SMOKE BLOW
Fotos: Arkadiusz Goniwiecha
SO ETWAS ÄHNLICHES WIE HARDCORE. Ursprünglich ist Norman alias MC Straßenköter bei SMOKE BLOW eingestie-
gen, weil Daniel alias Jack Letten „auf der Bühne nicht so außer Puste kommen wollte“. Doch auch in Interviews ergänzen sich die beiden Sänger der Kieler „Schimmel-Rock-Band“ ausgesprochen gut. Schließlich kommen sie ursprünglich aus derselben Szene – und zu der kehren sie mit ihrem neuen Album eindrucksvoll zurück. Stellt euch doch mal gegenseitig vor. MC Straßenköter: Neben mir sitzt Jack Letten alias Daniel Anatol, Sänger und Kopf von SMOKE BLOW. Ich habe ihn schon Jahre, bevor die Band gegründet wurde, als eigenbrötlerischen, nicht immer gut gelaunten, aber doch ... Jack Letten: ... liebenswerten ... MC Straßenköter: ... aber doch liebenswerten und charmanten Menschen kennen gelernt. Jack Letten: Da hast du ja gerade noch die Kurve gekriegt. Okay, jetzt ich. Ich habe MC Straßendöner alias Norman aus Rendsburg zum ersten Mal gesehen, als er etwas teilnahmslos vor der T-Stube stand. Ein Jahr später haben wir uns dann über das Skaten kennen gelernt. Er hat ADS/ADHS, ist aber ansonsten sehr, sehr liebenswert und eloquent. Und manchmal etwas verpeilt ... MC Straßenköter: Das liegt aber auch an dieser Krankheit. Jack Letten: ... aber das liegt an dieser Krankheit. MC Straßenköter: Ich nehme halt diese Tabletten nicht. Jack Letten: Man ist immer wieder überrascht, was er aus seinem Gehirn herauszaubert. MC Straßenköter: Partywissen. Jack Letten: Nein, nein, du bist schon ein sehr schlauer Mensch.
Was schätzt ihr sonst noch aneinander? MC Straßenköter: Ich schätze Lettens Ehrgeiz, sein Gehör und sein Gespür für Melodien. Und seine Ideen, bei denen ich mir oft denke: „Da hätte ich auch drauf kommen können.“ Aber er ist halt immer schneller als ich. Jack Letten: Es ist ja so, dass ich immer das Gesicht von SMOKE BLOW war und von außen als der Obermacker angesehen wurde. Ich rechne es Norman ganz hoch an, dass er sich da über die Jahre durchgebissen hat, obwohl es nicht einfach war, als zweite Geige in die Band einzusteigen. MC Straßenköter: Ja, das stimmt. Jack Letten: Er ist da echt ganz schön mit Kacke beworfen worden. Aber er hat das wirklich stoisch ertragen und sich über die Jahre immer mehr seinen eigenen Stil erarbeitet. Wie hättest du dich denn an Normans Stelle verhalten? Jack Letten: Ich hätte das nicht durchgestanden. Ganz sicher nicht. Der Druck, der da auf ihm lastete, war riesig. Am Anfang kamen dauernd Sprüche wie: „Was soll das denn, Letten? Du brauchst doch keinen zweiten Sänger. Du bist doch ein so geiler Sänger.“ Aber er hat das irgendwie durchgezogen und sich seine Position erkämpft. Er hat über die Jahre immer mehr gemacht und sich weiterentwickelt. Auf der neuen Platte hat er erstmals die Hälfte der
„Ich finde es manchmal echt heftig, dass Kiddies, die weder Hardcore noch Metalcore noch Emocore hören, mit einem Hardcore-Styling rumlaufen. Mit Sachen, die du Ende der Achtziger gesehen hast. Ich sehe das zum Beispiel bei meiner Tochter. Die ist zwölf, trägt enge schwarze Hosen und Vans, aber kann mit der Musik überhaupt nichts anfangen. Aber das wird schon noch kommen. Ich werde ihr das schon noch einprügeln, haha. Als sie noch ganz klein war, habe ich sie schon einmal auf die Bühne geholt, als wir in der Ostseehalle in Kiel im Vorprogramm der ÄRZTE gespielt haben. Davon erzählt sie immer noch. Das hat sie schon beeindruckt. Aber im Moment findet sie alles noch ein bisschen affig. Dieses ganze Getue, WENN DER ALTE VOGEL SICH DA ZUM HORST MACHT.“ Jack Letten alias Daniel alias Horst arbeitet im richtigen Leben als Erzieher in einem Kindergarten.
Gesangsparts übernommen und seine ersten beiden Songs alleine geschrieben. Ich war völlig überrascht, als ich im Studio saß und er seinen ersten eigenen Song eingesungen hat. Ich dachte: „Das kann ja nicht angehen, was zaubert der da raus?“ Er ist mit einer Frische an das Material rangegangen, die ich längst nicht mehr habe, weil ich das schon so lange mache und zu verkopft bin. Und er hat es einfach rausgefeuert. Das hat der neuen Platte viel gebracht. Ihr habt ja schon immer betont, dass ihr aus dem Hardcore der achtziger Jahre kommt, allerdings war das noch nie so offensichtlich wie auf eurem neuen Album. Warum diese nach der letzten Platte doch recht überraschende Rückkehr zu euren musikalischen Wurzeln? Jack Letten: Das mit Hardcore ging bei uns Mitte der Achtziger los. So ’86, ’87, denke ich. Damals war gerade europäischer Hardcore angesagt. Bands wie NEGAZIONE aus Italien, SO MUCH HATE aus Norwegen, CROWD OF ISOLATED aus Deutschland oder HERESY aus England. Das ist die Szene, aus der wir kommen. Wir mussten das irgendwann einfach machen: eine Hardcore-Platte, bei der wir genau diese Einflüsse von Mitte der Achtziger bis Mitte der Neunziger verwursten. Als es damals losging mit den ersten kleinen Metal-Einflüssen im Hardcore, als man damit begann, geschmäcklerisch Metal hinzunehmen, ohne Metalcore zu sein. Wie war das, als ihr damals zum ersten Mal mit Hardcore in Berührung gekommen seid? Gab es so etwas wie ein Schlüsselerlebnis? Jack Letten: Bei mir war es ganz klar ein Konzert von NEGAZIONE. Ich hatte damals einen
18 FUZE
18-19Fuze20.indd 18
10.01.10 20:50