Gefallen an der toughen Mitschülerin. Und so entspinnt sich von Minute zu Minute eine Liebesgeschichte im Stil von Romeo und Julia, die schon tausende Leserinnen fesselte. Twilight – nach dem gleichnamigen Roman von Stephenie Meyer – löste eine ähnliche Hysterie wie die Harry-Potter-Büchern auf der ganzen Welt aus. Mit dem Film Twilight setzt sich diese Fan-Liebe fort. Kristen Stewart als Bella und Robert Pattinson als Edward stehen als Zeichen für die unerfüllbare Liebe, die sich so jeder Teenie wünscht. In schönen Bildern erzählt Twilight die Teenager-Liebe, die so jeder von uns gerne gehabt hätte. Etwas Aufregung, Spannung, Gruselfaktor und ganz viel Romantik bestimmen Twilight. Und wer Rüdiger, der kleine Vampir mochte, wird Twilight lieben. Antonia Wille

KOMMANDO ZURÜCK FROM OUT OF SPACE Na, was schranz denn da mit punkigen Gitarren, Technobeat und DeichkindGesang für ein Elektrotrash aus den Boxen? Kommando zurück sind das, fünf Typen, die auch gerne mal im Wrestleroutfit auf die Bühne steigen. Für die ruhigen Stunden auf dem Sofa ist das nix, aber die Herren können garantiert jede Party wiederbeleben - sofern sie denn ausreichend Steckdosen für ihr Elektroequipment finden. Mark Heywinkel KIRAN NAGARKAR GOTTES KLEINE KRIEGER Es ist erstaunlich und fast beängstigend, mit welcher Leichtigkeit und welch allgegenwärtigem Humor sich der indische Autor Kiran Nagarkar in seine von religiösen Extremismen zerfressenen Figuren versetzt und damit das schier Unmögliche schafft

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– einen authentischen Standpunkt „des Anderen“ zu kreieren, der den ganzen Schrecken und die Auswegslosigkeit derer zeigt, die „auch nur Menschen sind.“ Eines der klügsten Bücher über den religiösen Fanatismus dieser Welt. MManuel Förderer JULI ZEH SPIELTRIEB Rasiermesser-Analytik und sprachlich kurz vor der Unterkühlung, das sind die zwei Hauptkomponenten in diesem eminent wichtigen Roman, der vor allem eins ist: schonungslos. Zu seinen Figuren und zu den Lesern, denen im Rahmen einer teils aberwitzigen Geschichte die drängendsten Fragen einer von Leere und Langweile geprägten Generation präsentiert werden. Ein Buch, das man ablehnen, aber nicht ignorieren kann. Manuel Förderer

KAZURO ISHIGURO ALLES WAS WIR GEBEN MUSSTEN Selten wurde so unprätentiös über Leben, Liebe, Sex und Sterben geschrieben, wie es hier geschieht und selten hatte ein so nüchterner (nicht emotionsloser) Ton eine solche Wirkung. Die Geschichte, die Kazuro Ishiguro erzählt, ist eine große Allegorie auf die Reibungspunkte, die sich in der Schnittstelle zwischen Ethik, Genethik und entfesselter Ökonomie ergeben. Lesenswert von der ersten bis zur letzten Seite. Manuel Förderer


beiträge EINLEITENDE GEDANKEN ZUM THEMA “KURZ VOR GESTERN” VON ANDREAS MATT

Manchmal sind es wenige Augenblicke, die darüber entscheiden, ob wir glücklich oder traurig sind. Meistens gibt es bestimmte Abstufungen gar nicht und wir befinden uns kontinuierlich in einer Schwebe, eine Schwere der Last. Situationen werden unerträglich oder gar euphorisch. Ein Gedankengang folgt dem anderen, unaufhaltsam pulsiert Leben – überall und nirgendwo. Flügelschläge der Sekunden vergehen oder bleiben stehen wie eine alte Uhr. Ihre Zeiger sind schwer und müde von den Bewegungen, die sie im Laufe der Jahre hinter sich hat. Es ist schwer zu sagen, ob eine Uhr müde und träge werden kann, ganz zu schweigen davon, ob sie weiß, wie lange sie schlägt. Bei uns Menschen sind solche Empfindungen ähnlich kompliziert: kurz oder lang, wir wissen es nicht so richtig, viel mehr orientieren wir uns an Emotionen. Bricht die Zeit mit der Gefühlslage in irgendeiner Art und Weise? Ist wirklich alles so relativ, wie ursprünglich angenommen? Oft geht es mir so, dass ich noch nicht einmal weiß, was ich gestern gemacht habe – jedenfalls für eine kurze Zeit. Und schon wieder ist die Zeit überall und doch nicht zu fassen. Sekunden verstreichen und Minuten vergehen, ich erinnere mich

zwar nicht an gestern, kann aber doch absehen, dass es einen neuen Tag unweigerlich geben wird. Ironie oder doch Vorhersehung der Gefühle? Ist die Sehnsucht nach etwas Neuem so unweigerlich groß, dass wir Vergangenes auslöschen wollen? Eine Revision der Empfindungen als Lösung für ein glücklicheres Leben oder doch eine Art Selbstbetrug, Hoffnung zu finden? Gesten, kurz vor dem Abend wusste ich es noch, heute nicht mehr. Es war wichtig, so viel ist sicher. Ist es noch sicher oder war es sicher? Wenn ich darüber nachdenke, kann ich nicht feststellen, woran ich die Dringlichkeit merkte. Sie war einfach da. Umarmte mich mit ihren Bitten, verlangsamte mein Gedächtnis und wirkte. Überaus eindringlich empfand ich den schweren Duft, war es immer noch Gestern oder schon Heute, also damals? Unglaublich aber wahr – ich verlor mich in dem Gefühl, das allgemein als Zeit bekannt ist. Ein Moment der Stille im lebenden Strom der Sekunden. Atemlosigkeit im Nebel der Gelassenheit, ein Teil des Ganzen. Ruhig schloss ich meine Augen und wusste, dass der Morgen kommen würde, für jeden von uns – Gestern wusste ich es noch, kurz danach kam nichts.

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Doris Doppler, geboren 1974, lebt in Innsbruck als Texterin und Fotografin. Mehr auf: www.dorisdoppler.com


Florian Neuner Sie erzählte mir, wie sehr sie ihren Namen hasst. Es ist an einer Stelle des Sees, an welcher der See seicht ist und ich mit nackten Füßen über den grobkörnigen Schotter wate. Wilhelmina hat sie heißen sollen, die Mutter hat diesen Namen geliebt. „Mochte sie vielleicht den Kaiser Wilhelm so gerne?“, frage ich. „Nein“, das ist es nicht.“, gibt sie kopfschüttelnd zur Antwort. „Mina, bitte rauche jetzt nicht.“ „Ich rauche immer, wenn ich an meine Mutter erinnert werde.“ „Das Wasser ist gar nicht kalt“, sage ich und sie zieht die sommerdünstige Luft ein; vielleicht gibt es ja Unwetter, wer weiß das schon? Wilhelmina klinge nach Vergangenheit, sie aber sei die Zukunft; wahrscheinlich nicht die Zukunft, sondern irgendeine, in jedem Falle aber etwas Kommendes, etwas, das sich noch nicht bewahrheitet hat. Wie viele Zukünfte gibt es denn?, würde ich gerne fragen und lasse das Wasser durch meine Zehen züngeln. Es gibt auf jeden Fall nicht nur eine. Kannst du dir deine Zukunft aussuchen? Ja, ich kann das. Bist du sicher? Wenn ich nicht sicher wäre, würde ich schweigen. Ich würde gerne mehr über ihren Namen wissen. Warum niemand, nicht einmal die Mutter sie jemals mit dem vollständigen Namen gerufen hatte. Warum dann eigentlich dieser Name, auf den die Mutter sich so

versteift hatte, wenn ihn keiner gebührend benutzt hatte? Das Nächste, woran ich mich erinnere ist ein Bruchstück des Abends, an dem wir in der Jugendherberge abgewiesen worden sind. Ein Bild der Unschuld, schon wieder schuldig geworden, im Moment des Auftretens: Wir, Mina und ich, sind abgewiesen worden wie Maria und Josef, nur uns hat kein Esel getragen, wir sind stattdessen die Lasttiere und haben Rucksäcke auf dem Rücken. Wir beschließen ein wenig die Stadt anzusehen. Eine Lichtung im Epizentrum der Stadt, ein kleines Plätzchen in einem Park. Zwischen den Bäumen ist eine Bühne aus Steinen, sehr modrig, jedenfalls sieht es nach Bühne aus, eine Holzwand verschließt den Blickt auf die Scena. Und dann stellst du, Mina, die Stühle nebeneinander, die vor der leeren Bühne angekettet auf das Stück warten, das nie aufgeführt wird, sehr beholfen, ungebunden, ganz im Gegensatz zu den Stühlen und wir setzen uns und sagten erst einmal gar nichts. Wir lutschen an den Flaschenhälsen der mitgebrachten Bierflaschen Konkretes. Wir sind zeitlos, obwohl Zeit vergeht und raumangefüllt, obwohl wir nebeneinander auf den Stühlen mit den Ketten zwischen den Beinen kaum Platz finden. Nebenbei reißen wir mit unseren Blicken den Körper des anderen auseinander. In Gedanken presse ich deine Lippen auf. Und in mir steigt auf das Trauermarschmotiv aus Anton Bruckners Siebten und es poltert vorbei, wie von Riefenstahl dirigiert, wie im Krieg der Sterne das Todessternthema. Ich habe dir auch im Flüsterton erzählt von den Frauen, die ich vor dir begehrt habe, mit denen ich heimlich habe

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schlafen wollen, ich habe dir mit den Worten des Teufels aus dem Faustus geflüstert, dass ich verloren bin. Weistu was so schweig, so heißt es, also schweige ich – und du sagst nichts und ich sage nichts, nur bei mir ist das natürlich. Ich habe es mir vorgestellt, sage ich, als wäre es eine legitime Rechtfertigung, aber eine legitime Rechtfertigung ist nur eine, die die gewünschte Wirkung erzielt: Ich möchte stark sein, das ist die Wirkung, die Mina erreichen soll. Es genügt mir, deinen Körper vorzustellen, deine Brüste, deine Hüften und wie ich darüber streiche und wie du mich als Flegel beschimpfst, was du natürlich nie tun könntest, denn Flegel ist ein bürgerliches Wort. Flegel ist ein Wort wie Wilhelmina. Es weht eine andere Zeit heran, wenn es ausgesprochen wird. Es ist ein Auslöser: Etwa so, wie das berüchtigte Zauberwort der Romantik, dass alle Hüllen aufreißt und Glück verheißt. Aber du hasst diese Wörter, die eine andere Zeit konservieren. Am nächsten Tag werden wir im Strandbad ein Boot angeleint sehen, am Ufer des Bodensees und ich werde sagen „Siehst du das Boot? Wie ein Stillleben, ich würde zeichnen, wenn ich Talent hätte“ und du hast genickt und ge“mhm“t und den Flaschenhals mit den Lippen massiert, ich stelle mir vor, wie die Flüssigkeit deinen Hals hinunterstürzt, ich will mitstürzen. Du lässt mich allein zurück an diesem Boot. Wir schreiben ein Oratorium für zwei Stimmen. Soll ich dir noch einmal von dem Boot erzählen, das dort im Kies liegt?, frage ich. Nein, das sollst du nicht, denn ich sehe das

Boot selbst. Es ist grün, das Boot, sagst du. Woher weißt du das, es wird doch schon dunkel? Ich habe es bei Licht gesehen und merke es mir, wenn es dunkelt. Aber ist das nicht selbstverständlich, frage ich. Ich musste Einiges üben, um diesen Zustand zu erlangen, sagst du. Wie sie ihn wohl beschreiben würde, diesen Zustand im Dunkel, den sie trotzdem Sehen nennt? Ich möchte fragen, belasse es aber beim Denken. Wenn es so wäre, dass auf das Holz des Bootes mit weißer Farbe Wilhelmina, dein Name, gepinselt wäre? Es wäre dennoch nicht dein Boot. Es hieße nur wie du. Wenn ich es bestiege, könnte ich mit dir fahren. Das heißt, in einem Boot, das deinen Namen trägt. Wenn du auch einsteigen würdest, könnte ich auch beides tun: mit dir fahren und in diesem Boot, das deinen Namen trägt. Es ist eine Tragik, ein Schicksal, wenn es einem Menschen nicht gelingt sich seinen Namen anzueignen: Wilhelmina, Mina, du hast versagt, denn du hasst deinen Namen. Ja, aber ist das nicht selbstverständlich, würde Mina fragen, wenn dieser Dialog wirklich stattgefunden hätte. Florian Neuner, geboren am 29.12.1987 in Stuttgart, Abitur 2008, derzeit Studium der Germanistik und Philosophie in Tübingen.


Schattenbild Gestern noch flochtest du Lieder in mein honiggelbes Haar, und füttertest mich mit Worten, die nur ich verstand. Blasse Versprechungen fielen durch das Zimmer wie Schneeflocken und bestäubten meine Schultern. Du schenktest mir Eisblumen, die niemals welken würden. Wir waren wach, bis sich deine Schwärze auf mich legte, dein Schatten an den Häuserwänden spazieren ging, sah ich uns sterben. Deine Duftmarke blieb, die nur ich riechen konnte. Jennifer Lynn Erdelmeier, Architektin, geboren 1975 in Köln, hat in Wien an der Akademie der Bildenden Künste studiert und lebt seit Jahren in Berlin.

33 gestern: der mann im bahnhof (der mann im bahnhof) / der mann im bahnhof lag auf dem / boden & ein rotes (rotes) rinnsal lief aus dem mundwinkel & alle gingen vorbei (& alle gingen vorbei) & alle (ich musste weiter / zum zug). Thomas Steiner, geboren 1961 bei Reutte (Österreich), lebt in Neu-Ulm. Redaktionsmitglied der Literaturzeitschrift außer.dem. Mehr auf: www.ausserdem.de



Roger Künkel Pino del diablo Es wurde Abend, und die Hitze wich aus der Luft. Kühlendes Dunkel legte sich auf die Olivenhaine, die dunkelgrüne Schatten warfen. Zikaden zirpten in den noch warmen Steinen alter, weißkalkiger Mauern, in deren Spalten Echsen schliefen. Alle Wege in dieser parkartigen Gegend führten zu einem mächtigen Berg, der wie aus Versehen in der leicht hügeligen Landschaft breit und riesenhoch wie der Thronsitz eines gewaltigen Gottes in die Höhe ragte. Dieser Fels war nicht steil, er war schräg begehbar. Schmale Pfade führten an seinen Seiten hinauf auf die Spitze. Die Wege waren gesäumt von unzähligen Grabstellen, es mögen Millionen gewesen sein. Es waren kleine, graue Mahnsteine, ohne genaue Angaben, es stand auf einem jeden nur Mensch. Wie Soldatengräber aus einem tausendjährigen Kriege waren sie in die Außenwand des Felses gepflockt, wie ein Stachelkleid. Wolken waren nicht zugegen, nur die Luft wurde dünner, je höher man schritt. Der Gipfel war ein Plateau, wie abgeschnitten war die erwartete Spitze. Der Boden schien aus Lehm, wie plattgestampft von Tausenden von Sklavenfüßen. Das Ocker der Erde wurde stellenweis rot verdunkelt, es war wohl trocken Blut. Der Mond beschien dieses Rund, jeder Zentimeter war fahl und hell erleuchtet. Vielerlei kleine Leute in verschiedenster Bekleidung huschten hin und her, andere kamen erst auf den Gipfel. Gezänk und Geschnatter wurden laut, bis dann sich einzelne Parteien bildeten,

geordnet je nach ihrer Tracht, nach ihrer Zeit und Herkunft. So schien aus jedem einzelnen Jahrhundert eine Schar Vertreter mit ihrer Anwesenheit zu dienen. Es waren Kinder, noch keine Zehn, die dort zu dieser späten Stunde an so sonderbarem Orte versammelt waren. Mit einem Male, da waren sie mucksmäuschenstill und starrten vor sich hin, in die monderleuchtete Nachtluft. Wie ein jäher Blitz führ ein gewaltiger Stuhl hernieder, mit hoher Lehne, auf der die Apokalypse in aller Wucht verschnitzet war. Auf dem Stuhl mit Teufelskrallen als Armstützen saß eine Mumie, eingetrocknet und bös mit entblößten Zähnen grinsend. Die Mumie war nackt, und nackt auch wieder nicht, denn die mürbe Haut war fast wie ein schales Kleid. Die Haare waren wild gewuchert, die Augen weggefallen. Die Finger, die hatten klauenlange Nägel. Was Zeit so alles kann! Nun bildeten die Kinder lange Züge, die sternartig auf den Leichnam in der Mitte sich hinzuschreiten trauten. Sie schlurften wie in Trance, die Augen starr und unbewegt, sie schritten wie ein Zug Geschlagener, Leidender, ein Zug, der kam aus der unheilvollen, bösen Geschichte des Menschen auf dieser Erde. So blieben sie dann stehen vor der Mumie, bildeten das Zeichen der Anklage und Erkenntnis und flüsterten ihre Strafe ohne vorherige Schuld aus vergangener Zeit und Gegenwart in das trockene Ohr. Sieh die Sklavenschaft in der meisten Zeit. Unendlich viel gekettete Herzen unter Herrenschlägen, Übermenschen über klein zertretenem Untermensch, hinein bis in tiefste Asche der Trauer von Generationen. Dafür

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kommen wir an sich, dich anzuklagen. Erwähnen möchten wir die Vergewaltigungen, von Mädchen, von Frauen, von Seelen. Wilde Triebe fegen über die Erde, hitzige Augen blinken in Raserei auf weißes, zartes, blankes Fleisch, Fleisch nur. Wenn wir dürfen, würden wir anklagen wollen. Wir wollen von blutigen Körpern reden, die wie Hundefutter brockenartig über die ganze Welt verteilt liegen, abgeschlagen und ausgehauen von des Menschen Hand, des Rachegottes Vollstrecker. Wir sprechen von zuckenden Verstümmelten, denen Teile von Splittern aus Metall hinweggefetzt wurden, im Namen einer Vaterlandsliebe, die blanke Mitmenschenverachtung nur war. Für einen jeden Krieg, welcher jeder grausamstes Verbrechen, und nie und niemals auch im Kleinen nur gerecht gewesen war, wollen wir dich beschuldigen. Wenn wir dürfen? Anführen wollen wir die grausame, da kalte Gerechtigkeit, an deren Seite, stützend und helfend, nie ein Erbarmen ging. Die Eiseskälte, mit der ungeliebte Einsamsmenschen nicht nur missachtet und ignoriert, sondern obendrein noch beschimpft und giftig bespuckt wurden. Können wir das noch hinzufügen? Wir erzählen hier vor dir, dem grausamen Verursacher – wir bitten für unsre Sprache um Verzeihung – von den Wänden aus Nebel und Dunst, die die Lügen und das Betrügen aufbauten, um jede Wahrheit dumm und wissenschaftlich zu verkleben. Und dann blieb alles stumm. Die Mumie lächelte leicht und grausig und fuhr per Stuhl wieder gen oben. Sie war der oberste und einzige Richter des Weltgerichts, ob Teufel oder Gott, konnte keine Religion mehr

klären. Und sofort verfielen die Kinder dieser Welt wieder in lang ausharrende Katatonie. Wer wird jemals was verändern? Ratten?

unter der haut letzten sommer waren wir irgendwie hund. beide im zustand ungefähr tentativ. overdressed einige maiglocken. mit dem mona-lisa-versand sauste der volle kessel wie ein spielblitz ins labyrinth hinein.

Tibor Schneider, geboren am 17. September 1978, studiert Philosophie und Germanistik auf Magister in Tübingen. Mehr auf: www.tibor-schneider.de


pink paprika Morgen geht Vor Gestern Heut ist Dienstag. Nur Weil vorher Gestern war. Und davor war noch frei. Ich bin kurz danach. Und war kurz Davor, Morgen zu wissen. Was Heute war. Alles Vor Gestern liegt taub im Kopf zusammengepfercht. Zieht unter Schuhsohlen schmutzige Kaugummifäden. Rück.Blick.Schritt. Links.Rechts.Wiiiiiege-schritt! Auf zittrigen Stelzen Vor.Zurück.Zum.Davor. Heute ist besetzt. Darum hat Gestern eigentlich kaum Platz. Für steife Reflexe in Gedankenscherben. Ich denke, ich dachte, Gestern nur gedacht zu haben. Ich hatte mich versichert, Türen geschlossen zu haben. Aber Heut ist Tag der offenen Tür. Ich hab gestern Ausverkauf. Um mehr Raum für Mittwoch gemacht zu haben. Denn Gestern war kurz davor. Über Morgen zu sein. Jetzt quetsch ich mich am Dann vorbei. Damit mit Mittwoch Heute geht und Gestern wird.

Claudia Brüggemann, eine pinke paprika: Geboren in den bunten 80ern in einer nicht ganz so bunten Kleinstadt (Kyritz, Brandenburg). Dann Kindergarten, Schule, Studium Kultur- und Medienpädagogik. Erste Ausstellung mit Lesung 2008, Merseburg. Mehr auf: www.myspace.com/pinkpaprika

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Cornelia Koepsell Die Hexe

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Feuer bedeutet Wärme, Geborgenheit. Oder Ge-fahr. Zumindest für manche. Soviel Wärme hat sich die Hexe nicht gewünscht, die verbrannt wird, auf dem Scheiterhaufen. Sie spürt keine Schmerzen. Bevor die Flammen ihr Gesicht, ihre Augen, ihre Haut zerstören, sieht sie noch einmal in die Menge, die zu ihr aufblickt. Geil, lüstern die einen, entsetzt, fasziniert die anderen. Da ist ein Kind, es sitzt auf den Schultern des Vaters, schaut mit großen Augen in die tanzenden Flammen und lutscht am Daumen. Die Hexe ist froh. Sie befindet sich nicht mehr in ihrem Körper. Von oben herab schaut sie auf den Scheiterhaufen, die Menschen, die Gaffer und Glotzer. Da erblickt sie den Mann. In seinen Augen Entsetzen und Angst. Er war es doch, der sie der Hexerei bezichtigte. Tut es ihm leid? Er wird das Gefühl ersäufen. In bil-ligem Fusel. Warum hat er es getan? Sie hat alles ertragen an seiner Seite, die Schläge, Misshandlungen, nicht endende Arbeit, ja selbst die unaussprechlichen Dinge, über die sie nicht nachdenken will. Selbst jetzt nicht. „Das Feuer wird es vernichten“, denkt die Hexe. Er, ihr Mann, warum hat sie ihn geliebt? Den Lügenbaron, den Gernegroß. Ihr fällt ein, wes-halb er sie der Hexerei bezichtigte. Er wollte sich wichtig machen, beim Saufen, vor seinen Kameraden. Er hat es geschafft. Alle Welt be-mitleidet ihn. Eine solche Frau,

wer hätte das gedacht? Der arme Mann. Was sie alles getrieben hat. Wie viele Männer sie sich ins Bett holte. „Er hat mich gezwungen“, denkt die Hexe erbost in ihren letzten klaren Momenten. „Geld hat er kassiert. Von den Männern. Seinen Kameraden.“ „Du Schwein“, schreit sie und der Wind trägt ihre Worte über den Platz. Die Menge erstarrt. „Gott wird dich strafen.“ Die Menschen weichen zurück vor ihrem Mann. Die Haare stehen ihnen zu Berge. Sie wollen nichts zu tun haben mit ihm. Er ist allein. Seine Strafe beginnt. Cornelia Koepsell, Jahrgang 1955, Studium Germanistik, Geschichte, Betriebswirtschaft, Beruf: Buchhaltung, Rechnungswesen,


bis morgen ach mein hirn hab ich vergessen es ist mir in den spalt gefallen in die ritze zwischen vorgestern und gestern und vor lauter heute hab ich vergessen es rauszuholen aber bis morgen wird es schon noch ohne gehen

Katja Leonhardt, geboren 1974 in Kaiserslautern, Studium der Germanistik und Sozialpsychologie; Projektleiterin bei einer Hilfsorganisation.

geisterstadt im frühling der baum lispelt den frühling das erste eis spitztütig abfällig verständige wachheit mustert verkrampft aus den knospen zu hart gefrorenen kinderschuhen cafézeit unter dicken pullovern stolpernde hunde im auslauf begraben gewinkelte blicke noch kurz vorgemalte frau an den arkaden weint regen darüber verwaschen auf die gleise gestellt zügig war vorgestern der abschied gras wächst in den mauerritzen verwaist die häuser der stadt ausgewiesenermaßen strahlt sonne nachmittags bäumt sich im frühling

Manfred Pricha, geboren 1954 in Altötting, Studium der Wirtschafts- und Geschichtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum, Autor, Wissenschaftlicher Dokumentar und Historiker.

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Brigitte Pons nur noch wenige

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minuten dann wird aus dem heute gestern dann ist dieser tag vergangenheit vorbei so wie jede sekunde die wir erleben sich nicht fassen lässt oder hast du jemals im jetzt gelebt hast du nicht weil das gar nicht möglich ist die zeitspanne die du erfassen kannst ist immer nur die die bereits hinter dir liegt und was noch kommt stellst du dir vor erwartest hoffst und bist doch immer einen schritt zu früh oder zu spät weil der augenblick zu schnell vorüber ist ach augenblick verweile doch macht er aber nicht ist auf der flucht oder spielt mit uns spielt ein böses spiel oder ein leichtes hasch mich ich bin der frühling auch wenn es winter ist was will er nur von uns dieser verflixte moment der sich um unser jetzt nicht schert und nur das damals übrig lässt wohin führt er uns nein nicht zurück in die zukunft oder vielleicht doch wer weiß das schon genau hängen wir fest in einer zeitschleife endlos im rad der zeit gefangen und strampeln dämlich wie die hamster weil wir glauben vorwärts kommen zu können kilometer um kilometer und stunde um stunde dabei bleiben wir immer auf der stelle und kommen auch zeitlich nicht vom fleck aber dann wären wir tatsächlich im jetzt weil es kein gestern und kein morgen gibt und unser augenblick wäre endlos und sinnlos zugleich jede planung kein ziel mehr vor augen könnten wir sie ruhig schließen und was dann bliebe wäre der blick aber wohin wenn die augen geschlossen und die erinnerung zugleich die zukunft ist welch schrecklicher gedanke sich wiederholen zu müssen vom

anbeginn der zeit die es nicht gäbe in diesem fall also wie könnte das sein dass sie sich wiederholt wenn sie nicht existiert läuft sie nicht im kreis springt sie vor und zurück ganz willkürlich oder unwillkürlich dem zufall folgend oder rückwärts gerichtet dann könnte vielleicht ein paradoxon entstehen und iebrov tiehnegnagrev gat reseid tsi nnad nretseg etueh med sua driw nnad netunim eginew hcon run Brigitte Pons, Jahrgang 1967, verheiratet, zwei Kinder, lebt seit 1989 in Walldorf/Hessen. Mitglied des Autorenkreises “Semikolon”.

wir sind imperfekt die mehrzahl der präteritumsformen klingt in der zweiten person singular schief in meinen ohren. ich zöge es vor, du kehrtest in mein präsens zurück. Jana Groh, 24 Jahre alt, wohnt in Meerbusch, arbeitet als Referendarin an einem Düsseldorfer Gymnasium.


Paris

Zeit Gestern war der Tag noch frisch Heute ziehen Krähen über kahle Felder Gestern war Dein Lachen jung Heute zeichnen sich die Tage ab Auf Deiner Stirn Ist Dein Auge trüber vom Glanz Vergangner Tage Gestern umspülten noch die Wogen Unsre nackten Füße Heute tauschen müde Blicke Mattes Lächeln aus Unser Leben, länger geworden Lehnt sich an das Wärmende Gestern Das auch erloschene Feuer Zum Lodern bringt Imme Lorek, geboren 1965 in Kiel, z.Zt. wohnhaft in Oldendorf in Ostwestfalen. Dozentin beim Mortimer English Club.

Shortly before yesterday life was still easy Shortly before yesterday life was still calm Shortly before yesterday life was as usual Shortly before yesterday You said Enjoy the moment Shortly before yesterday You changed my now Daniela Dorner, promovierte Astrophysikerin, lebt und arbeitet in der Schweiz und in Frankreich. Siehe auch Collage, S. 34

seinerzeit gingen wir mit nackten füßen auf den scherben unserer hoffnungen seinerzeit notierten wir jeden abend die aphorismen der krähen im park seinerzeit rosteten im keller die werkzeuge und der wein wurde zu essig seinerzeit erhaschten wir einen ersten blick hinter die dinge Klaus Roth, 1957 geboren, lebt in München. Übersetzer, bildender Künstler, Publizist und Autor. Mehr auf: www.klaus-roth-texte.de

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www.paraguas.de


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