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punkte an allen Ecken und Enden. Vor allem der dreckige Sound und das erfrischend rotzige Oldschool-Geschepper machen Spaß. Dabei nehmen sich ISOLATED nicht immer so bierernst und auch das tut dem Gesamtbild sehr gut. Auch wenn die Jungs klar für ihre Sache einstehen, gibt es hier und da mal ein Augenzwinkern und die Songs sind mit der nötigen Portion Energie eingezimmert. Die Songs sind direkt, kurzweilig und auf die Fresse. Gerade die Knackigkeit der einzelnen Songs macht einen Großteil der Wiederhörensfreude aus. „25 Years Strong“ nutzt sich überraschend wenig ab und so kann man auch beim zwanzigsten Hörgang noch ganz schön wohlwollend mitnicken. Diese Mucke ist aber ganz klar für die Bühne gemacht. Bleibt zu hoffen, dass ich nicht allzu lange warten muss, die Jungs auch mal live zu sehen. (Steeltown) Marvin Kolb
JOYLESS EUPHORIA Dreaming In Ultraviolet
Die Aufmachung und der Sound lassen mir keine andere Wahl. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass „Dreaming In Ultraviolet“ in die selbe Richtung schlagen soll, wie es DEAFHEAVEN bei „Sunbather“ taten. Auch JOYLESS EUPHORIA funktionieren musikalisch auf ähnliche Weise. „Dreaming In Ultraviolet“ ist das zweite Werk der österreichischen Post-Black-Metal-Band, die 2016 von Martin Baumgartner als Soloprojekt ins Leben gerufen wurde. Nun zu dritt bieten JOYLESS EUPHORIA einen melancholischen Soundtrack, der mit atmosphärischen Elementen und einem authentischen Sound Themen wie Selbstmord, postmortale Introspektion oder etwa den Verlust des eigenen Kindes thematisiert. Keine leichte Kost also, die stimmungstechnisch nichts für sanfte Gemüter ist. Insgesamt fehlt es „Dreaming In Ultraviolet“ aber etwas an Abwechslung oder einem Alleinstellungsmerkmal, zwar startet das Klavierstück „Desperate euphoria part 1“ den Versuch, vermag jedoch nicht sonderlich herauszustechen. „Dreaming In Ultraviolet“ verdient Aufmerksamkeit, geht aber im hohen Level des Genres etwas unter und leidet an einer zu geraden Linie, die Ecken vermissen lässt. (Boersma) Rodney Fuchs
JUDAS HENGST Death Tapes
Ganz plötzlich erschienen sie auf der Bildfläche: JUDAS HENGST aus Bremen. Mit ihrem düsteren, von MOTORPSYCHO oder CULT OF LUNA beeinflussten Sound erhaschen sie sofort die Aufmerksamkeit ihrer Hörer. Vielleicht könnte man ihre Musik als Postcore bezeichnen, doch was sie auf ihrem Debütalbum „Death Tapes“ präsentieren, geht noch einen Schritt darüber hinaus. Ja, was kommt eigentlich nach Postcore? Schon der Opener und Titeltrack besticht auf penetrante Weise. Im Verlauf der Platte beherrschen ein voller Gitarrensound und treibende Drums das Geschehen. Ruhige Passagen sorgen nur vermeintlich für Erholung, denn die monotone, zugleich kraftvolle Rhythmik lässt keine Verschnaufpause zu. Immer wieder tauchen durch-
dringende, hochgestimmte Gitarrenmotive auf und fressen sich einem in Mark und Bein. Verstörend gut. Mit scheinbar reduzierten Mitteln kreieren die Jungs ein Sounderlebnis, das überraschend gut funktioniert. Sogar so gut, dass es des stellenweise eingestreuten Shoutings gar nicht zwingend bedarf – die Instrumentalparts selbst sind aufregend genug. Ihr feiert progressiven Rock und Doom? Dann hört euch „Death Tapes“ von JUDAS HENGST auf jedem Fall an! (DIY) Jeannine Michèle Kock
JUSEPH Óreida
Diffus und verschwommen wirkt das Artwork von „Óreida“ mit seinen kalten Farbtönen. Die Musik passt sich diesem kalten Bild an, ist jedoch klarer strukturiert. Die Portugiesen haben sieben Songs kreiert, die hin und wieder von Post-Rock in härtere Metalriffs abdriften. Dabei erinnern JUSEPH in diesen Passagen stark an ältere Werke von THE OCEAN, nur eben ohne den Gesang, auf den sie (wie die meisten „Post-Bands“) gänzlich verzichten. So sind es die Gitarrenmelodien, die ihre teils sehr düsteren Geschichten erzählen. Spätestens wenn „Laki“ anfängt, erinnert der Sound unweigerlich an IF THESE TREES COULD TALK, denn völlig eigenständig ist der Sound von JUSEPH und „Óreida“ nicht. Das muss er aber auch nicht, denn die Umsetzung leidet unter der generellen Emanzipationsschwierigkeit, die das Genre (Instrumental-)Post-Rock beziehungsweise -Metal mit sich bringt. An Ende von „Our Ganges“ baut sich der Sound noch mal unfassbar vielversprechend auf, dreht unerwartet ab, um „Óreida“ nun doch auf geschickte Weise abzurunden. Denn rund ist das, was JUSEPH spielen, definitiv. Drückende Dichte? Haben JUSEPH! Atmosphäre und Ambiente! Absolut! Mächtige Riffs und spannendes Songwriting? Sí claro. Passt! (Wooaaargh) Rodney Fuchs
KÁLA
Synthesis „Es ist an uns, eine Welt zu gestalten, in der wir leben möchten“, sagen KÁLA und machen’s prompt vor: Die Jungs aus Innsbruck legen mit „Synthesis“ eine EP auf den Plattenteller, die ihr ganz eigenes Konstrukt offenbart. Dreamo nennen sie das vehemente Zusammenspiel von ruhigen Momenten und offensiv geschrienen Passagen. Die sechs Songs basieren auf der Lehre der Gegensätze: Energische Rhythmen und rotzige, wenig ausbalancierten Shouts stehen im klaren Kontrast zu verträumten Instrumentalparts, der Stärke dieser EP. Spätestens bei „Interlude“ lässt sich in melodischen Klängen schwelgen. „Synthesis“ ist nach „Antithesis“ und „Thesis“ der letzte Teil einer gelungenen Trilogie. (Through Love) Jeannine Michèle Kock
KALI MASI
Wind Instrument Bereits im Oktober 2017 auf dem amerikanischen Label Take This To Heart Records erschie-
nen, hat das Bremer Label Gunner Records das Debüt von KALI MASI nun pünktlich zur allerersten Europatour noch einmal veröffentlicht, bei der die Band unter anderem auch auf dem Booze Cruise Festival in Hamburg zu Gast war, was bereits den ersten sicheren Hinweis auf den Sound der Chicagoer gibt. KALI MASI spielen technisch versierten Punkrock, der sich nicht durch Geschwindigkeit definiert, sondern durch eine kraftvolle Performance. Texte und Melodien liefern ebenfalls das Potenzial, dass bärtige Männer in Holzfällerhemden auf Shows die Faust die Luft strecken und tolle Zeilen wie in „Some friends“ mitsingen: „You’re not so funny when you’re mean to me /Your black flags fade to gray – The red-blooded blues / When we grow old to know we died young“. Dass das alles vom Konzept her nicht unbedingt taufrisch ist, sollte Fans des Genres nicht abschrecken, denn die Kompositionen sind stark und die Produktion von Jay Maas besitzt ebenfalls die nötige Durchschlagskraft. Gerade wer POLAR BEAR CLUB immer noch schmerzlich vermisst, sollte bei „Wind Instrument“ mal ein Ohr riskieren. KALI MASI verfügen vielleicht nicht über denselben jugendlichen Übermut, trotzdem gelingt es der Band aber durchweg, einen positiven Eindruck zu hinterlassen. (Gunner) Christian Biehl
KNOCKED LOOSE
A Different Shade Of Blue Mehr oder weniger geduldig habe ich auf dieses Album gewartet und bin überglücklich, neue KL-Songs zu haben, um sie totzuhören. Das ist anscheinend a uch nöti g , um mi r e i ne Meinung zu bilden. Generell hat „ADSOB“ einen düsteren Grundton, es ist weniger verzweifeltwütend als seine Vorgänger, es wirkt eher verzweifelt-verwirrt-traurig. Der Sound ist weniger reduziert, es bricht mit all seinen Spuren über einen herein und überfordert vielleicht sogar zunächst, denn es gibt keine Verschnaufpause. Zum angepissten heavy Hardcore, für den wir alle KL so sehr lieben, kommen mehr Death-, Slam,Thrash- und Black-Metal-Einflüsse, außerdem wird die zweite Stimme von Gitarrist Isaac mehr eingesetzt, und das funktioniert außerordentlich gut, da er einen ganz anderen Stil hat als Frontmann Bryan. Ein anspruchsvolles Album, das es dem Hörer nicht so leicht macht. Neben der ersten Single „Mistakes like fractures“ warten noch einige andere Highlights, vor allem „A serpent’s touch“ und „In the walls“ sind erwähnenswert. Ich muss sagen, dass mir die absolute Punktlandung, die jeder Song auf „Laugh Tracks“ und der EP „Pop Culture“ darstellte, fehlt – andererseits kann ich dieses Album jetzt noch länger aktiv hören und auseinandernehmen, bis ich mir einen Nachfolger wünsche. Es bleibt wohl spannend zu sehen, wohin sich KL entwickeln. An alle,
die sie noch nicht kennen: Diskografie am besten in chronologischer Reihenfolge anhören und Fan werden. (Pure Noise) Christina Kiermayer
KRANK Mausetot
Das Booklet der EP zeigt mehr Ex-Mitglieder als aktive. Sieben durchgestrichen, drei nicht. Nach dem EP-Release verlassen zwei weitere die Band. Das ehemalige Quartett ist jetzt ein Duo. Konstanter als die Bandbesetzung ist allerdings der Sound eben dieser 5-Song-EP. Punk sein bedeutet anders zu sein und KRANK schaffen es mit „Mausetot“ sogar ein wenig anders als Punk zu sein. Ebenso hört es sich nicht nach Abschied an. Keine lieblos hingeballerten Lieder, sondern eine Platte mit genau so viel Energie wie bei jeder andere auch. Wie viele Besetzungswechsel kann eine Band überleben? KRANK hatten schon einige und werden uns sicher bald ihre Antwort auf diese Frage geben. (This Charming Man) Joscha Häring
LEAFS
There Is No Threat Fürs Artwork gibt’s erst mal eine Drei minus. Irgendwie kaum vorstellbar, dass in der heute so durchprofessionalisierten Musikwelt noch mit verpixelten Bandbildern und heruntergeladenen OpenSource-Schriften gearbeitet werden muss. Vielleicht sind die Erwartungen allerdings auch mittlerweile viel zu hoch, wer weiß. Besser, sich dann doch auf das Entscheidende zu konzentrieren, also die Musik. Und hey! Die ist gar nicht mal von schlechten Eltern. 22 Minuten Dicke-Hose-Rock mit einer ordentlichen Portion Dreck werden serviert. Klar, da lässt sich einerseits wenig falsch machen. Andererseits wird’s eben auch schnell eintönig. LEAFS umschiffen das Problem ganz gut. Denn spätestens bei den fies groovenden „Gambling for your life“ und „There is no threat“ muss dann einfach mitgenickt werden. Und das ist im Stoner-Rock ja eigentlich schon der Ritterschlag – weil: Kernziel. Textlich ist das Ganze hier und da zugegebenermaßen noch ein wenig platt. Aber an irgendwas muss ja noch gearbeitet werden können. Ordentliches Scheibchen! (DIY) Anton Kostudis
LOST IN KIEV Persona
Allein der Bandname LOST IN KIEV klingt schon wie ein Filmklassiker aus den Achtzigern, den man unbedingt gesehen haben muss. Mit ein bisschen Achtziger-Jahre-Vibe beginnt „Persona“ auch und die Parallele zum Kino scheint nicht unangebracht zu sein. Weite Klangteppiche werden mit elektronischen Elementen aufgebaut, während sich die Instrumente von LOST IN KIEV mit massiver und organischer Produktion über diesen Schleier legen. „Persona“ ist als Konzeptalbum gedacht und trotz instrumentaler Ausführung mit Samples bestückt. Diese erzählen ihre eigene Storyline im Sinne einer filmischen Umsetzung mit eigens kreierten Charakteren. Dabei gelingt es der Band, die Texte auch ohne Sänger
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