ROLAND STRALLER FREE YOUR MIND.
Nach einer sich schier endlos hinziehenden markenrechtlichen Auseinandersetzung mit einem Label für italienische Designermode ist es endlich soweit: Es gibt ein Fuze-Shirt (siehe Seite sechs). Da es uns allerdings zu langweilig war, nur unser Logo auf einen schwarzen Hintergrund zu klatschen, haben wir beschlossen, verschiedene Künstler darum zu bitten, sich mit der wörtlichen Übersetzung von „fuze“ auseinanderzusetzen. Roland Straller, verantwortlich für das Design des ersten Shirts, erklärt uns seinen Entwurf. Die einzige Vorgabe für das Design des T-Shirts war ja, dass es etwas mit dem Themengebiet „Zünder“, „Zündschnur“ oder „Lunte“ zu tun haben sollte. Erläutere doch mal, was du dir bei deinem Entwurf gedacht hast. Die zentrale Frage für mich war: Wie schaffe ich ein fettes Shirt-Design, das die genannte Rahmenbedingung abdeckt, viele Fuze-Leser anspricht und mir die Möglichkeit gibt, meine Themen, also Tierrechte und Veganismus, zu reflektieren. Ich ließ mich in erster Linie von dem gelben Warnschild für Explosionsgefahr inspirieren, wobei mir spontan der Titel „Free your mind“ des gleichnamigen Neunziger-Jahre-Hits von EN VOGUE durch den Schädel geisterte. Dank YouTube lief der Song beim Umsetzen des Design auch mehrmals als Soundtrack und erinnerte mich positiv an meine erste Zeit mit MTV, als ich mich langsam vom herumlungernden Alko-Grunger zu einem Straight-Edge-Hardcore-Kid entwickelte. Ursprünglich wollte ich „leckere Tiere“ aus dem Schädel fliegen lassen, aber es geht bei jeder Revolution und Entwicklung viel mehr darum, das Bewusstsein zu sprengen und eine neue Sichtweise zu entzünden. Die ROLAND STRALLER, geboren am 14. Juli 1978 im bayerischen Schwandorf und aufgewachsen in der oberpfälzischen Provinz, studierte von 1998 bis 2003 Kommunikationsdesign an der FH Nürnberg mit Schwerpunkt Illustration und arbeitet seitdem als freiberuflicher Grafiker und Illustrator – vor allem für den veganen Großhandel AVE sowie den Online-Shop alles-vegetarisch.de. 2006 gründete er zusammen mit DEADLOCK-Schlagzeuger Tobias Graf das vegane Lifestyle-Label Avenging Animals. Er lebt mit Frau Yvonne, Sohn Demian und Tochter Juna Valena in einem Ort namens Dürnsricht-Fensterbach und hört zur Zeit am liebsten ENTER SHIKARI, LONG DISTANCE CALLING und EVERGREEN TERRACE.
Schmetterlinge als bekannte Symbole der Metamorphose, der Befreiung und des Neuanfangs sollen dies verdeutlichen. Denn genau diese Art von Sprengung alter Muster und Gewohnheiten im Kopf erlebte ich am 22. Mai 1999, als ich im Gespräch mit meinem bereits vegan lebenden Freund Tobias Graf mein Essverhalten nicht mehr länger vor mir rechtfertigen konnte und über Nacht zum Vegetarier wurde. Seitdem bestimmt dieses Thema mein freies künstlerisches Schaffen, und ich bin ständig auf der Suche nach neuen Ideen, das paradoxe Verhältnis zwischen „nichtmenschlichen und menschlichen Tieren“ in Konzepten und Bildern zu reflektieren. „Free your mind ... and your stomach will follow!“ Ein Grund, warum ich wollte, dass du ein Fuze-Shirt entwirfst, war die Tatsache, dass du ein Künstler bist, der etwas zu sagen hat. Trotzdem hat mir der erste Entwurf, den du gezeichnet hast – ein fetter König auf einem Thron aus Knochen, der hilflose Tiere in sich hineinstopft –, nicht so recht zugesagt, weil ich fand, dass man das Ganze vielleicht etwas subtiler angehen sollte. Wie denkst du darüber? Kann die Aussage bei einem Thema, das einem so wichtig ist, gar nicht offensiv genug sein? Oder ist es ebenso wichtig, die Leute, die man erreichen will, nicht gleich abzuschrecken? Ich denke, dass alle Wege ihre Berechtigung haben. Ein Shirt allein macht ja noch niemanden zum Vegetarier. Es kommt auf den Repräsentanten und das Vorbild an, das darin steckt. Ein Shirt kann bestenfalls nachdenklich machen und als Einstieg in ein Gespräch über Tierrechte und Veganismus dienen. Ich persönlich fühle mich deshalb auch wohler mit einem Shirt, das Neugierde weckt. Aus meiner Erfahrung mit Aven-
ging Animals weiß ich aber, dass auch offensive und provokante Motive sehr gefragt sind. Jeder Veggie sollte seinen eigenen Weg finden, die tiefe Betroffenheit über das millionenfache Leid der versklavten Tiere in positives und tatkräftiges Engagement zu verwandeln, um andere Menschen für den besseren Weg zu begeistern. Meinen Beitrag zur veganen Revolution sehe ich deshalb in erster Linie darin, kreative „Waffen“ zu schaffen, mit denen sich Veggies identifizieren können, die sie stark und selbstbewusst machen im täglichen Kampf gegen die Ungerechtigkeit. Veganismus ist kein Modetrend, es ist eine Befreiungsbewegung, bei der sich jeder mit seiner Stärke einbringen sollte: Schreibt Texte, macht Musik, schließt euch Tierrechtsgruppen an, organisiert Infotische, kocht ... habt Spaß dabei. Im Laufe unserer E-Mail-Korrespondenz hast du mich auf ein Thema aufmerksam gemacht, über das ich mir noch nie wirklich Gedanken gemacht habe: Viele Bands geben heutzutage kaum noch Merch-Designs in Auftrag, sondern lassen sich einfach ihren Namen auf austauschbare und vorgefertigte Design kopieren. Was hältst du davon? Das beweist für mich eigentlich nur, wie austauschbar und profillos viele Bands auch in ihrer Selbstdarstellung sind. Einige haben schon kapiert, dass man nicht zu jeder neuen CD ein neues Logo braucht oder sogar eine komplett andere Musikrichtung einschlagen sollte. Wenn ich noch einmal für eine – vegane – Band etwas machen sollte, würde ich empfehlen, das gesamte äußere Erscheinungsbild auf eine zentrale Message abzustimmen. Vom CD-Artwork über die Shirts bis zum Button müsste alles eine klare und einheitliche Bildsprache haben – wenigstens bis zum nächsten Album. Vielleicht denke ich da aber auch zu konzeptionell und großspurig, weil meine Wahrnehmung als Grafiker doch sehr selektiv ist. Schließlich fällt es den meisten ja auch gar nicht mehr auf, dass viele Merch-Designs von der Stange kommen und so allgemein gehalten sind wie Shirts von C&A oder Otto – mit irgendwelchen belanglosen Zahlen und Ornamenten drauf ... oder auch schon mal einem Totenkopf, haha. Thomas Renz
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