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Du bist kein Gewinner

Verlockendes Angebot trotz unkontrollierbarem Risiko: Die Sportwetten-Branche boomt. Doch hinter den glitzernden Fassaden der Wettanbieter lauert die dunkle Realität, welche eine Menge Gefahren mit sich bringt und dringend unter die Lupe genommen werden muss.

Text • Lennard Burghardt

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Illustration • Marie Juchems

Der erste Kontakt

Wochenende. Wohnzimmer. Gemütliches Sofa. Fernseher an. Sky. Bundesligakonferenz. Noch ein Werbeblock. Und Bum! Auf einmal hörst du epische Musik. Junge, stylische Männer fahren in teuren Autos durch das rot-verregnete Bild. Eine tiefe Stimme motiviert dich und sagt dir, dass auch du dabei sein kannst. Mach dich zum Original. Sei Teil des Spiels und werde wie sie, ein Gewinner. Die Tipico-Werbung ist nur ein Beispiel, der zahlreichen Unternehmen, um die man bei Sport-Übertragungen nicht herumkommt. Lothar Matthäus will dich zu Inter-Wetten locken, Laura Wontorra sagt dir, wie professionell NEObet sei und Frederik Lau konfiguriere seine Wette bei bet365. Sie sind überall. Doch wann hat das übermäßig aggressive bewerben der Sportwetten-Industrie angefangen und wer sind ihre Kunden*innen? Wie gefährlich ist die Branche für unsere Gesellschaft?

Der Elefant im Raum

Acht Millionen Nutzer*innen und ein Gesamtumsatz des Sportwettenmarktes im Jahr 2021 von 9,4 Milliarden Euro. Innerhalb eines Jahres stieg dieser, laut Statista, durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag um 20,7 Prozent. Die Branche boomt. Der Staat macht sich ebenfalls die Taschen voll. Aber zu welchem Preis?

Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2020 haben etwa 326.000 Menschen der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland ein problematisches Spielverhalten. Und mit der aktuellen Werbetrommel wird das nicht weniger werden. Der emotionale Kick, die

Unvorhersehbarkeit, die durchgängige Verfügbarkeit oder auch die Flucht aus dem Alltag sind Gründe für das Platzieren einer Wette.

Auch Timo (31), Familienvater aus Hannover, kennt das. „Es ist einfach ein cooler Nervenkitzel, wenn du mit deinen Jungs samstags Bundesliga schaust.“ Er selbst spielt seit elf Jahren bei Tipico. Momentan setzt er 200 Euro im Monat. Jeder aus seinem Freundeskreis wettet hin und wieder. Abends nach dem Fußballtraining wird mit seiner Truppe philosophiert. „Was sind die besten Quoten, wer setzt wie viel? Das ist schon spannend.“ Das Wetten ist in weiten Kreisen der Gesellschaft völlig akzeptiert und hat ein viel besseres Image, als sich beispielweise an einen Spielautomaten zu setzen. So wird aus dem sensiblen Themen Sucht und Sportwetten Normalität.

Woher kommt der Hype?

Die Gründe für den Hype um Sportwetten sind zunächst recht simpel. Die Kombination aus der Chance, Geld zu gewinnen und der Faszination für Sportereignisse, führt zu einer attraktiven Beschäftigung für viele Menschen in Deutschland. Trügerisch ist dabei vor allem die Annahme, man hätte mit dem eigenen Wissen einen Vorteil, wodurch ein Gewinn als wahrscheinlicher empfunden wird, als er eigentlich ist. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit ist die zunehmende Verfügbarkeit von Online-Wettplattformen in den letzten Jahren. Entspannt vor dem Fernseher sitzend, ist die nächste Wette nicht weit entfernt. Für ein bisschen mehr Spannung werden auch mal ein paar Euros investiert.

In Deutschland haben laut des Marktforschungsinstituts Forsa im Jahr 2020 etwa acht Millionen Menschen in Deutschland an Sportwetten teilgenommen. Die genaue Anzahl ist allerdings schwer zu bestimmen und wahrscheinlich höher, da viele Wetten online oder im Ausland platziert werden, wo sie nicht erfasst werden. Hier können wir das erste Problem der Branche bestimmen: Die Intransparenz.

Der Wandel

Um zu verstehen, wieso wir mit so viel Werbung für die Branche konfrontiert werden, lohnt es sich, einen Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zu werfen. Bis Mitte 2021 galt in Deutschland der Glücksspielstaatsvertrag von 2012, der private Anbieter weitgehend verbot. Als unbeteiligte Person,

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